Namen, Lage, Größe, Einwohnerzahl

Namen, Lage und Größe, — Einige Längen-, Flächen- und Höhenmessungen, — Untergegangene und noch vorhandene Kirchen und Kirchspiele, — Dörfer, Häuser- und Einwohnerzahl — Produkte der Insel.

Nachdem ich Sie mit der Lage und Beschaffenheit der natürlichen Teile, woraus meine Heimatinsel besteht, bekannt gemacht habe, muss ich nunmehr auch in Betreff des Namens, der Größe, der Dörfer, der Einwohner und anderer statistischer Gegenstände einige Notizen zum bessern Verständnis des Ganzen und Einzelnen hinzufügen.


Es ist die Frage oft aufgeworfen worden, welche Bedeutung der Name Sylt, Silt oder Söld haben möchte. Mein alter Freund, der Schiffer Marten Knuten auf Amrum, pflegte zu sagen: Das Mittelstück, das Wesentlichste der Insel Sylt, ohne Hörnum und Listland, hat die Gestalt einer Fußsohle, und zwar des rechten Fußes eines Riesen, und dieser Ähnlichkeit wegen hat die Insel ohne Zweifel den friesischen Namen Sööl oder Söld erhalten, denn Sohle heißt im Friesischen Sööl. Nun, diese Vergleichung ist nicht übel; es fehlte nur, dass der phantasiereiche Alte hinzugefügt hätte: Es sei die Insel Sylt Nichts mehr und Nichts weniger, als die verlorne Sandale oder der Pantoffel eines Riesen, der weiland über das Meer geschritten; etwa des „Uald“ oder des Kapitäns auf dem großen Weltschiffe „Mannigfuald“, der, nachdem er sein riesiges Schiff mit genauer Not durch den engen britischen Kanal in die Nordsee geführt, alsdann einen Versuch gemacht hatte, in die Ostsee zu gelangen, das Meer aber dort zu seicht gefunden und zur Rettung seines Schiffes den Ballast desselben über Bord geworfen hatte, woraus der Sage nach die Insel Bornholm entstanden, darauf aber nach der Nordsee zurückgekehrt sei; dessen Weisheit aber endlich an Jütland zu kurz gekommen, dessen Schiff an der jütischen Küste gestrandet und dort, versunken, unter dem Namen Riffshorn liegen geblieben, der aber alsdann durch das seichte Küstenmeer geschritten sei und sich nach dem hohen, trocknen Deutschlande gerettet habe.

Mein Freund Marten Knuten irrt aber unbezweifelt und ebenso die Dänen, wenn sie den Namen Silt von dem dänischen Worte „Sild“ (Hering) ableiten und in ihrer Meinung bestärkt werden durch den Umstand, dass jetzt seit dem 17. Jahrhundert das Wappen der Insel einen Hering enthält und die Sylter einst Heringsfischer waren.

Ich bin der Meinung, dass die Insel Sylt nur ein Rest von einem untergegangenen größeren Seelande, und dass der Name Sylt oder vielleicht richtiger Silt nur eine Abkürzung oder Zusammenziehung des alten Namens Silendi oder Seeland ist, auch dass die Namen Seeliger, Salliger und Söldring, welche die übrigen Friesen den Syltern beilegen, soviel als Seeleute, oder, im Spott gebraucht, soviel als Seehunde bedeuten.

