Zeuge Ziegelmeister Frentzel

Ziegelmeister Frentzel: Als ihm von dem Morde Mitteilung gemacht wurde, habe er verstanden: Rosengart habe geschossen. Er habe deshalb erwidert: „Lass ihn schießen.“ Rosengart habe nämlich, ganz besonders, wenn er angetrunken war, oftmals geschossen und hätte infolgedessen einmal sehr bald seinen (des Zeugen) Bruder erschossen. Es sei ihm bekannt, daß Rosengart mehrfach Drohbriefe erhalten habe. Wenn Rosengart betrunken war, habe er seine Frau beschimpft; bisweilen sei dies auch vorgekommen, wenn er nüchtern war. Es sei ihm nicht bekannt, daß Inspektor Rieß mit der Angeklagten ein Liebesverhältnis unterhalten habe.

Hierauf wurde die Aussage des verstorbenen Inspektors Rieß verlesen. Dieser hatte bekundet: Er sei 1863 geboren und seit 1896 Inspektor auf dem Rittergute Zögershof gewesen. Er sei verheiratet und Vater von drei Kindern. Über das eheliche Verhältnis der Familie Rosengart könne er nichts sagen. Er sei am Abend des 19. März 1897, kurz nach 8 Uhr abends, nach Hause gegangen. Er habe Abendbrot gegessen, sich noch kurze Zeit mit seiner Frau unterhalten und sei alsdann zu Bett gegangen. Kaum war er eingeschlafen, da habe es an seinem Fenster heftig gepocht. Er sei aufgestanden und habe das Fenster geöffnet. Vor ihm habe die 11jährige Olga Rosengart mit dem Rosengartschen Dienstmädchen Mathilde gestanden. Auf seine Frage, was los sei, habe die kleine Olga gesagt: Papa ist erschossen worden. Auf die fernere Frage, wann das geschehen sei, habe das Mädchen geantwortet: „Soeben.“ Er habe sich darauf eiligst Angekleidet und sei nach Zögershof gegangen. Er habe dort Frau Rosengart in der Küche weinend sitzen sehen. Rosengart lag zwischen Sofa und Tisch mit zerschmettertem Schädel als Leiche. Er bestreite ganz entschieden, den Rosengart erschossen zu haben. Rosengart sei ihm ein sehr wohlwollender Prinzipal gewesen, der ihm aus freien Stücken vom 1. April 1897 ab eine Zulage von mindestens 150 Mark versprochen hatte. Es sei eine freche Lüge, daß er mit Frau Rosengart ein sträfliches Verhältnis unterhalten habe. — Auf die Frage: Weshalb er nicht selbst zu dem Gendarm geritten sei, hat der Angeklagte geantwortet: Weshalb ich das nicht getan habe, kann ich nicht sagen. — Der Vorsitzende ließ hierauf die Angeklagte vortreten und befragte sie über die auf einer schwarzen Tafel enthaltene Zeichnung der Rißschen Wohnung. — Auf Befragen des Justizrats Dr. Sello äußerte Kämmerer Wiemann: Am Abend des Mordes sei feuchtes Wetter und der Erdboden aufgeweicht gewesen. — Der Vorsitzende verlas ferner ein Protokoll. Danach haben die Fußspuren auf dem Weizenfelde genau mit den Stiefeln des Rieß übereingestimmt. — Der folgende Zeuge war Kämmerer Gaudeck: Zwischen dem Inspektor Rieß und dem Gutsherrn Rosengart habe ein durchaus freundschaftliches Verhältnis bestanden. Am 19. März 1897 habe Rieß über Mattigkeit geklagt, so daß er sich schon gegen 6 Uhr nachmittags zu Bett legen wollte. Er sei aber trotzdem noch nach Zögershof gegangen, um dort Abrechnung zu machen.