Einige einleitende und abwehrende Bemerkungen

— Die Dünen. — Die natürliche Beschaffenheit, Einteilung und Zusammensetzung der Insel Sylt.

Sie erwarten von mir, auf meiner Heimatinsel Sylt umhergeführt zu werden, damit ich Sie, soweit ich dazu befähigt bin, mit der Geschichte und Sage der Syltersriesen und mit einigen in naturhistorischer Beziehung merkwürdigen, oder in der Sage genannten und deshalb interessanten Örtlichkeiten Sylts bekannt mache. Nun, ich mache mir kein Gewerbe daraus, Fremdenführer in meiner Heimat zu sein; allein ich heiße Sie gleichwohl willkommen nach alter Weise in meiner Wohnung und auf meiner Insel, und fühle mich als eingeborener — oder wenn Sie wollen als eingefleischter — Friese gedrungen, mein Möglichstes zu tun, um Ihnen als Cicerone auf Sylt zu genügen. Ich bitte nur, dass Sie Ihre Erwartungen von mir und meiner Insel nicht zu hoch stellen. Erwarten Sie namentlich nicht, dass ich aus der Geschichte der neuesten Zeit dieser Gegenden Ihnen Etwas mitteilen werde. Es ist teils allgemein bekannt, was hier in neuester Zeit geschehen, teils möchte es Ihnen vielleicht zu unbedeutend scheinen, und endlich würde ich ohne Zweifel alsdann in die Politik hineingeraten. Die Politik eines Inselfriesen (und freilich auch die manches andern Schleswigers) kommt mir aber vor wie die einer Maus in einer Falle. Gleichwohl hat so ein kurzsichtiger und einfältiger Insulaner wie jeder andere Mensch seine Versuchungen, sich auch einmal in der Politik zu ergehen. Namentlich hatte ich eine solche, als um Michaelis 1858 kurz nach den Aequinoctialstürmen des Herbstes ab und zu Tintenfische an die Ufer meiner Heimat antrieben. Ein böser Geist flüsterte mir zu: Das ist ein Wahrzeichen, eine Mahnung für dich, jetzt sollst du schreiben, der Welt große Dinge verkündigen. Allein es fiel mir zur rechten Zeit die herrliche Lehre des sehr gründlichen Schulmeisters Welhelm litj Ahnen ein, der zu sagen pflegte: „Versteige dich nicht; lerne du erst mit Anstand deine Nase schneuzen!“ — Überdies saß damals der große Komet,*) oder wie Pastor Krohn sagte, die Zuchtrute Gottes am Himmel und schien mir allabendlich warnend zuzurufen: Lass es bleiben! — Ich schnitt einem gefundenen Kopffüßler daher den Bauch auf und ließ seinen schwarzen Inhalt unschädlich ins Gras fließen, nahm aber zum Zeichen des Sieges in meiner Versuchung die Rückenschuppe des Tieres mit und steckte sie einem gläsernen Bilde der Minerva, einem Erbstück, wenn auch nicht Symbol meiner Familie, aufs Haupt, — Nein, mit der Politik ist es Nichts! — Wollte ich mich an ihr Schlepptau stellen, ich würde nicht vorn, sondern hinten anfassen müssen. Erwarten Sie daher keinenfalls politische Neuigkeiten oder Erörterungen von mir.


*) Der Komet Donati (offizielle Bezeichnung C/1858 L1) wurde am 2. Juni 1858 vom italienischen Astronomen Giovanni Battista Donati entdeckt und soll einer der schönsten Kometen gewesen sein, die je mit freiem Auge zu sehen waren. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt der Komet rund 1.950 Jahre. Der Komet Donati konnte im Jahr 1858 etwa von Mitte August bis Mitte November freiäugig gesehen werden. Der äußerst helle Komet hatte einen unüblich breiten Schweif und war auch deshalb Gegenstand zahlreicher Gemälde. Trotz der Schönheit der Himmelserscheinung empfanden viele Menschen auch Angst. Bis zum Mittelalter galten große, helleSchweifsterne, die früher auch „haarige Sterne“ genannt wurden, als Unglücksboten und wurden zum Beispiel häufig mit Kriegen in Verbindung gebracht. Man sah in ihnen zum Beispiel das himmlische Symbol eines Schwertes oder einer großen Rute.

Lieber möchte ich Ihnen über die Natur, die Lage, Umgebung und Bestandteile meiner Heimatinsel, sowie über die Namen und Lage und sonstigen Eigentümlichleiten ihrer Dörfer und Kirchspiele einige allgemeine Bemerkungen mitteilen, ehe wir unsere eigentliche Wanderung nach den Gräbern und andern Heilig- und Altertümern der Insel antreten.

Es wird Ihnen wahrscheinlich bereits aufgefallen sein, wie die Insel Sylt aus so verschiedenartigen Landflächen besteht. Nun, es gibt vielleicht kaum eine zweite so kleine Insel, die aus so verschiedenartigen Bestandteilen zusammengesetzt wäre. — Ich setze natürlich voraus, dass Sie wissen, die Insel Sylt liege an der Westküste des Herzogtums Schleswig und dass sie die nördlichste und größte der nordfriesischen Inselgruppe ist. — Das Mittelstück der Insel, von dem östlichen Ufer Keitums bis zum Badestrand bei Westerland und bis zu den Abhängen der Kamper Höhen im Norden, ist ein in der Vorzeit durch vulkanische Kräfte aus dem Meere gehobenes Alluvialland von 30 - 100 Fuß Höhe über dem Niveau des Meeres, von 1 Meile Lange und 1/4 bis 1/2 Meile Breite. Die südliche Hälfte dieser Landfläche zwischen Keitum und Westerland hat die größere Breite, die nördliche aber die größere Höhe. Dieses Mittelstück der Insel kann übrigens jetzt wie ein vom Meere besonders an der Westseite stark abgenagtes und im Osten und Süden hin und wieder durch ehemalige, jetzt vertrocknete Flußbetten und Talschluchten unterbrochenes Bergplateau und mit den auf dem westlichen Rande dieser Landhöhe bis zu 160 Fuß über das Meer sich erhebenden Dünen wie ein kleines Gebirgsland im Meere angesehen werden. Die Dünen bestehen, wie Sie ohne Zweifel wissen, aus bloßem Flugsande und sind ein Erzeugnis des offenen Meeres und des Windes; sie gehören zu den allerneuesten Bildungen auf der Erdoberfläche und sind fortwährenden Wandelungen und Wanderungen ausgesetzt, ihres lockeren Inhalts wegen. Sie sind gewöhnlich mit See- und Sumpfvögeln, Hasen und weidenden Schafen und Lammern bevölkert und außerdem durch ihre langen schilfartigen Pflanzen besonders nutzbringend; wegen ihrer malerischen Formen und Schattierungen, wegen ihrer Pflanzen — wozu nicht bloß der Sandroggen und Sandhafer, sondern auch die Heide und Sandweide und verschiedene eigentümliche Gras- und Moosarten gehören —, wegen ihrer stillen, einsamen, aber oft so niedlichen Täler und Seen sind sie nicht selten wahrhaft schön und erinnern namentlich dann, wenn ein leichter Nebel sie bedeckt, lebhaft an schweizerische Landschaften, mit weißen Bergkuppen, blassgrünen oder violettfarbigen Abhängen, dunklen Spalten und Schluchten, grünen Tälern und kleinen blauen Seen; sie erregen sogar durch ihre Zusammensetzung aus lauter losen Sandkörnern, wegen der Art ihrer Entstehung und Bildung durch den Wind und das Meer, sowie durch ihre Wanderung und ihr kurzes, ungewisses — ich möchte sagen rätselhaftes — Dasein gewöhnlich das Erstaunen fremder, diese Gegenden besuchender Reisenden.

Allein die Dünen haben auch ihre sehr ernste Seite, haben ihre Geschichte und tiefere Bedeutung und vor Allem auch einen größern als den bisher erwähnten Nutzen, sowie freilich auch ihre oft schlimmen Wirkungen; ja sie bedürfen selbst, wie jede andere der Kultur unterworfene Gegend, sorgfältiger Pflege, Leitung und Bepflanzung. Man erkennt daher überall in den Dünen und namentlich in der Gegend des Kirchspiels Westerland auf Sylt die fleißige, pflanzende, aber auch schneidende Hand der Menschen, der Bewohner und Bewohnerinnen dieser Gegend. Unter Millionen Pflanzen, namentlich des Sandroggens, die man an den Dünenabhängen und in den Dünenschluchten erblickt, möchte mindestens der zehnte Teil von den Bewohnern des Kirchspiels mit großer Mühe gepflanzt sein. Die geraden, bisweilen etwas gebogenen, mehrenteils parallellaufenden, oft auch sich durchkreuzenden Reihen derselben sind in der Regel die gepflanzten. Diese Arbeiten geschehen wahrlich nicht des weidenden Viehes, oder der Hasen und Vögel oder deren Eier, noch der Heide- und Moosbeeren wegen, die hier wachsen, sondern diese große Mühe, die Dünen sorgfältig zu bepflanzen, müssen die Sylter und Sylterinnen (denn die Letzteren tun oft das Meiste dabei) übernehmen und regelmäßig fortsetzen, wenn sie nicht dem Flugsande und den Meereswellen freien Lauf ins Land lassen, ihre Felder, ihre Gärten, ihre Häuser, sich selber mit ihrem Vieh den Verwüstungen des Meeres preisgeben wollen. — Im Sturme und Wogendrange aber, im Aufruhr der Natur, schwindet alles Liebliche, alle Schönheit der Dünen und des Meeres; dann bleibt nur das Großartige, das Wilde, das Schauerliche und Verwüstende desselben. Bei östlichen Stürmen ist die Oberfläche des Meeres natürlich in Bewegung nach Westen; zur Herstellung des Gleichgewichts muss aber tief unten im Meere alsdann eine entgegengesetzte Strömung stattfinden, diese löst nun Sandteile vom Meeresboden ab und spült sie ostwärts nach den westlichen Ufern der Insel Sylt. Bei westlichen Stürmen aber erfasst der Wind diese Sandkörner und jagt sie weiter landeinwärts, bis sie Widerstand finden, liegen bleiben, und zuletzt ganze Sandhügel und Dünenketten bilden. An den westlichen Seiten und Ecken der Dünen hat jedoch der vorherrschenden westlichen Winde und Stürme wegen der Sand nicht Ruhe genug, um Festigkeit zu gewinnen und mit Dünenpflanzen bewachsen werden zu können; daher werden bei jeder Sturmflut Massen desselben teils in den Schooß der Nordsee zurückgeführt, teils von dem Sturme fortgerissen und nach den östlichen Abhängen getrieben. Diese Abhänge sind daher in der Regel sanft abgerundet und wohl bewachsen, während die westlichen Dünenabhänge kahl, schroff, oft schaufelartig ausgehöhlt erscheinen. Diese Dünenbildung ist die gewöhnliche in unsern Gegenden; solcher Dünen, die der Länge nach hauptsächlich von Westen nach Osten gedehnt, übrigens je nach ihrem Alter, ihrer Lage, oder wegen teilweiser Zerstörung von sehr verschiedener Größe, Form und Verbindung unter einander find, gießt es eine große Menge längs der Westküste der Insel Sylt, auch auf dem erwähnten hohen Mittelstück der Insel, wenngleich hier in einer geringeren Breite als weiter nach Süden und Norden. Auch die Hörnumer- und Listerdünen haben, obgleich ausgedehnter als die der mittleren Gegenden Sylts, im Allgemeinen denselben Charakter wie diese.

Abgesehen nun von den so bedeutende Flächen der Insel bedeckenden Dünen besteht die obere größere Hälfte der oft genannten älteren und festeren Landhöhe, welche das Mittelstück der Insel ausmacht, aus lehm- und eisenhaltigem Geschiebesand mit vielen erratischen Blöcken und Feuersteinen, in welchen letzteren Versteinerungen von Muscheln, Seeigeln und Korallen häufig vorkommen. Die untere kleinere Hälfte dieser Landhöhe besteht aus weißem Meeressande, doch hin und wieder mit Porzellanerde und Glimmer vermischt. Die oberste Schicht dieser Landhöhe bildet fast überall ein dichtes Lager von Rollsteinen, mit einer dünnen, 1 - 4 Fuß dicken, schwärzlichen, doch nicht unfruchtbaren Ackerkrume, die ursprünglich Heidesand war, bedeckt. Der westliche oder richtiger nordwestliche hohe und steile Abhang dieser Landhöhe heißt das rote Kliff; die nördliche Abdachung der Kamperdeich und die östlichen vorspringenden Höhen und steilen Absätze das weiße oder Bradrupkliff und das Keitumkliff. Es scheint, dass dieser ganze mittlere Teil der Insel auf Limonitgestein oder eisenhaltigen Sandsteinriffen, vielleicht auch auf Braunkohlenlagern ruht. Es treten mindestens braune Sandsteinrisse und -Blöcke am Ufer bei Munkmarsch, sowie am nördlichen Ende des roten Kliffs hervor, auch ähnliche Massen in den sogenannten Klisterbänken bei Keitum, Tinnum und Westerland. Spuren von Braunkohlen sind aber am Fuße des roten Kliffs, sowohl südlich als nördlich, namentlich auch am „Riesgap“ (Riesenloch, Durchfahrt im roten Kliff) bemerkt worden. Ungeachtet dieser harten und zähen Massen, auf welchen ein Teil der Insel ruht, zerbricht das gewaltige Meer doch auch diesen scheinbar so festen Unterbau der Insel immer mehr, so dass die oft erwähnte mittlere Landhöhe derselben eigentlich jetzt wie ein an der Westseite bereits zur Hälfte abgenagter Berg gedacht werden muss.

Von dieser mittleren Landhöhe der Insel Sylt muss man eine davon getrennte und wesentlich verschiedene östliche höhere Landfläche unterscheiden. Diese östliche Landhöhe der Insel, die Morsumheide, mit deren nördlichen mehrenteils steilen Abhängen, das Morsumkliff, ist ohne Zweifel zu einer andern Zeit als das Mittelstück der Insel durch ein Erdbeben aus dem Meere empor gehoben worden. Es ist hier aber ein viel vollkommenerer Durchbruch der Erdrinde als dort zwischen Keitum und Kampen geschehen, indem viele Produkte der tertiären oder Braunkohlenformation im Morsumkliff zu Tage treten, die anderwärts vielleicht einige hundert Fuß tief unter der Oberfläche liegen; z. B. die Braunkohle und der Braunkohlenton mit vielen Schnecken und Muschelschalen und andern Tierresten, die einer längst untergegangenen Vorwelt angehören. Die sonst in unsern Gegenden und auch in der oft genannten mittleren Landhöhe Sylts durchgängig horizontal auf einander ruhenden Schichten liegen im Morsumkliff in Winkeln von zirka 45° gegen einander getürmt, oder richtiger von Südwest nach Nordost über einander gestürzt. Von Westen an gerechnet folgen im Morsumkliff folgende Hügel und Abhänge bildende Massen wiederholt aufeinander: Porzellansand oder Kaolin, Braunkohlenton nebst Alaunerde, Limonit oder eisenhaltiger Lehm und Sand, auch wohl Sandstein. In dem Porzellansande kommen häufig Feuersteine mit ähnlichen Versteinerungen wie im roten Kliff vor, die wohl eigentlich zu der sekundären Formation gehören; in dem Braunkohlenton und dem Limonitsande aber findet man die Conchylien etc. der eigentümlichen tertiären Bildungen des Morsumkliffs*).

*) Unter den Mucheln kommen am häufigten vor: Isocardia, Astarte und Nucula; unter den Schnecken: Cassidaria, Cassis, Fusus, Conus, Pleurotoma, Buccinus, Natacia. etc

Ursprünglich mögen diese beiden geschilderten höheren Landstriche Sylts zwei getrennte kleine Inseln im Meere ausgemacht haben, teilweise umgeben von versunkenen Wäldern, von welchen noch jetzt in den Seetorflagern an der Südseite Sylts bedeutende Reste übrig sind. Das Meer selber wird aber einst in diesen Gegenden ein mehr ruhiges als jetzt, vielleicht ein durch westliche, etwa auf dem Meridian von Helgoland einst vorhandene Felsenrisse von dem größern Becken der Nordsee geschiedenes Binnenmeer gewesen sein. So viel ist gewiss, dass nur in einem ruhigen Binnenmeere so großartige Niederschläge von Erd- und Tonteilen oder Landanschwemmungen durch das Wasser entstehen konnten, wie die alten, sogenannten Seemarschen dieser Gegenden waren. Diese lehnten sich mehrenteils an die bereits vorhandenen höheren Landstriche und Inseln an, verbanden sie teilweise mit einander und füllten nach und nach das innere seichte Meeresbecken aus, so dass nur Rinnen, Wehlen, Schloten, Tiefen, Meeresbuchten und Seegaaten dazwischen blieben, bis nach der Durchstechung des britischen Kanals, welche einer friesischen Sage zufolge die britische Königin Garhören einst aus Rache gegen ihren ungetreuen Liebhaber, den damaligen König von Danemark, unternahm, um sein ganzes Reich zu ersäufen, nunmehr an den nordfriesischen Küsten ein doppelter Flutstrom entstand, durch diesen die äußere Schutzwehr, die Felsriffe im Westen des Landes, die nach Hans Kielholt Eisen ähnlich gewesen wären, durchbrochen und das niedrige, innerhalb der Felsriffe liegende Land zum Teil wieder zerstört wurde. Es mögen auch noch ab und zu durch vulkanische Kräfte partielle Erdsenkungen, aber auch Erdhebungen und Landversetzungen in diesen Gegenden vorgekommen sein, mithin Veränderungen des Landes und Meeresbodens veranlasst haben; auf solche Weise mögen z. B. die jetzigen fruchtbaren Ackerfelder Morsums und Archsums, sowie die südlichsten bei Keitum und Tinnum, die ohne Zweifel ursprünglich Marschboden waren, ihre jetzige Höhe, die um mehrere Fuß über die Seemarschen hervorragt, erhalten haben. Die von den einstmaligen alten sehr ausgedehnten Seemarschen Sylts übrig gebliebenen Flächen liegen fast alle zwischen den beiden noch älteren Landhöhen und südlich von denselben längs dem innern südlichen Meere oder Haff zwischen Föhr und Sylt. Sie sind nicht zu verwechseln mit den neuesten marschartigen Landansetzungen an dem innern nordöstlichen Haff oder dem sogenannten Anwuchs zwischen Morsum und Keitum. Die Seemarschen sind in der Regel sandiger, höher und weniger fruchtbar als die neueren Marschbildungen.

Viel neueren Ursprungs als die alten Seemarschen Sylts sind auch die mehrenteils auf alten Schlick- und Sandplatten oder Moor- und Sandwiesen ruhenden Dünenhalbinseln Hörnum im Süden und Listland im Norden der mittleren Landhöhe Sylts. Sie sind wahrscheinlich durch Fluten und Strömungen des Meeres versetzte oder angespülte und durch Stürme und Überschwemmungen vielfach veränderte Landreste von untergegangenen Inseln, die früher westlicher gelegen als Sylt. J. Meyer nennt z. B. auf seinen Karten von 1240 Mabberum und Ostum (oder Rüstum, jetzt Rüstsand), als solche einst im Nordwest von Sylt gelegene Inseln. Die Halbinseln Hörnum und List mindestens sind durch mehrfache, hauptsächlich neptunische Prozesse entstanden und dem Mittelstück der Insel angehängt worden; sie sind viel loseren und leichteren Inhalts als die Keitumer und Morsumer Höhen und die kompakten und zähen Tonwiesen oder Seemarschen der Insel; sie sind mehrenteils ohne Fruchtbarkeit und werden ohne Zweifel lange vor den übrigen Teilen der Insel im Meere gänzlich untergehen oder vielleicht auf ihrer Wanderung nach Osten noch vor ihrem gänzlichen Verschwinden durch Fluten und Strömungen von der Insel wieder fortgerissen werden. Von Hörnum befürchtet man solches bereits seit mehr als 50 Jahren. Diese beiden Halbinseln sind jetzt fast ganz mit Sandbergen bedeckt, weshalb die Dünen daselbst den Charakter eines kleinen Gebirges in ihren Formen, Zusammenstellungen, Schluchten und Tälern und sonstigen Abwechselungen mehr noch als diemittleren Gegenden Sylts angenommen haben. Sie haben ihren eigentümlichen Charakter und Zusammenhang unter einander aber hauptsächlich durch die sogenannten Längendünen, d. i. in Süd und Nord oder richtiger in Südsüdost und Nordnordwest gedehnten, oft Meilen langen, sehr hohen und kahlen Sandberge oder Dünenwälle erhalten, deren Entstehung oder Bildung ich mir folgendermaßen erkläre. Ein Teil des Meeres- oder Flugsandes findet keinen Widerstand bei westlichen Stürmen nahe am Ufer, fliegt daher unaufgehalten zwischen den Uferabsätzen und den bereits vorhandenen, vielleicht schon durch Stürme und Meereswellen wieder halb zerstörten älteren Dünen hindurch, und pflegt um so schneller und weiter durch diese Dünenschluchten gejagt zu werden, je enger diese und je heftiger die sie fortreißenden Stürme sind. Diese Sandteile finden in der Regel erst einige hundert Schritt innerhalb der westlichsten, mehr vereinzelt stehenden Dünen Ruhe, nachdem die Kraft des Windes sich bereits an diesen gebrochen und der fliegende Sand einen vor dem Winde mehr geschützten Punkt gefunden hat. Hier senken sich die Sandkörner daher und bilden, da dieser Prozess unter gleichartigen Umständen oft wiederholt wird, am Ende einen großen, der Länge nach in Südsüdost und Nordnordwest ausgedehnten, nach Ost und West ziemlich gleichmäßig abgerundeten Sandrücken oder Sandberg, welcher bisweilen eine Höhe von mehr als 100 Fuß erreicht. Diese Längendünen bedecken sich selten mit den sonst so stark wuchernden Dünenpflanzen, vielleicht deshalb, weil sie aus gröberem Sande als die gewöhnlichen, früher geschilderten Querdünen bestehen; sie sind eben ihrer Nacktheit wegen bei Stürmen, in deren Bereich sie, je höher sie werden, um so mehr kommen, wie rauchende Berge anzusehen, welche Massen von Sand über das ostwärts liegende Land schütten und unaufhaltbar todbringend sich ostwärts wälzen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Insel Sylt wie sie war und wie sie ist