Erster Abschnitt. - Von der Geburt 1822 in Neu-Buckow in Mecklenburg bis zum Ende der Schulzeit 1836.

Wenn ich dieses Werk mit einer Geschichte des eignen Lebens beginne, so ist es nicht Eitelkeit, die dazu mich veranlasst, wol aber der Wunsch, klar darzulegen, dass die ganze Arbeit meines spätern Lebens durch die Eindrücke meiner frühesten Kindheit bestimmt worden, ja, dass sie die nothwendige Folge derselben gewesen ist; wurden doch, sozusagen, Hacke und Schaufel für die Ausgrabung Trojas und der Königsgräber von Mykenae schon in dem kleinen deutschen Dorfe geschmiedet und geschärft, in dem ich acht Jahre meiner ersten Jugend verbrachte. So erscheint es mir auch nicht überflüssig, hier zu erzählen, wie ich allmählich in den Besitz der Mittel gelangt bin, vermöge deren ich im Herbste des Lebens die grossen Pläne ausführen konnte, die ich als armer kleiner Knabe entworfen hatte. Wol darf ich hoffen, dass die Art und Weise, in der ich meine Zeit und meine Mittel verwendet habe, allgemeine Anerkennung finden, und dass für alle Zukunft auch die Geschichte meines Lebens etwas dazu beitragen wird, unter dem gebildeten Publikum aller Nationen die Freude an jenen grossen und schönen Bestrebungen zu verbreiten, die, wie sie mich während so mancher harten Prüfungen aufrecht erhalten haben, mir auch den Rest meiner Tage noch erheitern sollen.

Ich wurde am 6. Januar 1822 in dem Städtchen Neu-Buckow in Mecklenburg-Schwerin geboren, wo mein Vater, Ernst Schliemann1), protestantischer Prediger war und von wo er im Jahre 1823 in derselben Eigenschaft an die Pfarre von Ankershagen, einem in demselben Grossherzogthum zwischen Waren und Penzlin belegenen Dorfe, berufen wurde. In diesem Dorfe verbrachte ich die acht folgenden Jahre meines Lebens, und die in meiner Natur begründete Neigung für alles Geheimnissvolle und Wunderbare wurde durch die Wunder, welche jener Ort enthielt, zu einer wahren Leidenschaft entflammt. In unserm Gartenhause sollte der Geist von meines Vaters Vorgänger, dem Pastor von Russdorf, „umgehen“; und dicht hinter unserm Garten befand sich ein kleiner Teich, das sogenannte „Silberschälchen“, dem um Mitternacht eine gespenstische Jungfrau, die eine silberne Schale trug, entsteigen sollte. Ausserdem hatte das Dorf einen kleinen von einem Graben umzogenen Hügel aufzuweisen, wahrscheinlich ein Grab aus heidnischer Vorzeit, ein sogenanntes Hünengrab2), in dem der Sage nach ein alter Raubritter sein Lieblingskind in einer goldenen Wiege begraben hatte. Ungeheure Schätze aber sollten neben den Ruinen eines alten runden Thurmes in dem Garten des Gutseigenthümers verborgen liegen; mein Glaube an das Vorhandensein aller dieser Schätze war so fest, dass ich jedesmal, wenn ich meinen Vater über seine Geldverlegenheiten klagen hörte, verwundert fragte, weshalb er denn nicht die silberne Schale oder die goldene Wiege ausgraben und sich dadurch reich machen wollte? Auch ein altes mittelalterliches Schloss befand sich in Ankershagen, mit geheimen Gängen in seinen sechs Fuss starken Mauern und einem unterirdischen Wege, der eine starke deutsche Meile lang sein und unter dem tiefen See bei Speck durchführen sollte; es hiess, furchtbare Gespenster gingen da um, und alle Dorfleute sprachen nur mit Zittern von diesen Schrecknissen.3) Einer alten Sage nach war das Schloss einst von einem Raubritter, Namens Henning von Holstein, bewohnt worden, der, im Volke „Henning Bradenkirl“ genannt, weit und breit im Lande gefürchtet wurde, da er, wo er nur konnte, zu rauben und zu plündern pflegte. So verdross es ihn denn auch nicht wenig, dass der Herzog von Mecklenburg manchen Kaufmann, der an seinem Schlosse vorbeiziehen musste, durch einen Geleitsbrief gegen seine Vergewaltigungen schützte, und um dafür an dem Herzog Rache nehmen zu können, lud er ihn einst mit heuchlerischer Demuth auf sein Schloss zu Gaste. Der Herzog nahm die Einladung an und machte sich an dem bestimmten Tage mit einem grossen Gefolge auf den Weg. Des Ritters Kuhhirte jedoch, der von seines Herrn Absicht, den Gast zu ermorden, Kunde erlangt hatte, verbarg sich in dem Gebüsch am Wege, erwartete hier hinter einem, etwa eine viertel Meile von unserm Hause gelegenen Hügel, den Herzog und verrieth demselben Henning’s verbrecherischen Plan. Der Herzog kehrte augenblicklich um. Von diesem Ereigniss sollte der Hügel seinen jetzigen Namen „der Wartensberg“ erhalten haben. Als aber der Ritter entdeckte, dass der Kuhhirte seine Pläne durchkreuzt hatte, liess er den Mann bei lebendigem Leibe langsam in einer grossen eisernen Pfanne braten, und gab dem Unglücklichen, erzählt die Sage weiter, als er in Todesqualen sich wand, noch einen letzten grausamen Stoss mit dem linken Fusse. Bald danach kam der Herzog mit einem Regiment Soldaten, belagerte und stürmte das Schloss, und als Ritter Henning sah, dass an kein Entkommen mehr für ihn zu denken sei, packte er alle seine Schätze in einen grossen Kasten und vergrub denselben dicht neben dem runden Thurme in seinem Garten, dessen Ruinen heute noch zu sehen sind. Dann gab er sich selbst den Tod. Eine lange Reihe flacher Steine auf unserm Kirchhofe sollte des Missethäters Grab bezeichnen, aus dem Jahrhunderte lang sein linkes, mit einem schwarzen Seidenstrumpfe bekleidetes Bein immer wieder herausgewachsen war.4) Sowol der Küster Prange als auch der Todtengräber Wöllert beschworen hoch und theuer, dass sie als Knaben selbst das Bein abgeschnitten und mit dem Knochen Birnen von den Bäumen abgeschlagen hätten, dass aber im Anfange dieses Jahrhunderts das Bein plötzlich zu wachsen aufgehört habe. Natürlich glaubte ich auch all dies in kindischer Einfalt, ja bat sogar oft genug meinen Vater, dass er das Grab selber öffnen oder auch mir nur erlauben möge, dies zu thun, um endlich sehen zu können, warum das Bein nicht mehr herauswachsen wolle.


Einen ungemein tiefen Eindruck auf mein empfängliches Gemüth machte auch ein Thonrelief an einer der Hintermauern des Schlosses, das einen Mann darstellte und nach dem Volksglauben das Bildniss des Henning Bradenkirl war. Keine Farbe wollte auf demselben haften, und so hiess es denn, dass es mit dem Blute des Kuhhirten bedeckt sei, das nicht weggetilgt werden könne. Ein vermauerter Kamin im Saale wurde als die Stelle bezeichnet, wo der Kuhhirte in der eisernen Pfanne gebraten worden war. Trotz aller Bemühungen, die Fugen dieses schrecklichen Kamins verschwinden zu machen, sollten dieselben stets sichtbar geblieben sein – und auch hierin wurde ein Zeichen des Himmels gesehen, dass die teuflische That niemals vergessen werden sollte. Noch einem andern Märchen schenkte ich damals unbedenklich Glauben, wonach Herr von Gundlach, der Besitzer des benachbarten Gutes Rumshagen, einen Hügel neben der Dorfkirche aufgegraben und darin grosse hölzerne Fässer, die sehr starkes altrömisches Bier enthielten, vorgefunden hatte.

Obgleich mein Vater weder Philologe noch Archäologe war, hatte er ein leidenschaftliches Interesse für die Geschichte des Alterthums; oft erzählte er mir mit warmer Begeisterung von dem tragischen Untergange von Herculanum und Pompeji, und schien denjenigen für den glücklichsten Menschen zu halten, der Mittel und Zeit genug hätte, die Ausgrabungen, die dort vorgenommen wurden, zu besuchen. Oft auch erzählte er mir bewundernd die Thaten der Homerischen Helden und die Ereignisse des Trojanischen Krieges, und stets fand er dann in mir einen eifrigen Verfechter der Sache Trojas. Mit Betrübniss vernahm ich von ihm, dass Troja so gänzlich zerstört worden, dass es ohne eine Spur zu hinterlassen vom Erdboden verschwunden sei. Aber als er mir, dem damals beinahe achtjährigen Knaben, zum Weihnachtsfeste 1829 Dr. Georg Ludwig Jerrer’s „Weltgeschichte für Kinder“5) schenkte, und ich in dem Buche eine Abbildung des brennenden Troja fand, mit seinen ungeheuern Mauern und dem Skaiischen Thore, dem fliehenden Aineias, der den Vater Anchises auf dem Rücken trägt und den kleinen Askanios an der Hand führt, da rief ich voller Freude: ?Vater, du hast dich geirrt! Jerrer muss Troja gesehen haben, er hätte es ja sonst hier nicht abbilden können.“ „Mein Sohn“, antwortete er, „das ist nur ein erfundenes Bild.“ Aber auf meine Frage, ob denn das alte Troja einst wirklich so starke Mauern gehabt habe, wie sie auf jenem Bilde dargestellt waren, bejahte er dies. „Vater“, sagte ich darauf, „wenn solche Mauern einmal dagewesen sind, so können sie nicht ganz vernichtet sein, sondern sind wol unter dem Staub und Schutt von Jahrhunderten verborgen.“ Nun behauptete er wol das Gegentheil, aber ich blieb fest bei meiner Ansicht, und endlich kamen wir überein, dass ich dereinst Troja ausgraben sollte.

Wes das Herz voll ist, sei es nun Freude oder Schmerz, des gehet der Mund über, und eines Kindes Mund vorzugsweise: so geschah es denn, dass ich meinen Spielkameraden bald von nichts anderem mehr erzählte, als von Troja und den geheimnissvollen wunderbaren Dingen, deren es in unserem Dorf eine solche Fülle gab. Sie verlachten mich alle miteinander, bis auf zwei junge Mädchen, Luise6) und Minna7) Meincke, die Töchter eines Gutspächters in Zahren, einem etwa eine viertel Meile von Ankershagen entfernten Dorfe; die erstere war sechs Jahr älter, die zweite aber ebenso alt wie ich. Sie dachten nicht daran, mich zu verspotten: im Gegentheil! stets lauschten sie mit gespannter Aufmerksamkeit meinen wunderbaren Erzählungen. Minna war es vorzugsweise, die das grösste Verständniss für mich zeigte, und die bereitwillig und eifrig auf alle meine gewaltigen Zukunftspläne einging. So wuchs eine warme Zuneigung zwischen uns auf, und in kindlicher Einfalt gelobten wir uns bald ewige Liebe und Treue. Im Winter 1829–30 vereinte uns ein gemeinsamer Tanzunterricht abwechselnd in dem Hause meiner kleinen Braut, in unserer Pfarrwohnung oder in dem alten Spukschlosse, das damals von dem Gutspächter Heldt bewohnt wurde, und in dem wir mit lebhaftem Interesse Henning’s blutiges Steinbildniss, die verhängnissvollen Fugen des schrecklichen Kamins, die geheimen Gänge in den Mauern und den Zugang zu dem unterirdischen Wege betrachteten. Fand die Tanzstunde in unserem Hause statt, so gingen wir wol auf den Kirchhof vor unserer Thür um zu sehen, ob noch immer Henning’s Fuss nicht wieder aus der Erde wüchse, oder wir staunten mit ehrfürchtiger Bewunderung die alten Kirchenbücher an, die von der Hand Johann Christians und Gottfriederich Heinrichs von Schröder (Vater und Sohn) geschrieben worden waren, die vom Jahre 1709–99 als meines Vaters Amtsvorgänger gewirkt hatten; die ältesten Geburts-, Ehe- und Todtenlisten hatten für uns einen ganz besondern Reiz. Manchmal auch besuchten wir des jüngern Pastors von Schröder Tochter8), die, damals vierundachtzig Jahr alt, dicht neben unserm Hause wohnte, um sie über die Vergangenheit des Dorfes zu befragen, oder die Portraits ihrer Vorfahren9) zu betrachten, von denen dasjenige ihrer Mutter, der im Jahre 1795 verstorbenen Olgartha Christine von Schröder, uns vor allen andern anzog: einmal, weil es uns als ein Meisterwerk der Kunst erschien, dann aber auch, weil es eine gewisse Aehnlichkeit mit Minna zeigte.

Nicht selten statteten wir dann auch dem Dorfschneider Wöllert10), der einäugig war, nur ein Bein hatte und deshalb allgemein „Peter Hüppert“ genannt wurde, einen Besuch ab. Er war ohne jegliche Bildung, hatte aber ein so wunderbares Gedächtniss, dass er, wenn er meinen Vater predigen gehört hatte, die ganze Rede Wort für Wort wiederholen konnte. Dieser Mann, der, wenn ihm der Weg zu Schul- und Universitätsbildung offen gestanden hätte, ohne Zweifel ein bedeutender Gelehrter geworden wäre, war voll Witz und regte unsere Wissbegier im höchsten Maasse durch seinen unerschöpflichen Vorrath von Anekdoten an, die er mit bewundernswerthem oratorischen Geschick zu erzählen verstand. Ich gebe hier nur eine derselben wieder: so erzählte er uns, dass, da er immer gewünscht habe, zu erfahren, wohin die Störche im Winter zögen, er einmal noch bei Lebzeiten des Vorgängers meines Vaters, des Pastors von Russdorf11), einen der Störche, die auf unserer Scheune zu bauen pflegten, eingefangen und ihm ein Stück Pergament an den Fuss gebunden habe, auf welches der Küster Prange seinem Wunsche gemäss niedergeschrieben hatte, dass er, der Küster, und Wöllert, der Schneider des Dorfes Ankershagen in Mecklenburg-Schwerin, hierdurch den Eigenthümer des Hauses, auf dem der Storch sein Nest im Winter habe, freundlich ersuchten, ihnen den Namen seines Landes mitzutheilen. Als er im nächsten Frühjahr den Storch wieder einfing, fand sich ein anderes Stück Pergament an dem Fusse des Vogels befestigt, mit folgender in schlechten deutschen Versen abgefassten Anwort:

Schwerin Mecklenburg ist uns nicht bekannt,
Das Land, wo sich der Storch befand,
Nennt sich Sanct Johannes-Land.

Natürlich glaubten wir dies Alles und würden gern Jahre unseres Lebens darum gegeben haben, nur um zu erfahren, wo das geheimnissvolle Sanct Johannes-Land sich befände. Wenn diese und ähnliche Anekdoten unsere Kenntniss der Geographie auch nicht gerade bereichern konnten, so regten sie wenigstens den Wunsch in uns an, dieselbe zu lernen, und erhöhten noch unsere Leidenschaft für alles Geheimnissvolle.

Von dem Tanzunterricht hatten weder Minna noch ich den geringsten Nutzen, wir lernten beide nichts: sei es nun, dass uns die natürliche Anlage für diese Kunst fehlte, oder dass wir durch unsere wichtigen archäologischen Studien und unsere Zukunftspläne zu sehr in Anspruch genommen wurden.

Es stand zwischen uns schon fest, dass wir, sobald wir erwachsen wären, uns heirathen würden, und dass wir dann unverzüglich alle Geheimnisse von Ankershagen erforschen, die goldene Wiege, die silberne Schale, Henning’s ungeheure Schätze und sein Grab, zuletzt aber die Stadt Troja ausgraben wollten; nichts schöneres konnten wir uns vorstellen, als so unser ganzes Leben mit dem Suchen nach den Resten der Vergangenheit zuzubringen.

Gott sei es gedankt, dass mich der feste Glaube an das Vorhandensein jenes Troja in allen Wechselfällen meiner ereignissreichen Laufbahn nie verlassen hat! – aber erst im Herbste meines Lebens und dann auch ohne Minna – und weit, weit von ihr entfernt – sollte ich unsere Kinderträume von vor funfzig Jahren ausführen dürfen.

Mein Vater konnte nicht griechisch, aber er war im Lateinischen gut bewandert und benutzte jeden freien Augenblick, auch mich darin zu unterrichten. Als ich kaum neun Jahr alt war, starb meine geliebte Mutter: es war dies ein unersetzlicher Verlust und wol das grösste Unglück, das mich und meine sechs Geschwister12) treffen konnte.

Meiner Mutter Tod fiel noch mit einem andern schweren Misgeschick zusammen, infolge dessen alle unsere Bekannten uns plötzlich den Rücken wandten und den Verkehr mit uns aufgaben. Ich grämte mich nicht sehr um die Uebrigen: aber, dass ich die Familie Meincke nicht mehr sehen, dass ich mich ganz von Minna trennen, sie nie wiedersehen sollte – das war mir tausendmal schmerzlicher als meiner Mutter Tod, den ich dann auch bald in dem überwältigenden Kummer um Minna’s Verlust vergass. In meinem späteren Leben habe ich in verschiedenen Theilen der Welt noch mannichfache und grosse Trübsal zu bestehen gehabt, aber nie wieder hat mir ein schweres Geschick auch nur den tausendsten Theil jenes tiefen Schmerzes verursacht, den ich im zarten Alter von neun Jahren bei der Trennung von meiner kleinen Braut empfunden habe. In Thränen gebadet stand ich täglich stundenlang allein vor dem Bilde Olgartha’s von Schröder und gedachte voll Trauer der glücklichen Tage, die ich in Minna’s Gesellschaft verlebt hatte. Die ganze Zukunft erschien mir finster und trübe, alle geheimnissvollen Wunder von Ankershagen, ja Troja selbst hatte eine zeitlang keinen Reiz mehr für mich. Mein Vater, dem meine tiefe Niedergeschlagenheit nicht entging, schickte mich nun auf zwei Jahre zu seinem Bruder, dem Prediger Friedrich Schliemann13), der die Pfarre des Dorfes Kalkhorst in Mecklenburg inne hatte. Hier wurde mir ein Jahr lang das Glück zutheil, den Candidaten Carl Andres14) aus Neu-Strelitz zum Lehrer zu haben; unter der Leitung dieses vortrefflichen Philologen machte ich so bedeutende Fortschritte, dass ich schon zu Weihnachten 1832 meinem Vater einen, wenn auch nicht correcten, lateinischen Aufsatz über die Hauptereignisse des Trojanischen Krieges und die Abenteuer des Odysseus und Agamemnon als Geschenk überreichen konnte. Im Alter von elf Jahren kam ich auf das Gymnasium von Neu-Strelitz, wo ich nach Tertia gesetzt wurde. Aber gerade zu jener Zeit traf unsere Familie ein sehr schweres Unglück, und da ich fürchtete, dass meines Vaters Mittel nicht ausreichen würden, um mich noch eine Reihe von Jahren auf dem Gymnasium und dann auf der Universität zu unterhalten, verliess ich ersteres nach drei Monaten schon wieder, um in die Realschule der Stadt überzugehen, wo ich sogleich in die zweite Klasse aufgenommen wurde. Zu Ostern 1835 in die erste Klasse versetzt, verliess ich im Frühjahr 1836, im Alter von 14 Jahren die Anstalt, um in dem Städtchen Fürstenberg in Mecklenburg-Strelitz als Lehrling in den kleinen Krämerladen von Ernst Ludwig Holtz15) einzutreten.




1) Er starb im November 1870 im Alter von 90 Jahren.

2) Noch heute existirt dieses Grab; und als ich vor kurzem Ankershagen wieder einmal besuchte, empfahl ich dem jetzigen Besitzer des Gutes, Herrn E. Winckelmann, und seiner liebenswürdigen Gemahlin, deren freundliche Gastfreiheit ich hier nochmals dankbar anerkenne, dringend an, das Grab öffnen zu lassen, da sich, wenn auch keine goldene Wiege, so doch höchst wahrscheinlich sehr interessante prähistorische Alterthümer darin vorfinden werden. Es gereicht mir zu besonderer Freude, hier hinzufügen zu können, dass es Herrn Winckelmann gelungen ist, durch richtiges Verständniss, Scharfblick und eine auf langjährige Erfahrung begründete allseitige Kenntniss der Landwirthschaft das Dorf und die dazu gehörigen Ländereien in einer Weise zu heben und zu verbessern, dass Ankershagen heute einer kleinen, von einem weiten Garten umgebenen Stadt gleicht, und dass der Werth des Gutes, seitdem er es vor sieben Jahren kaufte, sich mindestens verdoppelt hat.

3) In diesem selben Schlosse hat der berühmte Uebersetzer des Homer, Joh. Heinr. Voss, im Jahre 1769 als Hauslehrer sehr unglückliche Tage verlebt. Siehe Dr. Fr. Schlie: „Schliemann und seine Bestrebungen“, und das darin angeführte Citat aus W. Herbst: „Johann Heinrich Voss“, I, 46.

4) Einer spätern Tradition nach sollte eines dieser aus der Erde gewachsenen Beine dicht vor dem Altar begraben worden sein. Seltsamerweise nun wurde, wie mir mein Vetter, Pastor Hans Becker, gegenwärtig Pfarrer von Ankershagen mittheilt, bei einer vor wenigen Jahren vorgenommenen Ausbesserung der Kirche in geringer Tiefe unter dem Boden und dicht vor dem Altar ein einzelner Beinknochen aufgefunden.

5) Nürnberg, 1828. Vierte Auflage.

6) Luise Meincke, seit 1838 glückliche Gattin des hochwürdigen Pastors jetzt Praepositus E. Frölich, lebt zur Zeit in Neu-Brandenburg in Mecklenburg.

7) Minna Meincke heirathete im Jahre 1846 den trefflichen Landwirth Herrn Richers und lebt glücklich in Friedland in Mecklenburg.

8) Verstorben 1844 im Alter von 98 Jahren.

9) Durch die freundlichen Bemühungen meiner geehrten Freundin Fräulein Ida Frölich, der geistreichen Tochter des Herrn Praepositus E. Frölich, bin ich kürzlich in Besitz dieser Portraits, deren im Ganzen fünf sind, gelangt und habe denselben den Ehrenplatz in meiner Bibliothek, im Angesicht der Akropolis von Athen, eingeräumt. Bei Ableben der 98jährigen Jungfrau von Schröder waren diese Bilder in den Besitz des Nachfolgers meines Vaters, des hochwürdigen Pastors Conradi übergegangen, der sie der Kirche in Ankershagen vermacht hatte, sie mir aber abtrat, um letzterer für den Erlös, noch bei seinen Lebzeiten, ein dauerhafteres Geschenk, nämlich einen grossen silbernen Kelch zu verehren.

10) Verstorben 1856.

11) Eine Tochter des Pastors von Russdorf ist Frau Friederike Ahlers, die glückliche Gattin des hochwürdigen Bürgermeisters Ahlers in Neu-Brandenburg.

12) Meine beiden Brüder sind todt; von meinen vier Schwestern ist nur die älteste, Elise, unverheirathet; die zweite, Doris, war die Gattin des kürzlich verstorbenen würdigen Amtssecretärs Hans Petrowsky in Röbel in Mecklenburg; die dritte, Wilhelmine, ist die Ehehälfte des Oberlehrers Wilhelm Kuhse in Dillenburg in Hessen-Cassel, und die vierte, Louise, die Frau des Lehrers Martin Pechel in Dargun in Mecklenburg.

13) Verstorben 1861.

14) Der damalige Candidat Carl Andres ist jetzt Bibliothekar der Grossherzoglichen Bibliothek und Custos des Alterthumsmuseums in Neu-Strelitz.

15) Verstorben im December 1836.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ilios Stadt und Land der Trojaner.