Die Werbung -1-



Vier Tage waren nach diesem Abend in Pitts Haus vergangen, und heute oder spätestens morgen konnte ein Brief von Bathurst dasein. Aber war es denkbar, daß der Vater in der Zwischenzeit den Sohn schon gefunden hatte, wenn er wirklich noch irgendwo in den Minen steckte? Die Mutter sorgte sich natürlich immer noch und wollte ihrem Sohn, wenn er endlich käme, bittere Vorwürfe wegen seines langen Schweigens und seinem herzlosen Leichtsinn machen.


Mrs. Pitt war mit Therese in ihrem eigenen Zimmer, und Pauline hatte nach dem Lunch alles aufgeräumt. Sie öffnete eben die Fenster zum Hof und Garten, um die frische Seebrise hereinzulassen, als die Tür aufging und William Holleck auf der Schwelle stand.

Ein Blick überzeugte ihn, daß Pauline allein war. Mit leichten Schritten näherte er sich ihr, streckte ihr die Hand entgegen und sagte freundlich:

„Heute habe ich Glück, und wenn Sie nicht gerade besonders beschäftigt, sind, möchte ich Sie bitten, sich eine kleine Geschichte von mir anzuhören.“

„Ah, Mr. Holleck“, sagte Pauline. Vor Verlegenheit wurde sie rot, reichte ihm aber trotzdem ihre Hand. „Soll ich da nicht vielleicht die Mutter dazu rufen?“

„Fürchten Sie sich, mit mir allein zu sein?“

„Nein, weshalb?“ sagte das junge Mädchen lächelnd.

„Schön, dann setzen Sie sich einmal auf den breiten, bequemen Stuhl da. So hört man doch am besten zu, und jetzt gönnen Sie mir ein paar Minuten Gehör.“

„Das sind ja gewaltige Vorbereitungen“, flüsterte Pauline. In diesem Moment hätte sie aber doch liebend gern ihre Mutter dazu gerufen. Aber sie nahm den Platz ein. Holleck legte seinen Hut auf den Tisch und setzte sich auf einen ihr gegenüberstehenden Stuhl.

„Ich will doch keine unnützen Worte machen. Seien Sie mir deshalb nicht böse, wenn ich nur von mir selbst rede.“

„Und ist das nicht schon eine Vorrede?“

„Sie haben recht, also hören Sie, Pauline. Sie wissen, daß ich mich viele Jahre lang in den Kolonien nur gerade so durchbringen konnte. Ich kam nicht richtig weiter und verdiente nur das, was ich selbst zum Leben brauchte. Das wäre nichts Besonderes gewesen, denn Tausenden von jungen Leuten geht es hier nicht anders, und sie müssen sich fügen. Mir aber nagte es am Herzen, denn ich - liebte ein junges Mädchen, das ich nur gewinnen konnte, wenn ich ihr eine sichere Existenz bieten würde. Bitte, unterbrechen Sie mich jetzt nicht, bis Sie - wenigstens die Hauptsache erfahren haben.

Drüben in England besaß ich noch ein kleines Grundstück, das ich nicht eher verkaufen wollte, bis ich mir hier in Australien die nötigen Erfahrungen gesammelt hatte, um dann das Kapital mit sicherem Erfolg anzulegen und zu verwerten. Das ist jetzt geschehen. Wie Sie sehen, komme ich rasch zur Sache. Ich schrieb nach Hause, um alles, was ich dort besaß, zu Geld zu machen und mir die Wechsel hierherzusenden. Glücklicherweise traf das Geld gerade in dem Moment hier ein, wo die Entdeckung des Goldes allen Geschäften einen phantastischen Aufschwung gab. Gleich am ersten Tag bot sich mir eine zwar etwas gewagte, aber sonst hervorragende Spekulation an. Deshalb ging ich in die Minen. Ich verdreifachte mein kleines Kapital in der kurzen Zeit und kann jetzt sagen, daß ich der Zukunft sorgenfrei entgegensehen kann.“

„Aber ich begreife nicht...“, flüsterte Pauline, die ahnte, worauf die Einleitung hinauslief. Ihr Herz fühlte sich dabei so beklommen, ohne daß sie selbst eigentlich wußte, weshalb.

„Ich will keine langen Worte mehr machen, Pauline“, fuhr Holleck fort, stand auf und trat auf sie zu. „Ich habe Ihnen erzählt, daß ich jetzt mein Auskommen habe und eine Frau ernähren kann. Ich liebe Sie, Pauline, nur Sie, mit aller Leidenschaft, zu der ich fähig bin. Ich nehme auch an, daß Sie mich ebenfalls etwas mögen, denn solange ich in Ihrer Nähe war, waren Sie immer lieb und freundlich zu mir. Deshalb beantworten Sie mir die einfache Frage, so einfach, wie ich Sie Ihnen stelle: Darf ich mit Ihren Eltern sprechen? Wollen Sie meine Frau werden, Pauline?“

Das junge Mädchen war vor Erregung blaß geworden. Auch sie stand von ihrem Stuhl auf, aber sie war nicht in der Lage, zu antworten. Fast willenlos überließ sie ihre Hand dem leidenschaftlichen Druck des jungen Mannes. Was konnte - was sollte sie ihm antworten? Schon seit mehreren Jahren kam er zu ihnen als Freund des Bruders und des Vaters. Sie war daran gewöhnt, ihn fast zur Familie, wie einen Bruder zu rechnen. Erst seit kurzer Zeit, seit dem Tage, an dem er versucht hatte, im gleichen Zimmer mit ihr zu sprechen, stieg die Überzeugung in ihr auf, daß sie von William Holleck geliebt wurde. Dieses Wissen machte sie unentschlossen und erfüllte sie mit Unruhe. Sie hatte noch nicht einmal den Mut gehabt, sich selbst zu fragen, was sie tun und antworten würde, wenn er sie erneut ansprach - und jetzt hatte sie die Werbung des jungen Mannes ängstlich überrascht. Sollte sie ihn zurückweisen? Er war immer so freundlich und aufmerksam zu ihr gewesen. Wenn auch manches in seinem ganzen Wesen lag, was ihr nicht ganz behagte - konnte das ein hinreichender Grund sein, ihn so tief zu kränken?

Alle diese Gedanken durchkreuzten bunt und jäh in diesem Augenblick ihr Hirn und ließen sie kaum richtig zu Bewußtsein kommen.

„Darf ich annehmen, daß Sie mich ein ganz kleines bißchen mögen?“ drängte Holleck, dem ihre Unentschlossenheit nicht entgehen konnte.

„Oh, wenn Sie mir nur Zeit ließen“, hauchte das junge Mädchen. „Sie haben mich... so überrascht... und ich weiß nicht...“

„Geben Sie mir nur etwas Hoffnung, Pauline, lassen Sie mich nicht wieder allein und einsam in das Leben hinausziehen. Für was arbeiten wir denn hier, für was mühen wir uns ab und trotzen allen Beschwerden und Gefahren, wenn nicht deshalb, um in dem wilden Land einen eigenen Hausstand zu gründen. Sehen Sie mich an, Pauline“, bat er leise und legte seinen Arm um ihre Taille, „sehen Sie mir ins Auge, liebe Pauline, und glauben Sie mir, daß ich nichts auf der Welt habe, für das ich noch leben möchte, als nur Sie - Sie allein. Wenn ich auf Sie verzichten müßte, würde ich elend und verzweifelt untergehen.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch