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Wie lange war es her, als noch das Kängeruh in diesen Bergen umhersprang und scheu aufhorchte, wenn ein dürres Blatt raschelte? Es mußte sich doch nach seinem fast ebenso schlauen Feind, dem Eingeborenen, umsehen, der irgendeinen nahen Gumbaum oder Wattebusch als Deckung benutzen konnte, um sich an seine Beute zu schleichen. Wie lange war es her, daß der listige Dingo oder wilde Hund noch durch diese Schluchten zog, manchmal stehenblieb und erstaunt die Nase in den Wind hob, wenn ihm der leichte Wind die Witterung eines Menschen herüberwehte? Dann kamen einzelne Herdenbesitzer, die ihre Schafe in die Berge trieben. Kängeruhs und Dingos zogen sich vor den scharfen, ausdauernden schottischen Windhunden zurück, die sie mitbrachten und mit ihnen den Wald durchstreiften.


Dann kam das Gold, und wo waren jetzt selbst die Schafherden geblieben, die sonst hier monatelang weideten, ehe sie jemand störte? In den Bergen gab es Gold, und von allen Seiten strömten die Menschen herbei, von allen Seiten drangen sie in Schluchten und Täler, über Hochebenen und breite Bergrücken mit Schaufel und Axt, mit Flinten und Revolvern, und schrien und knallten und schüttelten das Geröll in ihren Waschmaschinen, daß der Urwald davon widerhallte. Selbst die Schwärme der kreischenden Kakadus hielten in ihrer ohrenzerreißenden Melodie inne und sahen erstaunt dem Toben zu.

„In den Bergen lag Gold“ - das war das Zauberwort, das diese steinige Wildnis so plötzlich belebte, die klaren Bergbäche aufwühlte und Steine, die Jahrtausenden getrotzt hatten, aus ihren Haltungen brachen und ins Tal rollten. In den Bergen lag Gold, und in öden, trostlosen Schluchten, wo sonst an dürftigen Gräsern noch nicht einmal ein einziges Schaf seinen Hunger stillen konnte, stiegen jetzt Rindenhütten und Blockhäuser empor. Lebensmittel und Delikatessen waren zu verkaufen, die Tausende von Meilen über die See hierher geschafft wurden. Wo noch nicht einmal ein Lasttier seine Spuren eingedrückt hatte, trieben jetzt schwerbeladene Karren ihre Spuren über Quarzblock und Gumwurzel. Steile Bergwände wurden mit Werkzeugen abgeklopft und abgesucht, wo sonst die Kängeruhratte und der lichtscheue Wombat allein im Sonnenlicht oder Mondschein ihre Siesta hielten und ihre Felsenwohnungen bislang für unzugänglich gehalten hatten.

Was war das für ein seltsames Treiben dieser Schar? Sie wühlte den Talboden auf, hämmerte und pochte und fluchte und lachte und versäumte keine Stunde, als müßte das Mark der Erde herausgeholt werden. Und nicht nur an den Bergbächen drängten, dämmten und schöpften viele, nein, auch in Felsenschluchten und Ritzen hingen sie mit Messern und spitzen Eisen und schleppten unverdrossen Erde ins Tal, um sie da zu waschen und zu prüfen.

Wo sich ein nur halbwegs reicher Platz zeigte, wo ein glückliches Menschenkind ein großes Stück edles Metall zutage gefördert hatte, da wuchsen über Nacht ganze Städte aus Zelten, Rindenhütten und Reisiglauben aus dem Boden. Läden, Fleischer und Bäcker etablierten sich, ein Postbüro wurde eingerichtet, und nicht innerhalb von Tagen, sondern von Stunden war der Platz mit allem Nötigen eingerichtet und mit den Arbeitsplätzen so eingeteilt, als ob hier eine Kolonie schon ganz normal mehrere Monate oder sogar Jahre gehaust und gearbeitet hätte.

Der umsichtige Gouverneur Australiens, Sir Charles Fitz Roy hatte einige Anordnungen getroffen, die sich jetzt als sehr gut herausstellten - und das nicht nur zum Besten der Arbeiter, sondern für den Staat, der dadurch ein sicheres Einkommen erhielt. Polizisten wurden, als sich der Reichtum der Minen erst einmal erwiesen hatte, an die Hauptarbeitsplätze nach Macquaire River und Summerhill Creek gesandt, um von jedem Arbeiter eine monatliche Lizenzgebühr von dreißig Schilling zu erheben. Gleichzeitig wurden alle Trink- und Spielzelte in den Bergen streng verboten. Dabei war man der Gutwilligkeit der meisten australischen Arbeiter sicher, und die wenigen Aufmüpfigen konnte man mit einer verhältnismäßig kleinen Macht im Zaum halten, solange sie nüchtern blieben. Aber nicht die fünfzigfache Anzahl hätte ausgereicht, wenn das Volk mit Alkohol versorgt wäre. Es ließ sich natürlich nicht verhindern, daß hier oder da in einzelnen Zelten doch heimlich Schnaps ausgeschenkt oder auch gespielt wurde. Wer hätte das auch überwachen können? Das schafft ja noch nicht einmal unsere Polizei trotz geregelter Verhältnisse! Aber der eigentlichen Gefahr war damit die Schärfe genommen, und die einzelnen Übertretungen blieben ohne Folgen.

