Dienstmädchen Krohn, Frau Auguste Budnick (Pillau) leibliche Schwester der Angeklagten

Auf Befragen des Verteidigers Justizrat Dr. Sello bekundete das Dienstmädchen Krohn: Sie habe an dem Tage, an dem Frau Rosengart den Eimer Wasser holte, die Asche aus dem Ofen gezogen, habe aber nichts Auffälliges in der Asche entdeckt. — Vors.: Nun, Frau Rosengart, was sagen Sie zu der Aussage Ihres Bruders? — Angekl.: Das ist alles nicht wahr. Mein Bruder hat mich allerdings gefragt, ob mir bekannt sei, daß Rieß meinen Mann erschossen habe. Ich antwortete: Der Inspektor Steinhagen hat mir erzählt, daß Rieß der Täter sei und das Gewehr, mit dem er meinen Mann erschossen hat, bei Anhuth gekauft habe. Mein Bruder wollte deshalb nach Ernsthof gehen, um das Gewehr in der Rießschen Wohnung zu suchen. Ich erklärte ihm, daß ich ihn begleiten wolle. Ich ging mit meinem Bruder nach Ernsthof, dort durchsuchte mein Bruder die Rießsche Wohnung, er fand aber nichts. — Adameit: Das erstemal habe ich das Gewehr gefunden, ich bin am anderen Tage noch einmal nach Ernsthof gegangen und suchte dort nach Kugeln, eine solche habe ich allerdings nicht gefunden.

Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein: Sie sollen in den letzten zwei Jahren, als Sie Ihr Geschäft hatten, mit Verlust gearbeitet, und zwar sollen Sie ein Minus von 6484 Mark gehabt haben? — Zeuge: Das ist richtig. — Vert.: Ist es richtig, daß Sie geäußert haben, Sie gehen auf keinen Fall fort von Zögershof? — Zeuge: Das habe ich nicht gesagt, ich habe aber bemerkt, ich glaubte, stets in Zögershof bleiben zu können. — Inspektor Steinhagen verneinte auf Befragen des Vorsitzenden, daß er der Angeklagten erzählt habe: Rieß soll den Rosengart erschossen und das Gewehr für 50 bis 60 Mark bei Anhuth gekauft haben. — Auf Befragen des Verteidigers R.-A. Dr. Lichtenstein gab der Zeuge die Möglichkeit zu, daß der Vorgang ihm nicht mehr erinnerlich sei.


Hierauf wurde Frau Auguste Budnick (Pillau) als Zeugin in den Saal gerufen. Diese gab an: Ich bin die leibliche Schwester der Angeklagten, ich will aber Zeugnis ablegen. Eines Tages kam ich mit meinem Bruder und meiner Schwester in der Zentralhalle hierselbst zusammen. Meine Schwester kam mit dem Referendar Wolff in die Zentralhalle. Ich sagte meiner Schwester, daß ich ihr etwas Wichtiges zu sagen habe, ich könne ihr das aber nicht in Gegenwart eines Fremden sagen. Meine Schwester versetzte: Was du mir zu sagen hast, kann auch mein Bräutigam hören. Ich sagte nun zu meiner Schwester: Es ist mir bekannt, daß Rieß deinen Mann erschossen hat und du ihn angestiftet hast.

Meine Schwester war sehr entrüstet darüber und sagte: Ich solle nicht derartige Redensarten aufbringen. Ich sagte zu meiner Schwester: sie habe doch meinem Bruder Hermann ein Geständnis gemacht. Meine Schwester bestritt dies. Am folgenden Tage ließ mein Bruder Hermann den Referendar Wolff zu sich ins Kontor bitten. Mein Bruder sagte in meiner Gegenwart zu Wolff: Es ist Ihnen doch bekannt, daß meine Schwester den Rieß angestiftet hat, ihren Mann zu erschießen? Wolff sagte: Das weiß ich. — Und trotzdem wollen Sie meine Schwester heiraten? fragte mein Bruder. Jawohl, ich werde sie heiraten, sagte Wolff. August Rosengart kam zu mir nach Pillau und sagte mir, er wolle Anzeige erstatten, sobald die Mutter den Wolff heirate, ich habe aber davon abgeraten. Nachdem meine Schwester verhaftet war, bat mich Wolff: wenn ich vor Gericht als Zeugin erscheine, dann solle ich mein Zeugnis verweigern, da, wie mir bekannt sei, auch mein Bruder Hermann verdächtigt werde. Ich sagte sofort zu Wolff: Ein Verdacht gegen meinen Bruder Hermann ist vollständig unbegründet, dieser kann das schon seiner großen Kurzsichtigkeit halber nicht getan haben; ich werde jedenfalls vor Gericht die volle Wahrheit sagen.

Vors.: Was veranlasste Sie, gegen Ihre Schwester auszusagen? — Zeugin: Einmal, weil meine Schwester den Wolff heiraten wollte, ganz besonders aber, weil mein Bruder im Verdacht der Täterschaft stand. — Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Haben Sie einmal gesagt, wenn Ihre Schwester Ihnen 6000 Mark gebe, dann werden Sie Ihr Zeugnis verweigern? — Zeugin: Nie.

Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein: Sie haben in Pillau ein Restaurant? — Zeugin: Jawohl. — Vert.: Wie steht es mit Ihren Vermögensverhältnissen? — Zeugin: Diese sind nicht gerade ungünstig. — Referendar a. D. Wolff: Ich bin mit der Familie Rosengart seit 1891 bekannt. Ich habe vielfach, ganz besonders, als ich hier in Königsberg studierte, die Familie in Zögershof besucht und fand stets sehr freundliche Aufnahme. Nach beendetem Studium ging ich nach Bartenstein. Im Jahre 1897 trat ich hier als Referendar bei der Staatsanwaltschaft ein. Von dieser Zeit verkehrte ich wieder häufiger in Zögershof. Einige Zeit nach dem Tode des Rosengart sagte mir einmal Frau Rosengart, sie werde entweder einen Teil ihrer Besitzungen verkaufen oder heiraten müssen. Ich riet ihr zu letzterem. Frau Rosengart sagte darauf: Ich habe in meiner ersten Ehe so trübe Erfahrungen gemacht, daß ich mich nur entschließen würde, einen Mann zu heiraten, zu dem ich das volle Vertrauen habe. Einige Zeit darauf fragte mich Frau Rosengart, ob ich sie heiraten wollte, sie hätte gerade zu mir volles Vertrauen. Ich zögerte zunächst, da ich mit Leib und Seele Jurist war und meine Karriere nicht gern aufgeben wollte. Ich gab jedoch schließlich den Bitten der Frau Rosengart nach und verlobte mich mit ihr im Mai 1898. Erst im Juni 1898 reichte ich meine Entlassung ein, ich empfand noch nach meiner Verlobung Lust, das Assessorexamen zu machen. Meine Braut wurde nun von ihren Geschwistern derartig bestürmt, die Verlobung mit mir rückgängig zu machen, daß wir beschlossen, nach Helgoland zu fahren und uns dort trauen zu lassen.

Vors.: Adameit soll Ihnen einmal in Gegenwart der Frau Budnick gesagt haben: Sie wissen doch, daß meine Schwester den Rieß angestiftet hat, ihren Mann zu erschießen. Darauf sollen Sie geantwortet haben: Das ist mir bekannt. Adameit soll darauf bemerkt haben: Und dennoch wollen Sie meine Schwester heiraten? Sie sollen darauf versetzt haben: Gewiss werde ich sie heiraten. — Zeuge: Das gerade Gegenteil ist wahr. Adameit hat allerdings diese Frage an mich gestellt; ich habe ihm aber sofort geantwortet: Wie kommen Sie dazu, meine Braut eines solchen Verbrechens zu beschuldigen. Machen Sie meinetwegen Anzeige, Ihre plumpen Erpressungen werden sehr wenig Glauben finden. — Vors.: Was für plumpe Erpressungen waren das? — Zeuge: Adameit ließ durchblicken, daß er Besitzer des Gutes werden wollte. Deshalb wollte er die Heirat hintertreiben, weil er befürchtete, er könnte dadurch seiner Stellung verlustig gehen. Ich habe dabei dem Adameit gleich nach unserer Verlobung gesagt, ich bin entfernt, ihn existenzlos machen zu wollen, er könne auch nach unserer Verheiratung bei uns bleiben. Ich bestreite auch, daß meine Braut dem Adameit ein Geständnis gemacht hat, denn als ich von der Unterredung mit Adameit meiner Braut Kenntnis gab, sagte diese sofort: Das hätte ich meinem Bruder nicht zugetraut, ich habe doch wahrhaftig genug an diesem Menschen getan. — Vors.: Hat denn Adameit direkt etwas verlangt, wenn er von einer Anzeige Abstand nehme? — Zeuge: Direkt nicht, aber indirekt. Er verlangte ganz besonders, meine Braut solle die Verlobung mit mir rückgängig machen, damit er nach Belieben auf dem Gut schalten und walten könne.