Das Seemännchen

Eine alte Redensart hierzulande sagt: „Da lachte das Seemännchen.“ Der Ursprung dazu, so wird erzählt, ist der, dass ein Bauer einmal einen Seezwerg fing, der sich Seemännchen nannte, und einen großen Kopf und lange Hände hatte, von den Lenden abwärts aber glich er einem Seehund. Nichts wollte er dem Bauern verraten, und darum brachte ihn dieser wider seinen Willen mit ans Land.

Die Bäuerin, die jung und übermütig war, kam an die See hinunter und empfing ihn mit Jubel, küsste und streichelte ihn. Darüber freute er sich sehr, und er lobte sie sehr; seinen Hund aber schlug er, als er auch seine Freude über seine Heimkehr zeigen wollte. Das sah das Seemännchen, und da lachte es. Der Bauer fragte, worüber es lache. „Über deine Dummheit,“ erwiderte es.


Als der Bauer von der See nach Hause ging, stolperte er über einen Erdhöcker und fiel. Er verfluchte den Erdhöcker hundertmal, weil er erschaffen worden war und seinen Platz gerade auf seinem Feld bekommen hatte. Da lachte das Seemännchen, das sich nur ungern tragen ließ, und sagte: „Der Bauer ist ein Tropf!“

Der Bauer behielt das Seemännchen drei Tage bei sich. Ein paar Handelsburschen kamen zu ihm, um ihre Waren zu verkaufen. Noch nie hatte der Bauer so dicksohlige und solide Schmierlederstiefel bekommen können, wie er sie haben wollte, diese Handelsburschen aber glaubten, dass sie die besten hätten. Der Bauer konnte zwischen Hunderten von Stiefelpaaren wählen, fand aber, dass sie alle zu dünn waren, um halten zu können. Da lachte das Seemännchen und sagte: „Mancher irrt sich, auch wenn er sich für klug hält.“

Weder im Guten noch im Bösen wollte das Seemännchen mehr Weisheit von sich geben, als schon erzählt worden ist; unter der Bedingung aber, dass es wieder an dieselbe Stelle in der See gebracht würde, wo es aufgefischt worden war, sagte es, wollte es sich auf das Ruderblatt des Bauern setzen und alle seine Fragen beantworten, sonst aber würde es stumm bleiben.

Nach Verlauf von drei Tagen tat also der Bauer, wie das Seemännchen wollte, und als es nun auf dem Ruderblatt saß, fragte es der Bauer, was die Fischer zu tun hätten, um guten Fang zu haben. Das Seemännchen erwiderte: „Aus gekautem und geknetetem Eisen müssen Angelhaken geschmiedet werden, und die Schmiede muss dort liegen, wo das Brausen von Fluss und Meer zu hören ist; der Angelhaken muss im Schaum eines Rosses gehärtet werden, und zur Angelschnur muss graues Stierfell und eine Leine aus rohem Rossfell genommen werden. Als Köder muss das Herz eines Vogels und Flunderfleisch dienen, mitten auf den Haken aber muss Menschenfleisch gesteckt werden. Wenn du nicht so Fische fangen kannst, hast du nur eine kurze Lebenszeit. Aber der Angelhaken des Fischers muss nach außen gebogen sein.“

Der Bauer fragte dann, über welche Dummheit er damals gelacht hätte, als er seine Frau lobte, den Hund aber schlug. Das Seemännchen erwiderte: „Über deine Dummheit, Bauer! Denn dein Hund liebt dich mehr als sein eigenes Leben! Deine Frau aber wünscht dir den Tod und ist das liederlichste Weib. Der Erdhöcker, dem du fluchtest, war dein Geldhügel, und viel Reichtum barg er. Darum warst du ein Tor, Bauer, und darum habe ich dich ausgelacht. Und die schwarzen Schuhe würden dein Leben lang gehalten haben, denn du hast nicht mehr viele Tage zurückzulegen, und eigentlich könnten sie dir für die drei Tage genügen.“

Da sprang das Seemännchen vom Ruderblatt hinab, und so trennten sie sich. Und es geschah ganz so, wie das Seemännchen gesagt hatte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen