In die Minen -2-



„Damit kommen wir nicht zum Ziel“, sagte jetzt der andere. „Wir versäumen nur unsere schöne Zeit. Mr. Smith, wir wollen Ihnen einen Vorschlag machen.“


„Mister?“ wiederholte Smith lakonisch.

„Oder Mate 1) , wenn Ihnen das besser gefällt.“

„Es klingt jedenfalls natürlich...“

„Gut, also Mate, wir sind hierher gekommen, um Ihnen einen Vorschlag zu machen. Sie können dazu ja oder nein sagen, wie es Ihnen paßt. Sind Sie damit zufrieden?“

„Läßt sich nichts dagegen einwenden“, brummte der Gefangene, und ein verschmitztes Lächeln zuckte für einen Moment um seine Lippen.

„Gut. Wir beide sind entschlossen, in die Minen zu gehen und nach Gold zu graben. Wir nehmen an, daß Sie Stellen kennen, an denen wir nicht lange zu suchen brauchen. Deshalb wollen wir Ihre Schulden bezahlen und Sie mit in die Berge nehmen, Essen und Trinken sind dabei frei. Sie sollen sich dafür nur vertraglich binden, einen Monat mit uns zu arbeiten, bei völlig gleichem Anteil am Gewinn. In diesen vier Wochen dürfen Sie keinem anderen Menschen Ihr Geheimnis verraten. Sind Sie damit einverstanden?“

„Grub 2) frei?“ sagte der Alte.

„Alles.“

„Und Brandy?“

„Mit inbegriffen.“

„Und gleicher Anteil?“

„Wie ich gesagt habe.“

Der Alte schwieg wieder eine Weile und klopfte stärker mit dem Fuß auf den Boden. Die beiden Fremden schwiegen ebenfalls, denn sie wollten ihm Zeit zum Überlegen geben. Endlich sagte er:

„Topp! Wann kann die Reise losgehen?“

„Morgen früh. Wir haben schon alles bereit. Heute ist es schon zu spät, aber bis morgen zehn Uhr können wir Ihre Freilassung erreichen. Einen warmen Anzug und ein paar Wolldecken finden Sie bei uns im Haus, und um zwölf Uhr können wir schon unterwegs sein.“

„Gut. Bei Gott, dann hört dieses Hundeleben wenigstens auf“, schrie der Alte, der sich langsam begeisterte.

„Und es bleibt dabei?“

„Ich habe Topp gesagt das gilt!“

„Schön. Ich habe hier als Handgeld gleich eine Flasche Brandy mitgebracht. Den können Sie sich heute abend zu Gemüte führen.“

„Das war das beste Wort, was Sie bislang gesagt haben“, rief der Alte und langte gierig nach der Flasche. „Donnerwetter, habe den guten Stoff lange genug entbehren müssen, und...“ Er hatte den Stöpsel schon abgezogen, hob die Flasche an den Mund und tat einen langen Zug. „Hui, das schmeckt“, stöhnte er endlich, als er absetzen mußte, um Atem zu holen. „Und jetzt sehe ich auch, daß es Ihnen ernst mit der Sache ist.“

„Sie sind morgen früh gerüstet?“

Der Alte antwortete nicht gleich, denn er hatte die Flasche schon wieder am Mund. Als er zum zweitenmal absetzte, stellte er sie neben sich, wischte sich den Mund mit dem Jackenärmel und sagte:

„Da muß ich verdammt wenig Umstände hier machen. Richten Sie die Sache nur draußen ein, damit nicht morgen früh aus Versehen noch ein Schloß zu ist, wenn ich hinaus will. Bei mir ist sonst nicht mehr notwendig als ein freundliches ‚Hol dich der Teufel, Schließer‘.“

Damit war die Sache abgemacht. Die beiden Fremden reichten dem alten Schäfer zum Abschluß und als Bekräftigung die Hände. Er war durch den Brandy jovial gestimmt und schüttelte sie kräftig. Dann verließen sie den Gefangenen, um ihn die letzte Nacht auf seiner harten Pritsche verträumen zu lassen. Am nächsten Morgen kamen sie aber längst nicht so rasch fort, wie sie gehofft hatten. Die beiden Goldgräber in spe, beide junge Kaufleute aus Sydney, hatten auch noch Zachäus mit seiner neuen Waschmaschine engagiert, um ganz sicherzugehen. Wenn auch der alte Smith um elf Uhr auf freiem Fuß war und in seinem neuen, warmen Anzug neben dem fertig beladenen Karren stand, so hatte Zachäus doch noch so viele Vorbereitungen zu treffen, daß er die beiden fast zur Verzweiflung brachte. Smith selbst ließ es gleichgültig. Es wurde dann vier Uhr nachmittags, ehe sich der Zug in Bewegung setzen konnte. Selbst da mußte Zachäus noch einmal an der ersten Ecke zurücklaufen, weil er vergessen hatte, seinen Schlüssel abzuziehen.

Auch der war endlich geholt, und der mit einem festen Leinwandzelt überzogene Karren schloß sich jetzt einer Anzahl ähnlicher an, die langsam die George Street hinaufrollten, dem goldenen Ziel, den Minen, entgegen.

Am Abend vorher war ein Schiff von den Sandwichinseln gelandet. Es brachte einen Passagier von dort, den jungen deutschen Baron von Hafften, der sich schon eine Zeitlang in den kalifornischen Minen herumgetrieben hatte. Überhaupt hatte er in den Vereinigten Staaten, den Felsengebirgen und dann in den kalifornischen Goldbergen ein ziemlich abenteuerliches und wildes Leben geführt.

Kaum an Land, hörte er von den neuentdeckten Schätzen Australiens. Rasch entschlossen, wie er immer war, wollte er sofort in die Minen hinauf und sein Glück einmal auf australischem Boden versuchen und sich jedenfalls die hiesigen Verhältnisse einmal ansehen. Sein Gepäck konnte er gut und sicher in Sydney lassen, denn er brachte von Honolulu einen Empfehlungsbrief einer dortigen Firma für Mr. Pitt mit. Dann blieb ihm völlig freie Hand, eine Zeitlang nach Herzenslust in den australischen Bergen umherzustreifen.

Im Kreise der Familie Pitt verbrachte er den ersten Abend und wurde herzlich von den guten Menschen aufgenommen. Mr. Pitt wollte ihm freilich sein Vorhaben ausreden und tat alles, um ihn von seinem Entschluß abzubringen. Von Hafften war aber nicht der Mann, der sich einen einmal gefaßten Plan so schnell wieder ausreden ließ. Im Gegenteil: Er arrangierte seinen Abmarsch schon für den nächsten Tag. Als Mr. Pitt erkannte, daß der junge Mann sich nicht belehren lassen wollte, eröffnete er ihm in seinem Geschäft in Bathurst ein Kreditkonto, falls er etwas brauchen sollte oder in Geldschwierigkeiten kommen sollte. Damit überließ er ihn seinem Schicksal. Was sonst sollte man auch mit Leuten anfangen, die nun einmal erst durch Schaden klug werden wollten - sie mußten ihren Willen haben.




1) Mate = kameradschaftliche Anrede im Sinne von „Kumpel“, „Freund“
2) Grub = Lebensmittel

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch