Arbeiter Perkuhn, Witwe Deubner, Kutscher Busch

Arbeiter Perkuhn: Als er eines Tages auf dem Gutshofe Mist lud, habe er gehört, daß Inspektor Rieß zu dem Kämmerer Riedat sagte: Es wäre gut, die Hunde wegzubringen. Riedat fragte, wie er das machen solle. Rieß entgegnete, erst müsse der eine, nach etwa 14 Tagen der andere weggebracht werden, bis sie beide weg seien. — Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Hat das der Inspektor so laut gesagt, daß Sie es deutlich hören konnten? — Zeuge: Jawohl.

Witwe Deubner: Sie sei 1895/96 auf dem Gute Zögershof in der Küche beschäftigt gewesen. Der ermordete Rosengart habe oftmals seine Frau ausgeschimpft und sie des Ehebruchs bezichtigt. Frau Rosengart habe einmal gesagt: sie möchte zehn Taler zum besten geben, wenn jemand ihren Mann erschießen wollte; alsdann würde sie wieder glücklich leben. Die Verteidiger hielten der Zeugin vor, daß sie früher vom Totschlagen gesprochen habe, während sie heute vom Totschießen spreche. — Zeugin: Ich habe stets vom Totschießen gesprochen. — Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Sie haben früher immer vom Totschlagen gesprochen und auch gesagt, daß Frau Rosengart eine solche Äußerung mehrere Male getan habe. Heute wissen Sie nichts von einer solchen Äußerung. — Zeugin: Ich habe immer von mehreren Malen gesprochen. — Die Zeugin bekundete im weiteren auf Befragen des Vorsitzenden: Ihre (der Zeugin) Tochter habe dem Kutscher Busch, der zur Zeit schon entlassen war, von Frau Rosengart Briefe tragen müssen. Sie (Zeugin) habe auch gehört, wie der ermordete Rosengart seine Frau des sträflichen Umgangs mit Busch beschuldigt habe.


Vors.: Nun, Angeklagte, was sagen Sie dazu? — Angekl.: Als mein Mann einmal betrunken war, hat er mich allerdings des sträflichen Umgangs mit Busch bezichtigt. Ich wollte eines Abends mit meiner Schwester in Königsberg das Theater besuchen. Deshalb ließ ich Busch schriftlich bitten, uns vom Theater abzuholen, damit wir nicht genötigt waren, des Abends allein die Chaussee zu gehen. — Vors.: Weshalb schRießen Sie an Busch, der doch längst nicht mehr in Ihren Diensten stand, während Sie ein sehr zahlreiches Personal halten? — Angekl.: Unser Personal mußte um 3 1/2 Uhr des morgens aufstehen, ich konnte daher nicht verlangen, daß von diesem jemand uns des Abends aus Königsberg abholen kam. Busch hatte keine Stellung. — Vors.: Die Zeugin behauptet aber: Sie haben mehrfach an Busch geschRießen. — Angekl.: Das ist eine freche Lüge; die Frau hat einen Hass auf mich. Ich habe sie hinausgeworfen, weil sie uns bestohlen hatte. — Zeugin: Das ist nicht wahr. — Angekl.: Es ist doch wahr. — Auf weiteres Befragen wurde festgestellt, daß die Zeugin die Angeklagte wegen rückständigen Lohnes und Beleidigung verklagt habe und daß die Angeklagte auch verurteilt worden sei

Kutscher Busch gab nach längerem Zögern zu, daß er zehnmal wegen Diebstahls bzw. Einbruchdiebstahls, zuletzt mit Zuchthaus, bestraft sei. Als der Vorsitzende den Zeugen aufforderte, den Eid zu leisten, weigerte sich dieser zu schwören, da er nicht wisse, worüber er vernommen werden solle. Erster Staatsanwalt: Es hat den Anschein, als befürchte der Zeuge, sich einer Straftat zu bezichtigen. — Der Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein beantragte, den Zeugen vorläufig uneidlich zu vernehmen. — Der Vorsitzende entsprach diesem Antrage.

Der Zeuge bestritt auf Befragen des Vorsitzenden, mit Frau Rosengart ein sträfliches Verhältnis unterhalten, von dieser Briefe empfangen oder sie nach Hause geleitet zu haben. Er sei allerdings Frau Rosengart einige Male auf der Chaussee begegnet, Geld habe er von Frau Rosengart niemals für eine Begleitung erhalten. — Erster Staatsanwalt: Haben Sie an einen Referendar Wolff Briefe geschRießen ? — Zeuge: Nein. — Erster Staatsanwalt: Wie verhält es sich mit den bei Ihnen gefundenen Schriftstücken, die die Aufschrift „An den Gerichtsreferendar und Gutsbesitzer Wolff“ tragen? — Zeuge: Diese Schriftstücke habe ich allerdings geschRießen. — Erster Staatsanwalt: Hat Ihnen Ihre Frau, als Sie aus dem Zuchthause kamen, nicht gesagt, daß sie Zeugin der Ermordung des Rosengart war? — Zeuge: Jawohl. — Erster Staatsanwalt: Weshalb hat Ihre Frau dies so lange verschwiegen? — Zeuge: Meine Frau wollte nichts mit dem Gericht zu tun haben. — Erster Staatsanwalt: Als Referendar Wolff zu Ihnen kam und Ihre Frau fragte, da überwand Ihre Frau ihre Abneigung gegen die Gerichte? — Der Zeuge schwieg und bekundete auf Befragen des Verteidigers, R.-A. Dr. Lichtenstein: Er habe einmal den ermordeten Rosengart und dessen Frau von Königsberg nach Zögershof gefahren. Rosengart sei sehr angetrunken gewesen und habe seine Frau und auch ihn geschlagen.

Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Hatten Sie, als Sie bei Rosengart engagiert wurden, bereits eine Zuchthausstrafe erlitten? — Zeuge: Jawohl. — Vert.: War das Ihrer Herrschaft bekannt? — Zeuge: Jawohl. — Es erschien alsdann als Zeuge Gerichtsreferendar a. D. Wolff. Dieser, ein mittelgroßer, hübscher, schneidiger Herr mit flottgedrehtem blonden Schnurrbart, gab an, daß er 30 Jahre alt und evangelischer Konfession sei. Er sei mit Frau Rosengart öffentlich verlobt, wolle aber Zeugnis ablegen. Er habe einmal gehört, daß Kutscher Busch gesagt habe, seine Frau wisse genau, daß Inspektor Rieß den Rosengart nicht erschossen habe. Er sei deshalb sofort zu Busch gegangen, habe mit Frau Busch gesprochen und von der Unterhaltung der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet.