Ilios Stadt und Land der Trojaner.
Forschungen und Entdeckungen in der Troas und besonders auf der Baustelle von Troja.
Autor: Schliemann, Heinrich Dr. (1822-1890), Erscheinungsjahr: 1881
Themenbereiche
Autobiographie des Verfassers und Geschichte seiner Arbeiten in Troja.
Inhaltsverzeichnis
- Erstes Kapitel. - Kindheit und kaufmännische Laufbahn: 1822 bis 1866.
- Erster Abschnitt. - Von der Geburt 1822 in Neu-Buckow in Mecklenburg bis zum Ende der Schulzeit 1836.
- Zweiter Abschnitt. - Vom Lehrbeginn 1836 in Fürstenberg bis zu seiner Stellung als Buchhalter 1844 in Amsterdamm.
- Dritter Abschnitt. - Von 1844 Amsterdamm und seinen Sprachstudien bis Erwerb seines Vermögens in St. Petersburg 1854.
- Vierter Abschnitt. - Vom Ende des Krimkrieges 1856, seinen Studien der latainischen und griechischen Sprachen bis zu seiner Abreise nach Schweden ... 1858.
- Zweites Kapitel. - Erste Reise nach Ithaka, dem Peloponnes und Troja. 1868, 1869.
- Drittes Kapitel. - III. Arbeit des ersten Jahres in Hissarlik. 1871.
- Viertes Kapitel. - Zweites Jahr der Arbeiten in Hissarlik. 1872.
- Fünftes Kapitel. - Arbeiten des dritten Jahres auf Hissarlik, 1873.
- Sechstes Kapitel. - Unterbrechung der trojanischen Arbeiten. Ausgrabungen in Mykenae und Ithaka. 1874–1878.
- Siebentes Kapitel. - Erforschung von Ithaka. 1878.
- Achtes Kapitel. - Arbeit des vierten Jahres in Troja. 1878.
- Neuntes Kapitel. - Arbeit des fünften Jahres in Hissarlik: die sogenannten heroischen Tumuli, die Erforschung der Troas. 1879.
Einführung: Auszug aus dem ersten Kapitel.
Wenn ich dieses Werk mit einer Geschichte des eignen Lebens beginne, so ist es nicht Eitelkeit, die dazu mich veranlasst, wol aber der Wunsch, klar darzulegen, dass die ganze Arbeit meines spätern Lebens durch die Eindrücke meiner frühesten Kindheit bestimmt worden, ja, dass sie die nothwendige Folge derselben gewesen ist; wurden doch, sozusagen, Hacke und Schaufel für die Ausgrabung Trojas und der Königsgräber von Mykenae schon in dem kleinen deutschen Dorfe geschmiedet und geschärft, in dem ich acht Jahre meiner ersten Jugend verbrachte. So erscheint es mir auch nicht überflüssig, hier zu erzählen, wie ich allmählich in den Besitz der Mittel gelangt bin, vermöge deren ich im Herbste des Lebens die grossen Pläne ausführen konnte, die ich als armer kleiner Knabe entworfen hatte. Wol darf ich hoffen, dass die Art und Weise, in der ich meine Zeit und meine Mittel verwendet habe, allgemeine Anerkennung finden, und dass für alle Zukunft auch die Geschichte meines Lebens etwas dazu beitragen wird, unter dem gebildeten Publikum aller Nationen die Freude an jenen grossen und schönen Bestrebungen zu verbreiten, die, wie sie mich während so mancher harten Prüfungen aufrecht erhalten haben, mir auch den Rest meiner Tage noch erheitern sollen.
