Der mutige Bursch

Es war einmal ein sehr bockbeiniger Bursch, der sich aus nichts etwas machte. Seine Nächsten, ob es nun seine Eltern oder Anverwandten waren, waren darüber voller Kummer; denn was sie auch mit ihm anstellten, sie konnten ihn durch nichts in Schrecken versetzen. Als sie ihn ganz aufgegeben hatten, brachten sie ihn beim Pfarrer unter, den sie von allen für am besten geeignet hielten, etwas aus dem Burschen zu machen und seinen Mut zu zähmen.

Als der Bursch zum Pfarrer gekommen war, zeigte sich bald dasselbe, dass es nichts gab, wovor er sich fürchtete, was der Pfarrer auch anstellen mochte. Der Bursch aber zeigte dem Pfarrer gegenüber ebenso wenig Trotz und Vorwitz wie gegen diejenigen, bei denen er vorher gewesen war. So verging nun einige Zeit; der Bursch blieb bei dem Pfarrer, und dieser gab sich alle erdenkliche Mühe, ihn auf irgend eine Weise in Schrecken zu versetzen, es gelang ihm aber nie. Einmal im Winter waren drei Leichen, die beerdigt werden sollten, in die Kirche gebracht worden; weil sie aber so spät am Tage ankamen, wurden sie in die Kirche gestellt, um erst am nächsten Tag beerdigt zu werden. Es war in damaliger Zeit hierzulande Sitte, dass die Leichen nicht in Särgen beerdigt wurden, und so kam es, dass diese Leichen nur die Totenkleider anhatten. Als die Leichen in die Kirchen gebracht worden waren, ließ der Pfarrer sie quer über den Gang zwischen den Kirchenstühlen vorn in der Kirche legen, nebeneinander, jedoch mit einem kleinen Zwischenraum zwischen je zweien. Im Laufe des Abends sagte der Pfarrer zu dem Burschen: „Ach, geh doch einen Augenblick für mich in die Kirche hinüber, mein Junge, und hole mir das Buch, das auf dem Altar liegt.“ Der Bursch gehorchte sofort; denn ungehorsam war er nicht, auch wenn er starrköpfig war. Er ging in die Kirche hinüber, schloss die Tür auf und wollte den Mittelgang hinaufgehen. Als er ein kleines Stück von der Tür entfernt war, stolperte er über etwas, an das er mit den Füßen stieß. Er ließ sich jedoch nicht erschrecken, tastete mit den Händen um sich und merkte dann, dass er über eine Leiche gefallen war, die er nahm und zwischen die Bänke an der einen Seite schleuderte. Er ging nun weiter hinein, fiel aber zum zweiten Mal über eine Leiche. Er verfuhr mit ihr auf dieselbe Weise wie mit der ersten. Dann ging er weiter vorwärts, stolperte aber über eine dritte, die er wie die beiden andern vom Fußboden zwischen die Bänke warf. Dann ging er zum Altar, nahm das Buch, und nachdem er die Kirche wieder zugeschlossen hatte, brachte er es dem Pfarrer. Der Pfarrer nahm das Buch und fragte, ob er etwas bemerkt hätte. Der Bursche antwortete: „Nein,“ und zeigte keinerlei Veränderung. Der Pfarrer fragte: „Hast du denn gar nichts von den Leichen gemerkt, die in dem Gang lagen?“ Der Bursch erwiderte: „Ach so, ja, die Leichen, die habe ich bemerkt; ich wusste nicht recht, was der Herr Pfarrer meinte.“ „Nun, und wie hast du sie denn bemerkt,“ sagte der Pfarrer, „sie lagen dir wohl im Wege?“ „Es ist nicht der Rede wert,“ sagte der Bursch. „Was hast du denn gemacht, um durch die Kirche zu kommen?“ fragte der Pfarrer. „Ich habe sie vom Fußboden auf; gehoben und zwischen die Kirchenstühle geworfen, und da liegen sie noch.“ Der Pfarrer schüttelte den Kopf und sprach nicht mehr mit ihm über diese Sache. Morgens als die Leute aufgestanden waren, sagte der Pfarrer zu dem Burschen: „Jetzt musst du von hier fort; ich will dich in meinem Hause nicht länger haben, da du so rücksichtslos bist, dass du dich nicht schämst, die Ruhe der Entschlafenen zu stören.“ Der Bursch antwortete höflich, sagte aber dem Pfarrer und den Leuten auf dem Hof dann Lebewohl.


Nun zog er eine Zeitlang umher, ohne dass er einen Fleck hatte, auf den er seinen Kopflegen konnte. Auf einem Hof aber, auf dem er die Nacht überblieb, hörte er, dass der Bischof auf Skalholt gestorben sei. Da machte er einen kleinen Umweg und wanderte auf Skalholt zu. Als er dorthin kam, begann der Tag auf die Neige zu gehen, und deshalb bat er um Obdach für die Nacht. Es wurde ihm geantwortet, dass es ihm gern vergönnt werde, er müsse aber selber für seine Sicherheit sorgen. Er fragte, ob es etwas Böses mitbringe, wenn er dortbleibe, und was es verursache. Die Leute erwiderten ihm, dass sich die Verhältnisse nach dem Tode des Bischofs so verändert hätten, dass es kein Mensch aushalten könne, zu Hause zu bleiben, wegen lauter Spuks, sobald es zu dunkeln beginne, und deshalb müssten seitdem jede Nacht alle Leute von dort flüchten. „Dann bleibe ich noch lieber hier,“ sagte der Bursch. Die Leute des Hofes baten ihn jedoch, nicht so zu reden; denn es wäre wahrhaftig kein Vergnügen dazubleiben. Als es dunkel wurde, begannen die Leute allmählich, den Hof zu verlassen, und schweren Herzens sagten sie dem Burschen Lebewohl: denn sie erwarteten nicht, ihn wiederzusehen. Der Bursche blieb zurück und war ausgezeichneter Laune. Dann ging er im Hause umher und sah sich um. Der letzte Ort, an den er kam, war die Küche. Es war großer Wohlstand in der Wirtschaft; eine Menge feiste Schafrümpfe hingen aneinandergereiht da, und alles, was er sah, stand dazu im Verhältnis. Der Bursch hatte lange kein Dörrfleisch gesehen, und er fing an, Appetit darauf zu bekommen, als er sah, dass hier solch Überfluss daran war. Schlafen wollte er nicht, um den Geist umso besser sehen zu können, und er entschloss sich deshalb, Feuer anzuzünden, und dann zerkleinerte er Holz und setzte einen Topf mit Wasser über das Feuer, zerschnitt dann einen Schafrumpf und legte ihn in den Topf. Bis jetzt hatte er nichts von Spuk gemerkt. Als aber alles in den Topf getan war, hörte er, dass oben im Schornstein mit dumpfer Stimme gesagt wurde: „Darf ich fallen?“ Er erwiderte: „Warum sollst du nicht fallen?“ Da fiel der ganze oberste Teil eines Mannes durch den Schornstein herab, ein Kopf mit Schultern und Armen und Händen daran, und eine Weile lag dieser Klumpen auf dem Boden, ohne sich zu bewegen. Gleich darauf hörte der Bursch, dass oben im Schornstein gefragt wurde: „Darf ich fallen?“ Er antwortete wie das vorige Mal: „Warum sollst du nicht fallen?“ Und durch den Schornstein herab fiel der mittlere Teil eines Mannes bis zu den Lenden. Dieser Klumpen fiel neben den andern und blieb dort liegen, ohne sich zu bewegen. Da hörte der Bursch noch einmal, dass oben im Schornstein gefragt wurde: „Darf ich fallen?“ Er antwortete wie zuvor: „Warum sollst du nicht fallen? Du musst doch etwas haben, worauf du stehen kannst!“ Da fielen die Füße eines Mannes herab; sie waren unerhört groß, wie die Klumpen, die zuerst heruntergefallen waren. Nach dem Fallen lagen alle Klumpen eine Weile ruhig auf dem Boden. Als der Bursche dessen überdrüssig wurde, ging er zu ihnen hin und sagte: „Da nun alles, was zu dir gehört, heruntergekommen ist, ist es wohl am besten, dass du anfängst umherzuholpern.“ Alle Klumpen schoben sich zusammen und wurden zu einem furchtbar großen Mann. Er sagte kein Wort zu dem Burschen, sondern ging aus der Küche hinaus und ins Vorderhaus. Der Bursch folgte dem großen Mann, wo er auch hinging. Der Mann ging in ein Zimmer vorn im Hause und trat an eine große Truhe. Diese öffnete er, und der Bursch sah, dass sie voll Geld war. Der große Mann nahm eine Handvoll Geld nach der andern aus der Truhe, warf die Münzen über den Kopf und ließ sie hinter sich herabfallen. In dieser Weise trieb er es bis spät in die Nacht, bis er die Truhe geleert hatte. Da griff er in den Haufen, den er auf den Fußboden geschüttet hatte, und schaufelte ihn auf dieselbe Weise über seinen Kopf wieder in die Truhe zurück.

Der Bursch stand neben dem Gespenst, während es das Geld hin- und zurück schaufelte, und sah, wie es auf dem Fußboden umherrollte. Das Gespenst begab sich nun mit aller Macht daran, das Geld wieder in die Truhe zu werfen, und kratzte mit den Händen das zusammen, was von dem Haufen herunter und über den Boden gerollt war; und der Bursch konnte daraus entnehmen, dass es glaubte, der Tag sei nahe, und dass es sich deshalb so sehr wie möglich beeilen wollte. Nun kam es so, dass das Gespenst alles Geld wieder in die Truhe geworfen hatte, und da merkte der Bursch, dass es aus dem Zimmer eilen wollte. Der Bursch fand, es läge kein Grund dazu vor, sich so sehr zu beeilen, das Gespenst aber sagte, das wäre doch der Fall; denn der Tag wäre nun da. Es wollte an dem Burschen vorbei, der aber versuchte, es daran zu hindern, indem er es festhielt. Das ging aber nur so lange, bis das Gespenst wütend wurde, den Burschen packte und sagte, dass es nun nicht mehr ratsam für ihn sei, es daran zu verhindern hinaus: zukommen. Der Bursch fing das Gespenst auf, merkte aber bald, dass seine Kräfte dabei zu kurz kommen würden und wich deshalb langsam zurück, indem er versuchte, schweren Hieben auszuweichen und das Stolpern zu vermeiden, und so trieben sie es eine Weile. Einmal, als das Gespenst den Rücken gegen die Zimmertür wandte, die offenstand, wollte es den Burschen an seine Brust heben, um ihn umso stärker zu Boden schleudern zu können. Der Bursch sah deutlich, was es im Sinne hatte, und konnte sich schon denken, dass das zu seinem Tode führen würde. Er griff deshalb zu einer List. Als das Gespenst die erste Anstrengung machte, ihn an sich zu ziehen, sprang er ihm mit solcher Gewalt mitten in die Arme, dass es hintenüber und mit dem Rücken gerade auf die Türschwelle fiel, während der Bursch beim Fallen obenauf zu liegen kam. Es kam aber so, dass das Gespenst mit dem Kopf aus dem Zimmer herausflog und das Licht, das mitten am Himmel stand, ihm in die Augen fiel; es sank deshalb in zwei Teilen in die Erde hinab, da, wo es lag, ein Teil an jeder Seite der Schwelle, und der Erdboden schloss sich sofort wieder, sobald die Stücke verschwunden waren. Obwohl der Bursch etwas steif in den Gliedern und zerschunden von den Griffen des Gespenstes war, begann er jedoch sogleich zwei Kreuze aus Holz zu machen, die er in den Fußboden stieß, wo die Teile versunken waren, das eine außerhalb, das andere aber innerhalb der Zimmertür. Dann legte er sich zu Bett und schlief, bis die Leute des Hofes morgens nach Hause kamen und es helllichter Tag war.

Sie boten ihm Guten Morgen und hatten jetzt freudigere Gesichter, dass sie ihn am Leben sahen, als am vorhergehenden Abend beim Lebewohlsagen, und sie fragten ihn, ob er nichts von dem Spuk in der Nacht gemerkt hätte. Der Bursch erwiderte, dass er keinen Spuk gemerkt hätte. Die Leute wollten ihm: nicht glauben, was er auch tat, um sie zu überzeugen.

Er blieb nun den nächsten Tag über da; denn er war sehr mitgenommen von seinem Kampf mit dem Gespenst, auch wollten ihn die Leute des Hofes um alles in der Welt nicht verlieren, weil er es so gut verstand, ihnen Mut einzuflößen. Abends, als er sah, dass sie Anstalt machten fortzugehen, versuchte er auf jede erdenkliche Weise, sie zu überreden, im Hause zu bleiben, und sagte, dass der Spuk ihnen keinen Schaden zufügen würde. Da half ihm aber alles nichts. Die Leute glaubten ihm nicht und gingen fort wie am Abend zuvor; er hatte jedoch mit seinen Überredungen und Ermunterungen so viel erreicht, dass sie keine Furcht hatten, ihn zurückzulassen. Als sie den Hof verlassen hatten, ging der Bursch zu Bett, ruhte sorglos aus und schlief bis zum hellen Tag. Morgens kehrten die Leute wieder auf den Hof zurück und fragten ihn nach dem Spuk, er aber erwiderte, dass er nichts davon gemerkt hätte, und fand, dass sie nicht mehr nötig hätten, in dieser Hinsicht Furcht zu haben.

Er erzählte ihnen nun alles, was in der verflossenen Nacht passiert war, zeigte ihnen die Kreuzzeichen am Boden, wo die Körperteile versunken waren, und führte sie an die Geldtruhe. Sie dankten dem Burschen mit wohlgesetzten Worten für sein mutiges Auftreten, baten ihn zu verlangen, was er sich von ihnen wünschen mochte, als Entgelt für die Hilfe, die er ihnen geleistet hätte, gleichviel ob er Geld oder Gut haben wollte, und sagten, dass er auf Skalholt bleiben solle, so lange er irgend Lust habe. Er dankte ihnen für ihr freundliches Anerbieten, er brauche aber weder Reichtum, noch sonst irgendetwas, sagte er, auch wolle er nach diesem Tag nicht länger dort verweilen. Die nächste Nacht aber blieb er noch dort, und in dieser Nacht schliefen alle Leute zu Hause auf dem Hof, und weder diesmal noch später merkten sie etwas von Spuk. Morgens machte sich der Bursch bereit, von Skalholt fortzuwandern; die Leute wollten ihn zwar keinesfalls verlieren, es half aber alles nichts, er wollte fort. Er sagte, dass er jetzt nichts mehr dort zu tun hätte, da die Leute ja auf dem Hof bleiben könnten. Darauf verließ er Skalholt, sehr gegen den Willen der Leute, und steuerte nordwärts.

