Ein irdisches Paradies und seine Bewohner.

Kurze Zeit vor meinem Aufbruch von Chartum hatte ich die erste Kunde von dem Dasein eines Volks namens Monbuttu erhalten, das im Süden der Namniam leben sollte. Ich hatte das Glück, meine Reise bis in das Gebiet dieses merkwürdigsten aller Völker Afrikas auszudehnen, das sich in Wirklichkeit Mangbattu nennt. Seit meinem Besuch sind verschiedene europäische Reisende zu diesem Land vorgedrungen. Besonders Dr. Wilhelm Junker hat dort eingehende Forschungen angestellt. Eine Zusammenstellung alles dessen, was bis 1909 über die Mangbattu berichtet worden ist, hat der Belgier Van Overbergh gegeben.

Die Mangbattu sind umgeben von ganz anders gearteten Rassen und befinden sich eingekeilt in ein Geschiebe von Stämmen der untersten Stufe der Kulturentwicklung, die sich beständig bekriegen und von denen eines das andere allmählich verdrängt. Van Overbergh faßt die Entwicklungsgeschichte des Volkes dahin zusammen: Vor Ankunft der arabischen Händler bildeten die Mangbattu ein machtvolles Gemeinwesen. Es umfaßte zwei Klassen: die Unterworfenen, die mehr oder minder Ureingesessene waren, und die Eroberer, die eine Art Aristokratie bildeten. Die Sieger zwangen ihre Sitten und Gebräuche den andern auf. Nach einiger Zeit vollzog sich eine Verschmelzung, und heute sind die ehemals Unterworfenen stolz darauf, sich Mangbattu zu nennen. Sie besitzen auch den Stolz der höhern Rasse und erfreuen sich des Vorzugs des ihr zukommenden Ansehens.


Zwei Häuptlinge teilen sich in die Herrschaft: wir können sie Könige nennen, denn ihre Macht erstreckt sich weit über die von Mangbattu bevölkerten Gebiete hinaus. Den östlichen Teil beherrscht Degberra, den westlichen, weit umfangreichern Munsa mit Unterhäuptlingen, die sich mit einem ähnlichen Gepränge umgeben wie der König.

Im weiten Halbkreis wohnen im Süden um das Land der Mangbattu herum eine Anzahl Völker von ausgesprochener Negerrasse, die von den Mangbattu mit dem Gesamtnamen Momfu bezeichnet werden. Von diesen Stämmen muß indes das rings eingeschlossene zwergartige Volk der Akka ausgenommen werden, die in Südwest Grenznachbarn sind.

Das Mangbattuland ist ein irdisches Paradies. Endlose Bananenpflanzungen bedecken die Gehänge der sanft gewellten Talniederungen. Die Ölpalme bildet ausgedehnte Haine an den Ufern der Bäche und Flüsse und baut schattige Dome über den idyllischen Behausungen der Eingeborenem. In dem Land, das eine durchschnittliche Meereshöhe von 700 bis 800 Metern hat, wechseln beständig tief eingesenkte Bäche und Flüsse mit sanft ansteigendem Höhen, die bis zu 100 Metern über die Talsohle ansteigen können. In der Tiefe der Niederungen bilden Bäume von erstaunlicher Höhe mächtige Bestände.

Das Volk knüpft sein Dasein an die fast mühelose Gewinnung von Baumfrüchten und Erdknollen und verschmäht den Anbau des Getreides, nur dem Mais wird einige Aufmerksamkeit geschenkt. Der Anbau der Banane macht wenig Mühe. Man steckt die jungen Schößlinge in das vom Regen erweichte Erdreich, die alten Stauden sterben von selbst ab, und die Pflanzung ist bestellt. Das Stecken der Mehl liefernden Wurzelknollen von Maniok, von süßem Bataten, Yams und Colocasien erfordert ebenso geringe Mühe. Von großer Bedeutung für die Ernährung ist der Maniok; der Anbau der süßen Bataten ist ebenfalls sehr verbreitet. Die Grundlage der Nahrung ist jedoch die Banane. Diese wird meist noch grün getrocknet, zu Mehl zerrieben und zu Mus gekocht. Die im Reifezustand gedörrte Frucht ist ein Leckerbissen und den besten Datteln vergleichbar. Weinartige Getränke sah ich nur selten aus der Banane herstellen, ich habe mir aber selbst solche mit Erfolg bereitet.

Der Anbau der Ölpalme wird südlich vom Uelle in großem Umfang betrieben. Dieser Baum ist bisher weder angepflanzt noch wild in einer zum Nilgebiet gehörigen Gegend aufgefunden worden, er bietet daher wie die Kolanuß einen Beweis für den westafrikanischen Charakter des Landes.

Viehzucht ist den Mangbattu fremd. Den Fleischbedarf deckt ausgiebig die Jagd, die vorzugsweise auf Elefanten, Büffel, Wildschweine und große Antilopen betrieben wird. Die zu gewissem Jahreszeiten in Menge erbeutetem Fleischvorräte werden meist in getrocknetem Zustand aufbewahrt. Die Mangbattu werden also keineswegs durch Fleischmangel zur Menschenfresserei getrieben. Auch die Menge der Hühner ist nicht zu unterschätzen, ebenso die Zahl der Hunde.

Ein weitverbreiteter Vogel ist der graue Papagei, dessen hochrote Schwanzfedern die Eingeborenen als Kopfputz verwerten. Auch seines wohlschmeckenden Fleisches wegen wird ihm sehr häufig nachgestellt. Im übrigen ist die Jagd auf Vögel von geringem Belang. Auch Fische wandern reichlich in die Kochtöpfe.

Während den Weibern die Bestellung des Bodens obliegt, verbringen die Männer ihre Tage in Müßiggang, solange sie weder durch Jagd noch durch Krieg vom Heim ferngehalten sind. Tabak rauchend sitzen sie schon zu früher Morgenstunde behäbig auf ihren schönen Bänken im Schatten der Ölpalmen, die Beine lang vor sich hingestreckt und den Arm gestützt auf das als Lehne dienende Holzgestell. Die Mittagszeit verplaudern sie in den offenen kühlen Hallen, die als Versammlungsplätze dienen.

Die Töpferei wird ausschließlich von Weibern ausgeübt, während das Schmiedehandwerk wie üblich auf die Männer beschränkt ist. Mit Holzschnitzerei und Korbflechterei sind beide Geschlechter vertraut.

Im Gegensatz zu dem züchtigen, zurückhaltenden Wesen der Niamniamfrauen sind die Weiber der Mangbattu ausnahmslos von einer überraschenden Zudringlichkeit und Ungebundenheit. Ihren Männern gegenüber beanspruchen sie einen hohen Grad von Selbständigkeit. Die Vielweiberei scheint schrankenlos zu sein. Auf eheliche Treue gibt der Mangbattu wenig; ich konnte mich davon tagtäglich im Lagerleben der Nubier überzeugen.

Große Sorgfalt scheinen die Eingeborenen auf die Zubereitung der Speisen zu verwenden, die alle mit dem rohen, ziegelroten Öl der Ölpalme versetzt zu werden pflegen. Das Palmöl besitzt in den ersten Tagen einen angenehmen Geschmack, der aber bald ins Ranzige übergeht. Aus den Kernen wird ein schlechtes Öl gewonnen, das als Beleuchtungsmittel Verwendung findet. Auch Erdnüsse und Sesam liefern den Mangbattu reichliche Fettvorräte. Sogar aus den fetten Leibern der männlichen Termiten wird ein nicht übelschmeckendes Öl gesotten.

Ganz allgemein in Gebrauch ist Menschenfett. Der Kannibalismus der Mangbattu übertrifft den aller bekannten Völker in Afrika. Das Fleisch der im Kampf Gefallenen wird auf der Walstatt verteilt und zum Transport nach Haus hergerichtet. Die lebendig Eingefangenen werden von den Siegern erbarmungslos vor sich hergetrieben, um später als Opfer wilder Gier zu fallen. Die erbeuteten Kinder wandern als besonders delikate Bissen in die Küche des Königs. Es ging das Gerücht, daß für ihn fast täglich kleine Kinder geschlachtet würden. Mir selbst sind allerdings nur zwei Fälle bekannt, daß ich die Mangbattu dabei überraschte, Menschenfleisch als Speise herzurichten. Sichtbare untrügliche Anzeichen von Kannibalismus fanden sich aber auf Schritt und Tritt. Munsa erklärte offen, da Menschenfresserei für uns ein Greuel sei, werde sie, solange wir anwesend seien, verheimlicht.

Die Mangbattu bieten nicht das erste Beispiel, daß oft gerade solche Völker Menschenfresser sind, die sich durch ihre höhere Entwicklungsstufe von solchen unterscheiden, die den Genuß von Menschenfleisch verabscheuen. Sie sind eine edlere Rasse, ein Volk, das sogar einen gewissen Nationalstolz an den Tag legt, reich begabt wie wenige Bewohner der afrikanischen Wildnis. Die Nubier, die einige Jahre bei den Mangbattu gelebt haben, wissen nicht genug zu rühmen von ihrer Zuverlässigkeit im freundschaftlichen Verkehr und von ihrer im Staatsleben offenkundigen Ordnung und Sicherheit. Auch hinsichtlich ihrer kriegerischen Tüchtigkeit schienen die Nubier ihnen ein Übergewicht zuzuerkennen.

Die Macht des Herrschers erstreckt sich viel weiter als die der Niamniamfürsten. Außer dem stets ihm vorbehaltenen Elfenbein werden auch regelrecht Abgaben von Bodenerzeugnissen erhoben. Ein Troß von Trabanten umgibt neben der besondern Leibwache beständig den Herrscher, und groß ist die Anzahl der Beamten und Ortsvorsteher, die die königliche Macht zur Geltung bringen.

Nach den Unterhäuptlingen, die aus der großen Schar der leiblichen Königsbrüder genommen werden, haben die vornehmsten Reichsräte den nächsten Rang inne. Es sind ihrer fünf: 1. der Waffenmeister; 2. der Zeremonienmeister; 3. der Küchenmeister und oberste Lagerverwalter; 4. der Hausmeister über alle königlichen Frauen; 5. der Dolmetsch im Verkehr mit den Fremden und benachbarten Herrschern.

Munsa verläßt nie seine Residenz, ohne von einem mehrere Hunderte zählenden Troß umgeben zu sein. Achtzig Frauen von jugendlichem Alter bewohnen mit ihren Sklavinnen ebensoviele Hütten, die in einem weiten Kreis um die königlichen Palasthallen und Privatwohnungen erbaut sind. Sie umschließen einen großen, wohlgesäuberten Freiplatz. In mächtigen Hallen versammelt Munsa die Vornehmen zur Ratsversammlung; dort erteilt er Audienz und feiert die Feste in großartigster Weise.

Die königlichen Frauen bilden mehrere Klassen. Die ältern bewohnen in gewissem Abstand von der Residenz eigne Dörfer, denn ihre Anzahl geht in die Hunderte.

Die Privatwohnung des Königs besteht aus einer Gruppe von Hütten, die von einem Palisadenzaun umfriedigt und von wohlgepflegten Baumpflanzungen beschattet wird. Für jede seiner täglichen Arbeiten ist eine eigne Hütte bestimmt.

Ausschließlich zur Bereitung seiner Speisen ist abwechselnd eine seiner Frauen beauftragt. Munsa pflegt stets allein zu speisen, niemand darf den Inhalt seiner Schüsseln zu sehen bekommen, und alles, was er übrig läßt, wird in eine eigens dazu bestimmte Grube geschüttet. Was der König berührt hat, gilt als heilig. Nicht einmal von dem Feuer, das vor seinem Sitz brennt, dürfen Gäste eine Kohle nehmen, um sich die Pfeife anzustecken. Es wurde behauptet, ein solcher Versuch würde vom König sofort mit dem Tod bestraft. Der Kleidervorrat des Königs beansprucht allein mehrere Hütten. In der einen gewahrte ich nichts als Hüte und Federschmuck. Dann folgte eine Hütte, in der bündelweise Felle und tausenderlei Zierate aufgehängt waren. Zu langen Schnüren aufgereiht sah man die Zähne seltener Tiere hängen. Reißzähne des Löwen, von denen ich über hundert an einem einzigen Schmuckgehänge zählte, bildeten ein kostbares Erbstück.

In einer kleinen Kegelhütte zeigte man mir den königlichen Abort, den einzigen, der mir in Zentralafrika zu Gesicht gekommen ist. Es war eine Senkgrube, deren Verschluß einen Spalt freiläßt, und entsprach ganz den in türkischen und arabischen Häusern vorhandenen Einrichtungen. An einem andern Tag wurde ich in die Rüstkammern geführt. Die Waffenvorräte bestanden hauptsächlich aus zusammengeschnürten Packen von 200 bis 300 Lanzen; Säbelklingen und Hackmesser waren haufenweise aufgeschichtet. Hier wurden auch die Prunk- und Luxuswaffen aufbewahrt, hauptsächlich riesige Lanzen; Schaft und Spitzen waren aus reinem Kupfer geschmiedet und aufs prächtigste poliert.

Die Vorratskammern und Kornlager befinden sich unter wohlgezimmerten, regendichten Dächern. Hier verbringt Munsa einen Teil seiner Zeit, um die Einteilung und Anordnung der Vorräte selbst zu überwachen.

Die Mangbattu zeichnen sich vor fast allen bekannten Völkern Zentralafrikas durch ihre hellere Hautfarbe aus, deren Grundton der des gemahlenen Kaffees ist. Von den Niamniam unterscheiden sie sich ferner durch geringere Muskelfülle, ohne indessen den Eindruck der Schwächlichkeit zu machen, auch haben sie bei gleicher Fülle des Haupthaars einen weit stärker entwickelten Bartwuchs. Wenigstens fünf vom Hundert sind mehr oder minder blondhaarig. Dieses Blond hat indes nichts mit dem unsrigen gemein, es ist von unreiner Färbung.

Die Gesichtsbildung erinnert in vielen Fällen an die semitischer Völker. Namentlich weicht die schmälere Nasenbildung von der der übrigen Negerrassen häufig auffallend ab. Auch tritt die Adlernasenform oft auf.

Dank ihrer völligen Abgeschlossenheit sind ihnen gewebte Stoffe aller Art unbekannt geblieben. Ein Feigenbaum von eigener Art, der bei keiner Hütte fehlt und dessen Rindenbast im natürlichen Zusammenhang zu einem dauerhaften wollartigen Zeug verarbeitet werden kann, liefert den einzigen Bekleidungsstoff. Wenn der Stamm Mannesstärke erreicht hat, ist die Rinde am brauchbarsten. Man entschält den ganzen Stamm eineinhalb Meter lang vermittels zweier Ringschnitte, ohne daß dadurch ein Absterben verursacht wird. Durch Wässern und Klopfen verstehen es die Mangbattu, der Rinde ganz das Aussehen eines dichten, sehr geschmeidigen Gewebes zu geben. Mit einem Gürtelstrick zusammengehalten, bedeckt ein solches Rindenstück in seltsamem Faltenwurf den Körper von den Knien bis zur Brust. Die Kunst des Webens braucht dabei nicht in Anspruch genommen zu werden; als deren erster Versuch konnte die Anfertigung von Binden und Zeugstreifen betrachtet werden. Nie tragen die Mangbattu Felle im Gürtel.

Mangbattukrieger im Rindenkleid

Die Frauen gehen fast völlig nackt, bis auf ein handgroßes Stück Bananenlaub oder Rindenstoff. Außerdem bemalen sie sich den ganzen Körper auf das sorgfältigste mit dem schwarzen Saft aus der Frucht einer Gardenia. Tätowierte Figuren verlaufen bandartig in der Richtung der Achseln über Brust, Oberarm und Rücken der Weiber. Die Bemalung bietet dem Beschauer eine unerschöpfliche Mannigfaltigkeit der verschiedensten Muster.

Die Männer bedienen sich einer Art Schminke aus gepulvertem Rotholz, indem sie die pulverisierte mit Fett zusammengeriebene Masse gleichmäßig einreiben und über den Körper verteilen. Die Haartracht ist bei Männern und Weibern dieselbe und besteht aus einem langen zylindrischen Haarwulst, der, durch ein Rohrgestell im Innern festgehalten, in schräger Richtung nach hinten emporstarrt. Die in feingeflochtenen Strähnen über die Stirn gezogenen Haare des Vorderkopfes werden oft durch erborgtes Haar von den im Krieg Gefallenen oder durch gekauftes Haar ersetzt. Die Männer setzen auf den Wulst einen Strohhut mit Federbusch. Die Frauen pflegen ausnahmslos den Haarwulst frei zu tragen, nur geziert mit kleinen Haarnadeln, auch mit Kämmen versehen, die man aus Stacheln des Stachelschweins zusammensetzt. Eine mir wegen der Haartracht verborgen gebliebene künstliche Verlängerung des Hinterhauptes zu fast kegelförmiger Gestaltung, die durch fortgesetzte, bereits am Säugling vorgenommene Umschnürung des Schädels bewirkt wird, ist bei vielen Mangbattu vorhanden und wurde später von Dr. Wilhelm Junker und Professor Schubotz beobachtet.

Haartracht der Mangbattu

Die einzige Verstümmelung des Körpers, die ich hatte wahrnehmen können, besteht in einer Durchlöcherung der innern Ohrmuschel, um einen Stab von der Größe einer Zigarre durchstecken zu können. Die Beschneidung wird im ganzen Land, wie bei Mohammedanern, geübt.

Vielfältig ist die Bewaffnung. Sie führen Schild, Lanze, Bogen und Pfeile, im Gürtel sichelartig gekrümmte Messer, Sichelschwerter, deren Schneide an der einwärtsgehenden Seite angebracht ist; andere bedienen sich großer Dolche und spatelförmiger Hackmesser. Der Trumbasch, das Wurfeisen der Niamniam, ist nicht gebräuchlich.

Das Schmiedehandwerk nimmt unter ihren Kunstfertigkeiten eine hervorragende Stellung ein. Kneifzangen, Feilen und Hämmer unserer Art fehlen, aber die Mangbattu sind ihren Nachbarn durch die Anwendung anderer Werkzeuge überlegen. Sie sind die einzigen, die statt eines Ambosses von Stein sich eines solchen von Schmiedeeisen, wenn auch im kleinen, bedienen. Mit dem Meißel wird jede Waffe in den Umrissen geformt und dann durch Hämmern die Schneide angebracht. Unsere Feilen ersetzt ihnen ein feinkörniger Sandstein oder eine Gneisplatte, an denen die Waffen gewetzt und geschärft werden.

Dem im Handel befindlichen Eisen wird gewöhnlich nicht eine Form gegeben, in der es das gemünzte Geld ersetzt, wie dies z. B. bei den Bongo geschieht. Als Geld könnte man höchstens die großen halbkreisförmigen Eisenbarren betrachten, die sich im Schatz des Königs befinden. Faustgroße Eisenklumpen bilden das Rohmaterial. Die Gewandtheit, mit der der Schmied in kürzester Zeit aus einem solchen Stück Spaten oder Lanzen zu formen weiß, ist außerordentlich.

Ihr Meisterstück sind die feinen Eisenketten, die als Schmuck getragen werden. Nach dem Urteil Sachverständiger haben diese Gebilde einer primitiven Kunst keinen Vergleich mit den Erzeugnissen unserer gewöhnlichen Schmiede zu scheuen.

Fast alle künstlichen Zierate werden aus Kupfer hergestellt. Am häufigsten findet es in Gestalt meterlang ausgezogener, flach geschlagener Drähte Verwendung, um die Griffe an Säbeln und Messern, die Lanzenschäfte und Bogen zu umwickeln. Lange Halsketten von Kupfer sieht man häufig, und Kupferbeschlag fehlt weder an den aus Büffelhaut geschnittenen Ringen noch an den dicken Gürtelriemen. Vornehme Eingeborene lassen sich eigens aus Kupfer geschmiedete Prunkwaffen anfertigen.

Unglaubliche Mannigfaltigkeit herrscht in den Formen der Lanzen und Pfeilspitzen. Die gleichmäßig angeordneten Widerhaken, Zacken und Dornen, die an ihnen in Menge angebracht zu werden pflegen, sind von tadelloser Vollendung. Alle Klingen, Lanzen- und Pfeilspizen tragen Blutrinnen. Die Pfeile haben höchstens anderthalb Meter lange Schäfte von Rohrgras und sind am untern Ende mit kleinen Flügelansätzen versehen. Der Bogen hat als Sehne einen Strang aus einfach gespaltenem spanischem Rohr, der an Spannkraft jede Schnur übertrifft. Zum Schutz des Daumens gegen den Rückprall des scharfschneidigen Sehnenstranges ist ein ausgehöhltes Hölzchen angebracht. Der Pfeil gleitet beim Zielen stets zwischen den mittleren Fingern hindurch.

Die Vervollkommnung ihrer Werkzeuge befähigt die Mangbattu auch zu einer größern Entwicklung der Holzschnitzerei. Sie sind das einzige Volk, das mir in Afrika begegnete, dem der Gebrauch des einschneidigen Messers bekannt ist. Das Holz zum Schnitzen wird in der Regel dem Stamm einer Rubiazee entnommen. Das Fällen dieser riesigen Bäume, deren Stämme bei einem bis auf ungefähr dreizehn Meter Höhe astfreien und geradlinigen Verlauf eine Dicke von zwei bis zweieinhalb Meter Durchmesser erreichen, geschieht in mühsamer Arbeit mit den hier gebräuchlichen kleinen Beilen. Die Zahl der dazu erforderlichen Hiebe steigt in die Tausende. Dennoch sah ich im Urwald nicht selten Stämme liegen, die wie mit der Säge durchgeschnitten erschienen, was für das vorzügliche Augenmaß dieser »Wilden« spricht.

Schüsseln, Schemel, Pauken, Boote und Schilde bilden den Hauptgegenstand der Holzschnitzerei. Die aus einem einzigen Baumstamm ausgehauenen Boote lassen an Zweckmäßigkeit nichts zu wünschen übrig. Ich sah solche von zehn Meter Länge und über anderthalb Meter Breite, auf denen man ganz bequem Pferde und Rinder hätte übersetzen können. Die großen hölzernen Signalpauken fehlen in keinem Dorf.

Die Schemel, deren Benutzung ausschließlich den Frauen zusteht, sind von unerschöpflicher Mannigfaltigkeit. Aus einem Block geschnitzt, setzt sich der Schemel zusammen aus einer kreisförmigen Sitzscheibe, die etwas ausgehöhlt ist, einem zierlich geschnitzten Fußstiel und dem kreisrunden oder vieleckigen Fuß. Holzschüsseln gibt es in jeder Größe. Die Bänke der Männer werden aus den Blattschäften der Raphiapalme zusammengesetzt. Sie sind bei eineinhalb Meter Länge und entsprechender Breite sehr leicht, so daß ein Träger ohne Anstrengung sechs auf einmal tragen kann; dabei sind sie außerordentlich fest. Bänke, Hauswände und Dächer werden nicht mit Nägeln und Pflöcken verbunden, sondern zusammengenäht, wobei fein gespaltenes spanisches Rohr als Heftmaterial dient.

Lehnen sind an den Sitzen der Mangbattu nicht angebracht, gesondert aufstellbare Krücken bieten einen Ersatz dafür.

Die Schilde werden mit dem Beil aus den dicksten Stämmen gehauen. Sie bilden ein länglich viereckiges, vollkommen ebenes Brett, das nur wenig über einen Zentimeter in der Dicke mißt und gewöhnlich zwei Drittel der Körperlänge deckt. Geflochtene Schilde sind hier nicht im Gebrauch.

In der Töpferei übertreffen ihre Erzeugnisse alles von mir bisher Gesehene. Eine durch eingeritzte Linien rauh gemachte Oberfläche ersetzt die fehlenden Henkel, gelegentlich sind auch regelmäßig angeordnete Eindrücke vorhanden, die den Fingern zu Griff- und Ruhepunkten dienen sollen. Am meisten Kunst verwenden sie auf die Wasserflaschen. Ihre Formen und Verzierungen verraten eine ungewöhnliche Erfindungsgabe.

Die technische Gewandtheit der Mangbattu bekundet sich vor allem im Häuserbau. Die großen Hallen Munsas haben die Ausmaße kleiner Bahnhöfe und verbinden in vollkommenster Weise leichten, gefälligen Stil mit fester Bauart. Solche Bauwunder entstanden in diesem Land noch vor wenigen Jahren. Professor Schubotz sah 1912 einen Bau dieser Art, der bei hundert Meter Länge fünfzig Meter in der Breite maß und dessen First in der Mitte zwölf Meter Höhe erreichte.

Die Wohnhäuser sind gewöhnlich fünf bis sieben Meter breit und acht bis zehn Meter lang, das Dach springt weit vor. Wasserdicht macht man die Dächer, indem man sie mit Bananenblättern verschalt, auch deckt man sie mit Stroh, Gras oder Rinde. Die Wände sind gewöhnlich zwei Meter hoch, auf allen Seiten geschlossen. Die Bauart der zusammengenähten Dächer und Wände verleiht den Häusern eine außerordentliche Widerstandsfähigkeit gegen die Gewalt der Elemente. Eine bequeme Türöffnung bietet den einzigen Zutritt für Licht und Luft; sie wird durch ein festes, aus einem Stück bestehendes Brett geschlossen. Im Innern befinden sich in der Regel zwei Abteilungen, von denen die hintere als Vorratskammer dient.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Herzen von Afrika