Fünftes Kapitel. - Arbeiten des dritten Jahres auf Hissarlik, 1873.

Am 14. August stellte ich die Ausgrabungen für das Jahr 1872 ein und nahm dieselben am 1. Februar 1873 in Gemeinschaft mit meiner Frau wieder auf. Neben unsern beiden hölzernen Gebäuden hatten wir im vorhergehenden Herbste noch ein Wohnhaus mit 2 Fuss dicken Mauern für uns errichten lassen, zu dem von mir ausgegrabene Steine von alten trojanischen Bauwerken das Material abgegeben hatten. (Vgl. Abbildung Nr. 9 das Haus rechts; es ist auch in dem Holzschnitte Nr. 10 dargestellt, wo das Gebäude links eine dort hingebrachte frühere hölzerne Baracke ist.) Doch mussten wir dieses Haus jetzt unsern Aufsehern einräumen, die nicht mit warmen Kleidungsstücken und Decken hinreichend versehen waren, und sonst bei der grossen Winterkälte umgekommen sein würden. So hatten meine arme Frau und ich viel zu leiden; denn der scharfe eisige Nordwind, der an Homer’s häufige Erzählung von dem Brausen des Boreas erinnerte, blies so heftig durch die Fugen der Breterwände unsers Hauses, dass wir Abends unsere Lampen nicht einmal anzünden konnten, und dass, trotzdem wir ein Feuer auf dem Herde unterhielten, das Thermometer doch -4° B. zeigte, und Wasser, welches neben dem Herde stand, zu festem Eise gefror. Während des Tages konnten wir die Kälte durch Arbeiten bei den Ausgrabungen einigermassen ertragen, aber Abends hatten wir ausser unserer Begeisterung für das grosse Werk der Entdeckung Trojas1) nichts, was uns erwärmen konnte.

Einmal entgingen wir nur mit genauer Noth dem Verbrennungstode. Die Steine unsers Herdes ruhten unmittelbar auf den Dielen des Fussbodens; war nun der Cement, der die Steine verband, geborsten oder war irgendeine andere Ursache vorhanden, ich weiss es nicht: genug, der Fussboden unsers Zimmers fing Feuer, und als ich zufällig eines Morgens um 3 Uhr erwachte, stand ein etwa 2 m langes und 1 m breites Stück der Dielen in Flammen. Das Zimmer war mit dichtem Rauche angefüllt, und eben hatte das Feuer sich auch schon der nördlichen Wand mitgetheilt; nur wenige Secunden konnte es noch dauern, so musste ein Loch durchgebrannt sein, und dann würde bei dem starken Nordsturm das ganze Haus in weniger als einer Minute in hellen Flammen gestanden haben. Trotz meines Schreckens verlor ich die Geistesgegenwart nicht: ich goss den Inhalt einer Badewanne gegen die brennende Wand und löschte so in einem Augenblick das Feuer auf dieser Seite. Unser lautes Rufen weckte einen Arbeiter, der in dem anstossenden Zimmer schlief, und dieser rief aus dem steinernen Hause die Aufseher zu Hülfe. In grösster Hast brachten sie Hämmer, eiserne Hebel und Spitzhauen herbei; der Fussboden wurde aufgerissen, in Stücke zerhauen, und schliesslich noch Massen feuchter Erde darübergeworfen, denn Wasser hatten wir nicht. Aber da die untere Balkenlage auch an vielen Stellen brannte, verging eine Viertelstunde, bis wir das Feuer bewältigt hatten und alle Gefahr beseitigt war.


In den ersten drei Wochen hatte ich durchschnittlich nur 100 Arbeiter, aber schon am 24. Februar konnten wir diese Zahl auf 158, bald sogar auf 160 Mann vermehren, und dies blieb bis zuletzt die durchschnittliche Zahl unsrer Leute.

Die Ausgrabungen auf dem an der Nordseite gelegenen Felde des Mr. Frank Calvert wurden fleissig fortgesetzt; ausserdem liess ich noch einen zweiten Graben von 421/2 Fuss Breite ziehen; derselbe befand sich ebenfalls an der nördlichen Seite und zwar am östlichen Ende meiner grossen Plattform (siehe Abbildung Nr. 4, links, und auf Plan I die Stelle PP), auf welcher wir den grössten Theil des jetzt ausgegrabenen Schuttes ablagerten, da es zu beschwerlich gewesen wäre, ihn über die Plattform hinüberzukarren. Auch in nordwestlicher Richtung von der Südostecke der alten Stadt liess ich Nachgrabungen anstellen (siehe Durchschnitt III, Z-Z; auch Plan I den Graben Z-Z).

Der Hügel dacht sich an dieser Stelle nur sehr allmählich ab, deshalb musste ich auch den neuen Graben mit einer starken Neigung ausführen; trotzdem aber war es möglich, acht Seitengänge zur Fortschaffung des Schutts anzulegen. Die Erfahrung hatte mir gezeigt, dass das Abbrechen des Erdwalles vermöge der durch Rammen eingetriebenen eisernen Hebel zu viel unserer werthvollen Zeit kostete, und dass es fördernder und zugleich weniger gefährlich für die Arbeiter war, den Erdwall immer unter einem ansteigenden Winkel von 55° zu halten, zu graben, wie es die Gelegenheit gerade erforderte, und den Schutt von unten mit breiten Spitzhauen loszubrechen.

In diesem neuen Graben mussten wir zunächst eine 10 Fuss dicke Mauer durchbrechen, die aus grossen Marmorblöcken, hauptsächlich aber aus korinthischen Säulentrommeln, mit Kalk aneinandergefügt, bestand; danach kam noch die Mauer des Lysimachos, die 10 Fuss dick und aus grossen behauenen Steinen erbaut war. Auch zwei trojanische Mauern mussten durchbrochen werden, von denen die erste 51/4, die zweite aber 10 Fuss stark war; beide bestanden aus Steinen, die mit Lehm zusammengefügt waren (vgl. Durchschnitt IV, Osten Z). In dieser Ausgrabung nun fand ich eine grosse Anzahl grosser irdener Krüge (?????), die eine Höhe von 3 Fuss 4 Zoll bis 6 Fuss 8 Zoll, einen Durchmesser von 2–4 Fuss hatten; daneben eine Menge korinthischer Säulentrommeln und verschiedene andere bearbeitete Marmorblöcke. Ohne Zweifel hatten alle diese Marmorstücke zu dem hellenischen Gebäude gehört, dessen Südmauer ich auf eine Länge von 2851/2 Fuss aufdeckte (vgl. Durchschnitt IV, Z-Z, Mauer U). Dieselbe besteht anfänglich aus kleinen, mit vielem steinharten Cement zusammengefügten Steinen und ruht auf gutbehauenen grossen Kalksteinblöcken, darauf aber nur aus letzterm Mauerwerk. Die Mauer, und demnach auch das ganze Gebäude, hat die Richtung Ostsüdost.

Drei Inschriften, die ich zwischen diesen Ruinen fand2 und deren eine besagt, dass sie in dem ????? – d.h. in dem Tempel – aufgestellt worden sei, lassen es als unzweifelhaft erscheinen, dass dieses Gebäude er Tempel der Ilischen Athene gewesen ist, der ????????? ???; denn nur dieses Heiligthum allein konnte kurzweg ?? ????? genannt werden, da es an Grösse und Bedeutung alle andern Tempel von Novum Ilium weit übertraf.

Die Grundmauern dieses Heiligthums reichten nirgends tiefer als 61/2 Fuss. Der Fussboden, der aus grossen Kalksteinplatten bestand, die auf einer doppelten Schicht von behauenen Blöcken desselben Materials lagen, ist an vielen Stellen nur 1 Fuss, nirgends aber mehr als 31/2 Fuss hoch mit Humus bedeckt. Dieser Umstand erklärt das vollständige Fehlen von guterhaltenen Sculpturen; denn die Sculpturen, die sich in oder auf dem Tempel befunden haben, konnten auf dem Gipfel des Hügels nicht in den Boden einsinken, und blieben deshalb jahrhundertelang an der Oberfläche liegen, bis sie durch religiösen Fanatismus oder rohen Muthwillen zerstört wurden. Hierin haben wir auch die Erklärung für die zahllosen Bruchstücke von Statuen zu suchen, mit denen der ganze Hügel wie besäet ist. Um das eigentliche Troja aufzudecken, musste ich die Ruinen des Tempels der Ilischen Athene opfern, von denen ich nur einige Theile der nördlichen und der südlichen Mauer stehen lassen konnte (siehe Abbildung 5 und 7, sowie auch Durchschnitt IV, Z-Z, Mauer U).

Genau unterhalb der südlichen Mauer des Tempels deckte ich die Ruinen eines kleinen runden Kellers von 31/2 Fuss Durchmesser und ungefähr 21/2 Fuss Höhe auf, der sich unter dem Fundament befand und demnach älter als der Tempel sein musste. Er war aus Kalk und Steinen erbaut, und seine Innenwände, die mit einer Art von Firniss oder Glasur überstrichen waren, hatten ein blankes, glänzendes Aussehen. Dieser Keller war mit Bruchstücken von griechischen Terracotten angefüllt, aus denen es mir jedoch gelang, sechs beinahe unversehrte kleine Vasen herauszufinden.

Unter dem Tempel und in einer Tiefe von 23–26 Fuss unter der Oberfläche fand ich ein Haus mit 8 oder 9 Zimmern (siehe Abbildung Nr. 7). Die Mauern desselben bestehen aus kleinen mit Lehm zusammengefügten Steinen und haben eine Stärke von 192/3-251/2 Zoll. Mehrere von diesen Hausmauern waren 10 Fuss hoch und an einigen von ihnen konnte man noch grosse Ueberreste des gelben oder weissen Thons sehen, mit dem sie bekleidet gewesen. Die Mehrzahl der Zimmer hatte hölzerne Dielung gehabt; nur in einem derselben fand ich den Fussboden aus unbehauenen Kalksteinen bestehend.

Neben dem Hause und auch in den grössern Zimmern desselben lagen zahlreiche Menschenknochen, aber nur zwei ganze Skelette, die Kriegern angehört haben müssen; sie wurden in einer Tiefe von 23 Fuss gefunden, und auf oder neben ihren Köpfen befanden sich noch die Fragmente von Helmen. Leider sind diese Fragmente aber so klein und zerfressen, dass von einem Zusammensetzen der Helme nicht die Rede sein kann; die obern Theile (?????) waren indess wohlerhalten, und ich gebe im Kapitel der dritten, der verbrannten Stadt, eine Abbildung derselben. Mein geehrter Freund Herr Prof. Virchow in Berlin hat die Güte gehabt, Zeichnungen dieser Schädel zu machen, welche ich gleichzeitig mit seiner gelehrten Abhandlung darüber in demselben Kapitel geben werde. Neben dem einen Skelett fand ich eine grosse Lanze, von der ich ebenfalls eine Zeichnung beifüge.

Eine ungeheuere Menge von Thonscherben lag allenthalben in und neben dem Hause. Besondere Erwähnung verdient der Umstand, dass der Grund für den Bau des Athene-Tempels künstlich geebnet worden und ein beträchtlicher Theil des Hügels dazu abgetragen worden ist. Den Beweis hierfür liefern uns die calcinirten Ruinen der verbrannten Stadt, die an dieser Stelle unmittelbar unter dem Fundament des Tempels liegen, während anderswo zwei gesonderte Trümmerschichten von 16 Fuss Tiefe sich zwischen der hellenischen und der verbrannten Stadt hinziehen.

An der östlichen Seite des Hauses stand ein Opferaltar von sehr primitiver Art; derselbe ist nach Nordwest zu West gerichtet und besteht aus einer 51/4 Fuss langen und 51/2 Fuss breiten Gneissplatte.

Der obere Theil des Steins zeigt einen halbmondförmigen Ausschnitt, auf dem wahrscheinlich das Opferthier getödtet wurde. Etwa 4 Fuss unterhalb des Opferaltars fand ich eine aus grünen Schieferplatten zusammengesetzte Rinne, die wol für den Abfluss des Blutes bestimmt gewesen ist. Der Altar stand auf einem Unterbau von sehr schwach gebrannten Ziegeln und war jetzt bis zu 10 Fuss Höhe von einer ungeheuern Masse ähnlicher Backsteine umgeben, die mit Holzasche untermischt waren. Sowol der Opferaltar als auch sein Unterbau waren mit einer weissen Thonkruste überzogen, die auf dem Piedestal fast einen Zoll dick war.

Unter dem Niveau des Opferaltars und des obenerwähnten prähistorischen Hauses stiess ich auf Befestigungswälle (siehe Plan I, Südseite, an den beiden mit f und h bezeichneten Punkten) und auf sehr alte Häuser (siehe Abbildung 7, links unter dem überhängenden Marmorblock), deren Mauern noch theilweise mit einem Ueberzug von Thon und weisser Farbe bedeckt waren; sie alle trugen Spuren der schrecklichsten Feuersbrunst, die den ganzen Inhalt der Zimmer so vollständig zerstört hatte, dass wir nur selten calcinirte Thonscherben in der rothen und gelben Holzasche vorfanden, welche alle Räume anfüllte. Seltsam genug ist es, dass wir unter diesen sehr alten Häusern andere Hausmauern finden, die sicherlich noch älter sein müssen, und dass auch diese, wie unverkennbare Spuren beweisen, einmal einer gewaltigen Glut ausgesetzt waren.

In der That steht das Labyrinth von uralten Hausmauern, die übereinandergebaut und tief unter dem von Lysimachos errichteten Athene-Tempel gefunden worden sind, einzig in seiner Art da und bietet dem Archäologen ein reiches Feld für seine Forschungen. Was mir aber als das Unerklärlichste an diesem Mauerlabyrinth erscheint, das ist eine der obenerwähnten Befestigungsmauern, die, 113/4 Fuss hoch, von W.N.W. nach O.S.O. durch das Ganze sich hinzieht. Sie ist ebenfalls aus kleinen mit Lehm zusammengefügten Steinen erbaut und hat an ihrem obern Theil eine Breite von 6, am Grunde aber von 12 Fuss. Sie steht nicht unmittelbar auf dem Felsboden, sondern ist erst gebaut worden, nachdem der Felsen sich allmählich mit einer 13/4 Fuss tiefen Erdschicht bedeckt hatte. Mit diesem Befestigungswalle parallel laufend, in derselben Tiefe und nur 21/2 Fuss von ihm entfernt, zieht sich eine 2 Fuss hohe Mauer hin, die auch aus mit Lehm verbundenen Steinen erbaut ist. (Vgl. Plan I, auf der Südseite auf den mit f, h bezeichneten Stellen.)

Das tiefste Zimmer, das ich ausgegraben habe, ist 10 Fuss hoch und 111/4 Fuss breit; vielleicht ist es ursprünglich noch höher gewesen: seine Längenausdehnung konnte ich nicht feststellen. Eins der Gemächer in den obersten, unter dem Athene-Tempel belegenen und der dritten, der verbrannten Stadt angehörenden Häusern scheint als Keller eines Weinhändlers oder als Magazin gedient zu haben; denn in ihm befinden sich neun ungeheuere irdene Krüge3 (?????) von verschiedener Form, von 53/4 Fuss Höhe, 43/4 Fuss Durchmesser und mit Mündungen von 291/3–351/4 Zoll Weite. Jeder Krug hat vier 33/4 Zoll breite Griffe; seine Wandungen aber haben eine Stärke von nicht weniger als 21/4 Zoll. Südwärts von diesen Krügen fand ich eine 26 Fuss lange, 10 Fuss hohe Festungsmauer; sie bestand aus an der Sonne getrockneten Ziegeln, welche durch die Feuersbrunst durch und durch gebrannt, dennoch aber sehr zerbrechlich waren.

Um Mitte März liess ich dicht neben meinem hölzernen Hause westlich vom Grossen Thurme eine grosse Ausgrabung anfangen (siehe Abbildung 9 links). Dabei fand ich dicht unter der Oberfläche die Ruinen eines umfangreichen Hauses aus der griechischen Periode, das bis zu einer Tiefe von 61/2 Fuss hinabreichte. Es muss einem vornehmen Manne, vielleicht einem Oberpriester gehört haben; denn die Fussböden der Zimmer bestanden aus grossen, rothen, herrlich polirten Steinplatten. Unter diesem griechischen Hause fand ich wie gewöhnlich eine Schicht von Schutt mit nur wenigen Steinen, dann eine Anzahl von Häusermauern, die aus kleinen mit Lehm verbundenen Steinen bestanden, und unter diesen wieder ungeheuere Massen leichtgebrannter und zum Theil verglaster Mauersteine. Endlich deckte ich etwa 30 Fuss unter der Oberfläche eine Strasse von 171/4 Fuss Breite auf, die mit 41/4–5 Fuss langen und 35 Zoll bis 41/2 Fuss breiten Steinplatten gepflastert ist und in südwestlicher Richtung ziemlich steil zur Ebene hinabführt (siehe Abbildung 9, 10 u. 13 und Plan I, a.) Die Neigung der Strasse ist so bedeutend, dass, während sie an der Nordseite, soweit sie dort eben aufgedeckt ist, nur 30 Fuss unter der Oberfläche des Hügels liegt, sie schon in einer Entfernung von 33 Fuss nicht weniger als 37 Fuss tief hinabreicht.

Diese schöngepflasterte Strasse liess mich darauf schliessen, dass vor Zeiten ein grossartiges Gebäude an ihrem obern Ende und zwar in geringer Entfernung an der Nordostseite gestanden haben müsse. So stellte ich denn unverzüglich 100 Mann an, die den nach Nordosten davorliegenden Erdboden abgraben mussten. Ich fand die Strasse 7–10 Fuss hoch mit gelber, rother oder schwarzer Holzasche bedeckt, die mit völlig gebrannten und oft theilweise verglasten mehr oder weniger zertrümmerten Ziegeln und Steinen untermischt war. Ueber dieser dicken Schuttschicht fand ich die Ruinen eines grossen Gebäudes aus mit Lehm zusammengefügten Steinen, von dem ich nur so viel abbrach, als zur Freilegung der Strasse und ihrer Brustwehren nöthig war (siehe Abbildung Nr. 10). Indem wir so in nordöstlicher Richtung vordrangen, deckten wir zwei grosse, 20 Fuss voneinander stehende Thore auf, in deren jedem sich ein langer kupferner Riegel befand, der ohne Zweifel dazu gedient hatte, die hölzernen Thorflügel zu schliessen. Ich gebe unter Nr. 11 und Nr. 12 Zeichnungen der Riegel. Die erste Pforte ist 121/4 Fuss breit und wird durch zwei Vorsprünge der Seitenmauer gebildet, von denen der eine 21/2, der andere aber 23/4 Fuss weit vortritt; beide haben eine Höhe von 31/4 eine Breite von 33/4 Fuss. Das Pflaster von grossen Steinplatten endet am ersten Thor. Von dort bis zum zweiten Thor, auf eine Strecke von 20 Fuss, hat die Strasse ein schlechtes unebenes Pflaster von grossen unbehauenen Steinen. (Siehe Abbildung 10 und 13, und den Plan I, a.) Die Unebenheit des Pflasters ist wahrscheinlich durch den Einsturz der Mauern des Grossen Thurmes verursacht worden, der einst die Thore überragt haben muss, und von dessen ehemaligem Vorhandensein die 7–10 Fuss hohe calcinirte Schuttschicht, welche die ganze Strasse bedeckte, ein deutliches Zeugniss ablegt; dass derselbe zum grossen Theil aus Holz bestanden hat, wird nicht nur durch die Masse von Holzasche, sondern auch durch den Umstand bewiesen, dass die grossen rothen Steinplatten der Strasse, die noch gut erhalten und fest aussahen, als sie aufgedeckt wurden, bei Berührung mit der Luft bald zerbröckelten, woraus man schliessen muss, dass sie einmal einer starken Glühhitze ausgesetzt gewesen sind. – Das zweite Thor wird ebenfalls von zwei Mauervorsprüngen gebildet, die 2 Fuss hoch, etwas mehr als 3 Fuss breit sind, und ungefähr 21/2 Fuss weit vortreten.

Ich deckte die Strasse bis etwa 5 Fuss nach Nordosten über das zweite Thor hinaus auf; weiter vorzugehen wagte ich jedoch nicht, da dies nur ausführbar gewesen wäre, wenn man mehr von den Mauern des grossen Gebäudes niedergerissen hätte, welches auf der die ganze Strasse 7–10 Fuss hoch bedeckenden Schuttmasse stand. Natürlich stammt dieses Haus aus einer spätern Zeit als das Doppelthor; trotzdem aber schien es mir in archäologischer Beziehung besonders interessant, und zwar um so mehr, als unter ihm sich die Ruinen eines weitläufigen und noch ältern Gebäudes befanden, die sich links und rechts von dem Thore hinzogen. Dieses letztere Gebäude steht auf gleichem Niveau mit dem Doppelthore, und da das eine, nach Nordwesten belegene, das grösste Bauwerk in der verbrannten Stadt (der dritten nach dem Urboden) gewesen zu sein scheint, so hielt ich dasselbe für das Haus des letzten Oberhauptes oder Königs der alten Stadt; und die Richtigkeit dieser meiner Annahme scheint durch die Menge von grössern und kleinern Schätzen, die ich späterhin in und neben dem Hause auffand, bestätigt zu werden. Dass das neuere Haus erst erbaut worden ist, als die Ruinen des ältern mit Asche und calcinirtem Schutt vollständig bedeckt waren, geht aus dem Umstande hervor, dass die neuern Mauern in beliebiger Richtung über den ältern hinliefen, nie unmittelbar auf diesen standen und oft durch eine 61/2–10 Fuss starke Schicht calcinirten Schuttes von ihnen getrennt waren. Die zerstörten Mauern des untern sowol als auch die des obern Hauses sind aus mit Lehm zusammengefügten Steinen gebaut; doch ist das Mauerwerk des untern Gebäudes beträchtlich stärker und fester gebaut als das des obern. Natürlich kann das neuere Haus nur erst erbaut worden sein, als die Strasse schon unter den Trümmern der ältern Bauwerke 7–10 Fuss tief verschüttet lag.

Diese und ähnliche Erwägungen liessen es mir wünschenswerth erscheinen, soviel als möglich von dem alten und dem neuern Gebäude zu conserviren, zumal da ich fürchtete, dass man meinen Angaben vielleicht keinen Glauben schenken würde. So liess ich denn, nachdem ich die beiden Thore freigelegt hatte, die Ruinen beider Gebäude unversehrt an ihrem Platze und deckte nur diejenigen Gemächer des alten Hauses auf, die ohne Beschädigung des obern Gebäudes ausgegraben werden konnten. Die Holzschnitte 9, 10 und 13 stellen diese aufeinander ruhenden Gebäude dar, so wie sie damals aussahen. Eine grosse Menge von höchst merkwürdigen Thongefässen, deren Beschreibung der Leser weiter unten finden wird, wurde in diesen Gemächern entdeckt.

Die strenge Kälte hielt nicht lange an, und wir hatten danach herrliches Wetter. Die Nächte blieben freilich bis zur zweiten Hälfte des März noch kalt, und das Thermometer fiel nicht selten gegen Morgen auf den Gefrierpunkt; dafür begann am Tage die Sonnenhitze schon lästig zu werden; oft zeigte das Thermometer mittags im Schatten 18° R. Von den ersten Tagen des März an ertönte aus den umliegenden Sümpfen das unaufhörliche Gequake von Millionen von Fröschen, und in der zweiten Woche des März kehrten die Störche zurück. Zu den vielen Unannehmlichkeiten unsers Aufenthaltes in jener wüsten Gegend gehörte auch das hässliche Geschrei der zahllosen Eulen, die in den Löchern unserer Grubenwände nisteten; ihr unheimliches, wildes Kreischen war zumal bei Nacht unerträglich.

Bis zum Anfang Mai 1873 hatte ich immer angenommen, dass der Hügel von Hissarlik, in dem ich meine Ausgrabungen vornahm, nur die Stätte der trojanischen Pergamos bezeichnete; ist es doch Thatsache, dass Hissarlik die Akropolis von Novum Ilium4) gewesen ist. So nahm ich denn auch an, dass Troja grösser, oder wenigstens ebenso gross gewesen sein müsse wie die spätere Stadt5); es war mir aber von grosser Wichtigkeit, die genauen Grenzen der homerischen Stadt feststellen zu können, und so liess ich auf der West-, Südwest-, Südsüdost- und Ostseite von Hissarlik, unmittelbar an seinem Fusse, sowie auch in einiger Entfernung davon, auf dem Plateau des Ilion der Griechencolonie, nicht weniger als zwanzig bis auf den Felsen reichende Schachte abteufen. Da ich nun in allen diesen Schachten nur Bruchstücke hellenischer Thongefässe und hellenischen Mauerwerks, nirgends aber eine Spur von prähistorischen Thongeräthen oder Mauern vorfand, und da überdies der Hügel von Hissarlik nach Norden, Nordosten und Nordwesten, d.h. nach dem Hellespont hin, sehr steil abfällt, auch nach Westen gegen die Ebene einen ziemlich steilen Abhang bildet, konnte die alte Stadt sich nicht wohl in einer dieser Richtungen über den Hügel hinaus erstreckt haben. So scheint es denn unzweifelhaft, dass die alte verbrannte Stadt auf keiner Seite über das ursprüngliche Plateau dieser Citadelle hinausgereicht hat, deren Umfang nach Süden und Südwesten durch den Grossen Thurm und das Doppelthor, gegen Nordwesten, Nordosten und Osten durch die grosse Mauer bezeichnet wird.

Auf dem Plane des hellenischen Ilion (Plan Nr. II) findet der Leser die 20 Schachte, die ich rings ausserhalb des Hügels abteufte, durch die Buchstaben A bis U genau bezeichnet; auch die Tiefe, in der jeder von ihnen den Felsen erreichte, ist angegeben; von den sieben tiefsten Schachten aber sind Durchschnittszeichnungen gegeben. Ich mache daher ganz besonders auf diesen Plan aufmerksam. Sehr bemerkenswerth waren die Gräber, auf die ich in den Schachten D, O und R stiess, und die auf dem Plane von Novum Ilium verzeichnet sind. Die drei Gräber waren in den Felsen eingehauen und mit flachen Platten bedeckt; jedes von ihnen enthielt einen Leichnam; doch waren diese Ueberreste in einem solchen Zustande der Auflösung, dass die Schädel in Staub zerfielen, als sie mit der Luft in Berührung kamen. Augenscheinlich waren es arme Einwohner von Novum Ilium gewesen, die in diesen Gräbern bestattet waren; denn die wenigen Thongefässe, die wir darin vorfanden, waren von geringer Qualität und gehörten augenscheinlich der römischen Zeit an. Aber die Thatsache, dass ich in drei von 20 Schachten, die ich aufs gerathewohl auf der Stätte von Novum Ilium grub, Gräber fand, scheint anzuzeigen, dass die Bewohner von Novum Ilium wenn auch nicht alle, so doch viele ihrer Todten innerhalb ihrer Stadt zu begraben pflegten. Daneben freilich muss auch die Verbrennung der Leichen bei ihnen in Anwendung gewesen sein; denn in dem ersten Graben, den ich im April 1870 in Hissarlik öffnete, hatte ich eine der römischen Periode entstammende Urne gefunden, die mit Asche von animalischen Stoffen und kleinen Ueberresten calcinirter, augenscheinlich menschlicher Knochen, angefüllt war. Ausser dieser einen habe ich freilich keine andere Aschenurne in den Schichten von Novum Ilium gefunden; doch ist dies wohl begreiflich, wenn man bedenkt, dass meine Ausgrabungen sich nur auf Hissarlik beschränkten, das noch nicht den 25. Theil der Grundfläche jener Stadt einnimmt (Plan II); sowie auch, dass Hissarlik die Akropolis von Novum Ilium gewesen ist, in der die Haupttempel sich befanden, und dass sie deshalb wahrscheinlich als geheiligter Boden betrachtet wurde, auf dem nicht begraben werden durfte. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass man bei systematisch ausgeführten Nachgrabungen auf dem Terrain der untern Stadt sehr viele Gräber und Aschenurnen finden würde.

Was die Einwohner der fünf prähistorischen Städte von Hissarlik anbetrifft, so scheint bei ihnen die Verbrennung der Todten allgemeiner Gebrauch gewesen zu sein; im Jahre 1872 fand ich zwei dreifüssige Urnen mit verbrannten menschlichen Ueberresten auf dem Urboden der ersten Stadt; in den Jahren 1871, 1872 und 1873 aber förderte ich aus der dritten und vierten Stadt eine bedeutende Anzahl grosser Leichenurnen zu Tage, die menschliche Aschenüberreste, aber keine Knochen enthielten; nur einmal fand ich in einer derselben einen Zahn, ein anderes mal einen Schädel in der Asche vor, der bis auf das Fehlen des Unterkiefers vollständig gut erhalten war; eine bronzene Tuch- oder Haarnadel die dabeilag, liess mich darauf schliessen, dass er einer Frau angehört hatte. Herr Prof. Virchow hat die Güte gehabt, geometrische Zeichnungen dieses Schädels zu machen, welche ich zusammen mit seiner Abhandlung darüber und über die andern Schädel in dem Kapitel der dritten, der verbrannten Stadt, geben werde. Es ist wahr, dass fast alle in den vorhistorischen Ruinen von Hissarlik aufgefundenen Thongefässe zerbrochen sind, dass unter 20 grössern Gefässen kaum eins vorkommt, das nicht in Scherben wäre; in den beiden ersten Städten zumal sind sämmtliche Thonwaaren durch das Gewicht der grossen Bausteine der zweiten Stadt zu Scherben zerdrückt worden – und doch, wenn selbst alle jemals in Hissarlik eingesetzten Aschenurnen ganz erhalten wären, würden es, trotz der Masse von vorhandenen Scherben, kaum tausend Stück gewesen sein. Hieraus ist ersichtlich, dass die Einwohner der fünf vorhistorischen Städte von Hissarlik nur eine kleine Zahl von Aschenurnen in der Stadt selbst einsetzten, und dass wir die eigentliche Nekropole an einer andern Stelle suchen müssen.

Während ich diese wichtigen Ausgrabungen vornehmen liess, musste ich die Gräben auf der Nordseite vernachlässigen und konnte nur ausnahmsweise, wenn an den andern Stellen gerade einmal Arbeiter entbehrlich waren, hier graben lassen. Doch aber deckte ich dabei die Fortsetzung der grossen Mauer auf, die ich in Uebereinstimmung mit Professor Sayce als zu der zweiten steinernen Stadt gehörig betrachte. (Siehe Durchschnitt III, X, V.)

Um auch die Befestigungswerke auf der West- und Nordwestseite der alten Stadt erforschen zu können, liess ich im Anfang Mai 1873 auf der Nordwestseite des Hügels, und zwar genau an derselben Stelle, wo ich im April 1870 den ersten Graben gemacht hatte, einen Graben von 33 Fuss Breite und 141 Fuss Länge in Angriff nehmen. (Siehe Abbildung 10 links, zwischen der steilen Wand und dem stehenden Manne, auch Durchschnitt IV, Z’ West und Plan I unter Z’.) Zuerst musste hierbei eine hellenische Umfassungsmauer, wahrscheinlich die von Lysimachos erbaute, von der Plutarch erzählt6), durchbrochen werden (dieselbe ist 13 Fuss hoch, 10 Fuss stark und besteht aus grossen behauenen Kalksteinblöcken), danach noch eine ältere, 83/4 Fuss hohe, 6 Fuss dicke Mauer aus grossen mit Lehm verbundenen Blöcken. Diese zweite Mauer stiess unmittelbar an jene andere grosse Mauer, die ich im April 1870 hier aufgedeckt hatte, und beide bilden zwei Seiten eines viereckigen hellenischen Thurmes, von dem ich späterhin noch eine dritte Mauer durchbrechen musste.

Dieser ganze Theil des Hügels ist vor Alters augenscheinlich viel niedriger gewesen, was nicht nur durch die Umfassungsmauer, die ja einmal die Oberfläche des Hügels bedeutend überragt haben muss, jetzt aber 161/2 Fuss hoch mit Schutt überdeckt ist, sondern auch durch die Ueberreste aus der hellenischen Periode bewiesen wird, die hier bis zu beträchtlicher Tiefe hinabreichen. Es hat in der That den Anschein, als ob jahrhundertelang aller Schutt und Abfall der Wohnstätten hier hinabgeworfen worden sei, um den Boden zu erhöhen.

Um die grossen Ausgrabungen auf der Nordwestseite des Hügels möglichst zu beschleunigen, liess ich auch von der Westseite aus einen tiefen Einschnitt machen (siehe auf dem Plan I den Graben R-R westlich vom Thore), mit welchem ich unglücklicherweise in schräger Richtung auf die hier ebenfalls 13 Fuss hohe und 10 Fuss starke Umfassungsmauer des Lysimachos traf; so musste ich, um mir einen Durchgang zu bahnen, die doppelte Quantität von Steinen wegbrechen. Aber wieder stiess ich dann auf die Ruinen grosser Gebäude aus der hellenischen und vorhellenischen Periode, sodass die Ausgrabung nur langsam fortschreiten konnte. In einer Entfernung von 69 Fuss von dem Abhange des Hügels und in einer Tiefe von 20 Fuss traf ich auf eine alte Umfriedigungsmauer von 5 Fuss Höhe, die mit vortretenden Zinnen versehen war, und, nach ihrer verhältnissmässig modernen Bauart und geringen Höhe zu schliessen, einer nachtrojanischen Periode angehören muss. Dahinter fand ich einen ebenen, zum Theil mit grossen Steinplatten, zum Theil aber auch mit mehr oder weniger behauenen Steinen gepflasterten Platz und hinter diesem wieder eine 20 Fuss hohe, 5 Fuss starke Befestigungsmauer aus grossen Steinen und Lehm, die unter mei nem hölzernen Hause, aber 61/2 Fuss über der von dem Thore ausgehenden trojanischen Umfassungsmauer hinlief. (Siehe Plan I, Punkt b, nordwestlich vom Thore.) Während wir an dieser Umfassungsmauer vordrangen und immer mehr von ihr aufdeckten, traf ich dicht neben dem alten Hause, etwas nordwestlich von dem Thore, auf einen grossen kupfernen Gegenstand von sehr merkwürdiger Form, der sogleich meine ganze Aufmerksamkeit um so mehr auf sich zog, als ich glaubte, Gold dahinter schimmern zu sehen. (Die Stelle dieses Fundes ist auf dem Plane I mit ? bezeichnet.) Auf dem Kupfergeräte aber lag eine steinharte 43/4–51/4 Fuss starke Schicht röthlicher und brauner calcinirter Trümmer, und über dieser wieder zog sich die obenerwähnte 5 Fuss dicke und 20 Fuss hohe Befestigungsmauer hin, die kurz nach der Zerstörung Trojas errichtet sein muss. Wollte ich den werthvollen Fund für die Alterthumswissenschaft retten, so war es zunächst geboten, ihn mit grösster Eile und Vorsicht vor der Habgier meiner Arbeiter in Sicherheit zu bringen; deshalb liess ich denn, obgleich es noch nicht die Zeit der Frühstückspause war, unverzüglich zum Païdos rufen. Dieses in die türkische Sprache übergegangene Wort von unbekannter Abstammung wird hier allgemein für ????????? oder Ruhezeit gebraucht. Während nun meine Leute durch Ausruhen und Essen in Anspruch genommen waren, löste ich den Schatz mit einem grossen Messer aus seiner steinharten Umgebung, ein Unternehmen das die grösste Anstrengung erforderte und zugleich im höchsten Maasse lebensgefährlich war, denn die grosse Befestigungsmauer, unter welcher ich graben musste, drohte jeden Augenblick auf mich herabzustürzen Aber der Anblick so zahlreicher Gegenstände, deren jeder einzelne für die Archäologie von unschätzbarem Werthe sein musste, machte mich tollkühn und liess mich an die Gefahr gar nicht denken. Doch würde trotzdem die Fortschaffung des Schatzes mir nicht geglückt sein, wenn nicht meine Gattin mir dabei behülflich gewesen wäre; sie stand, während ich arbeitete, neben mir, immer bereit, die von mir ausgegrabenen Gegenstände in ihren Shawl zu packen und fortzutragen.

Eine nach der Reihenfolge ihrer Auffindung geordnete Beschreibung der einzelnen Bestandteile des Schatzes wird der Leser an der geeigneten Stelle im weitern Verlaufe des Buches finden. Einstweilen gebe ich hier eine allgemeine Uebersicht des Ganzen. (Siehe Abbildung 14.)

Da alle diese Gegenstände, zum Theil die kleinern in die grössern gepackt, eine rechteckige Masse bildend, dicht beieinanderlagen, so erscheint es gewiss, dass sie in einem hölzernen Kasten auf die Mauer der Stadt gestellt worden waren. Die Auffindung eines kupfernen Schlüssels neben den andern Gegenständen schien meine Vermuthung noch zu bestätigen. Es ist daher möglich, dass jemand den Schatz in den Kasten gepackt, in der Eile der Flucht den Schlüssel nicht abgezogen, und den Kasten fortgeschleppt hat; und dass er dann, auf der Mauer von der Waffe eines Feindes oder vom Feuer erreicht, ihn hat zurücklassen müssen, der in wenigen Augenblicken schon 5 Fuss tief unter der Asche und den herabstürzenden Steinen des grossen angrenzenden Hauses begraben wurde.

Vielleicht mochten die Gegenstände, die wir wenige Tage zuvor unweit der Fundstelle des Schatzes in einem Gemache des Hauses des Stadtoberhauptes entdeckt hatten, demselben unglücklichen Flüchtling angehört haben. Es waren dies ein zertrümmerter Helm, eine silberne Vase und ein Becher aus Elektron, die ich ebenfalls weiter unten in dem Kapitel der verbrannten Stadt ausführlich beschreiben werde.7

Auf der dicken Schuttschicht, womit der Schatz bedeckt war, errichteten die Erbauer der neuen Stadt die erwähnte Befestigungsmauer aus grossen, theils behauenen, theils unbehauenen Steinen und Lehm; dieselbe reicht hinauf bis 31/4 Fuss unterhalb der Oberfläche des Hügels.

Dass der Schatz in äusserster Gefahr zusammengepackt worden sein muss, scheint unter anderm auch durch den Inhalt der grössten Silbervase bewiesen zu werden, der aus beinahe 9000 verschiedenartigen kleinen Goldsachen besteht. Die Beschreibung derselben folgt weiter unten.

Zum Glück hat der Retter des Schatzes Geistesgegenwart genug gehabt, um die Silbervase, welche die kostbaren Stücke enthielt, aufrecht in den Kasten zu stellen, sodass nichts herausfallen konnte und das Ganze unversehrt geblieben ist.

In der Hoffnung, hier noch mehr Schätze zu finden, liess ich die obere Mauer niederreissen und auch den ungeheuern Trümmerblock abbrechen, der zwischen meinen westlichen und nordwestlichen Gräben und den grossen massiven Mauern lag, die ich als „Thurm“ zu bezeichnen pflegte. Um aber dies bewerkstelligen zu können, musste ich das grössere meiner hölzernen Häuser niederreissen und danach noch durch eine Ueberbrückung der beiden Thore die Fortschaffung de Abraummassen erleichtern lassen. Die Arbeiten förderten zahlreiche interessante Altherthümer zu Tage, von denen ich als besonders bemerkenswerth nur drei Silberschalen (??????) erwähne, die 1 Fuss 9 Zoll unterhalb der Fundstelle des Schatzes gefunden wurden; zwei derselben waren durch die Spitzhaue des Arbeiters zerbrochen worden, die dritte ist unversehrt geblieben. Dass der grosse Schatz selber allen Verletzungen durch die Werkzeuge der Arbeiter so glücklich entgangen, ist allein jenem Kupfergeräth zu danken, das, weit vortretend, einen solchen Schutz für die andern Gegenstände bildete, dass ich sie vermittelst eines Messers aus den harten Trümmern losbrechen konnte.

Jetzt sah ich wohl ein, dass der im April 1870 von mir begonnene Graben genau in der rechten Richtung angelegt war (siehe Abbildung 10 den Graben zwischen der steilen Wand und dem stehenden Manne), und dass, wenn ich denselben fortgeführt hätte, ich im Verlaufe weniger Wochen schon damals die merkwürdigsten Gebäude Trojas hätte aufdecken können, während ich sie, infolge des Aufgebens jenes Werkes, nun erst durch die kolossalsten Grabungen und die Durchschneidung des ganzen Hügels von Osten nach Westen und von Norden nach Süden aufgefunden hatte.

Am 17. Juni schlossen wir unsere Ausgrabungsarbeiten für das Jahr 1873.

Im December des nämlichen Jahres confiscirte die türkische Polizeibehörde von Kum Kaleh bei zweien meiner Arbeiter eine Menge goldener Schmuckgegenstände, die sie im März, als sie in den Gräben von Hissarlik für mich gearbeitet, an drei verschiedenen Stellen in einer Tiefe von fast 30 Fuss unter der Oberfläche des Berges gefunden hatten. Der grösste Theil derselben war in einer Vase mit Eulenkopf, deren Bild ich im Kapitel der dritten, der verbrannten Stadt gebe, enthalten gewesen. Leider aber hatte der eine der Arbeiter Zeit gehabt, seinen Antheil von dem Goldschmied in Ren Kioi umschmelzen und daraus Schmucksachen nach der jetzigen Mode verfertigen zu lassen. Alle diese Schmuckstücke, die trojanischen und die umgeschmolzenen und neu angefertigten, befinden sich jetzt in dem kaiserlichen Museum zu Konstantinopel. Aus der weiter unten folgenden Abbildung und Beschreibung des unversehrt gebliebenen Theils wird ersichtlich sein, dass die einzelnen Gegenstände fast alle denselben Typus zeigen wie die des von mir entdeckten grossen Schatzes; einen Typus nämlich, den man sonst noch nirgends gefunden hat.

Im Anfange des Jahres 1874 veröffentlichte ich bei F.A. Brockhaus in Leipzig unter dem Titel „Trojanische Alterthümer“ einen Bericht über meine Ausgrabungen und Entdeckungen in Troja, von dem gleichzeitig eine französische Uebersetzung von Alexander Rizos Rangabé, griechischem Gesandten in Berlin, erschien. Beiden Ausgaben war ein Atlas mit 218 photographischen Abbildungen beigefügt. Die englische Uebersetzung des Buches von Miss Dora Schmitz wurde durch Mr. Philip Smith herausgegeben und erschien im November 1874 unter dem Titel „Troy and its Remains“ im Verlage von John Murray in London.




Fußnoten

1) Der Bequemlichkeit wegen werde ich im Verlaufe dieses Werkes den Namen „Troja“ anwenden und mit demselben besonders die „verbrannte Stadt“, die dritte oberhalb des Urbodens, bezeichnen – wenn auch der Name, den die Gelehrten ihr beilegen werden, schliesslich ein ganz anderer sein sollte.

2) Ich werde diese drei Inschriften in dem Kapitel von Novum Ilium geben.

3) Vergl. die Abbildung 8, auf der sechs von den Krügen dargestellt sind; der siebente, zerbrochene, befindet sich weiter rechts, ausserhalb des Grabens. Die beiden grössten aber sind nicht sichtbar; sie befinden sich auf der entgegengesetzten Seite der Magazinwand.

4) Ungern nur gebe ich dem spätern Ilium, welches von allen classischen Schriftstellern schlechthin Ilion genannt wird, das Epitheton Novum; denn diese Stadt hat mindestens 1200 Jahre gestanden, und die Stelle, auf der sie sich befand, ist jetzt wol schon seit 1400 Jahren eine Wüste; da sie aber von Strabo ????? genannt und ihr seit fast einem Jahrhundert das Epitheton Novum allgemein beigelegt wird, so füge ich mich, um Misverständnisse zu vermeiden, in die Nothwendigkeit.

5) Vgl. Plan Nr. II.

6) Alexander.

7) Nachdem ich in den Jahren 1878 und 1879 nur wenige Ellen von diesem Fundorte entfernt noch vier andere Schätze gefunden habe, die augenscheinlich aus einem obern Stockwerk in dem Hause des Stadtoberhauptes hinabgefallen waren, möchte ich jetzt auch in Bezug auf den grossen Schatz eher annehmen, dass dieser auf dieselbe Art unter die Trümmerschicht gekommen ist.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ilios Stadt und Land der Trojaner.