Die Sage von Jon Asmundson

Es war einmal ein armes Ehepaar. Es wohnte im Borgarfjord, und der Mann hieß Asmund. Sie hatten viele Kinder, die alle noch klein waren. Es wird nicht gesagt, wie die Kinder hießen, nur dass der älteste Junge Jon hieß. Es war damals eine schwere Zeit im Lande. Der Bauer Asmund musste von Haus und Hof gehen, und die Kinder wurden auf verschiedene Höfe verteilt, um Unterhalt und Erziehung zu erhalten.

Um diese Zeit lebte ein Pfarrer in Reykjavik, der Kristian hieß; er nahm Jon Asmundsson als Pflegesohn zu sich, und bei ihm wuchs Jon auf. Jon war ein hübscher Junge und stärker als seine übrigen Altersgenossen; er war ruhig von Natur, sprach wenig und war sehr fleißig. Der Pfarrer liebte ihn sehr, und alle Leute auf dem Hofe hatten ihn gern.


Da geschah es eines Sommers, wie häufig, dass ein Handelsschiff nach Reykjavik kam. An Bord befand sich ein ausländischer Kaufmann, aber wie er hieß, wird nicht erzählt. Er trieb viel Handel, unter anderem auch mit dem Pfarrer Kristian. Einmal, als der Pfarrer draußen auf dem Schiffe des Kaufmanns war, kam das Gespräch auf starke Männer. Der Kaufmann, der groß und kräftig war, ging an eine Stelle, an der vier Sack Roggen zusammengebunden lagen, hob sie auf und versprach dem Manne drei Mark Gold, der es ihm gleichtun würde, es war aber niemand da, der sich auf diese Kraftprobe einzulassen wagte. Als der Pfarrer nach Hause kam, erzählte er seinem Pflegesohn, Jon Asmundsson, was der Kaufmann versprochen hatte, und bat ihn zu versuchen, was er konnte. Jon machte nicht viel Worte, sagte jedoch, dass er es versuchen würde. Da erzählte der Pfarrer dem Kaufmann, dass ein Mann gekommen sei, der das Geld verdienen wolle. Da führte der Kaufmann Jon dorthin, wo die Getreidesäcke lagen. Jon nahm sie und warf sie auf die Schulter, trug sie auf dem Deck hin und her und legte sie wieder auf dieselbe Stelle nieder. Der Kaufmann verfärbte sich, wog jedoch das Gold ab und bezahlte es. Der Pfarrer und Jon machten sich nun bereit, das Schiff zu verlassen, während sie aber von dem Kaufmann Abschied nahmen, bat dieser Jon, ihn zu besuchen, ehe er davonsegelte, was Jon auch versprach. Sie zogen heimwärts, und der Pfarrer war froh über den Erfolg ihres Ganges. Jon aber tat, als ob nichts geschehen sei.

Eines Tages, ehe der Kaufmann fortsegelte, erinnerte der Pfarrer Jon daran, dass er jenen besuchen wollte. Da stattete Jon ihm seinen Besuch ab, und der Pfarrer begleitete ihn. Der Kaufmann nahm sie rechtschaffen auf und bat Jon, mit in die Kajüte zu kommen. Der Pfarrer wollte mitgehen, der Kaufmann aber sagte, dass sie nichts miteinander zu verhandeln hätten. Der Pfarrer erwiderte, dass es nicht geschähe, um eine Störung bei ihrer Zusammenkunft zu verursachen, und das Ende war, dass er ihnen in die Kajüte folgte. Dort sagte der Kaufmann zu ihnen, dass sie noch nicht miteinander fertig wären; denn im nächsten Sommer würde er einen Burschen mitbringen, mit dem Jon ringen sollte, und bliebe er Sieger im Kampf, so sollte er zehn Mark Gold bekommen. Dann nahmen sie Abschied voneinander, und kurz darauf segelte der Kaufmann fort.

Nun verstrich eine Zeit ruhig. Im folgenden Winter fragte der Pfarrer einmal Jon, ob er sich dessen erinnere, was ihm der Kaufmann beim Abschied gesagt habe; Jon erwiderte, dass er nur selten daran denke. Da sagte der Pfarrer, dass es für sie am besten sei, an einen Ausweg zu denken; denn der Bursch, mit dem der Kaufmann ihn ringen lassen wollte, wäre kein richtiger Mensch, sondern einer der schlimmsten Mohren, jedoch würde er, der Pfarrer, einen Ausweg für ihn finden; sie müssten sich bereit halten, wenn drei Wochen des Sommers vergangen wären, denn dann würde der Kaufmann in den Hafen einlaufen. Jon nahm sich diese Sache nicht weiter zu Herzen.

Als genau drei Wochen des Sommers vergangen waren, kam eines Tages ein Schiff vom Meere her und segelte nach Reykjavik hinauf. Der Pfarrer ging zu Jon, erzählte ihm, was nun bevorstände, bekleidete ihn mit einem schwarzwollenen Wams und spannte ihm einen Gürtel um den Leib; dann gab er ihm einen kleinen, scharfen Dolch, den er im Wamsärmel verbergen sollte. Er sagte, dass er nicht daran denken könnte, den Griffen des Mohren zu widerstehen, dass dieser ihn im ersten Gang über den Kopf werfen würde, er versprach aber, schon aufzupassen, dass Jon auf die Füße zu stehen käme, und dann sollte er den Mohren auffordern, den lodenen Mantel, den er anhätte, auszuziehen, inzwischen aber den Dolch zurechtlegen, um ihn bei der Hand zu haben, wenn der Mohr zum zweiten Mal auf ihn einstürmte. Kaum hatte das Schiff Anker geworfen, als ein Boot von dem Schiff abstieß und ein riesenhafter Mohr, mit einem lodenen Mantel bekleidet, ans Land gesetzt wurde. Der Pfarrer und Jon standen unten am Flutmesser. Der Mohr rannte sofort auf Jon zu, packte ihn und schwang ihn in die Höhe, Jon aber fiel wieder auf die Füße. Da forderte er den Mohren auf, den lodenen Mantel auszuziehen, damit sie sich im Ringkampf messen könnten. Der Mohr tat das, inzwischen aber legte Jon seinen Dolch zurecht, und als der Mohr zum zweiten Mal auf ihn losstürzte, lief er herzu und bohrte ihm den Dolch in den Leib. Der Ringkampf zwischen ihnen dauerte noch eine Weile, und der Mohr hätte ihm übel mitgespielt, wenn sein wollenes Wams nicht die Stöße aufgefangen hätte. Das Ende ihres Kampfes war, dass Jon den Mohren zu Boden schlug. Darauf ruderte er mit dem Pfarrer an das Schiff und begrüßte dort den Kaufmann. Der Pfarrer sagte, dass Jon nun das Geld verdient hätte, da der Mohr auf dem Kampfplatz liegen geblieben sei; der Kaufmann aber war äußerst aufgebracht und sagte, dass sie eine Hinterlist gebraucht, aber nicht Mut und Beherztheit gezeigt hätten. Der Pfarrer erwiderte, dass in diesem Falle Gleich gegen Gleich stände, denn es wäre kein richtiger Mensch, den der Kaufmann zum Ringkampf geschickt hätte. Schließlich aber gab dann der Kaufmann das Geld, indem er Jon bat, ihn wieder zu besuchen, ehe er, gegen Ende des Sommers, das Land wieder verlasse.

Alles blieb beim Alten, bis der Kaufmann fortsegeln wollte; da erinnerte der Pfarrer Jon daran, dass der Kaufmann einen Besuch von ihm verlangt hätte, und sagte, dass er selbst mitkommen würde, um bei ihrer Begegnung anwesend zu sein. Sie fuhren nach dem Schiff hinaus und begrüßten den Kaufmann, der den Gruß erwiderte und Jon bat, mit ihm beiseite zu gehen. Jon erfüllte seinen Wunsch, der Pfarrer aber folgte ihnen auf den Fersen. Da sagte der Kaufmann, dass es ihn nichts anginge, was Jon und er miteinander zu besprechen hätten; darauf erwiderte der Pfarrer, dass er nicht im Sinne hätte, ihr Gespräch zu stören, er wolle jedoch in der Nähe seines Mannes sein. Diesmal sagte der Kaufmann, dass er im nächsten Sommer ein junges Hündchen mitbringen wolle, an dem Jon seine Kräfte messen solle; besiege er es, so solle er fünfzehn Mark Gold bekommen. Dann trennten sie sich. Der Sommer verging und ein gut Stück vom Winter, ohne dass Jon von diesen Dingen sprach.

Da fragte ihn der Pfarrer einmal, ob er je an die Worte des Kaufmanns denke. Jon antwortete „Nein“; der Pfarrer aber sagte, dass das Eintreffen des Kaufmanns im nächsten Sommer nichts Besseres bringen würde als früher; er würde angesegelt kommen, wenn ein halber Monat des Sommers um wäre, das Hündchen aber, an dem er gedächte Jon seine Kräfte messen zu lassen, sei ein großer und grimmiger Bluthund, weshalb sie versuchen müssten, sich irgendeine List auszudenken. Jon bat den Pfarrer, sich diese für ihn auszudenken.

Als ein halber Monat des Sommers um war, erschien ein vom Meere kommendes Schiff. Der Pfarrer rief Jon zu sich und zeigte ihm dasselbe schwarzwollene Wams, das er ihn im Sommer zuvor hatte anziehen lassen. Der Pfarrer hatte es mit dicken Tauen umflochten, ehe er es ihm wieder anzog. Dann reichte er ihm eine eiserne Waffe, wie eine Hellebarde geformt und mit Zacken an der Spitze, steckte dann ein Stück Fleisch darauf und gebot Jon, sie in der Hand zu halten und zu versuchen, so an den Hund heranzukommen, dass dieser nach dem Fleisch schnappte; dann aber sollte er ihm das Eisen in den Rachen stoßen. Darauf gingen sie an die See, und kaum hatte das Schiff Anker geworfen, als der Hund ans Land gelassen wurde. Es war ein großer Hund, und grimmig sah er aus. Jon ging ihm entgegen; da fuhr er mit großer Wildheit auf ihn zu und wollte ihn zerfleischen; das Wams aber beschützte ihn, so dass er keinen Schaden davontrug. Jon wich den Angriffen des Hundes so gut wie möglich aus und hielt das Fleischstück vor sich, und schließlich kam es so, dass der Hund das Maul darüber aufriss, während Jon ihm die Waffe mit aller Kraft in den Schlund stieß und damit nicht im geringsten nachließ, wie toll er sich auch gebärdete; des Wamses wegen konnte der Hund Jon nicht den geringsten Schaden tun, und schließlich lag er tot auf dem Platz. Dann fuhren sie zu dem Kaufmann hinaus und begrüßten ihn. Er erwiderte ihren Gruß mürrisch und war schwarz und geschwollen im Gesicht und verbarg seinen Zorn, soweit es in seiner Macht stand. Der Pfarrer sagte, dass Jon jetzt das Geld verdient habe, das ihm der Kaufmann im vorigen Sommer zur Belohnung versprochen hätte. Der Kaufmann aber fand, dass das wohl fraglich sei, da er ja mehr List als Tapferkeit gebraucht habe. Der Pfarrer aber erwiderte, dass sich der Kaufmann diesmal am schändlichsten gezeigt habe, da er ihnen ein so wildes Tier auf den Hals gehetzt habe. Da bezahlte der Kaufmann das Geld, indem er ihn bat, bei ihm vorzusprechen, ehe er diesen Sommer fortsegele.

