Die Frau von Malmö

Es wird erzählt, dass der Fluch auf dem Hof Malmö im Skagefjord lastete, dass niemand länger als zwanzig Jahre dort aushalten könne.

Zur Zeit des Pfarrers Halvdan Einarsson wohnte auf diesem Hof ein Bauer, mit Namen Jon. Er hatte sich als junger Mann auf Malmö niedergelassen und nie einen anderen Hof bewirtschaftet, und nun waren die zwanzig Jahre um, während deren er sich dort ohne Gefahr aufhalten konnte; da er aber ein mutiger Mann und nicht sehr abergläubisch war, und da er außerdem den Hof von seinem Vater geerbt und immer gute Tage gesehen hatte, wollte er ihn nicht verlassen, und das einundzwanzigste Jahr verging, bis kurz vor Weihnachten, ohne dass etwas Merkwürdiges geschah.


Am Tage vor Heiligabend aber verschwand die Frau von Malmö, ohne dass jemand entdecken konnte, wo sie geblieben war, obgleich man weit umher suchte. Der Bauer Jon nahm sich das sehr zu Herzen und wollte sich Gewissheit darüber verschaffen, wie das Verschwinden seiner Frau zu erklären sei. Er zog daher zu Pfarrer Halvdan nach Fell, und als er dort angekommen war, wünschte er den Pfarrer zu sprechen, und dann erzählte er ihm seine Not. Der Pfarrer sagte, dass er ihm schon verraten könne, was aus seiner Frau geworden wäre, und wo sie geblieben sei, es würde ihm aber nichts nützen, das zu erfahren, denn von nun ab würde er keine Freude mehr an seiner Frau haben. Der Bauer fragte, ob er es so einrichten könne, dass er seine Frau zu sehen bekäme. „Denn sehr würde mein Gemüt erleichtert werden, wenn ich sie sehen und erfahren könnte, wo sie ist,“ sagte er. Der Pfarrer erwiderte, dass er diese Bitte nicht gern erfülle, er müsste es aber wohl doch tun, da er so sehr darum bäte, und er bestimmte, dass er an dem und dem Tage wiederkommen sollte, wenn alle zu Bett gegangen wären. Da kehrte der Bauer wieder nach Hause zurück und fand, dass die Dinge jetzt eine bessere Wendung für ihn genommen hätten.

Als er an dem bestimmten Tage nach Fell kam, war der Pfarrer schon gerüstet und reisefertig. Der Bauer sah ein graues, aufgezäumtes Pferd nördlich vom Kirchhof stehen; der Pfarrer ging zu ihm hin, bestieg es und gebot dem Bauern, sich hinter ihn zu setzen. „Hüte dich aber, ein einziges Wort zu sprechen,“ sagte der Pfarrer, „was du auch zu sehen bekommst, und was auch geschieht; denn verstößt du dagegen, so gilt es dein Leben!“ Der Pfarrer ritt nun davon, den Bauern hinter sich, und dieser wunderte sich schier über den rasenden Lauf, in dem das Pferd dahinsauste. Sienahmen den kürzesten Weg außerhalb Daletaa und Sigtunäs und steuerten geradeswegs Olafsfjordsmule zu: dem Bauern wurde dabei etwas wunderlich zumute, und einmal, als es einen Ruck in dem Pferde gab und es sich tief duckte, erschrak er und stieß einen Schrei aus. Da rief der Pfarrer laut: „Wir haben einen Felsen gestreift, jetzt halt aber das Maul,“ und das ist seit jenem Tage eine Redewendung geworden, wenn Pferde stolpern und den Halt verlieren. Es wird nichts weiter von ihrem Ritt erwähnt, bis sie nördlich Olafsfjordsmule ans Land kamen, an die mächtigen und steilen Felsen, die dort sind. Der Pfarrer und der Bauer stiegen vom Pferd, worauf der Pfarrer an den Berg ging und einen kleinen Stab hervorholte, mit dem er auf den Berg schlug.

Nach einer Weile öffnete sich der Berg, und heraus traten zwei blaugekleidete Huldreweiber, die Jons Frau zwischen sich führten. Sie war ganz unkenntlich geworden und ähnelte sich selbst nicht mehr. Ihr Gesicht war aufgedunsen und blau, und ihr ganzes Aussehen war das eines Trollweibes; auf ihrer Stirn stand ein Kreuzeszeichen, das ihre ursprüngliche Hautfarbe hatte, und Pfarrer Halvdan erklärte später, wenn er darüber befragt wurde, dass dies das einzige Zeichen sei, das sie von ihrem früheren Dasein behalten hätte.

Als die Frau aus dem Berge herausgetreten war, sagte sie: „Du bist also hergekommen, Jon. Was willst du denn?“ Der Bauer war stumm geworden, der Pfarrer aber fragte ihn, ob er seine Frau mit zurücknehmen wolle, oder ob er ihr sonst etwas zu sagen hätte; darauf antwortete der Bauer „Nein“. Der Pfarrer wies dann die Weiber wieder in den Berg hinein, verschloss ihn hinter ihnen und drückte die Tür gehörig in die Öffnung hinein, damit diese Weiber niemandem mehr irgendeinen Schaden zufügen könnten. Später aber hat Pfarrer Halvdan selbst gesagt, dass er nicht alle Ritzen zugestopft hätte, denn nie habe er beabsichtigt zu verhindern, dass jemand hineinkomme, wohl aber, dass jemand herauskäme. Von dieser Zeit ab wird die Stelle an der Nordseite der Olafsfjordsmule, wo Pfarrer Halvdan den Berg aufschloss, Halvdanstor genannt. Glaubwürdige Leute erzählen, dass sie rot in der Farbe sei, und dass sie nicht wie der übrige Teil des Berges aussieht, und dass besonders unten ziemlich große Risse sind, nämlich die, an denen der Pfarrer nichts tun wollte.

Der Bauer und der Pfarrer kehrten auf demselben Wege, den sie gekommen waren, wieder zurück und erreichten Fell, ehe die Leute aufgestanden waren. Sie stiegen vom Pferd, nördlich vom Kirchhof, an derselben Stelle, an der sie aufgestiegen waren, und der Pfarrer zäumte das Grauchen ab. Als er ihm aber den Zaum abgenommen hatte, schlug er ihm damit auf die Lende; der Graue wurde wütend und schlug mit dem Hinterfuß nach dem Pfarrer; dieser aber sprang zur Seite, und der Schlag traf die Kirchhofumzäunung, in der eine Öffnung durch den Pferdehuf entstand, die man, nach der Aussage der Leute, nie wieder hat in Ordnung bringen können, wie man auch versucht hat, sie auszufüllen.

Es wird auch erzählt, dass von diesem Tage ab niemanden auf Malmö ein Unglück betroffen habe; es hat aber auch niemand gewagt, länger als zwanzig Jahre dort zu wohnen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen