Das Volk der Niamniam, der -Vielfresser-.
Schon zu einer Zeit, als europäische Reisende noch kaum die Grenzen den vom Islam beherrschten Teils von Innerafrika überschritten hatten, war zu uns die Kunde von einem Volk gelangt, an dessen Namen die mohammedanischen Bewohner des Sudan alle Vorstellungen von Wildheit zu knüpfen pflegten, deren ihre reiche Einbildungskraft fähig war. Den Schleier gelüftet zu haben, war das Verdienst meines Vorgängers Carlo Piaggia, jenes schlichten, unerschrockenen Italieners, der ein volles Jahr allein unter diesem Volk, den Niamniam, auszuharren vermochte. Bald nach ihm führte auch mich ein gütiger Stern in die Mitte dieser »Menschenfresser«.
Der Name »Niamniam« ist der Sprache der Dinka entlehnt; er bedeutet Fresser, Vielfresser und spielt auf den Kannibalismus des Volkes an. Der Name, den sich das Volk selbst gibt, lautet in der Mehrzahl A-Sandeh.
Der Hauptteil des Niamniamlandes liegt zwischen dem 4. und 6. Grad nördlicher Breite; in seiner ganzen von Südost nach Nordwest gerichteten Mittellinie fällt er mit der Wasserscheide zwischen Nil- und Kongobecken zusammen. Auf meinen Wanderungen habe ich ausschließlich den östlichen Teil dieses Gebiets durchzogen, der nach Osten zu vom obersten Lauf des Tondjflusses begrenzt wird. Soweit das Land gegenwärtig bekannt ist, umfaßt es in seiner Breite nahezu zwei, in seiner Längenausdehnung etwa sieben Grade, was einem Flächenraum von ungefähr 170000 Quadratkilometern entspricht. Die Einwohnerzahl muß in diesem bekanntern Teil mindestens zwei Millionen betragen.
In jeder Beziehung ein Volk von scharf ausgeprägter Eigenart, sind die Niamniam selbst aus weiter Entfernung sofort unter Hunderten heraus zu erkennen. Lange Haarflechten und Zöpfe - sie haben dabei stets das feingekräuselte Haar der sogenannten echten Negerrasse -, die bis zum Nabel herabhängen können, bedecken den runden, breiten Kopf. Eine auffällige Größe der mandelförmig geschnittenen, etwas schräg gestellten Augen gibt dem Gesichtsausdruck ein Gemisch von tierischer Wildheit, kriegerischer Entschlossenheit und dann wieder von Offenheit; dazu die gleich lang wie breit geformte Nase, der von sehr breiten Lippen berandete, aber selten die Nasenbreite überragende Mund. Ein rundes Kinn und wohlgewölbte Wangen vervollständigen die Gestaltung des rundlichen Gesichtsumrisses; ein untersetzter, zur Fettbildung neigender Körper ohne scharf ausgeprägte Muskelbildung, der die durchschnittliche Höhe mittelgroßer Europäer nur selten übersteigt, und dessen obere Hälfte unverhältnismäßig länger ist als die untere.
Die Hautfarbe kann am besten mit dem matten Glanz der Tafelschokolade verglichen werden. Als Stammesmerkmal haben alle A-Sandeh drei oder vier mit Punkten ausgefüllte Quadrate entweder auf Stirn, Schläfen oder auf den Wangen tätowiert, ferner stets eine x-förmige Figur unter der Brusthöhle. Verunstaltungen werden weder von Weibern noch von Männern vorgenommen, abgesehen vom Spitzfeilen der Schneidezähne.
Ihre Kleidung besteht meist aus Fellen, die malerisch um die Hüften gelegt werden, dazu wird gern der lange, schwarze Schwanz des Guereza, eines Stummelaffen, getragen. Auf den Haarputz wird, vor allem von den Männern der Niamniam, alle erdenkliche Sorgfalt verwandt. In der Regel teilt der Scheitel in der Mitte das Haupthaar in zwei gleiche Hälften. Über der Stirn nimmt ein feines Zöpfchen seinen Ursprung, das zum Hinterkopf zurückgeschlagen wird. Rechts und links gruppieren sich strahlenartig eine Anzahl von Haarwülsten, die an den Schläfen zu Knäueln zusammengefaßt und geknotet sind; von ihnen hängen wiederum kleine lange Zöpfchen, gleich Schnüren geflochten, büschelweise rings um den Nacken herunter. Zwei bis drei der längsten Flechten hängen über die Schulter frei zur Brust herab. Die abenteuerlichste Haartracht, die mir vorgekommen war, nahm ich an Männern aus dem Gebiete des Kifa wahr. Ein strahlenartiges Gebilde, das gleich einem Heiligenschein den Kopf umgab, war aus des Mannes eigenem Haar hergestellt, indem feine Flechten an einem Reifen befestigt und ausgespannt wurden. Dieser Reifen wurde durch vier Drähte an dem untern Rand des Hutes befestigt. Der ganze Strahlenkranz ließ sich zurückschlagen.
Gekünstelter Haarputz eines Niamniam
Nur die Männer trugen eine Kopfbedeckung. Vermittels großer Haarnadeln von Elfenbein, Kupfer oder Eisen wird ein zylindrischer, schirmloser, oben viereckiger Strohhut, den stets ein lang herabflatternder Federbusch ziert, auf dem Scheitel befestigt. Die beliebtesten Zierate, die am Körper getragen werden, bestehen aus Tier- und Menschenzähnen. Sehr häufig und von prächtigster Wirkung sind die aus Elfenbein nachgemachten Reißzähne des Löwen, die aneinandergereiht einen vom dunkeln Grund der Haut grell abstechenden, blendend weißen Zackenkranz bilden.
Hauptwaffen sind Lanze und Trumbasch, eine der vielen Wurfwaffen der Negervölker. Dieser besteht aus einem mehrschenkeligen Eisen, das mit spitzen Zacken versehen und an den Rändern geschärft ist. Er wird stets an der Innenseite der aus spanischem Rohr geflochtenen Schilde befestigt. Diese sind länglich oval und decken ungefähr zwei Drittel der Körperlänge. Das Geflecht, das stets mit hübschem Muster schwarzweiß geziert wird, wobei die Form des Kreuzes besonders häufig auftritt, ist so leicht, daß es den Kämpfenden bei seinen wilden Sprüngen nicht im geringsten behindert. Bogen und Pfeile sind nicht allgemein in Gebrauch, wohl aber verschieden große Messer mit sichelartiger Klinge und geschweifte säbelförmige Gebilde von fremdartiger Gestalt.
Bei den Niamniam gebraeuchliche Formen des Trumbasch
Wenn der Niamniam im seltsamen Waffenschmuck mit herausforderndem Gebaren dem Fremden entgegentritt, wenn er dabei die Augen weit aufreißt, die dicken Brauen furcht und die blendende Reihe spitzer Krokodilzähne hervorleuchten läßt, begreifen wir leicht den tiefen Eindruck, den jede Begegnung auf das einbildungskräftige Gemüt des Nubiers und Sudanarabers hervorzurufen vermag. Nirgends kam mir ein Volk in Afrika vor Augen, das in allen Stellungen, im Gang wie in der Körperhaltung, so deutlich seine Vertrautheit mit Krieg und Jagd an den Tag gelegt hätte.
