Paris, den 18. März 1851. - Meine geliebte Jenny!

In Beantwortung Deiner lieben Briefe vom 24. Februar und 10. März komme ich, um mit Dir zu plaudern, was für Deinen Vater stets ein Augenblick des Glücks ohne jede Bitterkeit ist. Ich kann, liebes Kind, auf das Glück nicht verzichten, Dich wieder zu sehen, ich will nicht sterben, ohne Deinem Mann für das Glück zu danken, das er Dir bereitet, ohne Dich, meine geliebte Jenny, und Deine Kinder zu segnen. Ich verzeihe gern meiner guten Pauline, die alle Freude, die das Bildchen meines kleinen Otto mir gemacht hat, allein auf meine Liebe zu Dir zurückführt; sie bildet sich ganz irrtümlicherweise ein, daß ich sie weniger liebe als Dich; ich mache keinen Unterschied zwischen Euch beiden, weil Ihr beide in gleicher Weise meine Liebe verdient und Eurem Vater die gleiche Zärtlichkeit entgegenbringt! -- Ich freue mich der neuen Stellung, die ihr einnehmt, indem ihr nach Rosenberg übersiedelt; Werner findet dort einen segensreichen Wirkungskreis.

Ich habe mehr als einen Monat mit der Marquise (die für Dein freundliches Gedenken herzlich dankt) ruhig auf dem Lande gelebt, wo wir uns des schönsten Wetters der Welt erfreut haben; seit dem 4. d. Mts. sind wir zurückgekehrt, und ich hatte die Ungeschicklichkeit, mir eine Erkältung zuzuziehen, die mich zehn Tage lang an das Zimmer fesselte und mich hinderte, unsere liebe Pauline zu umarmen. Seit einigen Tagen entschädige ich mich dafür, indem ich sie so oft als möglich aufsuche. Gestern mußte sie ihres Auges wegen, das sich wieder verdunkelte, zur Ader gelassen werden, trotzdem fand ich sie leidlich wohl, und Du, geliebte Jenny, stehst immer im Mittelpunkt unserer Unterhaltungen. -- Napoleon geht es gut, er bittet mich, Dich seiner zärtlichsten Freundschaft zu versichern; Blanqui empfiehlt sich Dir angelegentlichst, und alle lassen meiner Jenny volle Gerechtigkeit widerfahren, was mich sehr beglückt.


Der politische Horizont ist finster, mehr oder weniger überall, aber da wir nur die Werkzeuge der Vorsehung sind, wird nichts geschehen, was nicht geschehen muß, und wenn man ein gutes Gewissen hat, so kann man in Ruhe und Resignation die Dinge erwarten: „tue was Du kannst, es kommt, was kommen muß.“

Es gibt mehr als eine Gelegenheit, geliebtes Kind, die mir gestattet, auf unser Wiedersehen zu hoffen, und sobald sie sich bietet, werde ich sie nicht entweichen lassen. Lebwohl, meine Jenny, ich drücke Dich an mein Herz und segne Dich und Deine Kinder.

Dein Dich liebender Vater

Jerome.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Schatten der Titanen