Indien und Ich . . . .

Eine Reisebeschreibung besonderer Art.
Autor: Ewers, Hanns Heinz, (1871-1943) Schriftsteller, Filmemacher, Globetrotter und Kabarettist, Erscheinungsjahr: 1919

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Indien — Reisebeschreibung — Die Bajadere — Die Nautch — Auf indischen Bahnen — Indische Frauen — Die Götter Indiens — Die heilige Insel Sadhu Prawanath, der Märtyrer als untaugliches Objekt — Die Engländer als Herren Indiens — Von Fakiren, Yogin, Samnyasi, Gosain und andern Heiligen — Das Herz Indiens — Schlangenanbeter und Schlangenbeschwörer — Pakulwan, die Ringschule an der Ganga — Der lustige Musikant Europa in Indien — Das Land der Zewalior — Die Juden des Ostens — Die Waldmenschen Ceylons — Schweinestechen — Der Kraal von heute — Tote Städte im Dschungel — Wie ich in Ratnapura Edelsteine fand Galle-Face — Ali Baba und die vierzig Räuber — Die Stadt des Nabob — Die Ausgestoßenen
Hanns Heinz Ewers (* 3. November 1871 in Düsseldorf; † 12. Juni 1943 in Berlin; gebürtig Hans Heinrich Ewers) war ein deutscher Schriftsteller, Filmemacher, Globetrotter und Kabarettist. Ewers Geschichten kreisen um die Themen Phantastik, Erotik, Kunst bzw. Künstler und Reisen in exotische Länder. Seine teils äußerst drastischen Darstellungen machten ihn zum skandalumwitterten Bestsellerautor, gleichzeitig musste er sich immer wieder gegen den Vorwurf zur Wehr setzen, seine Werke seien trivial, unmoralisch oder pornographisch.

In seinem äußerst bewegten Leben vertrat Ewers auch einander widersprechende Positionen. So setzte er sich für die Gleichberechtigung der Juden ein, trat aber 1931 der NSDAP bei und engagierte sich in der Propagandaarbeit. 1934 wurde ihm ein generelles Publikationsverbot erteilt.

Ewers entstammte einer künstlerischen Familie. Sein Vater, Heinz Ewers, war Hofmaler beim Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, seine Mutter, Maria Ewers, geborene Weerth, erfand zusammen mit dem jungen Ewers Märchen. Sie arbeitete auch als Übersetzerin aus dem Französischen (u.a. Frédéric Boutet und Claude Farrère).
https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Heinz_Ewers
                              ********************************
Inhaltsverzeichnis

Die Engländer als Herren Indiens
Von Fakiren, Yogin, Samnyasi, Gosain und andern Heiligen
Das Herz Indiens
Schlangenanbeter und Schlangenbeschwörer
Pakulwan, die Ringschule an der Ganga
Der lustige Musikant
Europa in Indien
Das Land der Zeugnisse
Kaiser Akbars Stadt
Rahatmö Umfal, die lebende Visitenkarten Sammlung
Gwalior
Die Juden des Ostens
Die Waldmenschen Ceylons
Schweinestechen
Der Kraal von heute
Tote Städte im Dschungel
Wie ich in Ratnapura Edelsteine fand
Galle-Face
Ali Baba und die vierzig Räuber
Die Stadt des Nabob
Die Ausgestoßenen


                              Zum Geleit

Ich habe, als ich vor einigen Monaten von meiner Indienreise zurückkehrte, in einer ganzen Reihe deutscher Städte Vorträge gehalten. Mit Lichtbildern natürlich — ohne die geht's ja nicht mehr. Ich sagte zu Beginn meines Vortrages — es war immer derselbe, und er hing mir bald genug zum Halse heraus — den verehrten Damen und Herren, dass ich durchaus nicht deshalb mich auf das Podium stelle, weil ich mich so gerne reden höre, auch nicht deshalb, weil ich der Ansicht sei, nun endlich den mystisch-magischen Schleier, der über dem Wunderlande Indien liege, lüften zu können. Sondern dass ich das nur aus dem recht prosaischen Grunde tue, weil mir dieses Geplauder Geld eintrage . . .

Dann lachten die Leute. Sie hielten das für einen guten Witz. Wenn sie nur wüssten, wie bitter ernst es mir war! Ich benutzte eben, recht kaufmännisch und gemein, die günstige Kombination, dass gerade der deutsche Kronprinz auch in Indien herumreiste, und dass also Indien „aktuell" war. Oder vielmehr: die Konzertdirektion, die mich für meine Vortragsreise engagierte, benutzte diese Aktualität — ich selbst kann nicht einmal dieses Verdienst für mich in Anspruch nehmen. Ich tat eigentlich nichts — als für das Geld, das ich bekam, mich ein paar Wochen lang Abend für Abend zu prostituieren.

Mein Herr Konzertdirektor, Gott segne ihn, war damit recht zufrieden, weil es ihm Geld einbrachte, und mein Herr Verleger, Gott schütze ihn gleichfalls, war nicht minder zufrieden, weil ja doch diese Vortragsreise notwendigerweise auch für meine Bücher ein wenig Reklame machen musste.

Was mich betrifft, so war ich natürlich auch zufrieden — aber ganz selbstverständlich! Ich halte es zwar für eine Infamie, dass ein schaffender Künstler gezwungen ist, um das Leben, das für seine Kunst das einzig mögliche ist, führen zu können, sich öffentlich zur Schau zu stellen. Ich bin auch der Meinung, dass es eine Gemeinheit ist, wenn ein Dichter jahraus, jahrein Zeitungsartikel schreiben muss, in denen er naturgemäß von aller Kunst sich möglichst weil fernhalten soll.

Ich empfinde beides als regelrechte Prostitution. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen dem Weib, das gezwungen ist, seinen Leib dem „Publikum“ zu verkaufen, und dem Künstler, der eben diesem Publikum in den Blättern oder auf den Brettern fürs Geld Spaße vormachen muss.

Und doch bin ich, und durchaus bewusst, noch dankbar genug für dieses Geld, das ich mit solcher Prostitution erwerbe, bin dankbar den Redakteuren, die meine Aufsätze veröffentlichen, dankbar dem Konzertagenten, der mich auf Tournee schickt, dankbar endlich dem Publikum, das meine Aufsätze liest und meine Vorträge besucht.

Denn nur dadurch ist es mir möglich gemacht, die Reisen zu machen, die Lande zu sehen, das Leben zu führen, aus dem meine Kunst Wurzel schlägt. Und mit dieser Kunst mache ich kein Geschäft. Ich verschenke sie. Was mir meine Kunst einträgt, das ist so lächerlich gering, dass ich kaum meine Zigaretten damit zahlen kann. . . .

Ich tröste mich. Wie mir ergeht es ja allen andern deutschen Dichtern. Die einen hungern. Die andern sind zufällig selbst reich oder haben reiche Frauen. Die dritten quälen sich nebenher in irgendeinem bürgerlichen Berufe. Und die übrigen prostituieren sich, so oder so, wie ich es tue.

Das deutsche Volk beachtet uns nicht? Aber gewiss beachtet es uns. Jeder Redakteur tut für uns, was er nur kann. Man schreibt über uns, man erwähnt uns überall. Und aus dem Publikum kommen sehnsüchtige Briefe, man quält uns um Autogramme, beruft uns in alle Wohltätigkeitskomitees. Man übersetzt uns auch, macht uns berühmt in zwei Dutzend Sprachen. Wenn wir sterben, widmet man uns lange Nachrufe, stiftet dem einen und andern gar ein steinernes Bild. (Mir freilich gewiss nicht — ich bin in Düsseldorf geboren!)

Aber man denkt nicht daran, unser Leben menschenwürdig zu machen. Man gibt freilich Geld genug aus für Bücher — aber nur für Unterhaltungslektüre. Unsere Bücher — borgt man sich aus oder bekommt man als Freiexemplare.

                                    ****************

Ich merke: ich bin wieder zurück im lieben Vaterland; bin recht weit abgekommen von — Indien. Draußen nämlich bin ich — immer mit dem Gelde, das ich zu Hause so jämmerlich sauer zusammenscharrte, draußen bin ich ein Sahib. Bin ein großer Herr. Gehe meinen Weg, meinen ureigenen Weg, bin mein eigener Herr und lebe mein Leben. Bin nicht mehr Zeitungskuli und vagierender Vortragsreisender, wie zu Hause. Ich werde mir freilich den Luxus nie gestatten können, ein „eigen Heim zu haben und eine Familie zu gründen". Aber ich darf mir dafür erlauben, Träume zu träumen, die kein anderer vor mir je zu träumen wagte . . .

Dies Buch, über alles verehrter Leser, enthält gewiss nicht solche Träume. Die müssen Sie schon in meinen andern Büchern suchen, in den Büchern, in denen ich Sie gar nicht verehre, in denen Sie mir, verzeihen Sie, ganz ungeheuer gleichgültig sind. Diese Blätter aber sind eigens für Sie geschrieben, sind ein Gemisch aus meinen Zeitungsaufsätzen und meinen Vorträgen. Und darum muss ich hier höflich sein: bitte, treten Sie ein, verehrtester Herr, allerreizendste Dame, bitte, kaufen Sie, bitte, lesen Sie! — Indien! Wunderland! Höchst aktuell! Der Kronprinz war auch da! — Und dann die Bilderchen! Und das alles nur für fünf Mark fünfzig! Rein geschenkt! Hereinspaziert, meine Herrschaften!

                                    *****************

Was mir Indien ist — steht freilich nicht auf diesen Seiten. Wen das interessiert, der mag es vielleicht später einmal lesen, in irgendeinem höchst absurden Roman, irgendeiner wilden, allzu seltsamen Geschichte — die gute Bürger nicht lesen werden, weil sie ihnen die voll verdiente Nachtruhe rauben würden.

Und trotzdem — auch ihr mögt diese Blätter lesen, ihr paar Menschen, die ihr mich liebt, und die ich nicht kenne. Denn seht: niemand kann aus seiner Haut heraus.

— Ich habe einmal versucht, einen Kitschroman zu schreiben — natürlich um Geld zu verdienen — 80 einen regelrechten, jämmerlich abgeschmackten Klischeezeitungsroman. So einen, wie sie unsere „beliebten Romanschriftsteller" mit Leichtigkeit in ein paar Wochen herunterdiktieren. Aber es ging nicht. Ging absolut nicht. Ich mühte mich und quälte mich ab — völlig vergebens. Man muss eben bleiben bei seinem Leisten. Und so, glaube ich, steht auch in diesem Buche manches, das meine Art trägt — trotz der Zwangsjacke des „Feuilletons". Manches Bild, das Sie in keinem „Indienbuche" finden werden, manche kleine Silhouette, die ich allein sah: mit meinen Augen.

                                    *************

Ums Himmels willen, wenn Sie nach Indien reisen, Verehrteste, begnügen Sie sich nicht mit diesem Buche! Nehmen Sie Murray. Der ist wirklich ganz unentbehrlich. Ich habe, und nicht ohne Absicht, nicht einmal irgendeinen „Reiseweg" in diesen Blättern durchgehalten. Ich plaudere jetzt von Ceylons versunkenen Städten und gleich darauf von den hübschen Nautchgirls, jetzt von allerlei sonderbaren Heiligen und dann wieder von herrlichen Tempeln in Agra oder Benares.

Ich will hier keine Ordnung, verehrte Leser, will weder Ihre ethnographischen noch Ihre geographischen, weder Ihre religionsphilosophischen, noch Ihre kunsthistorischen Kenntnisse bereichern. Ich will weiter nichts, als Ihnen ein paar Ausschnitte, ein paar rasche Bilder geben, die immerhin darnach angetan sein mögen, Sie, Hochverehrte, einen raschen Blick in das merkwürdige Wunderland tun zu lassen, das wir Indien nennen. Und will Ihnen ein wenig Lust machen zu reisen . . .

            Wien, im April 1911 .
                        HANNS HEINZ EWERS.

Indien 000 Der Goldlotosteich (Schiwatempel zu Madura)

Indien 000 Der Goldlotosteich (Schiwatempel zu Madura)

Indien 001 Nautchgirl

Indien 001 Nautchgirl

Indien 002 Nautchgirls fahren zum Tempel

Indien 002 Nautchgirls fahren zum Tempel

Indien 003 Schiwa als Nateswera, der Herr der Tänzer (Trichinopoly)

Indien 003 Schiwa als Nateswera, der Herr der Tänzer (Trichinopoly)

Indien 004 Junge Tamilin

Indien 004 Junge Tamilin

Indien 005 Mahadöh (Schiwa) und Dschaganmaki (Schiwatempel Trichinopoly)

Indien 005 Mahadöh (Schiwa) und Dschaganmaki (Schiwatempel Trichinopoly)

Indien 006 Ganescha, der Gott des Weisheit und des Handels (Tempel der Annapurna zu Benares)

Indien 006 Ganescha, der Gott des Weisheit und des Handels (Tempel der Annapurna zu Benares)

Indien 007 Wischnu als Krischna und seine Frauen Lakschmi und Saraswati (Tanjore)

Indien 007 Wischnu als Krischna und seine Frauen Lakschmi und Saraswati (Tanjore)

Indien 008 Felsentempel zu Trichinopoly

Indien 008 Felsentempel zu Trichinopoly

Indien 009 Durga tötet den Dämon Mahischasura (Wischnu-Tempel zu Seringam bei Trichinopoly)

Indien 009 Durga tötet den Dämon Mahischasura (Wischnu-Tempel zu Seringam bei Trichinopoly)

Indien 010 Ein Aghorpunt

Indien 010 Ein Aghorpunt

Indien 011 Yogin am Shiwala-Chat

Indien 011 Yogin am Shiwala-Chat

Indien 012 Urdhva-Bahu, der Büßer mit dem emporgereckten Arm

Indien 012 Urdhva-Bahu, der Büßer mit dem emporgereckten Arm

Indien 013 Das Nagelbett

Indien 013 Das Nagelbett

Indien 014 An den Ufern der heiligen Ganga

Indien 014 An den Ufern der heiligen Ganga

Indien 015 Domras bei der Arbeit (Smaschanghat, Benares)

Indien 015 Domras bei der Arbeit (Smaschanghat, Benares)

Indien 016 Kedarghat (Benares)

Indien 016 Kedarghat (Benares)

Indien 017 Der Affentempel der Durga (Benares)

Indien 017 Der Affentempel der Durga (Benares)

Indien 018 Mir-Chat mit dem Nepalsesetempel (Benares)

Indien 018 Mir-Chat mit dem Nepalsesetempel (Benares)

Indien 019 Manikarnikaghat mit dem Tarkeschwaratempel (Die größte Leichenverbrennungsstätte zu Benares)

Indien 019 Manikarnikaghat mit dem Tarkeschwaratempel (Die größte Leichenverbrennungsstätte zu Benares)

Indien 020 Kaiser Aurangzebs Moschee (Benares)

Indien 020 Kaiser Aurangzebs Moschee (Benares)