Es geschah nichts Bemerkenswertes auf seinem Weg, bis er eines schönen Tages an eine Höhle kam. Da ging er hinein. Er konnte keinen Menschen entdecken, in einer Seitenhöhle aber erblickte er zwölf Betten, die einander gegenüber, sechs in einer Reihe, aufgestellt waren. Alle Betten waren ungemacht, und da der Tag noch nicht um war, so dass er nicht erwarten konnte, dass die Höhlenbewohner bald nach Hause kommen würden, begann er, alle Betten zu machen. Als er damit fertig war, legte er sich in das Bett, das zu äußerst an der einen Seite der Höhle stand, wickelte die Decke sorgfältig um sich und schlief ein. Nach einer Weile erwachte er davon, dass jemand in der Höhle umherging; er hörte, dass eine Menge Menschen gekommen waren, die sich darüber wunderten, wer wohl hineingekommen sein mochte und ihnen die Freundlichkeit erwiesen hatte, ihnen die Betten zu machen; er hätte dafür ehrlichen Dank verdient, sagten sie. Nachdem sie, wie ihm schien, zu Abend gegessen hatten, gingen sie zu Bett. Als aber der Eigentümer des Bettes, in dem er lag, die Decke zurückschlug, er blickte er den Burschen. Die Höhlenbewohner dankten ihm für seine Handreichung, die ihnen so gut zustattengekommen war, und baten ihn, bei ihnen zu bleiben, um ihnen in der Höhle behilflich zu sein; denn sie selbst hätten nicht viel Zeit, sie müssten die Höhle bei Sonnenaufgang verlassen, da sonst ihre Feinde kämen und sie dort bekämpften, und aus diesem Grunde könnten sie sich zu Hause gar nichts vornehmen.

Der Bursch sagte, dass er ihr Anerbieten annehme und einige Zeit bei ihnen bleiben wolle. Er fragte sie dann, wie es denn käme, dass sie jeden Tag einen so schweren Kampf zu bestehen hätten, der nie ein Ende nähme. Die Höhlenbewohner sagten, dass jene Männer Feinde wären, mit denen sie schon früher häufig in heftigem Streit gelegen hätten, und die stets im Kampf unterlegen seien. Sie erzählten, dass sie sie immer noch jeden Abend überwältigten und töteten. Es sei aber immer so, dass ihre Feinde am nächsten Morgen umgingen und jedes Mal wilder und ungestümer wären als je zuvor, und ohne Zweifel würden sie durch ihre Gegner in ihrer Höhle angegriffen werden, wenn sie nicht bei Sonnenaufgang auf dem Kampfplatz anwesend wären. Dann gingen sie zu Bett und schliefen bis zum nächsten Morgen.

Gleich bei Sonnenaufgang gingen die Höhlenbewohner, bis zu den Zähnen bewaffnet, fort, baten aber erst den Burschen, sich der Höhle und der Hausarbeit anzunehmen, was er ihnen auch versprach. Im Laufe des Tages ging der Bursch in einen Nussbaumwald, der in der Richtung lag, in der er sie hatte verschwinden sehen, als sie von der Höhle fortgingen, um zu erfahren, wo der Kampf stattfände. Als er den Kampfplatz entdeckt hatte, eilte er wieder in die Höhle hinein. Zunächst machte er die Betten der Höhlenbewohner, fegte die ganze Höhle und tat, was sonst zu tun war. Müde und matt kehrten die Höhlenbewohner abends nach Hause zurück und waren erfreut, als sie sahen, dass der Bursch die ganze Wirtschaft besorgt hatte, so dass sie selbst weiter nichts zu tun hatten als zu essen und nach beendeter Mahlzeit das Bett aufzusuchen, worauf alle einschliefen, außer dem Burschen.

Er lag wach und überlegte, wie er Aufklärung darüber erhalten könnte, dass die Höhlenbewohner nachts umgingen. Als er glaubte, dass alle seine neuen Genossen in Schlaf gesunken seien, stand er auf, wählte unter ihren Waffen die, die ihm am besten gefiel und nahm sie mit. Dann wanderte er nach dem Kampfplatz und erreichte ihn kurz nach Mitternacht. Da war nichts zu sehen, außer den Gefallenen und ihren abgeschlagenen Köpfen. Dort blieb er eine Weile.