Ich wurde am 6. Januar 1822 in dem Städtchen Neu-Buckow in Mecklenburg-Schwerin geboren, wo mein Vater, Ernst Schliemann1), protestantischer Prediger war und von wo er im Jahre 1823 in derselben Eigenschaft an die Pfarre von Ankershagen, einem in demselben Grossherzogthum zwischen Waren und Penzlin belegenen Dorfe, berufen wurde. In diesem Dorfe verbrachte ich die acht folgenden Jahre meines Lebens, und die in meiner Natur begründete Neigung für alles Geheimnissvolle und Wunderbare wurde durch die Wunder, welche jener Ort enthielt, zu einer wahren Leidenschaft entflammt. In unserm Gartenhause sollte der Geist von meines Vaters Vorgänger, dem Pastor von Russdorf, „umgehen“; und dicht hinter unserm Garten befand sich ein kleiner Teich, das sogenannte „Silberschälchen“, dem um Mitternacht eine gespenstische Jungfrau, die eine silberne Schale trug, entsteigen sollte. Ausserdem hatte das Dorf einen kleinen von einem Graben umzogenen Hügel aufzuweisen, wahrscheinlich ein Grab aus heidnischer Vorzeit, ein sogenanntes Hünengrab2), in dem der Sage nach ein alter Raubritter sein Lieblingskind in einer goldenen Wiege begraben hatte. Ungeheure Schätze aber sollten neben den Ruinen eines alten runden Thurmes in dem Garten des Gutseigenthümers verborgen liegen; mein Glaube an das Vorhandensein aller dieser Schätze war so fest, dass ich jedesmal, wenn ich meinen Vater über seine Geldverlegenheiten klagen hörte, verwundert fragte, weshalb er denn nicht die silberne Schale oder die goldene Wiege ausgraben und sich dadurch reich machen wollte? Auch ein altes mittelalterliches Schloss befand sich in Ankershagen, mit geheimen Gängen in seinen sechs Fuss starken Mauern und einem unterirdischen Wege, der eine starke deutsche Meile lang sein und unter dem tiefen See bei Speck durchführen sollte; es hiess, furchtbare Gespenster gingen da um, und alle Dorfleute sprachen nur mit Zittern von diesen Schrecknissen.3) Einer alten Sage nach war das Schloss einst von einem Raubritter, Namens Henning von Holstein, bewohnt worden, der, im Volke „Henning Bradenkirl“ genannt, weit und breit im Lande gefürchtet wurde, da er, wo er nur konnte, zu rauben und zu plündern pflegte. So verdross es ihn denn auch nicht wenig, dass der Herzog von Mecklenburg manchen Kaufmann, der an seinem Schlosse vorbeiziehen musste, durch einen Geleitsbrief gegen seine Vergewaltigungen schützte, und um dafür an dem Herzog Rache nehmen zu können, lud er ihn einst mit heuchlerischer Demuth auf sein Schloss zu Gaste. Der Herzog nahm die Einladung an und machte sich an dem bestimmten Tage mit einem grossen Gefolge auf den Weg. Des Ritters Kuhhirte jedoch, der von seines Herrn Absicht, den Gast zu ermorden, Kunde erlangt hatte, verbarg sich in dem Gebüsch am Wege, erwartete hier hinter einem, etwa eine viertel Meile von unserm Hause gelegenen Hügel, den Herzog und verrieth demselben Henning’s verbrecherischen Plan. Der Herzog kehrte augenblicklich um. ...
Wenn ich dieses Werk mit einer Geschichte des eignen Lebens beginne, so ist es nicht Eitelkeit, die dazu mich veranlasst, wol aber der Wunsch, klar darzulegen, dass die ganze Arbeit meines spätern Lebens durch die Eindrücke meiner frühesten Kindheit bestimmt worden, ja, dass sie die nothwendige Folge derselben gewesen ist; wurden doch, sozusagen, Hacke und Schaufel für die Ausgrabung Trojas und der Königsgräber von Mykenae schon in dem kleinen deutschen Dorfe geschmiedet und geschärft, in dem ich acht Jahre meiner ersten Jugend verbrachte. So erscheint es mir auch nicht überflüssig, hier zu erzählen, wie ich allmählich in den Besitz der Mittel gelangt bin, vermöge deren ich im Herbste des Lebens die grossen Pläne ausführen konnte, die ich als armer kleiner Knabe entworfen hatte. Wol darf ich hoffen, dass die Art und Weise, in der ich meine Zeit und meine Mittel verwendet habe, allgemeine Anerkennung finden, und dass für alle Zukunft auch die Geschichte meines Lebens etwas dazu beitragen wird, unter dem gebildeten Publikum aller Nationen die Freude an jenen grossen und schönen Bestrebungen zu verbreiten, die, wie sie mich während so mancher harten Prüfungen aufrecht erhalten haben, mir auch den Rest meiner Tage noch erheitern sollen.
Ich wurde am 6. Januar 1822 in dem Städtchen Neu-Buckow in Mecklenburg-Schwerin geboren, wo mein Vater, Ernst Schliemann1), protestantischer Prediger war und von wo er im Jahre 1823 in derselben Eigenschaft an die Pfarre von Ankershagen, einem in demselben Grossherzogthum zwischen Waren und Penzlin belegenen Dorfe, berufen wurde. In diesem Dorfe verbrachte ich die acht folgenden Jahre meines Lebens, und die in meiner Natur begründete Neigung für alles Geheimnissvolle und Wunderbare wurde durch die Wunder, welche jener Ort enthielt, zu einer wahren Leidenschaft entflammt. In unserm Gartenhause sollte der Geist von meines Vaters Vorgänger, dem Pastor von Russdorf, „umgehen“; und dicht hinter unserm Garten befand sich ein kleiner Teich, das sogenannte „Silberschälchen“, dem um Mitternacht eine gespenstische Jungfrau, die eine silberne Schale trug, entsteigen sollte. Ausserdem hatte das Dorf einen kleinen von einem Graben umzogenen Hügel aufzuweisen, wahrscheinlich ein Grab aus heidnischer Vorzeit, ein sogenanntes Hünengrab2), in dem der Sage nach ein alter Raubritter sein Lieblingskind in einer goldenen Wiege begraben hatte. Ungeheure Schätze aber sollten neben den Ruinen eines alten runden Thurmes in dem Garten des Gutseigenthümers verborgen liegen; mein Glaube an das Vorhandensein aller dieser Schätze war so fest, dass ich jedesmal, wenn ich meinen Vater über seine Geldverlegenheiten klagen hörte, verwundert fragte, weshalb er denn nicht die silberne Schale oder die goldene Wiege ausgraben und sich dadurch reich machen wollte? Auch ein altes mittelalterliches Schloss befand sich in Ankershagen, mit geheimen Gängen in seinen sechs Fuss starken Mauern und einem unterirdischen Wege, der eine starke deutsche Meile lang sein und unter dem tiefen See bei Speck durchführen sollte; es hiess, furchtbare Gespenster gingen da um, und alle Dorfleute sprachen nur mit Zittern von diesen Schrecknissen.3) Einer alten Sage nach war das Schloss einst von einem Raubritter, Namens Henning von Holstein, bewohnt worden, der, im Volke „Henning Bradenkirl“ genannt, weit und breit im Lande gefürchtet wurde, da er, wo er nur konnte, zu rauben und zu plündern pflegte. So verdross es ihn denn auch nicht wenig, dass der Herzog von Mecklenburg manchen Kaufmann, der an seinem Schlosse vorbeiziehen musste, durch einen Geleitsbrief gegen seine Vergewaltigungen schützte, und um dafür an dem Herzog Rache nehmen zu können, lud er ihn einst mit heuchlerischer Demuth auf sein Schloss zu Gaste. Der Herzog nahm die Einladung an und machte sich an dem bestimmten Tage mit einem grossen Gefolge auf den Weg. Des Ritters Kuhhirte jedoch, der von seines Herrn Absicht, den Gast zu ermorden, Kunde erlangt hatte, verbarg sich in dem Gebüsch am Wege, erwartete hier hinter einem, etwa eine viertel Meile von unserm Hause gelegenen Hügel, den Herzog und verrieth demselben Henning’s verbrecherischen Plan. Der Herzog kehrte augenblicklich um. ...
Heinrich Schliemann
Troja, wie es jetzt aussieht.
Nr. 01 Troja von Kum Kioi aus gesehen.
Nr. 02 Mauern A und Mauern B, Vorderansicht.
Nr. 03 Thurm von Ilion aus Süd-Ost.
Nr. 04 Trojanische Gebäude auf der Nordseite.
Nr. 05 Ausgrabung unter dem Tempel der Pallas Athene.
Nr. 06 Großer Opferaltar unterhalb des Athene-Tempels.
Nr. 07 Unterhalb des Athene-Tempels entdeckte Häuser.
Nr. 08 Das Weinmagazin unter dem Athene-Tempel.
Nr. 09 Der Thurm von Ilion...
Nr. 10 Die große Ausgrabung auf der NW-Seite.