Junge Niamniam in Kriegsrüstung
Die Männer sind Jäger von Beruf; der Ackerbau wird nur von den Frauen besorgt. Die Art der Bodenbestellung nähert sich dem Urzustand, dem Gartenbau. Dazu bietet das Land an freien Hilfsmitteln eine große Menge, namentlich was tierische und pflanzliche Fette anlangt. Hauptsächlich gilt der Anbau einer Getreideart, der Eleusine coracana. Es ist ein minderwertiges Korn, das hier im allgemeinen nur auf einem Boden gebaut wird, der anders nicht zu verwerten ist. Die aus dem Mehl hergestellten Brotfladen sind nicht besonders wohlschmeckend. Dagegen verdient das von den Niamniam daraus bereitete Getränk Bier genannt zu werden. Es wird aus dem regelrecht gemalzten Korn gebraut, ist ganz klar und hat eine angenehme Bitterkeit. In wie hohem Grad die Niamniam dem Biergenuß ergeben sind, geht aus der Art hervor, wie sie ihre Kornvorräte aufbewahren. Auf jedes Wohnhaus kommen in der Regel drei Kornspeicher, nur zwei enthalten das zur Mehlkost erforderliche Getreide, der dritte ist ausschließlich mit gemalztem Korn angefüllt. Mit geringer Mühe werden als Erdfrüchte Maniok, süße Bataten, Yams und Colocasien angebaut, alle von vorzüglicher Beschaffenheit. Tabak ist überall in Gebrauch. Die Niamniam rauchen aus kurzgestielten Tonpfeifen von eigentümlicher Gestalt, ohne Verwendung von Rohr.
Hornvieh jeher Art fehlt. Die einzigen Haustiere sind Hühner und Hunde. Hundefleisch bildet einen ihrer vorzüglichsten Leckerbissen. Ziegen und Kühe sind meist nur vom Hörensagen bekannt, zuweilen erbeuten sie solche auf ihren Raubzügen gegen die örtlichen Nachbarn.
Im allgemeinen sind die Niamniam in der Auswahl des Eßbaren wenig wählerisch. Das beste und schmackhafteste Gericht ist der Brei von frischem Maiskorn, das in noch saftigem milchendem Zustand auf dem Mahlstein fein gerieben, von der Kleie gereinigt und dann verkocht wird. Fleischkost gilt ihnen als der höchste aller irdischen Genüsse, und Fleisch, Fleisch ist das Losungswort, das bei ihren Kriegszügen erschallt. Da der Wildreichtum ein außerordentlicher ist, kann man sich leicht vorstellen, wie die Sorge um Jagdvorbereitungen aller Art ihr Dichten und Trachten beherrscht.
Den Ruf der Menschenfresserei wird niemand in Frage stellen wollen, der sich über den Ursprung eines großen Teils meiner Schädelsammlung unterrichten will. Zwar gibt es Ausnahmen. So erfuhr ich von verschiedenen, die im Niamniamgebiet westlicher als ich gewesen waren, daß sie dort auf keinerlei Anzeichen von Kannibalismus gestoßen seien. Piaggia war nur einmal Zeuge, daß das Fleisch der erschlagenen Feinde verspeist wurde, doch nur aus Haß und Blutgier. Ich kann auch Häuptlinge nennen, die selbst den Genuß von Menschenfleisch verabscheuen, z. B. Uando. Im großen und ganzen aber darf man getrost die Niamniam als ein Volk von Menschenfressern bezeichnen; viele frönen dem Kannibalismus ohne Scheu, um jeden Preis und unter jeder Bedingung. Sie rühmen sich selbst ihrer wilden Gier, tragen die Zähne der Verspeisten, auf Schnüre gereiht, wie Glasperlen am Hals und schmücken die Pfähle bei den Wohnungen mit Schädeln ihrer Opfer. Am häufigsten wird das Fett von Menschen verwertet. Dem Genuß ansehnlicher Mengen davon schreiben sie allgemein eine berauschende Wirkung zu. Verspeist werden im Krieg Leute jeden Alters, die alten, weil fett und weil bei Überfällen ihre Hilflosigkeit sie zu einer leichten Beute des Siegers werden läßt, häufiger als die jungen. Verspeist werden auch Leute, die eines plötzlichen Todes starben und ohne Familie dastehen. Die Nubier wollen sogar wissen, daß hie und da Träger, die unterwegs gestorben und verscharrt waren, aus ihren Gräbern geholt worden sind. Einige der Niamniam wiederum beteuerten, daß bei ihnen zu Hause das Menschenfressen in so hohem Grad verabscheut werde, daß jeder sich weigere, mit einem Kannibalen aus einer Schüssel zu essen.
Von allen bekannten Völkern Afrikas, deren Kannibalismus feststeht, scheinen die Fan (oder Pongue) an der äquatorialen Westküste in mehr als einer Hinsicht den Niamniam stammverwandt zu sein. Auch sie feilen die Schneidezähne spitz, tragen Rindenzeuge und färben sich den Körper mit Rotholz; ihre Häuptlinge bedienen sich des fürstlichen Leopardenfells, sie verwenden ebensoviel Mühe und Fleiß auf ihren zopfreichen Haarputz. Von ihren Gebräuchen dürften die Tanzfeste und nächtlichen Orgien beim ersten Mondviertel am meisten an die der Niamniam erinnern.
Dörfer oder gar Städte in unserm Sinne gibt es nirgends. Die zu kleinen Weilern gruppierten Hütten sind weithin über das bebaute Land zerstreut. Auch der Wohnsitz oder Mbanga, der Hof eines Fürsten besteht nur aus einer größern Anzahl der von ihm und seinen Weibern bewohnten Hütten, die sich durch nichts von den Behausungen der übrigen Sterblichen auszeichnen. Die Bauart der Hütten entspricht im östlichen Teil des Landes im allgemeinen der Kegelform, wie sie in andern Gegenden Zentralafrikas üblich ist, nur hat das Kegeldach eine höhere und spitzere Gestaltung als bei den Hütten der Bongo und Dinka; der Dachrand springt unten wagerecht als Schutz gegen den Regen ziemlich weit über die Tonmauer vor. Dieser Teil des Dachs wird von Pfosten getragen, die das Bauwerk in Gestalt eines niedern Vorbaus umgeben. Die Spitzen der Kegeldächer laufen häufig in zierliches Flechtwerk aus Stroh aus, bei andern in Stangen, auf die große Gehäuse von Landschnecken aufgespießt sind. Nicht selten kann man die ersten Versuche farbiger Verzierung in Rot und Schwarz beobachten. Eigentümlich geformte, zierliche kleine Hütten mit, glockenförmigem Dach, die auf einem becherförmigen Unterbau von Ton errichtet sind und zu deren Innerm eine ganz kleine Öffnung führt, werden eigens für die halbwüchsigen Knaben der Vornehmen errichtet, die in ihnen die Nacht zu verbringen haben. Dies geschieht aus Gründen der Moral, um den Knaben von einem vorzeitigen Eindringen in die Geheimnisse des Ehelebens fernzuhalten.