Dann kam die Zeit, um die der Kaufmann fortsegeln wollte, und der Pfarrer sagte zu Jon, dass er sich an des Kaufmanns Worte erinnern müsste, dass er aber Jon zu der Begegnung begleiten wolle. Sie fuhren hinaus und trafen den Kaufman an. Sogleich bat dieser Jon, mit ihm in die Kajüte zu gehen. Der Pfarrer wollte folgen, der Kaufmann aber sagte, dass er es unterlassen solle, er hätte dort nichts zu suchen. Der Pfarrer aber antwortete, dass Jon sein Bursche sei, und dass er keinen Schritt gehen würde, ohne dass er, der Pfarrer, ihn begleite. Da gab der Kaufmann nach, und sie gingen nun alle drei in die Kajüte. Als sie dort angekommen waren, holte der Kaufmann ein Buch von einem Regal herunter, schlug es auf und nahm ein loses Blatt heraus, das er schnell vor Jons Augen hin und her bewegte, als wenn er nicht wollte, dass der Pfarrer es sehen sollte; diesem jedoch gelang es, einen Schimmer davon zu sehen, ohne dass der Kaufmann es merkte. Dann legte der Kaufmann das Blatt wieder an seinen Ort zurück und sagte, dass Jon ihm im nächsten Sommer das Buch, zu dem dieses Blatt gehöre, bringen solle, oder den Namen, ein Hasenfuß zu sein, auf sich nehmen müsse; brächte er ihm aber das Buch, so würde er ihm dreißig Mark Gold aus: wiegen. Dann nahmen sie Abschied voneinander, und der Pfarrer und Jon kehrten nach Hause zurück, der Kaufmann aber stach sofort in See.

Als nun nur noch eine Woche des Sommers übrig war, sprach Pfarrer Kristian mit Jon und fragte ihn, was er wohl zu dem Auftrag meine, den der Kaufmann ihm zugedacht habe. Jon erwiderte, dass er nichts darüber denke. Der Pfarrer fragte ihn, ob er wüsste, was das für ein Blatt gewesen wäre, das der Kaufmann ihm gezeigt hätte. Jon aber antwortete „Nein“. Da sagte der Pfarrer, dass es nicht weiter merkwürdig sei, wenn er es nicht wüsste; denn es wäre ein Blatt aus des Teufels Handbuch gewesen; und nun hätte der Kaufmann ihm die gefährliche Aufgabe zugedacht, es aufzufinden, das aber sei kein Spaß. Dann sagte er, dass er einen Bruder habe, der Pfarrer in der Unterwelt sei, und nur er würde Jon in dieser Angelegenheit helfen können, des Teufels Handbuch ausfindig zu machen, auf andere Weise würde es nicht gehen. Jon sollte sich nun sofort bereitmachen, sich nach der Unterwelt zu begeben, um seinen Bruder zu besuchen, und er müsste dort am ersten Wintertag hinkommen und den Winter über dableiben.

Nun machte sich Jon zur Wanderung bereit, und als alles fertig war, gab ihm der Pfarrer einen Brief an seinen Bruder mit und ein Garnknäuel, dass ihm den Weg weisen sollte; er wünschte ihm eine glückliche Wanderung und warnte ihn vielmals, sich irgendwo auf seinem Weg umzusehen, auch dürfte er den ganzen Winter über in der Unterwelt kein einziges Wort sprechen; Jon aber sagte, dass ihm das ein Leichtes sein würde.

Dann machte sich Jon auf den Weg, warf das Knäuel von sich, behielt aber das Ende des Fadens in der Hand. Das Knäuel rollte eine ganze Zeit vor ihm her, bis er an einen Berg nördlich von Reykjavik gekommen war, an dem die Öffnung einer Höhle zu sehen war; dort rollte das Knäuel in den Berg hinein, und er folgte ihm. Der Gang innen war dunkel und uneben, und Jon begann Bedenken zu hegen, die Wanderung fortzusetzen, aber um o stärker zog das Knäuel, und er ermannte sich dann wieder. So ging er einen weiten Weg, bis es plötzlich hell wurde. Da erblickte er vor sich eine anmutige Ebene, über die das Knäuel eine Zeitlang rollte, bis er in eine große Stadt mit prachtvollen Gebäuden kam. Dort hielt das Knäuel an einer Tür inne, worauf Jon es vom Boden aufhob.

Er klopfte an die Tür, und ein junges Mädchen trat heraus. Es war gut gekleidet, aber ohne jeden Prunk, sittsam in ihren Manieren, und die schönste Jungfrau, die Jon je gesehen hatte. Jon verbeugte sich vor ihr und reichte ihr den Brief, den sie schweigend nahm. Auch nahm sie das Knäuel und ging mit beiden ins Haus hinein. Nach einer kleinen Weile kam dasselbe Mädchen wieder heraus, von einem zweiten begleitet, das jünger war; sie betrachtete Jon und verschwand wieder in das Haus hinein. Das erste Mädchen aber nahm Jon bei der Hand und führte ihn durch ein paar Gänge in eine Kammer, in der ein kleiner Tisch, eine Bank, ein Stuhl und ein Bett standen; dann ging sie fort, aber sogleich brachte sie ihm Essen und deckte den Tisch.

Das Weitere kann nun gleich erzählt werden: Jon blieb lange dort und glaubte, dass es schon mitten im Winter sei; er sah keinen anderen Menschen als dasselbe junge Mädchen, das jeden Tag zu ihm kam und ihm den Tisch deckte und das Bett machte. Nie sprachen sie miteinander, und nie hörte er menschliche Stimmen.

Da geschah es eines Tages, dass ein hübscher, großer und wohlgewachsener Mann zu ihm hereinkam. Das war der Pfarrer der Unterwelt, Pfarrer Kristians Bruder. Er war in ein langes, schwarzes Gewand gekleidet; er bot Jon Guten Tag, und es lag Milde in seiner Stimme. Jon schwieg. Der Pfarrer fragte ihn, ob er wüsste, wie weit die Zeit vorgeschritten sei. Jon aber schwieg. Da sagte der Pfarrer: „Du hast gut daran getan, Jon, bei deinem Schweigen zu beharren; denn aus diesem Grunde ist dein Auftrag gut gelungen, und du wirst für deine Selbstbeherrschung belohnt werden, heute aber ist der erste Sommertag, und darum darfst du sprechen.“ Darüber war Jon sehr froh. Der Pfarrer sagte, dass er sich nun auf den Heimweg begeben solle, und dass er nicht länger zögern dürfe; denn diesmal würde der Kaufmann kommen, wenn eine Woche des Sommers um wäre. Dann gab ihm der Pfarrer ein Buch und bat ihn, es gut zu hüten und es seinem Bruder zu bringen, es würde aber nicht lange dauern, bis es der Eigentümer vermisste und holte, wenn es erst in den Händen des Kaufmanns wäre. Darum, sagte er, sollte ihm sein Bruder die ganze Ladung abkaufen und sie ans Land bringen lassen, ehe er ihm das Buch gäbe. Der Pfarrer bat Jon, seinem Bruder einen Gruß zu bringen, bot ihm dar: auf Lebewohl, sagte aber, dass seine Tochter ihn auf den Weg bringen und ihm zeigen werde, wie er sich nach Hause finden könne. Das Mädchen kam also und brachte ihn auf den Weg. Es war dasselbe Mädchen, das ihm im Winter Tisch und Bett besorgt hatte. Sie gingen Hand in Hand miteinander, es wird aber nicht erzählt, was sie zusammen sprachen, bis sie plötzlich stehen blieb und sagte, dass sie nun nicht weitergehen könne, es wäre jetzt aber auch leicht, das Stück Weges, das noch übrig sei zu finden. Sie sagte, dass sie scheiden müssten, wenn es auch ihrem Herzen schwerfiele, denn sie könnten doch nicht zusammenbleiben und Freude miteinander haben, da er ja nicht in der Unterwelt leben könne und sie nicht auf Erden. „Aber“, sagte sie, „ich will dir nicht verhehlen, dass ich ein Kind erwarte, und ich will dir das Kind senden; sollte es ein Junge werden, wenn es sechs Jahre alt ist, wenn es aber ein Mädchen wird, dann, wenn es zwölf Jahre alt ist; vieles hängt davon ab, ob du das Kind gut aufnimmst.“ Nachdem sie das gesagt hatte, reichte sie ihm das Knäuel, sagte aber, dass er es nicht brauche, um den Weg zu finden, er solle sich nur nach ihren Anweisungen richten. Dann sagten sie sich kummervoll Lebewohl; denn es fiel ihnen schwer zu scheiden. Er ging nun den Weg, den sie ihm gezeigt hatte; er war weder schwierig noch gefährlich, aber er wusste selbst nicht recht, wie und wo er zwischen den beiden Welten wanderte. Gegen Ende der ersten Sommerwoche kam er in Reykjavik an, wo der Pfarrer ihn mit Freude empfing und fand, dass er seinen Auftrag gut erledigt hätte, als Jon ihm den Gruß seines Bruders brachte und ihm das Buch gab.

Kurz darauf segelte der Kaufmann in den Hafen ein, und der Pfarrer stattete ihm sogleich einen Besuch ab; kühl aber waren die Grüße, die sie mit einander wechselten. Der Pfarrer erzählte dem Kaufmann, dass ein Missjahr im Lande wäre, und dass ein großer Mangel an Lebensmitteln herrsche, weshalb er ihn bäte, ihm die Schiffsladung zu verkaufen; und darüber wurden sie handelseinig. Vor Ablauf dreier Tage war die ganze Ladung an Land gebracht. Als das geschehen war, fuhren der Pfarrer und Jon zu dem Schiff hinaus, und der Kaufmann fragte dann Jon sofort, wie es ihm mit seinem Auftrag ergangen sei. Jon erwiderte, dass er ausgeführt sei. Darauf reichte der Pfarrer dem Kaufmann an Jons Stelle das Buch; sehr unangenehm aber war dieser überrascht, als er sah, dass es das richtige Buch war. Der Pfarrer bat ihn nun, das Geld auszuzahlen, das er Jon versprochen habe, und das tat der Kaufmann auch. Dann boten sie ihm Lebewohl und stiegen in ihr Boot hinunter; kaum aber waren sie ans Land gekommen, als die See sehr unruhig wurde; ihre Blicke fielen auf das Wasser, wo das Schiff gelegen hatte, da aber war es verschwunden, und später wurde es nie mehr gesehen.

Nun war großer Reichtum im Pfarrhofe. Das nächste halbe Jahr verging, und Jon blieb bei dem Pfarrer. Immer war er den Leuten verschlossen vorgekommen, jedoch nie so, wie nachdem er aus der Unterwelt zurückgekehrt war. Da sprach einmal der Pfarrer mit ihm darüber, was ihm fehle, und sagte, dass er ahne, weshalb er so wortkarg umherginge; weil ihm nämlich die Tochter seines Bruders da unten in der Unterwelt so gut gefallen hätte. Jon aber erwiderte nichts darauf. Pfarrer Kristian hatte drei Töchter, wie sie aber hießen, wird in dieser Sage nicht erzählt. Der Pfarrer sagte, dass er Jon diejenige von seinen Töchtern geben wolle, die er sich wünsche, wenn sein Gemüt dadurch erheitert werden könne. Jon wählte schließlich die jüngste Tochter zur Frau, und der Pfarrer verheiratete sie miteinander. Er schenkte den Eheleuten einen der besten Höfe in der Nachbarschaft zum Bewohnen, und dorthin zogen sie und schlugen ihr Heim auf. Sie lebten in Eintracht miteinander und hatten Reichtum genug. Trotzdem aber war Jon still und traurig.

Nun vergingen viele Jahre, und die Eheleute bekamen viele Kinder zusammen. Da klopfte es einmal an der Tür zu Jons Hof, während alle Leute in der Badstube waren. Der Bauer sandte einen seiner Söhne, der damals sechs Jahre alt war, an die Tür. Als der Knabe wieder hereinkam, erzählte er, dass draußen ein wunderschönes, kleines Mädchen stände, das ihn freundlich begrüßt und ihn gebeten hätte, drin zu sagen, dass es mit seinem Vater sprechen wolle. Bei diesen Worten huschte es wie ein Sonnenstrahl über Jons Gesicht, er erhob sich sofort und ging hinaus. Das kleine Mädchen küsste ihn und begrüßte ihn mit dem Namen Vater, er aber empfing es mit großer Herzlichkeit und Freude.

Es erzählte, dass es von seiner Mutter, der Pfarrerstochter aus der Unterwelt, geschickt sei, von der es ihm einen liebevollen Gruß bringe. Jon führte es sogleich zu seiner Frau, mit der er von der Herkunft des Kindes sprach, und von der großen Verpflichtung, die er ihm gegenüber hätte, und bat sie, wie eine Mutter gegen es zu sein, wie für ihre anderen Kinder. Da nahm es die Frau sehr liebevoll auf. Sigrid hieß das kleine Mädchen; es war zwölf Jahre alt, als sich dies ereignete. Es zeichnete sich vor den meisten durch seine große Schönheit und allerlei andere Tugenden aus. Als Sigrid drei Jahre bei ihrem Vater und in dieser Zeit Gegenstand vieler Auszeichnung und Liebe gewesen war, bat sie ihn einmal um die Erlaubnis, ihre Mutter besuchen zu dürfen, was er ihr auch freundlich gewährte, indem er sagte, dass sie bei ihrer Mutter gern ein ganzes Jahr bleiben dürfe, wenn sie wolle.

In dem Jahre darauf kehrte Sigrid zu ihrem Vater zurück, der sie ebenso liebevoll wie früher empfing.

Sie überbrachte ihm den letzten Gruß ihrer Mutter, die, wie sie erzählte, gestorben wäre, schon ehe sie die Unterwelt verlassen hätte. Zugleich brachte sie auch die Botschaft, dass Jon sie nur um einen Monat überleben würde. Es schien, als ob Jon diese Botschaft eher freute, als dass sie ihn betrübte, und nicht die kleinste Veränderung war ihm dabei anzumerken.

Jon traf nun feste Bestimmungen über seine Habe, und in seinem letzten Willen setzte er seine Tochter Sigrid als Erbin des Hofes ein, auf dem er wohnte, und man merkte an allem, dass er sie am meisten von seinen Kindern liebte; sie war aber auch eine Zierde unter allen Frauen. Seiner Frau und ihren Kindern gab er das ganze bewegliche Eigentum, und das war ein großer Reichtum. Dann starb Jon, und viele beweinten seinen Verlust. Ein paar Jahre später verheiratete sich Sigrid mit einem tüchtigen Manne, und sie ließen sich auf ihrem Hof, der der beste Hof in der ganzen Gegend war, nieder. Immer wurde Sigrid als eine ausgezeichnete Frau angesehen, und das Ehepaar lebte lange in großer Liebe miteinander. Sie bekamen eine Menge Kinder, und von ihnen stammt ein großes Geschlecht auf dem Südlande ab.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen