Am 23. März 1899 erschien Frau Rittergutsbesitzer Rosengart vor den Geschworenen

Am 23. März 1899 erschien Frau Rittergutsbesitzer Rosengart vor den Geschworenen. Sie hieß mit Vornamen Johanna, geborene Adameit. Sie war am 16. Oktober 1860 zu Pillau geboren. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte Landgerichtsdirektor Wohlgemuth. Die Anklagebehörde vertrat der Erste Staatsanwalt Hepner. Die Verteidigung führten Justizrat Dr. Erich Sello (Berlin) und Rechtsanwalt Dr. Lichtenstein (Königsberg).

Auf Befragen des Vorsitzenden äußerte die Angekl.agte: Ich war 18 1/2 Jahre mit meinem Manne verheiratet und habe mit ihm 10 Kinder gehabt. Seit 6 Jahren besaßen wir das Gut Zögershof; 1896 kauften wir noch das Gut Ernsthof. — Vors.: War Ihre Ehe glücklich? — Angekl.: Im allgemeinen war die Ehe glücklich, zum Teil auch unglücklich. — Vors.: Ihr Mann soll Sie oftmals gemisshandelt haben? — Angekl.: Jawohl, aber nur, wenn er betrunken war; in solchem Falle hat er mich auch beschimpft. — Vors.: Ihr Mann soll Sie im Verdacht gehabt haben, daß Sie mit anderen Männern sträflichen Umgang unterhalten? — Angekl.: Nein, mein Mann hatte niemals einen solchen Verdacht, er hatte auch keine Ursache dazu. — Vors.: Weshalb mag er Sie denn misshandelt und beschimpft haben? — Angekl.: Mein Mann verlangte unbillige Sachen von mir, die ich ihm nicht gewähren wollte. Im übrigen wusste mein Mann, sobald er angetrunken war, absolut nicht, was er tat. Wenn er am anderen Tage wieder nüchtern war, bat er mich um Verzeihung und war wieder der beste Mensch. — Vors.: Hat Sie nicht Ihr Mann im Verdacht gehabt, daß Sie mit Ihrem Kutscher Busch unlautere Beziehungen unterhielten? — Angekl.: Keineswegs, — Vors.: Hat auch Ihr Mann dem Kutscher Busch nicht Vorhaltungen gemacht? — Angekl.: Nein, das kann er nicht getan haben, da er nicht den geringsten Grund dazu hatte. — Verteidiger Justizrat Dr. Sello: Ich ersuche, der Angekl.agten die Frage vorzulegen, ob sie schon einmal von ihrem Mann fort war und sich von ihm scheiden lassen wollte. — Angekl.: Das ist richtig. Einmal mißhandelte und beschimpfte mich mein Mann, wenn er angetrunken war, und andererseits hörte ich, daß mein Mann in Königsberg ein Mädchen aushielt. Ich erklärte daher meinem Mann, daß ich dies nicht länger ertragen könne und mich scheiden lassen müsse. Ich war deshalb mehrere Tage von meinem Mann fort und wollte die Scheidungsklage einleiten. Mein Mann kam jedoch nach einigen Tagen zu mir, bat mich um Verzeihung und versprach mir, anders zu werden. Ich ließ mich deshalb überreden, wieder zu ihm zurückzugehen.


Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein: Die Angeklagte hat behauptet, daß sie genötigt war, mehrfach ihren Mann zu schützen, damit er auf der Chaussee nicht von seinen Arbeitern erschlagen werde. — Angekl.: Das ist richtig. Mein Mann beschimpfte, sobald er angetrunken war, vielfach die Arbeiter, er prozessierte auch viel, es wurde ihm daher mehrfach gedroht, ihn zu erschlagen. Ich bin deshalb meinem Manne oftmals mit Knechten entgegengegangen, um ihn zu schützen. Dies tut gewiss nicht jede Frau. — Erster Staatsanwalt: Sie wollen sagen, wenn Sie Ihren Mann loswerden wollten, dann hätten Sie ihn nicht geschützt? — Angekl.: Jawohl. — Erster Staatsanwalt: Das soll Ihnen geglaubt werden, es bedarf deshalb keines Beweises. — Vors.: Nun kommen Sie einmal zu dem 19. März 1897, also zu dem Abende, an dem Ihr Mann erschossen wurde. — Angekl.: An diesem Abende aßen wir gegen 8 1/2 Uhr gemeinschaftlich Abendbrot. Inspektor Rieß hatte sich bereits nach Hause begeben. Nach dem Abendbrot zog sich mein Mann in das Wohnzimmer zurück, um die Zeitung zu lesen. Ich verweilte noch mit meiner kleinen Tochter Olga in dem Wohnzimmer. Gleich nach 9 Uhr sagte ich zu meiner Tochter: Es ist Zeit, daß du schlafen gehst, du musst morgen früh um 6 Uhr wieder aufstehen. Wir verabschiedeten uns von Papa. Kaum hatte ich die Tür des Wohnzimmers zugemacht, da krachte ein Schuss. Ich eilte mit meinen Kindern und meinem Personal ins Wohnzimmer, in dem wir im ersten Augenblick nichts sahen, da es mit Pulverdampf gefüllt war. Sehr bald sahen wir meinen Mann mit zerschmettertem Schädel zwischen Tisch und Sofa in einer Blutlache liegen. Ich sandte sofort reitende Boten nach Königsberg, um meinen Bruder und einen Arzt zu holen; außerdem schickte ich reitende Boten zu dem Gendarmen und zu unserem Gutsinspektor Rieß. — Vors.: Rieß soll gezögert haben, an die Mordstätte zu kommen? — Angekl.: Davon ist mir nichts bekannt. — Vors.: Die Kugel ist durchs Fenster gekommen? — Angekl.: Jawohl. — Vors.: Vor dem Fenster waren Läden, sie waren aber nicht vorgemacht? — Angekl.: Nein, mein Mann wollte nicht, daß die Läden vorgemacht werden. — Vors.: Kurz vor dem Morde sollen zwei große, sehr wachsame Hunde auf dem Gute gewesen sein, die plötzlich verschwunden waren? — Angekl.: Jawohl. — Vors.: Wie erklären Sie sich das Verschwinden der Hunde? — Angekl.: Das weiß ich nicht — Vors.: Als der Schuss erfolgte, hatte auf dem Gutshof niemand mehr etwas zu tun? — Angekl.: Nein. — Vors.: Es ist daher anzunehmen, daß der Mörder mit den Wirtschaftsund lokalen Verhältnissen genau vertraut gewesen sein muß? — Angekl.: Allerdings. — Vors.: Es waren noch zwei junge Hunde auf dem Gutshof, weshalb mögen diese nicht angeschlagen haben? — Angekl.: Diese waren noch zu jung. — Vors.: Sie sollen mit dem Inspektor Rieß sträflichen Verkehr unterhalten haben? — Angekl.: Das ist unwahr, ich habe niemals mit Rieß unlautere Beziehungen unterhalten. — Verteidiger R.-A. Dr. Lichtenstein: Die Angeklagte behauptet, daß der Ermordete vielfach Drohbriefe erhalten habe? — Angekl.: Das ist richtig. — Vors.: Haben Sie die Drohbriefe gelesen? — Angekl.: Jawohl. — Vors.: Von wem waren die Drohbriefe? — Angekl.: Das weiß ich nicht, sie waren anonym. In allen wurde mein Mann mit dem Tode bedroht. — Vors.: Sie sollen einmal gesagt haben: Es wäre doch gut, wenn die Fensterläden zugemacht würden, sonst könnte Ihr Mann einmal erschossen werden und der Verdacht könnte auf Sie und den Inspektor Rieß fallen? — Angekl.: Eine solche Äußerung habe ich niemals getan. Mein Mann erhielt einmal einen Drohbrief. Von diesem machte er zunächst dem Inspektor Rieß Mitteilung. Letzterer setzte mich sofort davon in Kenntnis. Ich eilte deshalb zu meinem Mann; dieser sagte mir: Ich habe heute wiederum einen Drohbrief erhalten, in dem auch du mit dem Tode bedroht wirst. — Vors.: Wen hatten Sie wohl im Verdacht, diesen Brief geschRießen zu haben? — Angekl.: Ich konnte es mir nicht anders denken, als daß Kämmerer Riedat den Brief geschRießen habe. — Der Vorsitzende erläuterte alsdann an der Hand einer Zeichnung den Ortsbefund und verlas das gerichtliche Augenscheinsprotokoll.