I. Das Zeitalter des fürstlichen Absolutismus

Am Anfang der Dinge ist stets die Tat. Und das ist in der Geschichte die Revolution. Das gilt auch von allen weltgeschichtlichen Klassenbewegungen. Ihr Eintritt in die Geschichte war stets revolutionär, und sie wirkten als ein revolutionärer Faktor, der historisch überwundene Gebilde zu Grabe geleitete und dafür solche, politische Formen zur Herrschaft führte, die dem veränderten Inhalt der Dinge entsprachen. Das ist Wesen und Wirkung des Revolutionären in der Geschichte. An diesem Faktum, dass jede Klassenbewegung zuerst revolutionär in der Geschichte auftritt, änderte der Umstand nicht das geringste, wenn eine Klassenbewegung schließlich selbst versteinerte, und, statt sich organisch weiterzubilden, vom Tage ihrer Herrschaft an selbst das größte Hemmnis aller organischen Entwicklung wurde. Wohl der klassische Beweis dafür ist die Geschichte des Christentums. Dieses war ursprünglich eine große, revolutionäre Bewegung, die obendrein die Revolution sogar im Heugabelsinne sehr lange führte. Das letztere mag wegen seiner Konsequenzen vielen der heutigen offiziellen Vertreter des Christentums sehr unbequem sein, aber die Beweise, die die moderne Wissenschaft dafür ins Feld zu führen vermag, dass Jesus und seine Jünger nicht nur die erfolgreichste Revolution der europäischen Weltgeschichte „gemacht haben“, sondern außerdem in die Kategorie der großen Revolutionäre der Tat gehören, werden dadurch nicht im Geringsten beeinflusst, geschweige denn aus der Welt geschafft.

007. Deutscher Kupferstich um 1700

Eine revolutionäre geschichtliche Macht war bei ihrem ersten geschichtlichen Auftreten auch der fürstliche Absolutismus. Dies gilt von der Zeit des 16. Jahrhunderts, wo er als Geschäftsträger des damals aufkommenden Handelskapitals den für dessen Entwicklung unentbehrlichen Nationalstaat schuf, in der Person des Landesherrn die politische Zentralgewalt vereinigte und dessen Suprematie den dezentralistischen Feudaladel unterwarf. Durch diese Mission betätigte sich der fürstliche Absolutismus als eine revolutionäre geschichtliche Macht. Denn die neue politische Organisation, zu der er damit die Länder führte, war die historische Notwendigkeit jener Zeit. Der Nationalstaat und die Entwicklung und Festigung einer politischen Zentralgewalt waren ein historisches Muss. Es musste dazu kommen durch die gegenüber dem Mittelalter veränderte Kräfteverteilung innerhalb der herrschenden Klassen. Mit der Entwicklung des Handels war der revolutionärste Faktor, den die Geschichte je hervorgebracht hat, das Geld, von neuem in die Welt gekommen und wälzte alles von Grund aus um; der Kaufmann wurde an Stelle des Ritters der neue Herr der Welt. Als aber der Kaufmann mit der Entwicklung des überseeischen Handels, also vor allem nach der Entdeckung Amerikas, daran ging, die ganze Welt kommerziell zu exploitieren, da musste und wollte er, der Herr der Welt, sich auch eine Garantie für eine dauernde Sicherung und Steigerung seiner Profitrate schaffen. Seine besonderen Interessen mussten hinfort allen andern vorangehen. Vor allem wollte er seine auswärtigen Handelsinteressen geschützt haben. Diesen Schutz konnte ihm in ausreichender Weise nur eine starke politische Zentralgewalt gewähren, die über ein stets schlagfertiges Heer, über eine Kriegsmarine, kurz über einen mächtigen, internationalen, politischen Einfluss verfügte. „Der Handel bedurfte der Armee zur Wahrung seiner Interessen, nach außen wie nach innen, zur Niederwerfung von konkurrierenden Nationen, zur Eroberung von Märkten, zur Sprengung der Schranken, welche die kleinen Gemeinwesen innerhalb des Staates dem freien Handel entgegensetzten, zur Handhabung der Straßenpolizei gegenüber den großen und kleinen Feudalherren, die dem Eigentumsrecht, das der Handel proklamierte, eine kecke Leugnung und nicht bloß eine theoretische, entgegensetzten“ (K. Kautsky, Thomas Moore [1779-1852] und seine Utopie). Infolge der allgemeinen über die meisten Länder sicherstreckenden kommerziellen Entwicklung gingen in den meisten Ländern die Interessen der Kaufleute über die Autonomie der Städte hinaus und gipfelten im Nationalstaat und in der Stärkung der politischen Zentralgewalt. Wenn sich dadurch ganz von selbst die Interessen der Städte — denn die Städte kamen zuerst unter die Botmäßigkeit des Kaufmannkapitals und wurden deshalb zu den politischen Trägern seines Interesses, — mit den dynastischen Interessen des Königtums trafen, und beide ebenfalls überall die natürlichen Bundesgenossen wurden, so liegt das ganz in der Natur der Dinge, ebenso wie die Tatsache, dass die meisten Kriege, die damals geführt wurden, in erster Linie Handelskriege waren. Die Interessen beider waren die gleichen; auch das Königtum bedurfte der Armee und eines zuverlässigen Feldherrn. Andererseits konnte das Königtum die nötigen großen Geldmittel, die es zum Unterhalt einer Armee brauchte, nur aus den Händen der geldbesitzenden Klassen bekommen, und diese fanden sich nur in den Städten. Diese Bundesgenossenschaft ging daher auch nicht in die Brüche, als jeder Krieg in erster Linie die fürstliche Gewalt steigerte, wodurch wiederum die geldbesitzenden Klassen immer unheimlicher belastet wurden. Die Spesen lohnten sich für das mobile Kapital trotzdem.

008. J. Humbelot: Auf der Suche nach der entwichenen Tochter. 17. Jahrhundert
007 Deutscher Kupferstich um 1700

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008 J. Humbelot. Auf der Suche nach der entwichenen Tochter. 17. Jahrhundert

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