Bei Tagesanbruch aber sah er unweit des Kampfplatzes einen Hügel sich öffnen, aus dem ein Weib herauskam; es war mit einem blauen Mantel bekleidet und trug einen Topf in der Hand. Er sah sie schnurstracks auf das Schlachtfeld gehen, zu einem der Gefallenen, und etwas von dem Inhalt des Topfes auf das Stück des Halses streichen, das an dem Oberkörper des Toten saß, und auf das Stück, das am Kopf saß, und darauf den Kopf auf den Rumpf setzen; da saß er sofort fest, und der Tote lebte wieder auf. Dieselben Künste wandte sie bei noch zwei oder drei andern an, die ebenfalls dadurch sofort zum Leben erweckt wurden. Da sprang der Bursch auf die Alte zu und gab ihr den Todesstreich; denn jetzt konnte er allerdings begreifen, wie es kam, dass die Feinde der Höhlenbewohner immer wieder umgingen; dann brachte er diejenigen, die sie ins Leben zurückgerufen hatte, um. Als das geschehen war, ging er selbst hin und versuchte, ob es ihm gelingen würde, die Gefallenen auf dieselbe Weise wieder zu beleben, wie es ihr gelungen war; er strich etwas von dem Inhalt des Topfes an den Halsrand, und es gelang ihm ebenso gut wie vorhin.

Nun belustigte er sich damit, die Gefallenen abwechselnd wieder aufleben zu lassen und die wieder umzubringen, die er ins Leben gerufen hatte, bis die Sonne aufging; dann kamen seine Genossen von der Höhle an, voll bewaffnet; es war ihnen sonderbar zumute geworden, weil er verschwunden war und einige Waffen mit ihm; als sie aber auf die Walstatt kamen und ihre Feinde tot daliegen sahen, schien ihnen die Sache eine günstige Wendung genommen zu haben. Die Höhlenbewohner freuten sich, den Burschen zu sehen, und fragten, wie er darauf verfallen wäre, dort hinzugehen. Er erzählte ihnen dann, wie sich alles zugetragen hatte, und wie das Huldreweib beabsichtigt hatte, die Gefallenen ins Leben zu rufen. Er zeigte ihnen den Salbentopf, nahm einen der Gefallenen, bestrich ihn und setzte ihm den Kopf auf. Da lebte er bald wie» der auf, die Leute schlugen ihn aber sofort wieder tot.

Die Höhlenbewohner dankten ihm nun mit vielen und schönen Worten für den bewiesenen Mut; sie baten ihn, bei ihnen zu bleiben, solange er Lust hätte, und boten ihm Geld an für seine Hilfe, die er ihnen geleistet hatte. Er dankte ihnen für das freundliche Anerbieten und sagte, dass er es gern annähme, bei ihnen zu bleiben. Nach alledem waren die Höhlenbewohner so vergnügt und froh über den Burschen, dass sie allerhand Allotria trieben, und es wurde vorgeschlagen zu probieren, wie es wäre zu sterben, da sie einander ja wieder ins Leben zurückrufen könnten. Sie töteten einander, strichen Salbe auf die Wunde und lebten sofort wieder auf. Das ging nun zum großen Gaudium für sie eine ganze Weile so.

Einmal aber, als dem Burschen der Kopf abgeschlagen worden war und sie ihn mit Hilfe der Salbe wieder an den Rumpf hatten anwachsen lassen, war das Gesicht nach hinten gedreht, der Hinterkopf aber nach vorn. Als der Bursch nun sein Hinterteil sah, weil der Kopf verkehrtherum saß, wurde er wie rasend vor Schreck und bat sie, ihn um Gottes willen von diesen Qualen zu befreien. Die Höhlenbewohner liefen sofort herzu, hieben den Kopf von neuem ab und setzten ihn richtig auf den Körper. Da erlangte er seinen Verstand wieder und war seitdem genau so mutig, wie er früher immer gewesen war.

Dann sammelten die Leute sämtliche toten Körper, nahmen ihnen die Waffen fort und verbrannten sie mit dem Huldreweib zusammen, das mit dem Salbentopf aus dem Hügel gekommen war. Dann gingen sie in den Hügel hinein, nahmen sich alles, was an Geldes» wert da war und schleppten es mit nach Hause in ihre Höhle. Der Bursch blieb später immer bei ihnen, von dieser Zeit ab gibt es aber keine Erzählungen mehr über ihn.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen