Frau Marie Ziegran, Schneiderin Krönert, Frau Kämmerer Rengath

Frau Marie Ziegran schloss sich vollständig der Bekundung der Vorzeugin an. Auf die Frage des Vorsitzenden, weshalb sie ihre Wahrnehmung nicht angezeigt habe, da sie doch wusste, daß zwei Menschen unschuldig im Untersuchungsgefängnis sitzen, antwortete die Zeugin: sie habe das nicht für nötig gehalten.

Am dritten Verhandlungstage bekundete Schneiderin Kröhnert: Sie habe vom 1. Januar bis 1. Februar 1897 bei Rosengart gedient. Es sei ihr aufgefallen, daß, wenn der gnädige Herr nicht zu Hause war, die gnädige Frau zu dem Inspektor Rieß ganz besonders freundlich war. Einmal sei Rieß bis 2 ½ Uhr nachts bei Frau Rosengart geblieben, der gnädige Herr sei nicht zu Hause gewesen. Als Rieß fortging, sagte er zu Frau Rosengart: ich werde morgen früh wecken kommen, sonst könnten Sie verschlafen. Rieß sei aber nicht wecken gekommen. Wenn der gnädige Herr nicht zu Hause war, dann sei Rieß mit der Angeklagten zusammen in der Speisekammer, in der Küche, im Keller und in der Kinderstube gewesen. Als sie (Zeugin) eines Tages in den Keller gehen wollte, habe sie Kämmerer Rengath gefragt, ob das Schw. von Rieß wieder ordentlich gefressen und gesoffen habe. Einige Male sei Frau Rieß aufs Gut gekommen und habe weinend ihren Mann gesucht. Frau Rieß habe geklagt, daß ihr Mann sich immer umhertreibe, sie wolle ihren Mann für sich allein haben. Frau Rosengart habe darauf über Frau Rieß gespottet und gesagt, daß diese klein und hässlich sei und eine rote Nase habe. Eines Tages habe Frau Rosengart gesagt: Für die großen Hunde könnten wir lieber ein paar Schweine füttern. — Erster Staatsanwalt: Auch diese Zeugin hat früher bedeutend weitergehende Angaben gemacht. So hat die Zeugin u. a. bekundet: Wenn Herr Rosengart nicht zu Hause war, sei mehr und besser gekocht worden, — Zeugin: Das ist richtig.


Die Frage des Verteidigers R.-A. Dr. Lichtenstein, ob sie wegen Unredlichkeit entlassen worden sei, da sie dem Kämmerer Rengath Kognak, Bier usw. gegeben habe, verneinte die Zeugin.

Dienstmädchen Eggert: Sie habe mehrfach gesehen, daß die Kröhnert dem Kämmerer Rengath Kognak, Bier usw. gegeben habe. Die Kröhnert habe sie (Zeugin) gebeten, der gnädigen Frau nichts davon zu sagen. — Die Angeklagte bemerkte ebenfalls, daß die Kröhnert wegen Unredlichkeit entlassen worden sei. — Letztere stellte das mit Entschiedenheit in Abrede. — Auf Befragen des Verteidigers, Justizrats Dr. Sello, bekundete Kämmerer Wiemann: Frau Rosengart habe ihn auch bisweilen in die Speisekammer genommen, die Tür zugemacht und ihm Speise und Trank gegeben. Ein Liebesverhältnis zwischen Frau Rosengart und ihm habe aber in keiner Weise bestanden. — Kämmerer Rengath: Er habe Frau Rosengart und Inspektor Rieß oftmals so vertraut sprechen gesehen, daß er die Oberzeugung gewann: es bestehe zwischen beiden ein Liebesverhältnis. Als einmal Frau Rieß ihren Mann suchen kam, habe Frau Rosengart eine sehr unanständige Redensart gebraucht. — Angekl.: Das ist nicht wahr. Ich habe mit diesem Manne niemals gesprochen, am allerwenigsten aber mich einer solchen Redensart bedient. Ich habe meinem Mann mitgeteilt, daß der Zeuge die Kröhnert zu Unredlichkeiten verleitet habe. Mein Mann hat deshalb den Zeugen sofort entlassen, aus diesem Anlass hat der Zeuge mir Rache geschworen. Als Frau Rieß ihren Mann einmal suchen kam, sagte ich: es würde mir auch nicht gefallen, wenn mein Mann stets von Hause fort wäre. Frau Rengath sagte darauf zu mir: eine solch hässliche Frau, wie die Rieß, muss ja auf Sie eifersüchtig sein. Ich bemerkte: Was erlauben Sie sich für Redensarten? Ich will mich bloß nicht beschmutzen, sonst würde ich Ihnen ein paar Ohrfeigen geben. — Rengath: Das ist Lüge. — Vors.: Sie können nicht sagen, daß das Lüge ist, Sie sind doch nicht dabei gewesen? — Der Zeuge schwieg und bekundete im weiteren auf Befragen: Frau Rosengart habe ihn (Zeugen) einmal gefragt, wo ihr Langbeinchen sei. Auf seine Frage, wer das Langbeinchen sei, habe Frau Rosengart halblaut geantwortet: Nun, der Inspektor Rieß. Frau Rosengart habe gesagt: Mein Langbeinchen ziert doch den ganzen Gutshof, es ist doch ein hübscher Mensch. — Auf Befragen des Verteidigers bestritt der Zeuge, die Kröhnert zu Unredlichkeiten verleitet zu haben, er habe sie lediglich einmal ersucht, ihm eine Flasche Bier zu geben.

Auf Befragen des Verteidigers gab der Zeuge zu, daß er von Rieß wegen Beleidigung verklagt und auch zu 100 Mark, eventuell 20 Tagen Gefängnis verurteilt worden sei, weil er zu dem ermordeten Rosengart gesagt habe: Rieß bringe ihn um Stumpf und Stiel.

Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein beantragte, aus den Akten festzustellen, daß der Zeuge nicht einmal den Versuch gemacht habe, den Beweis der Wahrheit für seine Behauptungen zu führen. Er beantrage außerdem, die beeidete Aussage der Angeklagten, die damals als Zeugin aufgetreten sei, zu verlesen. — Justizrat Dr. Sello: Er müsse bemerken, daß er prozessuale Bedenken gegen diese Verlesung habe. — Der Erste Staatsanwalt nahm diesen Antrag jedoch auf, dem auch der Gerichtshof entsprach.

Frau Kämmerer Rengath: Ihr Mann habe ihr einmal erzählt: er habe den Inspektor Rieß mit Frau Rosengart in der Schlafstube stehen sehen. Dies habe sie (Zeugin) einer Frau erzählt. Aus diesem Anlass sei sie wegen Beleidigung bestraft worden. Als Frau Rieß einmal ihren Mann suchen kam, habe Frau Rosengart gesagt: ich werde der Frau einen Bullen schicken.