Ein Wohnsitz der Niamniam
Die Macht eines souveränen Fürsten beschränkt sich auf den Oberbefehl über alle waffenfähigen Männer, die er beliebig versammelt, und auf die eigenhändige Vollstreckung von Todesurteilen. An Abgaben erhebt der Fürst außer Elfenbein, das ihm ausschließlich zufällt, nur die Hälfte des Fleisches von der Beute der gemeinschaftlichen Jagd. In den westlichen Landesteilen, wo auf Kosten unterdrückter Sklavenstämme der Handel mit Knaben und Mädchen blüht, wird ein Teil der Abgaben auch durch eine Art Aushebung eingetrieben. Die Eltern der eingeforderten Kinder erhalten indes häufig einen Teil des Kaufpreises, den die Sklavenhändler aus Darfur bezahlen. Korn und andere Bodenerzeugnisse gewinnt der Fürst selbst von den Feldern, die seine Sklaven, nicht selten seine Weiber, bestellen, deren er eine große Zahl um sich zu scharen pflegt. Ein Haufen Begleiter umgibt stets den Häuptling. Kein Untergebener würde es sich einfallen lassen, auf eigene Hand Krieg zu beginnen oder Frieden zu schließen.
Die herrische Haltung beim Gang gibt den Niamniamfürsten große äußerliche Würde. Viele von ihnen könnten an würdevollem Auftreten mit allen Fürsten der Erde wetteifern. Um so unerklärlicher erscheint das wütende Gebaren, mit dem sie Furcht und Schrecken zu verbreiten suchen. Von einigen wird behauptet, daß sie an Wutanfällen leiden, ja, daß sie solche absichtlich vortäuschen. Durch willkürlich aus der Menge herausgerissene Opfer, denen sie mit eigener Hand die Schlinge um den Hals werfen und denen sie dann mit dem hakigen Säbelmesser einen tödlichen Streich in den Nacken versetzen, wollen sie angeblich dem Volk einen Beweis ihrer Macht beibringen.
Nach dem Tod des Fürsten ist der erstgeborene Sohn der Erbe seiner Macht; die Brüder werden mit einzelnen Bezirken belehnt. Die Herrschergewalt des Erstgeborenen wird aber von seinen Brüdern oft nicht anerkannt. Hieraus erklären sich die unaufhörlichen Streitigkeiten, Überfälle und Gewalttätigkeiten. Von den 35 selbständigen mir aufgezählten Häuptlingen verdienen eigentlich nur wenige die Bezeichnung König.
Bei dem kriegerischen Geist der Niamniam ist die Sitte auffällig, daß ein Häuptling nie selbst in den Kampf zu gehen pflegt, sondern nahe der Mbanga ausharrt, um bei einem ungünstigen Ausgang mit seinen Frauen und Schätzen das Weite suchen zu können. Im Kampf werden die Lanzenangriffe stets von wildestem Kriegsgeschrei begleitet. Bei Pausen im Gefecht ersteigt man in sicherer Entfernung alle sich darbietenden erhöhten Punkte. Vorzüglich sind es die festen, drei bis fünf Meter hohen Termitenhaufen, von denen aus feindliche Parteien sich oft stundenlang die lächerlichsten Schimpfreden zurufen. Als wir an der Südgrenze des Gebiets von Uando uns in einem Verhau zu verteidigen hatten, hörte man solche Rufe stündlich. »Alle Türken«, so nennen sie die Nubier, »sollen umkommen!« schrien sie. »In den Kochtopf mit den Türken! Fleisch! Fleisch!« Und dann wiederholten sie die Versicherung, daß mir selbst kein Leid zugefügt werden solle. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß ich wenig Neigung verspürte, mich ihrer Großmut anzuvertrauen.
Ich will noch die symbolischer Art erwähnen, in der uns der Krieg erklärt wurde, als wir die Grenzen des Gebiets von Uando wieder betraten. Hart am Pfad fanden wir an einem Ast drei Gegenstände aufgehängt, einen Maiskolben, eine Hühnerfeder und einen Pfeil. Ich wurde lebhaft an die herausfordernde Botschaft erinnert, die dem Perserkönig Darius zuging, als er 513 vor Christus bis zum Herzen des Skythenlandes vorgedrungen war, vor mehr als 2000 Jahren hat Herodot darüber berichtet. Bald erhielt ich die Bestätigung in den Erklärungen unseres Führers: »Laßt ihr's euch einfallen, auch nur einen Maiskolben zu knicken oder ein Huhn zu greifen, so werdet ihr durch diesen Pfeil sterben.« Indes waren die Niamniam nicht so geduldig, das erstere abzuwarten, sondern machten noch am nämlichen Tag einen verräterischen Überfall.
Bei jeder Weilergruppe befindet sich eine große Holzpauke oder Sprechtrommel, die aus einem hohlen Baumstamm hergestellt ist und auf vier Füßen ruht. Mit zwei Tönen werden, je nachdem man sie wiederholt und je nach dem Takt, in dem man sie wechseln läßt, dreierlei Signale gegeben: 1. zu Krieg, 2. auf Jagd, 3. zur Festversammlung. Von der Mbanga des Häuptlings ausgehend, werden in wenigen Augenblicken die Signale auf allen Pauken eines Bezirks wiederholt und in kürzester Frist Tausende bewaffneter Männer zusammengeschart. Das Alarmieren geschieht vor allem, wenn sich Elefanten gezeigt haben, zu deren Vernichtung die dichtesten Steppen eigens geschont und vor Steppenbrand behütet werden. Dahinein treibt man die Tiere und umstellt den ganzen Bezirk mit Leuten, die Feuerbrände mitführen; der Brand beginnt auf allen Seiten, bis die Elefanten eine wehrlose Beute werden und ihnen durch Lanzenwürfe der Rest gegeben werden kann. Da hierbei auch Weibchen und Junge zugrundegehen, muß die Ausrottung dieses edeln Tieres von Jahr zu Jahr fortschreiten. Die Häuptlinge, deren Gewinnsucht durch die Züge der Nubier erregt wird, verdoppeln ihre Anstrengungen bei der Elefantenjagd, während ihre Untergebenen, lüstern nach den großen Fleischvorräten, das ihrige dazu tun.
Die Kunstfertigkeit der Niamniam erstreckt sich auf Eisenarbeiten, Töpferei, Holzschnitzerei, Hausbau und Korbflechterei. Ihre irdenen, handgeformten Gefäße sind fast immer von tadelloser Regelmäßigkeit. Wasserkrüge von enormer Größe werden hergestellt, aber auch die zierlichsten Trinkkrüge; ebenso verwenden sie auf die kunstvolle Verzierung ihrer Tabakspfeifen viel Sorgfalt. Aus weichem Holz schnitzen sie Schemel und Bänke, große Schüsseln und Näpfe, die, obgleich stets aus einem Stück gefertigt, in der verwickelten Formengebung des Fußgestells eine unendliche Verschiedenheit an den Tag legen.
Da Lanzen, Trumbasch und Dolchmesser zur Ausrüstung eines jeden gehören, beschäftigt die Herstellung dieser Waffen eine große Anzahl von Schmieden, die sich den Rang abzugewinnen suchen. Die Speere und Lanzenspitzen gleichen vergrößerten Pfeilspitzen. Alle Waffen haben ihr nationales Gepräge, und man kann beim Betrachten eines jeden einzelnen Stücks mit Sicherheit über die Herkunft urteilen. Alle Wurfspieß- und Lanzenspitzen, Messer und Klingen tragen Blutrinnen.
Stets reicht man sich zum Gruß die rechte Hand. Man winkt sich zu, indem man die Hand von oben nach unten bewegt, wie von Neapel an bis zum äußersten Osten Asiens hin sich alle Völker anzuwinken pflegen, indem sie eine nach unsern Begriffen abwehrende Handbewegung ausführen. Frauen werden von fremden Männern nicht begrüßt. Während die Bongofrauen zutraulich sind wie die Männer, die Mangbattufrauen sogar im höchsten Grad naseweis und zudringlich-neugierig, weicht eine Niamniamfrau, der man auf engem Pfad begegnet, von weitem bereits vom Weg ab: Dies rührt von der mehr sklavischen Stellung des Niamniamweibes her.
Das Freien um Weiber wird durch keine Brautschatzforderung erschwert, die der Vater der Braut stellt. Will jemand heiraten, so wendet er sich in der Regel an den Fürsten oder an einen der Unterhäuptlinge. Trotz der unbeschränkten Vielweiberei büßt die Ehe nichts von der Strenge ihrer Verpflichtungen ein. Untreue wird häufig mit sofortigem Tod bestraft. Liederliche Personen, »Nsangah«, rekrutieren sich großenteils aus kinderlos gebliebenen Frauen, die von ihren Männern weggejagt wurden. Mutter vieler Kinder zu sein, ist die größte Ehre. Besondere Festlichkeiten beim Eingehen einer Ehe fehlen; nur der Brautzug verdient erwähnt zu werden, eine Art Prozession, die unter Begleitung des Häuptlings und von Musikern, Spaßmachern und Sängern die Braut in das Haus ihres zukünftigen Herrn führt. Dann gibt es noch einen gemeinschaftlichen Schmaus. Für gewöhnlich pflegen nämlich die Frauen allein für sich in ihren Hütten zu essen. Die Hauptbeschäftigung des Weibes besteht - da die Kinderwartung unter diesem glücklichen Himmel geringe Sorge macht - außer der Pflege des Ackers in der Zubereitung der Speisen und im Schminken und Frisieren des Mannes. Säuglinge werden von ihren Müttern in schärpenartigen Binden getragen.
Erstaunlich ist die Ausdauer, mit der sie sich ihrem musikalischen Vergnügen hingeben. Das Saiteninstrument ist ein Mittelding zwischen Harfe und Mandoline. Der nach allen Regeln der Akustik gebaute Resonanzboden ist aus Holz geschnitzt und oben mit einem Stück Haut überspannt, das zwei Schallöcher hat. Die Saiten bestehen aus feinen Bastfäden und aus dicken, drahtartigen Haaren des Giraffenschwanzes. Ein weinerliches Rezitativ begleitet das ewige Einerlei der Akkorde, aus denen man kaum eine bestimmte Melodie heraushören kann. Auch findet man Sänger und Musiker von Beruf, die in abenteuerlichen Federputz den Fremden entgegentreten. Sie feiern Erlebnisse und Wanderungen des Bewillkommten in schwungvollem Lied, um schließlich seine Freigebigkeit herauszustreichen: »Ringe, Kupfer und Perlen sind mein Lohn!« »Minnesänger« nennt sie die Phantasie mancher Afrikareisender, aber richtiger belegt sie der Araber des Sudan mit den Sammelnamen »Haschasch«, Spaßmacher.
Ein Sänger der Niamniam
Die Sprache der Niamniam gehört mit den übrigen des Bahr-el-Ghasal-Gebiets dem großen afrikanischen Sprachstamm nördlich vom Äquator an, speziell der nubisch-libyschen Gruppe. Zur Bezeichnung der Gottheit bedienen sich manche Dolmetscher des Wortes »Gumba«, das zugleich Blitz bedeutet. Das Beten der Nubier nennen die Niamniam »borru«; ihr eigenes »borru« ist indes nur ein Mittel, um sich vor wichtigen Unternehmungen bei den unsichtbaren Schicksalsmächten Rat zu holen. Man benetzt eine glatte Holzfläche mit Wasser, dann nimmt man einen ebenfalls glatt abgestutzten Pflock fest in die Faust und fährt mit ihm auf dem Brett hin und her. Rutscht der Pflock leicht hin und her, so ist dem Unternehmen das Glück sicher; wenn beide Hölzer fest aneinanderhaften, so gilt das als böse Vorbedeutung. Diese Hölzer verbergen die Niamniam sorgfältig vor den Augen der Mohammedaner; sie spielten eine große Rolle zur Zeit unseres Kriegs mit ihnen, als meine eigenen Niamniam unser Schicksal zu befragen sich anschickten. Das Ergebnis, das für meine Person erzielt wurde, trug nicht wenig dazu bei, meine Umgebung mit großem Vertrauen in mein Glück zu erfüllen.
Von noch größerer Bedeutung ist das Wahrsagen vermittels eines Huhns. Dem Huhn wird ein Fetischtrank beigebracht; er besteht aus einer roten Brühe, die durch den Absud des Holzes eines 20 Meter hohen Baumes gewonnen wird. Der Tod des Huhns bedeutet Unglück im Krieg und Lebensgefahr; bleibt es am Leben, so bedeutet es Sieg. In andern Fällen nimmt man einen Hahn, packt ihn am Hals und duckt seinen Kopf unter Wasser; nach einiger Zeit läßt man ihn wieder los. Kommt er zu sich, so ist es ein glückbedeutendes, im andern Fall ein unheilvolles Zeichen. Unerschütterlich ist der Glaube an die Zuverlässigkeit einer solchen Schicksalserforschung. Uanbo z. B., unser Widersacher, griff unsere Karawane selbst nicht an, obgleich er bereits zwei Bezirke zu offenen Feindseligkeiten angefeuert hatte, nur weil sein Huhn bei dem obigen Versuch getötet worden war. Die zu uns haltenden Niamniam behaupteten steif und fest, daß wir nur durch den Tod des Huhns vor unserm Untergang gerettet worden seien. Auch Hexen werden einem solchen Gottesurteil ausgesetzt. Böse Geister und Waldkobolde spielen bei den Niamniam eine große Rolle. Immer ist es der Wald, in dessen Dunkel die Sitze der dem Menschen feindlichen Mächte verlegt werden.
Der Trauer um den Verlust eines Angehörigen gibt der Niamniam dadurch Ausdruck, daß er sich das Haar schert und seinen kostbaren Haarputz rücksichtslos zerstört. Die abgeschnittenen Zöpfe und Flechten streut man weithin aus. Der Körper des Toten wird mit Fellen und Federn festlich geputzt und mit Rotholzpulver eingerieben. Vornehme werden auf dem von ihnen getragenen Schurz gebettet und dann beigesetzt, auf ihren Bänken sitzend oder in einem ausgehöhlten Baumstamm sargartig verschlossen. Man schüttet Erde nicht unmittelbar auf den Begrabenen, sondern stellt vermittels eines Holzverschlags eine seitliche Kammer her, in deren Hohlraum die Leiche gestellt wird, ohne von der Erde berührt zu werden, genau wie es die Vorschriften des Islam erheischen. Auch die Niamniam beobachten bei der Beisetzung ihrer Toten die Himmelsrichtung, nur in anderer Weise als die Bongo: die Männer werden mit dem Gesicht nach Osten, die Weiber westwärts gekehrt bestattet. Über der aus festgestampftem Ton geformten Grabdecke errichtet man eine Hütte, die sich durch nichts von den Behausungen der Lebenden unterscheidet; vernachlässigt und vereinsamt, ist sie dem Untergang durch Steppenbrand, Termitenfraß und Fäulnis preisgegeben.
Der Name »Niamniam« ist der Sprache der Dinka entlehnt; er bedeutet Fresser, Vielfresser und spielt auf den Kannibalismus des Volkes an. Der Name, den sich das Volk selbst gibt, lautet in der Mehrzahl A-Sandeh.
Der Hauptteil des Niamniamlandes liegt zwischen dem 4. und 6. Grad nördlicher Breite; in seiner ganzen von Südost nach Nordwest gerichteten Mittellinie fällt er mit der Wasserscheide zwischen Nil- und Kongobecken zusammen. Auf meinen Wanderungen habe ich ausschließlich den östlichen Teil dieses Gebiets durchzogen, der nach Osten zu vom obersten Lauf des Tondjflusses begrenzt wird. Soweit das Land gegenwärtig bekannt ist, umfaßt es in seiner Breite nahezu zwei, in seiner Längenausdehnung etwa sieben Grade, was einem Flächenraum von ungefähr 170000 Quadratkilometern entspricht. Die Einwohnerzahl muß in diesem bekanntern Teil mindestens zwei Millionen betragen.
In jeder Beziehung ein Volk von scharf ausgeprägter Eigenart, sind die Niamniam selbst aus weiter Entfernung sofort unter Hunderten heraus zu erkennen. Lange Haarflechten und Zöpfe - sie haben dabei stets das feingekräuselte Haar der sogenannten echten Negerrasse -, die bis zum Nabel herabhängen können, bedecken den runden, breiten Kopf. Eine auffällige Größe der mandelförmig geschnittenen, etwas schräg gestellten Augen gibt dem Gesichtsausdruck ein Gemisch von tierischer Wildheit, kriegerischer Entschlossenheit und dann wieder von Offenheit; dazu die gleich lang wie breit geformte Nase, der von sehr breiten Lippen berandete, aber selten die Nasenbreite überragende Mund. Ein rundes Kinn und wohlgewölbte Wangen vervollständigen die Gestaltung des rundlichen Gesichtsumrisses; ein untersetzter, zur Fettbildung neigender Körper ohne scharf ausgeprägte Muskelbildung, der die durchschnittliche Höhe mittelgroßer Europäer nur selten übersteigt, und dessen obere Hälfte unverhältnismäßig länger ist als die untere.
Die Hautfarbe kann am besten mit dem matten Glanz der Tafelschokolade verglichen werden. Als Stammesmerkmal haben alle A-Sandeh drei oder vier mit Punkten ausgefüllte Quadrate entweder auf Stirn, Schläfen oder auf den Wangen tätowiert, ferner stets eine x-förmige Figur unter der Brusthöhle. Verunstaltungen werden weder von Weibern noch von Männern vorgenommen, abgesehen vom Spitzfeilen der Schneidezähne.
Ihre Kleidung besteht meist aus Fellen, die malerisch um die Hüften gelegt werden, dazu wird gern der lange, schwarze Schwanz des Guereza, eines Stummelaffen, getragen. Auf den Haarputz wird, vor allem von den Männern der Niamniam, alle erdenkliche Sorgfalt verwandt. In der Regel teilt der Scheitel in der Mitte das Haupthaar in zwei gleiche Hälften. Über der Stirn nimmt ein feines Zöpfchen seinen Ursprung, das zum Hinterkopf zurückgeschlagen wird. Rechts und links gruppieren sich strahlenartig eine Anzahl von Haarwülsten, die an den Schläfen zu Knäueln zusammengefaßt und geknotet sind; von ihnen hängen wiederum kleine lange Zöpfchen, gleich Schnüren geflochten, büschelweise rings um den Nacken herunter. Zwei bis drei der längsten Flechten hängen über die Schulter frei zur Brust herab. Die abenteuerlichste Haartracht, die mir vorgekommen war, nahm ich an Männern aus dem Gebiete des Kifa wahr. Ein strahlenartiges Gebilde, das gleich einem Heiligenschein den Kopf umgab, war aus des Mannes eigenem Haar hergestellt, indem feine Flechten an einem Reifen befestigt und ausgespannt wurden. Dieser Reifen wurde durch vier Drähte an dem untern Rand des Hutes befestigt. Der ganze Strahlenkranz ließ sich zurückschlagen.
Gekünstelter Haarputz eines Niamniam
Nur die Männer trugen eine Kopfbedeckung. Vermittels großer Haarnadeln von Elfenbein, Kupfer oder Eisen wird ein zylindrischer, schirmloser, oben viereckiger Strohhut, den stets ein lang herabflatternder Federbusch ziert, auf dem Scheitel befestigt. Die beliebtesten Zierate, die am Körper getragen werden, bestehen aus Tier- und Menschenzähnen. Sehr häufig und von prächtigster Wirkung sind die aus Elfenbein nachgemachten Reißzähne des Löwen, die aneinandergereiht einen vom dunkeln Grund der Haut grell abstechenden, blendend weißen Zackenkranz bilden.
Hauptwaffen sind Lanze und Trumbasch, eine der vielen Wurfwaffen der Negervölker. Dieser besteht aus einem mehrschenkeligen Eisen, das mit spitzen Zacken versehen und an den Rändern geschärft ist. Er wird stets an der Innenseite der aus spanischem Rohr geflochtenen Schilde befestigt. Diese sind länglich oval und decken ungefähr zwei Drittel der Körperlänge. Das Geflecht, das stets mit hübschem Muster schwarzweiß geziert wird, wobei die Form des Kreuzes besonders häufig auftritt, ist so leicht, daß es den Kämpfenden bei seinen wilden Sprüngen nicht im geringsten behindert. Bogen und Pfeile sind nicht allgemein in Gebrauch, wohl aber verschieden große Messer mit sichelartiger Klinge und geschweifte säbelförmige Gebilde von fremdartiger Gestalt.
Bei den Niamniam gebraeuchliche Formen des Trumbasch
Wenn der Niamniam im seltsamen Waffenschmuck mit herausforderndem Gebaren dem Fremden entgegentritt, wenn er dabei die Augen weit aufreißt, die dicken Brauen furcht und die blendende Reihe spitzer Krokodilzähne hervorleuchten läßt, begreifen wir leicht den tiefen Eindruck, den jede Begegnung auf das einbildungskräftige Gemüt des Nubiers und Sudanarabers hervorzurufen vermag. Nirgends kam mir ein Volk in Afrika vor Augen, das in allen Stellungen, im Gang wie in der Körperhaltung, so deutlich seine Vertrautheit mit Krieg und Jagd an den Tag gelegt hätte.
Junge Niamniam in Kriegsrüstung
Die Männer sind Jäger von Beruf; der Ackerbau wird nur von den Frauen besorgt. Die Art der Bodenbestellung nähert sich dem Urzustand, dem Gartenbau. Dazu bietet das Land an freien Hilfsmitteln eine große Menge, namentlich was tierische und pflanzliche Fette anlangt. Hauptsächlich gilt der Anbau einer Getreideart, der Eleusine coracana. Es ist ein minderwertiges Korn, das hier im allgemeinen nur auf einem Boden gebaut wird, der anders nicht zu verwerten ist. Die aus dem Mehl hergestellten Brotfladen sind nicht besonders wohlschmeckend. Dagegen verdient das von den Niamniam daraus bereitete Getränk Bier genannt zu werden. Es wird aus dem regelrecht gemalzten Korn gebraut, ist ganz klar und hat eine angenehme Bitterkeit. In wie hohem Grad die Niamniam dem Biergenuß ergeben sind, geht aus der Art hervor, wie sie ihre Kornvorräte aufbewahren. Auf jedes Wohnhaus kommen in der Regel drei Kornspeicher, nur zwei enthalten das zur Mehlkost erforderliche Getreide, der dritte ist ausschließlich mit gemalztem Korn angefüllt. Mit geringer Mühe werden als Erdfrüchte Maniok, süße Bataten, Yams und Colocasien angebaut, alle von vorzüglicher Beschaffenheit. Tabak ist überall in Gebrauch. Die Niamniam rauchen aus kurzgestielten Tonpfeifen von eigentümlicher Gestalt, ohne Verwendung von Rohr.
Hornvieh jeher Art fehlt. Die einzigen Haustiere sind Hühner und Hunde. Hundefleisch bildet einen ihrer vorzüglichsten Leckerbissen. Ziegen und Kühe sind meist nur vom Hörensagen bekannt, zuweilen erbeuten sie solche auf ihren Raubzügen gegen die örtlichen Nachbarn.
Im allgemeinen sind die Niamniam in der Auswahl des Eßbaren wenig wählerisch. Das beste und schmackhafteste Gericht ist der Brei von frischem Maiskorn, das in noch saftigem milchendem Zustand auf dem Mahlstein fein gerieben, von der Kleie gereinigt und dann verkocht wird. Fleischkost gilt ihnen als der höchste aller irdischen Genüsse, und Fleisch, Fleisch ist das Losungswort, das bei ihren Kriegszügen erschallt. Da der Wildreichtum ein außerordentlicher ist, kann man sich leicht vorstellen, wie die Sorge um Jagdvorbereitungen aller Art ihr Dichten und Trachten beherrscht.
Den Ruf der Menschenfresserei wird niemand in Frage stellen wollen, der sich über den Ursprung eines großen Teils meiner Schädelsammlung unterrichten will. Zwar gibt es Ausnahmen. So erfuhr ich von verschiedenen, die im Niamniamgebiet westlicher als ich gewesen waren, daß sie dort auf keinerlei Anzeichen von Kannibalismus gestoßen seien. Piaggia war nur einmal Zeuge, daß das Fleisch der erschlagenen Feinde verspeist wurde, doch nur aus Haß und Blutgier. Ich kann auch Häuptlinge nennen, die selbst den Genuß von Menschenfleisch verabscheuen, z. B. Uando. Im großen und ganzen aber darf man getrost die Niamniam als ein Volk von Menschenfressern bezeichnen; viele frönen dem Kannibalismus ohne Scheu, um jeden Preis und unter jeder Bedingung. Sie rühmen sich selbst ihrer wilden Gier, tragen die Zähne der Verspeisten, auf Schnüre gereiht, wie Glasperlen am Hals und schmücken die Pfähle bei den Wohnungen mit Schädeln ihrer Opfer. Am häufigsten wird das Fett von Menschen verwertet. Dem Genuß ansehnlicher Mengen davon schreiben sie allgemein eine berauschende Wirkung zu. Verspeist werden im Krieg Leute jeden Alters, die alten, weil fett und weil bei Überfällen ihre Hilflosigkeit sie zu einer leichten Beute des Siegers werden läßt, häufiger als die jungen. Verspeist werden auch Leute, die eines plötzlichen Todes starben und ohne Familie dastehen. Die Nubier wollen sogar wissen, daß hie und da Träger, die unterwegs gestorben und verscharrt waren, aus ihren Gräbern geholt worden sind. Einige der Niamniam wiederum beteuerten, daß bei ihnen zu Hause das Menschenfressen in so hohem Grad verabscheut werde, daß jeder sich weigere, mit einem Kannibalen aus einer Schüssel zu essen.
Von allen bekannten Völkern Afrikas, deren Kannibalismus feststeht, scheinen die Fan (oder Pongue) an der äquatorialen Westküste in mehr als einer Hinsicht den Niamniam stammverwandt zu sein. Auch sie feilen die Schneidezähne spitz, tragen Rindenzeuge und färben sich den Körper mit Rotholz; ihre Häuptlinge bedienen sich des fürstlichen Leopardenfells, sie verwenden ebensoviel Mühe und Fleiß auf ihren zopfreichen Haarputz. Von ihren Gebräuchen dürften die Tanzfeste und nächtlichen Orgien beim ersten Mondviertel am meisten an die der Niamniam erinnern.
Dörfer oder gar Städte in unserm Sinne gibt es nirgends. Die zu kleinen Weilern gruppierten Hütten sind weithin über das bebaute Land zerstreut. Auch der Wohnsitz oder Mbanga, der Hof eines Fürsten besteht nur aus einer größern Anzahl der von ihm und seinen Weibern bewohnten Hütten, die sich durch nichts von den Behausungen der übrigen Sterblichen auszeichnen. Die Bauart der Hütten entspricht im östlichen Teil des Landes im allgemeinen der Kegelform, wie sie in andern Gegenden Zentralafrikas üblich ist, nur hat das Kegeldach eine höhere und spitzere Gestaltung als bei den Hütten der Bongo und Dinka; der Dachrand springt unten wagerecht als Schutz gegen den Regen ziemlich weit über die Tonmauer vor. Dieser Teil des Dachs wird von Pfosten getragen, die das Bauwerk in Gestalt eines niedern Vorbaus umgeben. Die Spitzen der Kegeldächer laufen häufig in zierliches Flechtwerk aus Stroh aus, bei andern in Stangen, auf die große Gehäuse von Landschnecken aufgespießt sind. Nicht selten kann man die ersten Versuche farbiger Verzierung in Rot und Schwarz beobachten. Eigentümlich geformte, zierliche kleine Hütten mit, glockenförmigem Dach, die auf einem becherförmigen Unterbau von Ton errichtet sind und zu deren Innerm eine ganz kleine Öffnung führt, werden eigens für die halbwüchsigen Knaben der Vornehmen errichtet, die in ihnen die Nacht zu verbringen haben. Dies geschieht aus Gründen der Moral, um den Knaben von einem vorzeitigen Eindringen in die Geheimnisse des Ehelebens fernzuhalten.
Ein Wohnsitz der Niamniam
Die Macht eines souveränen Fürsten beschränkt sich auf den Oberbefehl über alle waffenfähigen Männer, die er beliebig versammelt, und auf die eigenhändige Vollstreckung von Todesurteilen. An Abgaben erhebt der Fürst außer Elfenbein, das ihm ausschließlich zufällt, nur die Hälfte des Fleisches von der Beute der gemeinschaftlichen Jagd. In den westlichen Landesteilen, wo auf Kosten unterdrückter Sklavenstämme der Handel mit Knaben und Mädchen blüht, wird ein Teil der Abgaben auch durch eine Art Aushebung eingetrieben. Die Eltern der eingeforderten Kinder erhalten indes häufig einen Teil des Kaufpreises, den die Sklavenhändler aus Darfur bezahlen. Korn und andere Bodenerzeugnisse gewinnt der Fürst selbst von den Feldern, die seine Sklaven, nicht selten seine Weiber, bestellen, deren er eine große Zahl um sich zu scharen pflegt. Ein Haufen Begleiter umgibt stets den Häuptling. Kein Untergebener würde es sich einfallen lassen, auf eigene Hand Krieg zu beginnen oder Frieden zu schließen.
Die herrische Haltung beim Gang gibt den Niamniamfürsten große äußerliche Würde. Viele von ihnen könnten an würdevollem Auftreten mit allen Fürsten der Erde wetteifern. Um so unerklärlicher erscheint das wütende Gebaren, mit dem sie Furcht und Schrecken zu verbreiten suchen. Von einigen wird behauptet, daß sie an Wutanfällen leiden, ja, daß sie solche absichtlich vortäuschen. Durch willkürlich aus der Menge herausgerissene Opfer, denen sie mit eigener Hand die Schlinge um den Hals werfen und denen sie dann mit dem hakigen Säbelmesser einen tödlichen Streich in den Nacken versetzen, wollen sie angeblich dem Volk einen Beweis ihrer Macht beibringen.
Nach dem Tod des Fürsten ist der erstgeborene Sohn der Erbe seiner Macht; die Brüder werden mit einzelnen Bezirken belehnt. Die Herrschergewalt des Erstgeborenen wird aber von seinen Brüdern oft nicht anerkannt. Hieraus erklären sich die unaufhörlichen Streitigkeiten, Überfälle und Gewalttätigkeiten. Von den 35 selbständigen mir aufgezählten Häuptlingen verdienen eigentlich nur wenige die Bezeichnung König.
Bei dem kriegerischen Geist der Niamniam ist die Sitte auffällig, daß ein Häuptling nie selbst in den Kampf zu gehen pflegt, sondern nahe der Mbanga ausharrt, um bei einem ungünstigen Ausgang mit seinen Frauen und Schätzen das Weite suchen zu können. Im Kampf werden die Lanzenangriffe stets von wildestem Kriegsgeschrei begleitet. Bei Pausen im Gefecht ersteigt man in sicherer Entfernung alle sich darbietenden erhöhten Punkte. Vorzüglich sind es die festen, drei bis fünf Meter hohen Termitenhaufen, von denen aus feindliche Parteien sich oft stundenlang die lächerlichsten Schimpfreden zurufen. Als wir an der Südgrenze des Gebiets von Uando uns in einem Verhau zu verteidigen hatten, hörte man solche Rufe stündlich. »Alle Türken«, so nennen sie die Nubier, »sollen umkommen!« schrien sie. »In den Kochtopf mit den Türken! Fleisch! Fleisch!« Und dann wiederholten sie die Versicherung, daß mir selbst kein Leid zugefügt werden solle. Ich brauche kaum zu erwähnen, daß ich wenig Neigung verspürte, mich ihrer Großmut anzuvertrauen.
Ich will noch die symbolischer Art erwähnen, in der uns der Krieg erklärt wurde, als wir die Grenzen des Gebiets von Uando wieder betraten. Hart am Pfad fanden wir an einem Ast drei Gegenstände aufgehängt, einen Maiskolben, eine Hühnerfeder und einen Pfeil. Ich wurde lebhaft an die herausfordernde Botschaft erinnert, die dem Perserkönig Darius zuging, als er 513 vor Christus bis zum Herzen des Skythenlandes vorgedrungen war, vor mehr als 2000 Jahren hat Herodot darüber berichtet. Bald erhielt ich die Bestätigung in den Erklärungen unseres Führers: »Laßt ihr's euch einfallen, auch nur einen Maiskolben zu knicken oder ein Huhn zu greifen, so werdet ihr durch diesen Pfeil sterben.« Indes waren die Niamniam nicht so geduldig, das erstere abzuwarten, sondern machten noch am nämlichen Tag einen verräterischen Überfall.
Bei jeder Weilergruppe befindet sich eine große Holzpauke oder Sprechtrommel, die aus einem hohlen Baumstamm hergestellt ist und auf vier Füßen ruht. Mit zwei Tönen werden, je nachdem man sie wiederholt und je nach dem Takt, in dem man sie wechseln läßt, dreierlei Signale gegeben: 1. zu Krieg, 2. auf Jagd, 3. zur Festversammlung. Von der Mbanga des Häuptlings ausgehend, werden in wenigen Augenblicken die Signale auf allen Pauken eines Bezirks wiederholt und in kürzester Frist Tausende bewaffneter Männer zusammengeschart. Das Alarmieren geschieht vor allem, wenn sich Elefanten gezeigt haben, zu deren Vernichtung die dichtesten Steppen eigens geschont und vor Steppenbrand behütet werden. Dahinein treibt man die Tiere und umstellt den ganzen Bezirk mit Leuten, die Feuerbrände mitführen; der Brand beginnt auf allen Seiten, bis die Elefanten eine wehrlose Beute werden und ihnen durch Lanzenwürfe der Rest gegeben werden kann. Da hierbei auch Weibchen und Junge zugrundegehen, muß die Ausrottung dieses edeln Tieres von Jahr zu Jahr fortschreiten. Die Häuptlinge, deren Gewinnsucht durch die Züge der Nubier erregt wird, verdoppeln ihre Anstrengungen bei der Elefantenjagd, während ihre Untergebenen, lüstern nach den großen Fleischvorräten, das ihrige dazu tun.
Die Kunstfertigkeit der Niamniam erstreckt sich auf Eisenarbeiten, Töpferei, Holzschnitzerei, Hausbau und Korbflechterei. Ihre irdenen, handgeformten Gefäße sind fast immer von tadelloser Regelmäßigkeit. Wasserkrüge von enormer Größe werden hergestellt, aber auch die zierlichsten Trinkkrüge; ebenso verwenden sie auf die kunstvolle Verzierung ihrer Tabakspfeifen viel Sorgfalt. Aus weichem Holz schnitzen sie Schemel und Bänke, große Schüsseln und Näpfe, die, obgleich stets aus einem Stück gefertigt, in der verwickelten Formengebung des Fußgestells eine unendliche Verschiedenheit an den Tag legen.
Da Lanzen, Trumbasch und Dolchmesser zur Ausrüstung eines jeden gehören, beschäftigt die Herstellung dieser Waffen eine große Anzahl von Schmieden, die sich den Rang abzugewinnen suchen. Die Speere und Lanzenspitzen gleichen vergrößerten Pfeilspitzen. Alle Waffen haben ihr nationales Gepräge, und man kann beim Betrachten eines jeden einzelnen Stücks mit Sicherheit über die Herkunft urteilen. Alle Wurfspieß- und Lanzenspitzen, Messer und Klingen tragen Blutrinnen.