Die Insel Sylt liegt zwischen 54° 44' und 55° 3' Nordbreite; der größere südliche, zum Herzogtum Schleswig gehörige Teil derselben, die Landschaft Sylt, reicht nur bis zu 55° Nordbreite, der kleine nördlicher liegende Rest der Insel ist das Listland und gehört zum Stiftamte Ripen in Jütland. Die Länge der ganzen Insel von Hörnumodde oder dem Vortrap im Süden bis zu der Nordwestecke des Listlandes, dem Ostindienfahrershuk, beträgt demnach 4 3/4 Meilen, von welchen kaum 1 Meile auf das Listland kommt. Die Breite der Insel ist sehr verschieden, sie wechselt von 1/8 bis 1 1/2 Meile in Ost und West; von dem Badestrande bei Westerland bis zu Nösse, der Ostspitze des Morsumfeldes, sind 1 1/2 Meile in Ost und West*). Der Flächeninhalt der Insel beträgt ungefähr 1 1/2 Quadrat-Meilen von welchen 3/8 Q.-M. auf das Listland, 1 1/8 Q.-M. aber auf die Landschaft Sylt fallen. Von dem Listlande ist 1/4 Q.-M. und von der Landschaft Sylt sind 3/8 Q.-M. mit Dünen bedeckt. Nur zirka 3/4 Q.-M. der Landschaft Sylt sind Acker-, Wiesen- und Heideländereien, und zwar kann man annehmen, dass die zum Ackerbau benutzten Ländereien jetzt 1/4 Q.-M., die unter Flut liegenden (d. h, den Überschwemmungen ausgesetzten, nicht eingedeichten) Wiesen und ehemaligen Weiden auch 1/4 Q.-M. und ebenfalls die wüstliegenden Heideländereien 1/4 Q.-M. ausmachen**).

*) Nach H. Kielholt wäre die Insel Sylt einst in Ost und West 3 Meilen breit gewesen.

**) Der Landmesser N. Wögens gab um 1790 die Ackerländereien Sylts zu 2.483 Demath, die Wiesen und Weiden zu 3.238 Dth. und die Heideländereien zu 2.314 Dth. an; allein die Wiesen haben seitdem verloren, die Äcker zugenommen und die Heiden waren und sind noch nicht alle gemessen und verteilt


Im Jahre 1850 nahm ich auf eigene Hand eine Häuser- und Volkszählung, sowie einige Messungen, namentlich Längenmessungen und Entfernungen einzelner Punkte und Ortschaften von einander auf Sylt vor, teils sammelte ich auch ähnliche Notizen von andern kundigen Männern über dergleichen auf Sylt. Ich maß von der Schule in Keitum, dem ungefähren Mittelpunkt des Dorfes und der Insel aus, nach verschiedenen, mehrenteils geraden Richtungen und fand die Entfernung von der Mitte Keitums bis zur Landvogtei, dem östlichsten Hause in Tinnum, 3/16 Meile, bis zur Westerländer Schule und Kirche 3/8 Meile, bis zu den Westerländer Dünen ½ Meile und bis zur Nordsee noch zirka 1000 Fuß weiter nach Westen. Von der Mitte Keitums bis zu den westlichsten Häusern Morsums im Osten fand ich 3/8 Meile, bis zur Mitte Morsums 1/2Meile, auch bis zur Nordwestecke des Morsumkliffs 1/2 Meile, bis zur Nordostecke des Morsumkliffs 3/4 Meile und bis zur Ostspitze der Insel kaum 1 Meile (reichlich 7/8 Meile nach Nösse, aber nur zirka 3/4 Meile nach der Südostspitze Morsumodde; die Meile stets zu 30.720 Fuß gerechnet). — Nach einer Messung und Angabe des Landmessers und Navigationslehrers H. P. Köster in Tinnum ist die Entfernung von Nössespitze bis zur Morsumkirche 660 Ruten (à 18 Fuß, wie auf Sylt gebräuchlich); von der Morsumkirche nach der Keitumkirche im Nordwest davon beträgt die Entfernung 1.136 Ruten; von der Keitumkirche nach der Westerlandkirche im Westen sind es 596 Ruten und von der Westerlandkirche nach dem Badestrande noch 245 Ruten. Oder in Meilen hat demnach Köster gefunden: von der Morsumkirche nach der Keitumkirche zirka 2/3 und von dieser nach der Westerlandkirche zirka 1/3 Meile Entfernung. Von der Mitte Keitums aus hat Köster folgende Entfernungen gefunden: bis zur Südgrenze Braderups 1/2 Meile, bis zum nördlichen Abhange der Kamperhöhen am Kamperdeich 1 Meile, bis zur Vogelkoje und der Nordgrenze der Landschaft Sylt 1 1/2 Meile, bis zum Dorfe List 2 1/4 Meile. (Von Keitum bis Munkmarsch, dem besten Lösch- und Ladeplatze der Insel nördlich von Keitum am Ostufer, rechnet man 3/8 Meile und ebensoviel von Munkmarsch nach Westerland.) — Das Listland ist in der Gegend des Dorfes List 1/2 Meile breit und der Ellenbogen, das Nordende der Insel, in Ost und West 1/2 Meile lang. Der Königshafen, zwischen dem Ellenbogen und dem Dorfe List liegend, ist 11.500 Fuß lang und 4.380 Fuß breit. — Von der Kirche in Westerland bis zur Südspjtze Hörnums möchten zirka 2 1/2 Meile Entfernung und von Westerland bis zu dem jetzigen Rantum mindestens 7/8 Meile sein. Der Strandvogt N. P. Taken gibt die ganze Länge des Rantumer Gebietes auf der Halbinsel Hörnum zu 18.000 Schritt oder zirka 1 2/3 Meile an. — Das rote Kliff am westlichen Strande ist ungefähr 1/2 Meile lang, es reicht von dem Riesenloch bei Wenningstedt bis zum Kamperdeich im Norden. Die höchste Dünenspitze auf dem roten Kliff, der Uwenberg, ragt 160 Fuß, oder bei niedrigster Ebbe 166 Fuß über das Meer hervor. Die Inhockdüne, etwas südlicher, 150 Fuß. Der Leuchtturm bei Kampen auf dem roten Kliff ist im Jahre 1855 am Fuße des großen Brönshügels, des Grabmals des friesischen Königs Bröns, gebaut, ist 113 Fuß hoch, ragt jedoch 200 danische Fuß über das Niveau des Meeres hervor, leuchtet bei wechselndem Licht 5 bis 6 Meilen über die See hinaus und steht auf 54° 56' 51'' N. Breite und 8° 20' 30'' Ostlänge von Greenwich.

Die Insel Sylt besteht aus 3 Kirchspielen, nämlich Morsum, Keitum und Westerland. Um 1800 gab es außerdem noch ein kleines Kirchspiel Rantum, mit einer kleinen Kirche, die aber 1801 abgebrochen wurde, weil der Flugsand sie zu verschütten angefangen hatte*), Rantum wird von der Zeit an zum Kirchspiele Westerland gezählt. Westerland selber ist ein Neubau des um 1436 durch eine Uberschwemmung untergegangenen Kirchspiels Eidum. Vor 1436 sollen nach H. Kielholt 6 Kirchen auf Sylt gewesen sein mit 10 Predigern, nachdem bereits um 1300 und 1362 viele Kirchen und Kirchspiele durch Sturmfluten rings um das jetzige Eiland verschwunden waren. Zu den im Westen im offenen Meere untergegangenen Kirchspielen Sylts rechne ich: Alt-Rantum mit der Westerseekirche, Alt-Eidum und Alt-Wenningstedt am Friesenhafen oder Riesenloch, dem Abfahrtsorte der Angelsachsen nach Britannien, gelegen und Alt-List, wahrscheinlich im Nordwest gelegen. Ein späteres List um scheint durch Sandflug untergegangen zu sein, da man die Kirchstätte und mehrere dazu gehörige Dorfstätten, z. B, Blidsum und Bargsum, noch heutigen Tages in den Listerdünen nachzuweisen vermag. Ähnliches möchte von dem einstmaligen Kirchlein und Kirchspiel Wardum oder Wardyn auf Hörnum gelten. Auch das scheint im Dünensande begraben zu sein, da man die Stätte, wo es einst gelegen, noch in dem Wardyntale bezeichnet. Durch Wasser und zwar durch Überschwemmungen des Meeres sind überdies in dem jetzigen südlichen Haff bei Sylt das Kirchspiel Stedum oder Steidum und in dem nördlichen Haff das freilich etwas ungewisse Kirchspiel Lägum oder Leghörn zerstört worden und gänzlich verschwunden. Nur eine Sandbank hat noch den Namen Leghörn und eine Wiese, Namens Steidum-Inge, erinnert an das alte Steidum. Die noch jetzt stehenden Kirchen zu Morsum und Keitum sind sehr alt, aber solide gebaut und wohl unterhalten; sie sind mit Blei gedeckt und die Mauern derselben bestehen zum Teil aus behauenen Granitblöcken. Sie liegen, wie die Kirchen auf Föhr, etwas entfernt von den Dörfern, doch fast in der Mitte der Dörfer, die zu einem Kirchspiele gehören. Beide haben Orgeln, und die größere derselben, die Keitumer, ist mit einem 90 Fuß hohen, aber stumpfen Turme geziert. Die Kirche zu Westerland ist ein kleineres, mit Schilf gedecktes, mitten im Dorfe stehendes Gebäude, das nach dem Abbruche der letzten Eidumkirche im Jahre 1635 an die Ostgrenze des Kirchspiels Westerland gebaut und 1789 vergrößert und umgebaut wurde. Der Altar dieser Kirche soll aber schon in der Eidumkirche gestanden haben und ursprünglich aus der Listerkirche stammen. Es heißt nach einer Sage von H. Kielholt: Als dieser Altar in die Eidumkirche gestellt und mit den Bildern der Apostel und anderer Heiligen geschmückt, das Volk aber aufgefordert worden war, diese Bilder und Heiligen zu verehren, da habe ein alter Mann (ein Friese der alten Zeit), der dabei gestanden und zugesehen, im Ärger sich selbst den Hals abgeschnitten in der Kirche, darum, weil er sich nicht mit dem neuen Glauben oder der Bilder- und Heiligen-Verehrung beladen wollte, — Auch der Altar der Keitumkirche stammt aus katholischer Zeit, hat Bilder von Gott dem Vater und dem Sohne, von der Mutter Maria, dem Pabst oder Bischof St. Severin, nach welchem die Kirche genannt ist, und den Aposteln, Alle aus Holz kunstreich geschnitzt und wohl erhalten. — Der Turm der Keitumkirche ist neuer als die Kirche und der Sage nach auf Kosten zweier mit der Welt zerfallener alter Sylter Jungfern, die Ing und Dung geheißen, gebaut worden. Es wäre aber dabei der Wunsch oder die Prophezeihung ausgesprochen worden: Die Glocke im Turme solle einst niederstürzen und den schönsten und mutwilligsten Jüngling erschlagen; der Turm selber aber einst zusammenstürzen und die schönste und eitelste Jungfrau zerschmettern. Als nun um Weihnachten 1739, durch mutwilliges und unvorsichtiges Läuten veranlasst, die Glocke wirklich niederstürzte und einen schönen Jüngling aus Keitum erschlug, schien die erste Hälfte der Prophezeihung in Erfüllung zu gehen, und es heißt, dass seit der Zeit manche eitle Jungfrau nur mit Zögern und geheimer Angst sich dem Kirchturme zu Keitum genahet habe. — In der Morsumkirche ist eine Tafel mit einer Inschrift, welche mitteilt, dass diese Kirche im Jahre 1628 mit Schanz und Graben umgeben und zu einer Festung gemacht worden sei. Die Sage fügt hinzu, es wäre dabei der ganze Kirchhof von den Dänen umgewühlt und alle Graber geöffnet worden. Ein witziger Morsumer hätte aber zur allgemeinen Beruhigung der Gemüter über diese Entweihungen ein Bild malen lassen, auf welchem er alle Morsumer, Todte sowohl wie Lebende, bis auf einen, nämlich seinen Nachbar, der ihm viel Schabernack zugefügt hatte, in den Himmel fahren, den bösen Nachbar aber durch den Teufel in die Hölle schleppen ließ. Dieses Bild soll noch in der Kirche zu Morsum vorhanden sein.

