Indien und ich

DEM HAUSE FREUDENBERG UND ALLEN DEUTSCHEN KOLOMBOS
Autor: Ewers, Hanns Heinz (1871-1943), Erscheinungsjahr: 1911

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Indien, Inder, Kolonie, England, Kultur, Götter, Wunderland, Juden, Fakier, Schlangenbeschwörer, Reisen, Reisebeschreibung, Paläste, Prunkbauten, Götter, Hochadel, Elefanten, Kühe, Schlangen, Holland, Frankreich, Portugal, Tänzerinnen, Gottheiten, Cagoten, Edelsteine, Opfergaben, Leichenverbrennung, ,
      Ich habe, als ich vor einigen Monaten von meiner Indienreise zurückkehrte, in einer ganzen Reihe deutscher Städte Vorträge gehalten. Mit Lichtbildern natürlich — ohne die geht's ja nicht mehr. Ich sagte zu Beginn meines Vortrages — es war immer derselbe, und er hing mir bald genug zum Halse heraus — den verehrten Damen und Herren, dass ich durchaus nicht deshalb mich auf das Podium stelle, weil ich mich so gerne reden höre, auch nicht deshalb, weil ich der Ansicht sei, nun endlich den mystisch-magischen Schleier, der über dem Wunderlande Indien liege, lüften zu können. Sondern dass ich das nur aus dem recht prosaischen Grunde tue, weil mir dieses Geplauder Geld eintrage . . .

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      Dann lachten die Leute. Sie hielten das für einen guten Witz. Wenn sie nur wüssten, wie bitter ernst es mir war! Ich benutzte eben, recht kaufmännisch und gemein, die günstige Kombination, dass gerade der deutsche Kronprinz auch in Indien herumreiste, und dass also Indien „aktuell“ war. Oder vielmehr: die Konzertdirektion, die mich für meine Vortragsreise engagierte, benutzte diese Aktualität — ich selbst kann nicht einmal dieses Verdienst für mich in Anspruch nehmen. Ich tat eigentlich nichts — als für das Geld, das ich bekam, mich ein paar Wochen lang Abend für Abend zu prostituieren.
      Mein Herr Konzertdirektor, Gott segne ihn, war damit recht zufrieden, weil es ihm Geld einbrachte, und mein Herr Verleger, Gott schütze ihn gleichfalls, war nicht minder zufrieden, weil ja doch diese Vortragsreise notwendigerweise auch für meine Bücher ein wenig Reklame machen musste.
      Was mich betrifft, so war ich natürlich auch zufrieden — aber ganz selbstverständlich! Ich halte es zwar für eine Infamie, dass ein schaffender Künstler gezwungen ist, um das Leben, das für seine Kunst das einzig mögliche ist, führen zu können, sich öffentlich zur Schau zu stellen. Ich bin auch der Meinung, dass es eine Gemeinheit ist, wenn ein Dichter jahraus, jahrein Zeitungsartikel schreiben muss, in denen er naturgemäß von aller Kunst sich möglichst weit fernhalten soll.
      Ich empfinde beides als regelrechte Prostitution. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen dem Weib, das gezwungen ist, seinen Leib dem „Publikum“ zu verkaufen, und dem Künstler, der eben diesem Publikum in den Blättern oder auf den Brettern fürs Geld Späße vormachen muss.
      Und doch bin ich, und durchaus bewusst, noch dankbar genug für dieses Geld, das ich mit solcher Prostitution erwerbe, bin dankbar den Redakteuren, die meine Aufsätze veröffentlichen, dankbar dem Konzertagenten, der mich auf Tournee schickt, dankbar endlich dem Publikum, das meine Aufsätze liest und meine Vorträge besucht.
      Denn nur dadurch ist es mir möglich gemacht, die Reisen zu machen, die Lande zu sehen, das Leben zu führen, aus dem meine Kunst Wurzel schlägt. Und mit dieser Kunst mache ich kein Geschäft. Ich verschenke sie. Was mir meine Kunst einträgt, das ist so lächerlich gering, dass ich kaum meine Zigaretten damit zahlen kann. . . .
      Ich tröste mich. Wie mir ergeht es ja allen andern deutschen Dichtern. Die einen hungern. Die andern sind zufällig selbst reich oder haben reiche Frauen. Die dritten quälen sich nebenher in irgendeinem bürgerlichen Berufe. Und die übrigen prostituieren sich, so oder so, wie ich es tue.
      Das deutsche Volk beachtet uns nicht? Aber gewiss beachtet es uns. Jeder Redakteur tut für uns, was er nur kann. Man schreibt über uns, man erwähnt uns überall. Und aus dem Publikum kommen sehnsüchtige Briefe, man quält uns um Autogramme, beruft uns in alle Wohltätigkeitskomitees. Man übersetzt uns auch, macht uns berühmt in zwei Dutzend Sprachen. Wenn wir sterben, widmet man uns lange Nachrufe, stiftet dem einen und andern gar ein steinernes Bild. (Mir freilich gewiss nicht — ich bin in Düsseldorf geboren!)
      Aber man denkt nicht daran, unser Leben menschenwürdig zu machen. Man gibt freilich Geld genug aus für Bücher — aber nur für Unterhaltungslektüre. Unsere Bücher — borgt man sich aus oder bekommt man als Freiexemplare.

                  Fortsetzung unter: zum Geleit

00 Der Goldlotosteich (Schiwatempel in Madura)

00 Der Goldlotosteich (Schiwatempel in Madura)

001 Nautchgirl

001 Nautchgirl

002 Nautchgirls fahren zum Tempel

002 Nautchgirls fahren zum Tempel

004 Schiwa als Nateswera, der Herr der Tänzer (Trichinopoly)

004 Schiwa als Nateswera, der Herr der Tänzer (Trichinopoly)

005 Junge Tamilin

005 Junge Tamilin

006bMahadöh (Schiwa) und Dschaganmaki (Schiwatempel Trichinopoly)

006bMahadöh (Schiwa) und Dschaganmaki (Schiwatempel Trichinopoly)

007 Ganescha, der Gott der Weisheit und des Handels (Tempel der Annapurna zu Benares)

007 Ganescha, der Gott der Weisheit und des Handels (Tempel der Annapurna zu Benares)

008 Wischnu als Krischna und seine Frauen Lakschmi und Saraswati (Tanjore)

008 Wischnu als Krischna und seine Frauen Lakschmi und Saraswati (Tanjore)

009 Felsentempel zu Trichinopoly

009 Felsentempel zu Trichinopoly