Der Weg zum Goldsee -3-



„Und da soll dieser Goldsee liegen?“ sagte Hafften, noch immer ungläubig den Kopf schüttelnd. „Lieber Freund, sind Sie Ihrer Sache auch ganz sicher? Denn einem Phantasiegebilde ein paar Tage in diesen traurigen Bergen nachzuklettern, dazu - muß ich Ihnen aufrichtig gestehen - habe ich wirklich keine große Lust.“


„Sehe ich aus wie ein Zweifler?“ fragte der Fremde. Seine Augen funkelten Hafften an.

„Das allerdings nicht. Sie scheinen Ihrer Sache ganz sicher zu sein“, sagte er lächelnd.

„Also, kommen Sie“, drängte der junge Mann. „Ich will für mich kein Gold, mich zieht anderes dahin. Aber was Sie von den Schätzen haben wollen, können Sie mitnehmen, soviel Sie tragen können. Wir dürfen jetzt aber nicht unsere Zeit versäumen, denn die Miner sind mißtrauisch, und wenn uns ein anderer folgt...“

„Aber, lieber Freund, wenn Sie ein solches Goldnest kennen und wenn da so viel ist, weshalb den anderen nicht auch die Freude gönnen?“

„Kommen Sie, das verstehen Sie nicht“, sagte der Fremde mit hartem Ton. Er warf einen scheuen Blick um sich, ob sie niemand sah, und ging dann den Hang hinauf.

Hafften war ein ganz guter Fußgänger, aber er mußte kräftig ausschreiten, um seinem merkwürdigen Freund folgen zu können. Und der Goldsee? Die Sache wirbelte ihm im Kopf herum. Wie alle Menschen in den Minen war auch er durch die ständigen neuen Gerüchte von ausgefallenen Goldfunden dermaßen aufgeregt, daß der Goldsee oder vielleicht ein Steinbecken, in dem sich das Alluvialgold durch günstige Bodenverhältnisse angeschwemmt hatte, nur der höchste Gipfel der phantastischen Hoffnungen war. Unmöglich war es auf keinen Fall, denn wie goldhaltig diese Berge waren, hatten die letzten Wochen zur Genüge gezeigt. Wenn nun das edle Metall, das vielleicht seit Jahrtausenden nach allen Richtungen hin verstreut wurde, durch eine einzige, passend gelegene Steinwand in einer großen Ader aufgehalten worden war, dann konnten sich allerdings in einem Becken Schätze angehäuft haben, die den glücklichen Entdecker zum reichsten Mann der Erde machten.

Wie von Hafften durch den Fremden erfahren hatte, hielt der sich schon seit mehreren Jahren in diesen Bergen auf und hatte ihre Hänge nach allen Richtungen durchwandert. Er wußte auch, daß er nach der ganzen Art, wie er hier oben gelebt hatte, wohlhabend und nicht auf den Erwerb des Goldes angewiesen sein mußte. Daß er keinem anderen den Platz verraten wollte, konnte seine Ursache darin haben, daß er von den anderen Minern wegen seines verschlossenen Wesens nicht freundlich behandelt und oft verspottet wurde. Nur Hafften war immer gleich freundlich und nachsichtig zu ihm gewesen. Alles sprach dafür, daß er ihm jetzt seine Dankbarkeit beweisen wollte.

Außerdem war er ungemein neugierig auf den Platz selbst. Wenn er sich nicht als so reich erwies, wie er fest glaubte, was tat's, dann war es eben ein Spaziergang in die Berge. Die wildesten Partien sollte er jetzt kennenlernen. Wie sich die Deutschen im Lager den Kopf zerbrechen würden, wohin sie beide so bei Nacht und Nebel verschwunden wären! Der erste Gedanke wäre sicher, daß sie einen reichen Platz gefunden hätten, den sie jetzt gemeinsam ausbeuten wollten. Bestimmt würde sich Malchus am meisten darüber ärgern, denn gerade er als Bergmann hatte sich immer etwas auf seine Kenntnisse eingebildet. Er hatte an zwei Stellen seine Arbeit begonnen, die noch nicht einmal drei Schilling am Tag abwarfen. Wenn sie jetzt, nach nur kurzer Abwesenheit, mit Gold beladen zurückkehrten!

Alle diese Gedanken zuckten ihm durch den Kopf, während er seinem geheimnisvollen Freund folgte. Nur mechanisch sah er dabei hin und wieder nach seinem Kompaß, um gleich zu Anfang die Richtung bestimmen zu können. Mit Recht fürchtete er nichts mehr, als sich in diesen Bergen zu verirren. Wer hier seinen Weg verfehlte und auf das angewiesen war, was ihm der Gumwald bot, mußte rettungslos verschmachten, auch wenn er sich eine kurze Zeit vielleicht mit Wattelharz am Leben erhalten konnte. Und wie viele Menschen hatten schon ein ähnliches furchtbares Ende in dieser Wildnis gefunden!

Sein Begleiter schien aber nicht zuviel versprochen zu haben, wenn er behauptete, daß er diese Berge kenne. Er behielt nicht nur seine gerade Richtung bei, sondern benutzte auch jede Erleichterung, die ihnen das Gebirge hier und da bot. Nach kaum einer halben Stunde angestrengten Steigens hatten sie den Hügelkamm erreicht, von dem aus sie einen freien Blick nach Osten hatten.

In dem Augenblick stieg dort drüben, über dem ausgezackten Grat der nächsten Bergreihe, die glühende Sonnenscheibe empor. Durch die dünnen Morgenschwaden warf sie einen fast unheimlich fahlen Schein über die weite Berglandschaft, die von hier oben einem Meer mit riesigen Wogen glich.

„Ist das der Gebirgszug, den wir erreichen wollen?“ erkundigte sich Hafften, als er sah, daß der Blick seines Begleiters wie ängstlich forschend an der Kette hing. „Sie haben doch den richtigen Weg nicht verfehlt?“

Sein Begleiter antwortete ihm nicht, noch immer starrte er zu den fernen Bergen hinüber. Hafften fing an, sich unbehaglich zu fühlen, denn wenn der den Weg von hier an suchen mußte, war das Auffinden eines bestimmten Platzes in dieser Bergwildnis eine ungewisse Sache. Aber er schien sich da umsonst Gedanken zu machen.

„Dort!“ rief der junge Mann plötzlich und streckte seinen Arm genau gegen die sich eben vom Horizont ablösende Sonne. „Dort - das Licht hatte mich geblendet. Und jetzt los, damit wir unsere Zeit hier nicht länger versäumen.“ Ohne eine weitere Zustimmung abzuwarten, lief er mehr, als er ging, den Hang hinab, so daß Hafften wirklich Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. War doch der Boden sehr uneben, und überall lagen verstreute Quarzstücke im Weg. Es sah aus, als wären sie über den Hang geworfen worden, als ob es einmal eine ganze Woche lang solche Steinbrocken geregnet hätte.

So ging es hinunter, bis sie den nächsten Taleinschnitt erreichten, durch den in der Regenzeit ein Bergbach strömte, der jetzt völlig ausgetrocknet war. Erst hier wurde der Fremde langsamer, ja, er schien nur noch sehr vorsichtig weiterzugehen. Es bestand allerdings auch die Möglichkeit, daß sie hier einzelne Goldwäscher treffen konnten. Es gab immer noch eine Menge Neuankömmlinge, die annahmen, daß sie aus jeder Steinspalte oder Felsritze ein Vermögen mit dem Taschenmesser herauskratzen konnten. Erst wenn solche Leute wochenlang in den Bergen herumgestiegen waren und meistens auf diese Weise gar nichts gefunden hatten, gaben sie es auf und begannen die viel mühsamere, aber doch aussichtsreichere Arbeit mit Schaufel, Spitzhacke und Waschmaschine.

Dazu brauchten sie natürlich Wasser und hätten hier in der vollkommen trockenen Rille nichts anfangen können. Deshalb konnten sie nur einzelnen Abenteurern begegnen. Wie Hafften wußte, mußten sie gerade denen ausweichen, denn die hatten ja keinen bestimmten Arbeitsplatz, keine begonnene Arbeit. Sie waren jeden Augenblick bereit, einer Goldspur zu folgen.

Eine Anzahl mit schweren Hämmern oder Brechstangen zerschlagener Quarzstücke wies auch auf die Anwesenheit einzelner hin. Aber sie mußten doch nachts zum Turon ziehen, denn hier oben gab es keinen Tropfen Wasser. Jetzt war es wohl noch zu früh, ihnen schon zu begegnen. Als sich die beiden Männer endlich überzeugt hatten, daß kein menschliches Wesen sich hier aufhielt und ihnen vielleicht folgen würde, kreuzten sie den Einschnitt und kletterten auf der anderen Seite erst wieder eine Strecke steil hinauf, bis sie von den Büschen verdeckt wurden. Dann hielten sie sich schräg den Hang hinauf, um in dieser Richtung allmählich zum Gipfel zu gelangen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Im Busch