*) Ebe Pohn, ein Schiffer und Philosoph aus Westerland, der einst eine Zeit lang auf Hörnum gleich Diogenes in einer Tonne gehaust hatte, bis der Sturm seine Tonne erfasste und nach dem Meere rollte, wobei Ebe Pohn beinahe ums Leben gekommen wäre, kaufte die ganze Rantumkirche für 100 Thlr. Crt,, brach sie ab und verzierte nunmehr die Kajüte seines Schiffes mit dem Altar und der Kanzel der ehemaligen Kirche. Er fuhr noch lange in und mit diesen Alt-Rantumer Heiligtümern auf dem Wasser umher.

Im Jahre 1850 fand ich auf Sylt 613 Wohnhäuser, von welchen jedoch damals nur 594 wirklich bewohnt wurden. Von diesen Häusern gehörten 175 zum Kirchspiele Morsum, welches in die Dorfschaften Groß-Morsum, Lütje-Morsum, Osterende, Wall und Schellighörn zerfällt, und in einem großen Kreise rings um seine Kirche Schule, Ackerfelder und 2 Mühlen auf der östlichen fruchtbaren Halbinsel Sylts liegen hat. In dem Kirchspiele Keitum, dem mittelsten und größten auf der Insel, waren damals 331 Wohnhäuser, nämlich in dem Dorfe Archsum 44, in Keitum 160, in Tinnum 62, in Bradrup 21, in Wenningstedt 11, in Kampen 23 und auf List 10. Das Dorf Archsum hat das fruchtbarste Ackerland auf Sylt, liegt aber niedrig und ist, wie alle südlich gelegenen Dörfer auf der Insel, oft den Überschwemmungen des Meeres ausgesetzt. In Archsum ist noch ein kleiner Rest einer um 1360 von dem dänischen General Waldemar Zappy zur Bezwingung der Sylterfriesen gebauten Ringburg. In Tinnum ist noch ein vollständiger, ringförmiger Erdwall einer ähnlichen, von dem wahrscheinlich friesischen Edelmanns Claes Limbeck um 1370 erbauten Burg. In Tinnum ist, mindestens seit 1600, der Wohnsitz der Sylter Landvögte gewesen. Auch die alte Thingstätte der Sylter war nördlich von Tinnum auf den sogenannten Thinghügeln. Das Dorf Keitum liegt in der Mitte der Insel, auf dem hohen Ufer des nordöstlichen Haffs, hat einen kleinen Hafen, treibt Schifffahrt, Austernfischerei und Handel neben dem Ackerbau und der Viehzucht, hat viele stattliche Häuser, baumreiche Gärten und chausseeähnliche Straßen. Hier ist eine königliche Zollstätte, ein Postkomptoir, eine regelmäßige Fähre nach Hoyer, ein landschaftliches Versammlungshaus, eine Schule, eine Apotheke, eine Mühle und es wohnen hier 2 Ärzte. Etwas nördlich von dem Dorfe liegt die Kirche; noch nördlicher liegt der zu Keitum gehörige kleine Ort Munkmarsch, eine Graupenmühle und 3 Häuser, worunter 2 anständige Wirtshäuser sind, an dem bequemsten und am meisten benutzten Landungsplatze für tiefer gehende Schiffe*). Bradrup, Wenningstedt und Kampen liegen in einer hohen Heidegegend, Wenningstedt liegt nahe an den Dünen rings um einen Teich besonders schön, 1/2 Stunde nördlich von Westerland. Fast in der Mitte zwischen diesen Dörfern steht der vorerwähnte hohe schöne Leuchtturm mit einem vortrefflichen Leuchtfeuer**). List liegt auf dem nördlichen Teile der Insel, fast mit Dünen umgeben, an einer tiefen und geschützten Rhede, die mehr als jetzt in alten Zeiten von Schiffen und selbst Kriegsflotten benutzt wurde, Christian IV., König von Dänemark, schlug hier 1644 eine schwedische Flotte. Die Listertiefe ist durch Tonnen und 2 Leuchttürme, die auf dem Ellenbogen, der Nordspitze der Insel, stehen, kenntlich gemacht. Die Einwohner auf List sprechen Dänisch und Friesisch, sonst spricht man auf ganz Sylt Friesisch; die Kirchen- und Schulsprache ist aber überall auf Sylt, auch auf List, stets Deutsch gewesen.

*) Munkmarsch und Keitum sind von Hoyer 3 Meilen, von Wyck 4 Meilen und von Husum 9 Meilen entfernt. Rechnet man aber die Buchten der Wattströme mit, so muß man nach Wyck 1 Meile und nach Husum 2 Meilen zulegen.

**) Zwischen Kampen und List an dem Ostufer liegt eine sogenannte Vogelkoje, eine Anstalt zum Fange wilder Enten, die sehr sehenswert ist.


Das Kirchspiel Westerland besteht aus einem reinlichen und durch die Seefahrt, Arbeitsamkeit und Sparsamkeit der Bewohner wohlhabend gewordenen Dorfe, welches 1850: 101 Häuser zählte. Es liegt in der Nähe der Dünen und des westlichen Strandes, hat von Alters her oft durch Sandflug und Überschwemmungen gelitten, hat aber in neuester Zeit durch die dortige Anlage eines vortrefflichen Seebades eine Art Entschädigung für frühere Verluste von dem nahen Meere zu erwarten, wenn dieses neue Seebad, wie dasselbe verdient, erst recht in Aufnahme kommen wird. Das kleine Annexkirchspiel oder Dorf Rantum liegt weit südlich von Westerland an dem Fuße der Hörnumer Dünen, zählte 1850 nur noch 6 Häuser und ist jetzt als ein letzter Rest einer untergehenden Dorfschaft anzusehen. 1725 hatte Rantum 40 Häuser, 1777 noch 26, 1816 noch 13 Häuser, jetzt 1858 nur noch 5 von Sand und Wasser bedrängte Hütten. Um 1700 steuerten die Rantumer noch nach 2 1/4 Pflügen zu den 52 Pflügen der Landschaft Sylt*);um 1800 hatten sie bereits allen Ackerbau aufgeben müssen. Jetzt nähren sich die Einwohner dort von der Viehzucht, der Seefahrt, dem Fischfange und dem Strickedrehen aus dem Dünengrase.

*) Vor 1638 hatte die Insel Sylt (ohne List) 100 Steuerpflüge; es hatte aber die Insel durch Überschwemmungen besonders um 1570 und 1634 soviel an Fläche verloren, dass die Steuerpflüge Sylts damals auf 52 herabgesetzt wurden. Spätere Reduktionen derselben sind wieder rückgängig gemacht.

Im Jahre 1850 zählte ich auf der ganzen Insel Sylt 2764 Einwohner. In dem Kirchspiel Morsum waren 767 Einwohner, nämlich in Groß-Morsum 149, in Lütje-Morsum 240, in Osterende 135, auf Wall 124 und auf Schellighörn 119 Einwohner, — In dem Kirchspiel Keitum waren 1511 Einwohner, nämlich in Archsum 200, in Keitum 772, in Tinnum 260, in Bradrup 98, in Wenningstedt 39, in Kampen 92 und auf List 50 Einwohner. — In dem Kirchspiele Westerland sammt Rantum waren 486 Einwohner, nämlich in Westerland allein 450 und in Rantum 36 Einwohner. — Unter der Bevölkerung der ganzen Insel waren 1209 männliche und 1.555 weibliche Bewohner, 729 Kinder, 437 Ehepaare, 56 Witwer, 172 Witwen, 300 Seefahrer (darunter 136 Schiffer und Steuerleute oder Schiffsoffiziere, mehrenteils auf größeren deutschen Handelsschiffen fahrend), ferner 148 Handwerker und 209 Dienstboten (mehrenteils Jütländer und Nord-Schleswiger, Fanöer- und Römöerinnen). — Diegroße Zahl der Wittwen in Vergleich mit den Wittwern, sowie die der weiblichen Bevölkerung überhaupt mit der männlichen kommt von dem frühen Tode so vieler Sylter Seefahrer in ihrem gefahrvollen Berufe her. In der ersten Hälfte des 19. Iahrhunderts haben bereits mehr als 600 derselben ihr Grab im Meere oder in der Fremde gefunden. — Mit der Austernfischerei waren in den letzten Jahren gewöhnlich 10 Fahrzeuge auf 20 Austernbänken im südlichen, östlichen und nordöstlichen Haff bei Sylt beschäftigt, die zirka 1200 Tonnen Austern im Jahre fischten.

Nach den gesammelten Notizen des Ratmanns und Landmanns Uwe Petersen in Keitum wären auf Sylt (ohne List) im Jahre 1847: 226 Pferde, 790 Milchkühe, 603 Stück sonstiges Hornvieh, 675 Stück Schweine und Ferkel, 6.563 Stück Schafe und Lämmer gehalten worden. (Das Listland gehört zwei dortigen Festebauern, die ihre Sand- und Sumpfländereien fast nur zur Viehweide und hauptsächlich zur Schafweide für 6 - 700 Stück benutzen.) — Nach U. Petersen hatte die Ernte im Jahre 1847 auf Sylt (ohne List) geliefert: 58 Tonnen Weizen, 3.693 Tonnen Roggen, 7.189 Tonnen Gerste, 1.673 Tonnen Hafer, 99 Tonnen Buchweizen, 133 Tonnen Erbsen, 4.203 Tonnen Kartoffeln, 4.213 Fuder Stroh, 5.169 kleine Inselfuder Heu und 676 Fuder Heide (zur Feuerung). — Zur Ausfuhr haben die Sylter vorzugsweise Gerste, die sehr gerühmt wird, ferner gestrickte Wollenwaren (z. B. Jacken und Strümpfe, oft viele 1.000 Stück), Austern und Krickenten. An Krickenten wurden z. B. im Jahre 1848: 22.916 Stück in der Vogelkoje auf Sylt gefangen. — Ein Haupteinfuhr-Artikel auf Sylt ist der Kaffee; es werden 36 bis 40.000 Pfund Kaffee im Jahre auf Sylt verbraucht.

Nach Angaben des Etatsrats und Landvogts S. H. Jensen auf Sylt hätte um 1846 das Kirchspiel Morsum nach 18 3/4 Pflügen gesteuert, Groß- und KleinMorsum 605 7/10 Steuertonnen besessen, Osterende 294 4/10 St.-T., Wall 411 8/10 St.-T. und Schellighörn 330 2/10 St.-T. — Das Kirchspiel Keitum hatte nach 25 1/4 Pflügen gesteuert; Archsum 667 Steuertonnen besessen, Keitum 1.195 3/10 St.-T., Tinnum 574 St.-T., Bradrup 155 9/10 St.-T., Kampen 191 1/2 St.-T., Wenningstedt 171 1/2 St.-T. — Das Kirchspiel Westerland hätte nach zirka 8 Pflügen gesteuert und 854 9/10 Steuertonnen besessen. Rantum hatte nur noch 17 Steuertonnen an Steuer tragendem Areal. (1 St.-T. = 200 Quadrat-Ruten.)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Insel Sylt wie sie war und wie sie ist