Stets reicht man sich zum Gruß die rechte Hand. Man winkt sich zu, indem man die Hand von oben nach unten bewegt, wie von Neapel an bis zum äußersten Osten Asiens hin sich alle Völker anzuwinken pflegen, indem sie eine nach unsern Begriffen abwehrende Handbewegung ausführen. Frauen werden von fremden Männern nicht begrüßt. Während die Bongofrauen zutraulich sind wie die Männer, die Mangbattufrauen sogar im höchsten Grad naseweis und zudringlich-neugierig, weicht eine Niamniamfrau, der man auf engem Pfad begegnet, von weitem bereits vom Weg ab: Dies rührt von der mehr sklavischen Stellung des Niamniamweibes her.
Das Freien um Weiber wird durch keine Brautschatzforderung erschwert, die der Vater der Braut stellt. Will jemand heiraten, so wendet er sich in der Regel an den Fürsten oder an einen der Unterhäuptlinge. Trotz der unbeschränkten Vielweiberei büßt die Ehe nichts von der Strenge ihrer Verpflichtungen ein. Untreue wird häufig mit sofortigem Tod bestraft. Liederliche Personen, »Nsangah«, rekrutieren sich großenteils aus kinderlos gebliebenen Frauen, die von ihren Männern weggejagt wurden. Mutter vieler Kinder zu sein, ist die größte Ehre. Besondere Festlichkeiten beim Eingehen einer Ehe fehlen; nur der Brautzug verdient erwähnt zu werden, eine Art Prozession, die unter Begleitung des Häuptlings und von Musikern, Spaßmachern und Sängern die Braut in das Haus ihres zukünftigen Herrn führt. Dann gibt es noch einen gemeinschaftlichen Schmaus. Für gewöhnlich pflegen nämlich die Frauen allein für sich in ihren Hütten zu essen. Die Hauptbeschäftigung des Weibes besteht - da die Kinderwartung unter diesem glücklichen Himmel geringe Sorge macht - außer der Pflege des Ackers in der Zubereitung der Speisen und im Schminken und Frisieren des Mannes. Säuglinge werden von ihren Müttern in schärpenartigen Binden getragen.
Erstaunlich ist die Ausdauer, mit der sie sich ihrem musikalischen Vergnügen hingeben. Das Saiteninstrument ist ein Mittelding zwischen Harfe und Mandoline. Der nach allen Regeln der Akustik gebaute Resonanzboden ist aus Holz geschnitzt und oben mit einem Stück Haut überspannt, das zwei Schallöcher hat. Die Saiten bestehen aus feinen Bastfäden und aus dicken, drahtartigen Haaren des Giraffenschwanzes. Ein weinerliches Rezitativ begleitet das ewige Einerlei der Akkorde, aus denen man kaum eine bestimmte Melodie heraushören kann. Auch findet man Sänger und Musiker von Beruf, die in abenteuerlichen Federputz den Fremden entgegentreten. Sie feiern Erlebnisse und Wanderungen des Bewillkommten in schwungvollem Lied, um schließlich seine Freigebigkeit herauszustreichen: »Ringe, Kupfer und Perlen sind mein Lohn!« »Minnesänger« nennt sie die Phantasie mancher Afrikareisender, aber richtiger belegt sie der Araber des Sudan mit den Sammelnamen »Haschasch«, Spaßmacher.
Ein Sänger der Niamniam
Die Sprache der Niamniam gehört mit den übrigen des Bahr-el-Ghasal-Gebiets dem großen afrikanischen Sprachstamm nördlich vom Äquator an, speziell der nubisch-libyschen Gruppe. Zur Bezeichnung der Gottheit bedienen sich manche Dolmetscher des Wortes »Gumba«, das zugleich Blitz bedeutet. Das Beten der Nubier nennen die Niamniam »borru«; ihr eigenes »borru« ist indes nur ein Mittel, um sich vor wichtigen Unternehmungen bei den unsichtbaren Schicksalsmächten Rat zu holen. Man benetzt eine glatte Holzfläche mit Wasser, dann nimmt man einen ebenfalls glatt abgestutzten Pflock fest in die Faust und fährt mit ihm auf dem Brett hin und her. Rutscht der Pflock leicht hin und her, so ist dem Unternehmen das Glück sicher; wenn beide Hölzer fest aneinanderhaften, so gilt das als böse Vorbedeutung. Diese Hölzer verbergen die Niamniam sorgfältig vor den Augen der Mohammedaner; sie spielten eine große Rolle zur Zeit unseres Kriegs mit ihnen, als meine eigenen Niamniam unser Schicksal zu befragen sich anschickten. Das Ergebnis, das für meine Person erzielt wurde, trug nicht wenig dazu bei, meine Umgebung mit großem Vertrauen in mein Glück zu erfüllen.
Von noch größerer Bedeutung ist das Wahrsagen vermittels eines Huhns. Dem Huhn wird ein Fetischtrank beigebracht; er besteht aus einer roten Brühe, die durch den Absud des Holzes eines 20 Meter hohen Baumes gewonnen wird. Der Tod des Huhns bedeutet Unglück im Krieg und Lebensgefahr; bleibt es am Leben, so bedeutet es Sieg. In andern Fällen nimmt man einen Hahn, packt ihn am Hals und duckt seinen Kopf unter Wasser; nach einiger Zeit läßt man ihn wieder los. Kommt er zu sich, so ist es ein glückbedeutendes, im andern Fall ein unheilvolles Zeichen. Unerschütterlich ist der Glaube an die Zuverlässigkeit einer solchen Schicksalserforschung. Uanbo z. B., unser Widersacher, griff unsere Karawane selbst nicht an, obgleich er bereits zwei Bezirke zu offenen Feindseligkeiten angefeuert hatte, nur weil sein Huhn bei dem obigen Versuch getötet worden war. Die zu uns haltenden Niamniam behaupteten steif und fest, daß wir nur durch den Tod des Huhns vor unserm Untergang gerettet worden seien. Auch Hexen werden einem solchen Gottesurteil ausgesetzt. Böse Geister und Waldkobolde spielen bei den Niamniam eine große Rolle. Immer ist es der Wald, in dessen Dunkel die Sitze der dem Menschen feindlichen Mächte verlegt werden.
Der Trauer um den Verlust eines Angehörigen gibt der Niamniam dadurch Ausdruck, daß er sich das Haar schert und seinen kostbaren Haarputz rücksichtslos zerstört. Die abgeschnittenen Zöpfe und Flechten streut man weithin aus. Der Körper des Toten wird mit Fellen und Federn festlich geputzt und mit Rotholzpulver eingerieben. Vornehme werden auf dem von ihnen getragenen Schurz gebettet und dann beigesetzt, auf ihren Bänken sitzend oder in einem ausgehöhlten Baumstamm sargartig verschlossen. Man schüttet Erde nicht unmittelbar auf den Begrabenen, sondern stellt vermittels eines Holzverschlags eine seitliche Kammer her, in deren Hohlraum die Leiche gestellt wird, ohne von der Erde berührt zu werden, genau wie es die Vorschriften des Islam erheischen. Auch die Niamniam beobachten bei der Beisetzung ihrer Toten die Himmelsrichtung, nur in anderer Weise als die Bongo: die Männer werden mit dem Gesicht nach Osten, die Weiber westwärts gekehrt bestattet. Über der aus festgestampftem Ton geformten Grabdecke errichtet man eine Hütte, die sich durch nichts von den Behausungen der Lebenden unterscheidet; vernachlässigt und vereinsamt, ist sie dem Untergang durch Steppenbrand, Termitenfraß und Fäulnis preisgegeben.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Herzen von Afrika