Das Sätermädchen
Einmal wohnte auf dem Nordland ein Pfarrer, der ein Mädchen erzogen hatte. Hoch oben zwischen den Bergen lag die Säterwirtschaft [Säter = Alm] des Pfarrhofs, auf die der Pfarrer gern im Sommer seine Kühe und Schafe unter Aufsicht eines Sätermädchens und eines Hirten schickte. Als seine Pflegetochter älter geworden war, musste sie der Haushaltung auf dem Säter vorstehen, und sie erledigte das so gut wie jede andere Arbeit; denn sie war ein kluges Frauenzimmer, hübsch anzusehen und flink in vielen Dingen. In diesem Teil des Landes hatte sie nicht ihresgleichen. Darum warben viele reiche Männer um ihre Hand; sie aber gab ihnen allen miteinander einen Korb. Der Pfarrer sprach einmal mit seiner Pflegetochter über dieses Kapitel und riet ihr, sich zu verheiraten, denn, sagte er, er wäre nun ein alter Mann und könnte ihr daher nicht immer eine Stütze sein. Sie aber wollte nichts davon hören; ihr Sinn sei weit von solchen Dingen entfernt, sagte sie; sie wäre sehr zufrieden, wie es sei, und nicht jeder hole sein Glück in der Ehe. Darüber wurde also vorläufig weiter nichts gesprochen.
Als ein Teil des Winters verstrichen war, schien es den Leuten, als beginne das Sätermädchen etwas rundlich unter dem Gürtel zu werden, und je weiter es auf den Frühling zuging, desto runder wurde sie. Im Frühjahr sprach ihr Pflegevater wieder mit ihr; er bat sie jetzt, ihm offen und ehrlich zu sagen, wie es eigentlich mit ihr bestellt wäre; sie erwarte sicher ein Kind, meinte er, und darum wäre es am besten, dass sie in diesem Sommer nicht nach dem Säter zöge. Sie bestritt aber, dass sie ein Kind erwarte, es fehle ihr nichts, und ihre Arbeit auf dem Säter würde sie in diesem Sommer genau so tun, wie sie es früher getan hätte. Der Pfarrer sah, dass er nichts aus ihr herausbekommen könnte und ließ ihr daher ihren Willen; er beauftragte aber die Männer, die sie nach dem Säter begleiteten, sie nicht allein zu lassen, und das versprachen sie ihm hoch und heilig.
Oben auf dem Säter war das Mädchen lustig und froh, und es verstrich eine Zeit, ohne dass etwas geschah. Die Leute beobachteten sie sehr genau und ließen sie nie allein.
Da geschah es eines Abends, dass der Hirt alle Schafe und Kühe vermisste, und jeder, der seine Beine gebrauchen konnte, musste den Säter verlassen, nur das Sätermädchen blieb allein zurück. Es ging langsam mit dem Suchen der Leute, ein dichter Nebel senkte sich herab, und deshalb fanden sie das Vieh erst gegen Morgen. Als sie wieder nach Hause kamen, war das Sätermädchen auf und ungewöhnlich flink und leicht auf den Füßen. Als eine Zeit vergangen war, sah man dann auch, dass sie nicht mehr so rund wie früher war; aber wie es zugegangen war, das wusste man nicht, auch fand man jetzt nicht, dass ihre Rundlichkeit so gewesen war, als wenn eine Frau ein Kind erwartet.
Im Herbst zogen sie wieder nach Hause von dem Säter, Männer und Vieh, und da sah der Pfarrer, dass das Mädchen eine schlankere Gestalt hatte als sie im Winter zuvor gehabt hatte. Er drang in die übrigen Säterleute und fragte sie, ob sie gegen seinen Befehl gehandelt und das Sätermädchen allein gelassen hätten. Sie aber erzählten ihm, wie es gewesen wäre, dass sie es nur ein einziges Mal verlassen hätten, um das fehlende Milchvieh zu suchen. Da wurde der Pfarrer zornig und wünschte ihnen die schwere Not, weil sie gegen seinen Befehl gehandelt hätten; im Übrigen hätte er das im Frühjahr geahnt, als das Sätermädchen nach dem Säter zog.
Im nächsten Winter kam ein Mann, der um die Pflegetochter des Pfarrers freien wollte; sie aber wollte. nichts von seinem Freien wissen; der Pfarrer jedoch sagte, dass sie nichts abhielte, ihn zu heiraten; denn alle wären darin einig, ihn zu loben, und er sei aus gutem Geschlecht. Er hätte im letzten Frühjahr den Hof seines Vaters übernommen, und seine Mutter hätte ihr Altenteil bei ihm. Dieser Freier bekam also keinen Korb, gleichviel, ob mit dem Willen des Mädchens oder ohne ihn. Ihre Hochzeit wurde im Frühjahr beim Pfarrer gefeiert. Aber ehe der Braut ihr Brautkleid angezogen wurde, sagte sie zu ihrem Bräutigam: „Da du mich gegen meinen Willen heiratest, nehme ich dir jetzt das Versprechen ab, dass du niemals einen Wintergast beherbergst, ohne mich vorher davon benachrichtigt zu haben, denn sonst ergeht es dir übel!“ Das versprach ihr der Mann.
Dann wurde also die Hochzeit gefeiert, und sie zog mit ihrem Gebieter nach Hause und übernahm den Hausstand, aber ohne besondere Lust; denn sie war niemals froh, und ihr Gesicht war stets finster, obgleich sie der Mann auf Händen trug und kaum zuließ, dass sie die Hand in kaltes Wasser steckte. Jeden Sommer saß sie zu Hause, während die andern mit dem Heu auf der Wiese beschäftigt waren, und immer blieb ihre Schwiegermutter bei ihr, um sie zu erheitern und ihr beim Essenbereiten behilflich zu sein. Manchmal saßen sie und strickten und spannen, und die Alte erzählte dann Sagen, um ihre Schwiegertochter zu unterhalten.
Einmal, als sie mit ihrer Erzählung fertig war, sagte die Alte zu ihrer Schwiegertochter, dass sie jetzt etwas erzählen müsse. Die andere aber erwiderte, dass sie keine Sagen kenne; als die Alte jedoch weiter in sie drang, versprach sie schließlich, die einzige Sage, die sie kenne, zu erzählen, und sie begann folgendermaßen:
„Auf einem Hof lebte einmal ein Sätermädchen. Unweit des Säters lagen große Felsen, an denen sie oft vorbeiging. Darinnen wohnte ein schöner, junger Huldremann, den sie bald kennen lernte, und es entstand Liebe zwischen den beiden. Er war so gut und lieb zu dem Mädchen, dass er ihr nie etwas abschlug und sich ihrem Willen stets in allem fügte. Das Ende vom Liede war, dass das Sätermädchen, als eine Zeit vergangen war, ein Kind erwartete. Als sie im nächsten Sommer nach dem Säter sollte, drang ihr Brotherr in sie, um zu erfahren, ob sie in gesegneten Umständen wäre; das aber bestritt sie und zog hinauf nach dem Säter, wie sie es zu tun pflegte. Ihr Herr bat aber diejenigen, die mit auf dem Säter waren, sie nie allein zu lassen, und das versprachen sie ihm. Trotzdem verließen sie sie einmal, um das Vieh zu suchen, und da fühlte sie Geburtswehen. Da kam ihr Liebhaber zu ihr, saß bei ihr und half ihr bei der Geburt, und darauf wusch und wickelte er das Kind. Ehe er aber mit dem Knaben fortging, ließ er sie aus einem Glas trinken, und das war der süßeste Trank, den ich je.....“ hier fiel ihr das Knäuel, mit dem sie strickte, aus der Hand; sie bückte sich danach und verbesserte sich — „den sie je gekostet hatte, wollte ich sagen, und da wurde sie gesund und frei von allen Folgen. Von da an sahen sich der Huldremann und das Mädchen nicht wieder; gegen ihren Willen wurde sie mit einem anderen Manne verheiratet; ihr Sinn aber stand immer nach ihrem ersten Liebsten, und von dieser Zeit an sah sie nie einen frohen Tag. Und jetzt ist die Erzählung aus.“
Ihre Schwiegermutter dankte ihr für die Erzählung und bewahrte sie im Gedächtnis. So verging wieder eine Zeit, ohne dass etwas geschah; die Frau ging wie immer umher und trug ihren Kummer, immer jedoch war sie gut und liebevoll gegen ihren Gebieter.
Eines Sommers, als es schon weit in der Heuernte war, kamen zwei Männer, ein größerer und ein kleinerer, zu dem’ Bauern auf das Feld. Sie hatten beide breitkrempige Hüte auf dem Kopf, so dass man ihnen nur undeutlich ins Gesicht sehen konnte. Der größere nahm das Wort und bat den Bauern um Obdach für den Winter. Der Bauer antwortete, dass er niemand aufnehme, ohne dass seine Frau davon wisse, und sagte, dass er erst mit ihr über diese Angelegenheit sprechen wollte. Der Mann bat ihn, doch nicht so ungeschickt zu sprechen, als wenn ein so resoluter Mann derartig unter dem Pantoffel seiner Frau stände, dass er in solchen Kleinigkeiten wie die, zwei Menschen einen Winter lang in Kost zu nehmen, nicht selbst bestimmen dürfte. Das Ende war, dass der Bauer ihnen Winterobdach versprach, ohne dass er seine Frau erst darum befragt hatte.
Abends kamen die Fremden mit dem Bauern nach Hause; er ließ sie in eine Kammer eintreten und bat sie, dort zu bleiben. Dann ging er zu seiner Frau und erzählte ihr, wie die Dinge standen. Die Frau wurde darüber sehr unwillig und sagte, dass das ihre erste Bitte gewesen wäre und wahrscheinlich auch die letzte sein würde. Da er die Fremden nun aber allein aufgenommen hätte, müsste es auch seine Sache sein, was aus ihrem Aufenthalt im Winter folgte; und dann wurde nicht mehr über die Sache gesprochen.
Nun war alles ruhig, bis die Eheleute im Herbst zum Abendmahl gehen wollten. Es war damals Sitte, wie es heute noch in verschiedenen Gegenden auf Island der Fall ist, dass diejenigen, die zum Tische des Herrn wollen, zu allen Leuten auf dem Hof gehen, sie küssen und sie um Verzeihung für ihre Vergehen ihnen gegenüber bitten. Die Hausfrau war den Wintergästen bis zu diesem Tage ausgewichen und hatte sich nie vor ihnen sehen lassen, und auch diesmal ging sie nicht zu ihnen, um Abschied zu nehmen.
Die Eheleute gingen fort. Als sie aber außerhalb der Einzäunung des Heimackers waren, fragte der Bauer seine Frau: „Du hast doch unseren Wintergästen auch Lebewohl gesagt?“ Sie erwiderte: „Nein.“ Er bat sie, doch nicht so gottlos zu handeln, fortzugehen, ohne sich vorher von ihnen verabschiedet zu haben. „In den meisten Dingen zeigst du, dass du mich wenig achtest, erstens darin, dass du diese Männer empfangen hast, ohne mich danach zu fragen, und nun darin, dass du mich zwingen willst, sie zu küssen. Jedoch will ich dir gehorchen, aber du musst selbst die Folgen auf dich nehmen; denn es gilt mein Leben und aller Wahrscheinlichkeit nach auch deins.“
Sie kehrte nun nach Hause zurück, und weil es so lange dauerte, bis sie wiederkam, kehrte der Bauer auch um und ging dorthin, wo er seine Wintergäste zu finden erwartete, und fand sie auch in ihrer Kammer.
Da sah er, wie der größere Wintergast seine Frau umschlungen hatte und mit ihr auf dem Boden lag; und beider Herzen waren vor Gram gebrochen. Der andere Gast aber stand weinend neben ihnen, als der Bauer eintrat; gleich darauf verschwand er, ohne dass jemand wusste, wohin er gegangen war.
Alle aber wussten jetzt von dem, was die Frau ihrer Schwiegermutter erzählt hatte, dass der größere Fremde der Huldremann gewesen war, den sie auf dem Säter kennen gelernt hatte, dass der andere aber, der verschwunden war, ihr Sohn gewesen war.
Als ein Teil des Winters verstrichen war, schien es den Leuten, als beginne das Sätermädchen etwas rundlich unter dem Gürtel zu werden, und je weiter es auf den Frühling zuging, desto runder wurde sie. Im Frühjahr sprach ihr Pflegevater wieder mit ihr; er bat sie jetzt, ihm offen und ehrlich zu sagen, wie es eigentlich mit ihr bestellt wäre; sie erwarte sicher ein Kind, meinte er, und darum wäre es am besten, dass sie in diesem Sommer nicht nach dem Säter zöge. Sie bestritt aber, dass sie ein Kind erwarte, es fehle ihr nichts, und ihre Arbeit auf dem Säter würde sie in diesem Sommer genau so tun, wie sie es früher getan hätte. Der Pfarrer sah, dass er nichts aus ihr herausbekommen könnte und ließ ihr daher ihren Willen; er beauftragte aber die Männer, die sie nach dem Säter begleiteten, sie nicht allein zu lassen, und das versprachen sie ihm hoch und heilig.
Oben auf dem Säter war das Mädchen lustig und froh, und es verstrich eine Zeit, ohne dass etwas geschah. Die Leute beobachteten sie sehr genau und ließen sie nie allein.
Da geschah es eines Abends, dass der Hirt alle Schafe und Kühe vermisste, und jeder, der seine Beine gebrauchen konnte, musste den Säter verlassen, nur das Sätermädchen blieb allein zurück. Es ging langsam mit dem Suchen der Leute, ein dichter Nebel senkte sich herab, und deshalb fanden sie das Vieh erst gegen Morgen. Als sie wieder nach Hause kamen, war das Sätermädchen auf und ungewöhnlich flink und leicht auf den Füßen. Als eine Zeit vergangen war, sah man dann auch, dass sie nicht mehr so rund wie früher war; aber wie es zugegangen war, das wusste man nicht, auch fand man jetzt nicht, dass ihre Rundlichkeit so gewesen war, als wenn eine Frau ein Kind erwartet.
Im Herbst zogen sie wieder nach Hause von dem Säter, Männer und Vieh, und da sah der Pfarrer, dass das Mädchen eine schlankere Gestalt hatte als sie im Winter zuvor gehabt hatte. Er drang in die übrigen Säterleute und fragte sie, ob sie gegen seinen Befehl gehandelt und das Sätermädchen allein gelassen hätten. Sie aber erzählten ihm, wie es gewesen wäre, dass sie es nur ein einziges Mal verlassen hätten, um das fehlende Milchvieh zu suchen. Da wurde der Pfarrer zornig und wünschte ihnen die schwere Not, weil sie gegen seinen Befehl gehandelt hätten; im Übrigen hätte er das im Frühjahr geahnt, als das Sätermädchen nach dem Säter zog.
Im nächsten Winter kam ein Mann, der um die Pflegetochter des Pfarrers freien wollte; sie aber wollte. nichts von seinem Freien wissen; der Pfarrer jedoch sagte, dass sie nichts abhielte, ihn zu heiraten; denn alle wären darin einig, ihn zu loben, und er sei aus gutem Geschlecht. Er hätte im letzten Frühjahr den Hof seines Vaters übernommen, und seine Mutter hätte ihr Altenteil bei ihm. Dieser Freier bekam also keinen Korb, gleichviel, ob mit dem Willen des Mädchens oder ohne ihn. Ihre Hochzeit wurde im Frühjahr beim Pfarrer gefeiert. Aber ehe der Braut ihr Brautkleid angezogen wurde, sagte sie zu ihrem Bräutigam: „Da du mich gegen meinen Willen heiratest, nehme ich dir jetzt das Versprechen ab, dass du niemals einen Wintergast beherbergst, ohne mich vorher davon benachrichtigt zu haben, denn sonst ergeht es dir übel!“ Das versprach ihr der Mann.
Dann wurde also die Hochzeit gefeiert, und sie zog mit ihrem Gebieter nach Hause und übernahm den Hausstand, aber ohne besondere Lust; denn sie war niemals froh, und ihr Gesicht war stets finster, obgleich sie der Mann auf Händen trug und kaum zuließ, dass sie die Hand in kaltes Wasser steckte. Jeden Sommer saß sie zu Hause, während die andern mit dem Heu auf der Wiese beschäftigt waren, und immer blieb ihre Schwiegermutter bei ihr, um sie zu erheitern und ihr beim Essenbereiten behilflich zu sein. Manchmal saßen sie und strickten und spannen, und die Alte erzählte dann Sagen, um ihre Schwiegertochter zu unterhalten.
Einmal, als sie mit ihrer Erzählung fertig war, sagte die Alte zu ihrer Schwiegertochter, dass sie jetzt etwas erzählen müsse. Die andere aber erwiderte, dass sie keine Sagen kenne; als die Alte jedoch weiter in sie drang, versprach sie schließlich, die einzige Sage, die sie kenne, zu erzählen, und sie begann folgendermaßen:
„Auf einem Hof lebte einmal ein Sätermädchen. Unweit des Säters lagen große Felsen, an denen sie oft vorbeiging. Darinnen wohnte ein schöner, junger Huldremann, den sie bald kennen lernte, und es entstand Liebe zwischen den beiden. Er war so gut und lieb zu dem Mädchen, dass er ihr nie etwas abschlug und sich ihrem Willen stets in allem fügte. Das Ende vom Liede war, dass das Sätermädchen, als eine Zeit vergangen war, ein Kind erwartete. Als sie im nächsten Sommer nach dem Säter sollte, drang ihr Brotherr in sie, um zu erfahren, ob sie in gesegneten Umständen wäre; das aber bestritt sie und zog hinauf nach dem Säter, wie sie es zu tun pflegte. Ihr Herr bat aber diejenigen, die mit auf dem Säter waren, sie nie allein zu lassen, und das versprachen sie ihm. Trotzdem verließen sie sie einmal, um das Vieh zu suchen, und da fühlte sie Geburtswehen. Da kam ihr Liebhaber zu ihr, saß bei ihr und half ihr bei der Geburt, und darauf wusch und wickelte er das Kind. Ehe er aber mit dem Knaben fortging, ließ er sie aus einem Glas trinken, und das war der süßeste Trank, den ich je.....“ hier fiel ihr das Knäuel, mit dem sie strickte, aus der Hand; sie bückte sich danach und verbesserte sich — „den sie je gekostet hatte, wollte ich sagen, und da wurde sie gesund und frei von allen Folgen. Von da an sahen sich der Huldremann und das Mädchen nicht wieder; gegen ihren Willen wurde sie mit einem anderen Manne verheiratet; ihr Sinn aber stand immer nach ihrem ersten Liebsten, und von dieser Zeit an sah sie nie einen frohen Tag. Und jetzt ist die Erzählung aus.“
Ihre Schwiegermutter dankte ihr für die Erzählung und bewahrte sie im Gedächtnis. So verging wieder eine Zeit, ohne dass etwas geschah; die Frau ging wie immer umher und trug ihren Kummer, immer jedoch war sie gut und liebevoll gegen ihren Gebieter.
Eines Sommers, als es schon weit in der Heuernte war, kamen zwei Männer, ein größerer und ein kleinerer, zu dem’ Bauern auf das Feld. Sie hatten beide breitkrempige Hüte auf dem Kopf, so dass man ihnen nur undeutlich ins Gesicht sehen konnte. Der größere nahm das Wort und bat den Bauern um Obdach für den Winter. Der Bauer antwortete, dass er niemand aufnehme, ohne dass seine Frau davon wisse, und sagte, dass er erst mit ihr über diese Angelegenheit sprechen wollte. Der Mann bat ihn, doch nicht so ungeschickt zu sprechen, als wenn ein so resoluter Mann derartig unter dem Pantoffel seiner Frau stände, dass er in solchen Kleinigkeiten wie die, zwei Menschen einen Winter lang in Kost zu nehmen, nicht selbst bestimmen dürfte. Das Ende war, dass der Bauer ihnen Winterobdach versprach, ohne dass er seine Frau erst darum befragt hatte.
Abends kamen die Fremden mit dem Bauern nach Hause; er ließ sie in eine Kammer eintreten und bat sie, dort zu bleiben. Dann ging er zu seiner Frau und erzählte ihr, wie die Dinge standen. Die Frau wurde darüber sehr unwillig und sagte, dass das ihre erste Bitte gewesen wäre und wahrscheinlich auch die letzte sein würde. Da er die Fremden nun aber allein aufgenommen hätte, müsste es auch seine Sache sein, was aus ihrem Aufenthalt im Winter folgte; und dann wurde nicht mehr über die Sache gesprochen.
Nun war alles ruhig, bis die Eheleute im Herbst zum Abendmahl gehen wollten. Es war damals Sitte, wie es heute noch in verschiedenen Gegenden auf Island der Fall ist, dass diejenigen, die zum Tische des Herrn wollen, zu allen Leuten auf dem Hof gehen, sie küssen und sie um Verzeihung für ihre Vergehen ihnen gegenüber bitten. Die Hausfrau war den Wintergästen bis zu diesem Tage ausgewichen und hatte sich nie vor ihnen sehen lassen, und auch diesmal ging sie nicht zu ihnen, um Abschied zu nehmen.
Die Eheleute gingen fort. Als sie aber außerhalb der Einzäunung des Heimackers waren, fragte der Bauer seine Frau: „Du hast doch unseren Wintergästen auch Lebewohl gesagt?“ Sie erwiderte: „Nein.“ Er bat sie, doch nicht so gottlos zu handeln, fortzugehen, ohne sich vorher von ihnen verabschiedet zu haben. „In den meisten Dingen zeigst du, dass du mich wenig achtest, erstens darin, dass du diese Männer empfangen hast, ohne mich danach zu fragen, und nun darin, dass du mich zwingen willst, sie zu küssen. Jedoch will ich dir gehorchen, aber du musst selbst die Folgen auf dich nehmen; denn es gilt mein Leben und aller Wahrscheinlichkeit nach auch deins.“
Sie kehrte nun nach Hause zurück, und weil es so lange dauerte, bis sie wiederkam, kehrte der Bauer auch um und ging dorthin, wo er seine Wintergäste zu finden erwartete, und fand sie auch in ihrer Kammer.
Da sah er, wie der größere Wintergast seine Frau umschlungen hatte und mit ihr auf dem Boden lag; und beider Herzen waren vor Gram gebrochen. Der andere Gast aber stand weinend neben ihnen, als der Bauer eintrat; gleich darauf verschwand er, ohne dass jemand wusste, wohin er gegangen war.
Alle aber wussten jetzt von dem, was die Frau ihrer Schwiegermutter erzählt hatte, dass der größere Fremde der Huldremann gewesen war, den sie auf dem Säter kennen gelernt hatte, dass der andere aber, der verschwunden war, ihr Sohn gewesen war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Isländische Märchen und Volkssagen