Der erste Zeuge war Kaufmann Hesse

Der erste Zeuge war Kaufmann Hesse: Er sei mit der Familie Rosengart und auch mit Adameit bekannt gewesen. Er habe seit 1893 mit Rosengart in Geschäftsverbindung gestanden und in den letzten 2 bis 3 Jahren bei Rosengart verkehrt. Der ermordete Rosengart habe seine Frau oftmals, wenn er angetrunken war, in roher Weise beschimpft. In solchen Fällen sei er (Zeuge) hinausgegangen, da ihm diese ehelichen Zwistigkeiten unangenehm waren. Adameit habe ein Kolonialwarengeschäft in Königsberg gehabt. Dies habe er vor einigen Jahren, lange vor der Ermordung des Rosengart, günstig verkauft und sei nach Amerika gegangen, um einen dort lebenden Bruder zu besuchen. Frau Rosengart habe ihrem Bruder 1000 Mark zur Reise gegeben. Adameit sei nach kurzer Zeit wieder zurückgekommen. Nach dem Tode des Rosengart sei Adameit Vormund der Rosengartschen Kinder geworden. Schon vor dem Tode sei Adameit Volontär auf dem Rosengartschen Gute gewesen. Adameit habe oftmals über seine Mündel geschimpft; er habe geklagt, daß sie verroht und sehr unfolgsam seien. Frau Rosengart habe nach dem Tode ihres Mannes oftmals über ihren Bruder geklagt. Sie habe gesagt: ihr Bruder handle keineswegs wie ein Bruder; er wirtschafte in einer Weise, daß, wenn das so weiter gehe, sie schließlich werde betteln gehen müssen. Auf ihre! Vorhaltungen habe der Bruder gesagt: Frauenzimmer verstehen nichts vom Geschäft und dürfen sich daher nicht in Geschäfte mischen. Frau Rosengart habe deshalb ihren Bruder entlassen und ihm 6000 Mark geben wollen. Adameit habe gesagt: Meine Schwester mag sich die 6000 Mark in die Weste stecken, ich bin der Meinung gewesen, daß ich zeitlebens auf dem Gute meiner Schwester werde bleiben können. — Vors.: Hat nicht Adameit auch über die Verlobung der Frau Rosengart mit dem Referendar a. D. Wolff gesprochen? — Zeuge: Jawohl, Adameit sagte: Das ist eine Dummheit, der Mann ist viel zu jung für meine Schwester. — Vors.: Haben Sie gehört, daß die Angeklagte mit Männern sträflichen Umgang unterhalten hat? — Zeuge: Davon habe ich nichts gehört, es war aber allgemein bekannt, daß der Ermordete ein Mädchen in Königsberg eingemietet hatte. — Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein: Frau Rosengart soll einmal ihren Mann vor den Misshandlungen von Arbeitern geschützt haben? — Zeuge: Jawohl; eines Abends war Rosengart in Sackheim stark betrunken. Er wollte nach Hause reiten, er konnte dies aber nicht, da er zu sehr betrunken war. Rosengart misshandelte das Pferd, zerriss das Zaumzeug, so daß ihm Arbeiter mit Schlägen drohten. Er (Zeuge) habe die Leute ersucht, den Mann nicht zu schlagen, da er sinnlos betrunken war. Sehr bald sei auch Frau Rosengart angefahren gekommen und habe ebenfalls gebeten, ihren Mann nicht zu schlagen.

Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Rieß ist im September 1897 an der Schwindsucht gestorben, wissen Sie über ihn etwas zu sagen? — Zeuge: Nein, ich habe Rieß im ganzen zweimal gesehen. — Vert.: Wissen Sie, daß Frau Rosengart mit Rieß ein Liebesverhältnis unterhalten habe? — Zeuge: Davon habe ich nie etwas gehört. — Auf weiteres Befragen der Verteidiger bekundete der Zeuge, daß der verstorbene Rosengart seine Leute, insbesondere den Kutscher Busch, sehr schlecht behandelt habe. — Frau Hesse, die Gattin des Vorzeugen, schloss sich im wesentlichen den Bekundungen ihres Mannes an. — Der folgende Zeuge, Kämmerer Wiemann, bekundete: Er sei vom 1. März bis 16. Mai 1897 auf dem Rittergut Zögershof beschäftigt gewesen. Am Abend des 19. März sei Inspektor Rieß kurz nach 8 Uhr nach Hause gegangen. Als er in das Wohnzimmer trat, in dem der ermordete Rosengart lag, habe Frau Rosengart in Ohnmacht gelegen. Erst als der Gendarm erschien, sei Frau Rosengart aus der Ohnmacht erwacht. Er habe weder wahrgenommen, daß Frau Rosengart mit dem Inspektor Rieß ein Verhältnis unterhalten habe, noch habe er von einem solchen Gerüchte etwas gehört. Rieß sei ein sehr gutmütiger Mann gewesen. Der Sohn der Angeklagten habe ihm einige Tage nach dem Morde gesagt: Denken Sie, Mama soll Papa erschossen haben. Heute früh hat man den Inspektor eingesperrt, man wird wohl auch bald Mama holen. Er, Zeuge, habe dem jungen Mann erwidert: „So schlimm wird es nicht werden.“


Staatsanwalt: Ich ersuche, den Zeugen zu fragen, ob jemand den Versuch gemacht hat, sein Zeugnis zu beeinflussen. Seine heutigen Aussagen weichen in sehr erheblicher Weise von seinen früheren ab. — Der Zeuge versicherte, daß niemand den Versuch gemacht habe, sein Zeugnis zu beeinflussen. — Auf ferneres Befragen des Vorsitzenden bekundete noch der Zeuge: Der Sohn der Angeklagten habe ihm erzählt: Mama sei an dem Abende des Mordes sehr unruhig gewesen; sie habe einige Male die Vorhänge des Fensters, die nach dem Hofe führten, zurückgeschoben und auf den Hof hinausgesehen. Der Ermordete habe die Angeklagte gefragt, weshalb sie so häufig zum Fenster hinaussehe. Die Angeklagte habe erwidert: „Ich sehe bloß hinaus.“ — Auf Befragen des Justizrats Dr. Sello bemerkte der Zeuge: Frau Rosengart habe den Eindruck gemacht, daß sie von dem Tode ihres Gatten aufs tiefste erschüttert sei.