Am Anfang liefen die meisten Goldgräber einzeln herum, weil jeder hoffte, einen reichen Fund zu machen, den er dann mit keinem zu teilen brauchte. Bald stellten sich aber die Nachteile dieses Verfahrens heraus. Wenn die Leute drei oder vier Tage zwischen den Steinen herumgestochert und nichts gefunden hatten und dann auf die Erdarbeiten angewiesen waren, fanden sie rasch, daß sie da allein nur wenig ausrichten konnten. Von da an arbeiteten sie zu zweit oder sogar in ganzen Gruppen, die hier und da den Bergstrom dämmten und in seinem Bett den reichen Goldsegen zu finden hofften.

Eine buntgemischte Gesellschaft fand sich da oben. Im zivilisierten Land waren die verschiedenen Schichten ängstlich voneinander getrennt. Aber hier hatte das Gold alle Stände und Kluften überwunden und jeden Rangunterschied fast zerstört und aufgehoben. Hier grub der sonnengebräunte Arbeiter mit rauher Hand, der alte Konvikt, der ein Verbrechen und seine Strafen hinter sich hatte und der seit seiner Jugend schwere Mühen gewohnt war, nicht eifriger in dem harten Boden als neben ihm der zierliche Städter, der selbst jetzt noch seine Glacéhandschuhe in der Reisetasche trug. Er hatte das rauhe Gestein vorher ängstlich durch die Brille sorgfältig untersucht. Anwälte und Kaufleute standen neben Schäfern und Hutkeepern, der Matrose des einen Schiffes neben Kapitän und Steuermann eines anderen. Nur wer den reichsten Fund mache, wurde beneidet und war angesehen. Die anderen schlichen scheu und still umher, gleichgültig, welche Stellung sie im bürgerlichen Leben hatten.

Hier und da saß auch ein Goldwäscher vor seiner Pfanne und der Spitzhacke und hatte den Kopf mißmutig in die Hand gestützt. Er überlegte wohl mit grollendem Herzen, daß er viel Geld für seine Ausrüstung gebraucht hatte, jetzt aber schon vier oder fünf Tage ohne den geringsten Erfolg der ungewohnten Arbeit nachging. Doch neben ihm zogen zwanzig oder dreißig frische Herzen mit geduldigen Hoffnungen in die Berge, richteten ihr einfaches Lager her und gingen jubelnd an die Arbeit. Was kümmerte sie der einzelne Mann, der mürrisch und verzagt zwischen ihnen saß. Er hatte eben kein Glück, und was er nicht gefunden hatte, war vielleicht für sie aufgehoben.

Kaum waren die ersten von dem Entdecker genannten Stellen in Angriff genommen, zerstreuten sich bereits die Leute, die nicht nach den ersten zwei Tagen schon einen guten Erfolg hatten, bis über die benachbarten Taleinschnitte. Fast unmittelbar nach dem Summerhill Creek und dem Marquaire River wurden die Ophir-Diggins und der Turon in Angriff genommen und als sehr reich befunden. Sowie aber ein neuer Name genannt wurde, steuerten immer gleich ganze Züge frisch Eintreffender dorthin. Nicht nur mit Lasttieren und Karren zogen die Miner in das neue Eldorado, sondern man sah auch oft Paare, die ihre wenigen Habseligkeiten auf einer rohgezimmerten Trage schleppten und gleich den nächsten Weg über die Hügelrücken einschlugen. Oder sie kauerten sich in öden Felsspalten nieder, um hier allein den Boden zu sondieren und vielleicht im stillen selbst irgendwo eingestreute Schätze zu finden.

Das taten übrigens auch viele, um der lästigen Lizenzgebühr zu entgehen, gegen die sie sich nicht offen wehren konnten. Viele, ja, fast alle hätten den geringen Betrag ohne Mühe zahlen können. Aber es war eine Steuer, und es liegt den Menschen nun einmal im Blut, derartigen Auflagen auszuweichen, wo es möglich ist. Die Polizei war auch nicht übermäßig streng und hatte auch nicht genügend Leute, um den zahlreichen verstreuten Trupps folgen zu können. Nur wo sich eine kleine Niederlassung aus zehn oder zwölf Zelten bildete, da erschien auch der Beamte zwischen den überraschten Goldgräbern und erhob die Taxe. Nach Bezahlung erhielten sie einen Schein, der die Miner erst berechtigte, das etwa gewonnene Gold auch als ihr Eigentum zu betrachten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch