Die Werbung -2-



Er hatte die letzten Worte zwar kaum hörbar, aber so leidenschaftlich gesprochen, daß Pauline erschrocken zu ihm aufsah. Wie sein Auge glühte und seine ganze Gestalt bebte!


In dem Augenblick öffnete sich die Tür, und Mrs. Pitt trat mit der Kleinen ins Zimmer. Überrascht blieb sie an der Schwelle stehen, als sie die beiden bemerkte. Pauline wand sich aus Hollecks Arm und stürzte ihrer Mutter entgegen. Sie lehnte ihren Kopf an ihre Schulter und flüsterte leise:

„Mein liebe, liebe Mutter...“

„Meine Pauline“, rief die Mutter, und ein ängstliches Gefühl, daß ihr Kind sie verlassen würde, überkam sie. Sie preßte ihre Tochter eng an sich.

„Mrs. Pitt“, sagte da Holleck und sah Paulines Mutter offen an. „Sie haben uns überrascht, und wenn ich aufrichtig sein will, etwas zu früh. Früher wenigstens, als ich das Jawort von Pauline hören konnte. Seien Sie deshalb jetzt mein Fürsprecher, legen Sie ein gutes Wort für mich ein, Mrs. Pitt, und glauben Sie mir, daß Sie mich dadurch zum glücklichsten Menschen der Welt machen.“

„Und was sagt meine Pauline dazu?“ fragte die Mutter mit weicher Stimme.

„Ich weiß es nicht, Mutter.“ Sie verbarg ihren Kopf noch fester an der Schulter ihrer Mutter. „Es ist viel zu rasch alles gekommen, um ein Wort zu sagen, das mich für mein ganzes Leben bindet. Laßt mir Zeit - laßt mir Zeit.“

„Ich will Sie nicht drängen, Pauline“, sagte Holleck mit leichtem Zittern in der Stimme. „Ich will nichts von dem ersten Augenblick verlangen, was Sie für das ganze Leben binden soll. Nur einen Trost sollten Sie mir mitgeben. Mögen Sie mich auch nur ein ganz klein wenig und sind Sie nicht schon jetzt entschlossen, meinen Antrag zurückzuweisen?“

Pauline antwortete ihm nicht. Eine Weile blieb sie noch an die Schulter ihrer Mutter gelehnt, dann streckte sie ihm die Hand entgegen, ohne ihn aber anzusehen. Er griff sie und küßte sie leidenschaftlich.

„Vielen Dank!“ rief er, „und bis morgen oder übermorgen, wenn Sie wollen. Dann will ich meinen Urteilsspruch von Ihnen mit Freuden erwarten.“

„Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen“, sagte da in dem Augenblick eine ruhige, tiefe Stimme. Auf der Schwelle des Zimmers stand Mr. Pitt, noch in seinen verschmutzten Reisesachen, wie er eben im Hof vom Pferd gestiegen war. Mit ernstem Blick musterte er die Gruppe.

„Charles!“ rief seine Frau und drehte sich erschrocken zu ihm um. „Du schon zurück - und um Gottes willen, wie blaß du aussiehst -, was ist geschehen? Mein Kind? Was ist mit meinem Charley?“

„Beruhige dich, meine Liebe“, sagte Mr. Pitt. „Ich bringe dir keine schlechte Nachricht, wenn mich auch der Ritt erschöpft hat. Ich bin eine weite Strecke galoppiert und das nicht mehr so richtig gewöhnt. Guten Tag, Mr. Holleck. Wenn ich mich nicht irre, komme ich da eben zu einer Familienszene? Wie? Pauline erregt und in Tränen, die Mutter auch gerührt, und Sie nicht im roten Minerhemd - darf man da vielleicht gratulieren?“

In dem Ton, mit dem der sonst so gelassene Mann diese Worte sprach, lag eine so kalte, bittere Ironie, daß selbst Pauline davon betroffen wurde und überrascht, ja bestürzt zu ihm aufsah. Am wenigsten war Holleck das veränderte Benehmen des sonst so gütigen Mannes entgangen, der höchstens mal durch seine Geschäfte so angespannt war, daß er zerstreut wirkte. Ein unbehagliches Gefühl überkam ihn, das er vergeblich bekämpfte.

„Mein guter Mr. Pitt“, sagte er, „ich habe heute gewagt...“

„Charles!“ fiel aber Mrs. Pitt ein. „Etwas muß geschehen sein. Du bist so erregt, so habe ich dich kaum einmal erlebt!“

„Die Geschäfte, nur die Geschäfte!“ warf der Mann leicht hin und mit einer fast gewaltsam erzwungenen Fröhlichkeit. „Du glaubst gar nicht, wie verrückt sie es da oben in den Minen treiben und welche Mittel versucht werden, um das Gold zu gewinnen. Nicht wahr, Holleck, man muß da manchmal seine Zuflucht zu ganz merkwürdigen Dingen nehmen, um das eine und einzige Ziel richtig und besonders rasch zu erreichen?“

„Das stimmt, Mr. Pitt“, sagte Holleck. Er mußte sich Mühe geben, dem Blick des Mannes zu begegnen. „Aber wenn man Glück und nur etwas Geschick hat...“

„Das war das richtige Wort, Holleck“, rief Mr. Pitt rasch und heiser lachend. „Geschick - sagten Sie nicht so? Geschick! Das ist das Zauberwort für den Geschäftsmann, und ein klein wenig Glück muß dann freilich auch dabei sein.“

„Aber Charles, was ist denn nur heute mit dir los?“ rief Mrs. Pitt, die ihren Mann mit immer steigender Besorgnis ansah. Ihr, die ihn so genau kannte, konnte nicht entgehen, daß etwas ganz Außergewöhnliches vorgegangen sein mußte, wenn sich auch alle ihre Gedanken nur immer auf den Sohn konzentrierten. „Bringst du denn auch endlich Nachricht von ihm?“

„Ja“, nickte der Mann ihr freundlich zu. „Sorge dich nicht weiter, ich habe einen Brief.“

„Einen Brief?“ rief Holleck unwillkürlich aus.

„Nicht wahr, das wundert Sie auch, daß der Schlingel endlich einmal schreibt?“ lachte der Kaufmann und suchte in der Brusttasche danach. „Ah, da ist er - aber was der Junge für eine Pfote schreibt -, können Sie leicht schlechte Handschriften lesen, Holleck?“

„So ziemlich, wenn sie nicht zu unleserlich sind“, erwiderte der junge Mann und fühlte, wie er blaß wurde, obwohl er sich mächtig zusammenriß.

„Na, dann versuchen Sie einmal bei der da Ihr Glück“, lachte Paulines Vater. Aber sein Lachen klang hohl und unnatürlich. Er reichte gleichzeitig Holleck einen etwas zerknitterten Zettel, den der mit unruhiger Hand nahm und entfaltete. Sein Blick flog dabei scheu durch das Zimmer, aber Mr. Pitt stand vor ihm, und vor seinen Augen verschwammen die Zeilen auf dem Papier. Gewaltsam faßte er sich und las mit lauter Stimme:

„Der mich beraubte und verwundete, ist...“ Er schwieg, und entsetzt flog sein Blick zu der drohenden Gestalt neben ihm.

„William Holleck!“ schrie da der Kaufmann mit donnernder Stimme, riß einen Revolver aus der Tasche und spannte ihn. „Schurke und Mörder!“

„Heiliger, erbarmungsvoller Gott, was ist geschehen?“ rief Mrs. Pitt aus und faltete entsetzt ihre Hände.

„Und du... du verfluchter Kerl“, rief Mr. Pitt außer sich, „du hast dich nicht gescheut, die Mordwaffe gegen den Freund zu heben, und jetzt wirbst du in demselben Haus, das deine Schurkenhand getroffen hat, um die Tochter? Nieder auf die Knie, Kanaille, oder bei Gott, ich besudele meine Hand mit deinem Blut, das dem Henker gehört. Auf die Knie, Räuber und Mörder!“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch