Achtes Kapitel. - Arbeit des vierten Jahres in Troja. 1878.

Mit einer grossen Zahl von Arbeitern und mehrern Pferdekarren nahm ich gegen Ende September 1878 meine Ausgrabungen in Troja wieder auf. Vorher schon hatte ich hölzerne, filzgedeckte Baracken bauen lassen, deren neun Zimmer für mich, meine Aufseher und Diener und zur Aufnahme von Besuchern bestimmt waren. Auch baute ich eine Holzbaracke, die zur Aufbewahrung werthloser Alterthümer und als kleiner Speisesaal diente, ferner einen hölzernen Schuppen, dessen Schlüssel der türkische Beamte in Verwahrung hatte, und welcher zur Aufbewahrung derjenigen Alterthumsfunde diente, die zwischen dem kaiserlich türkischen Museum und mir getheilt werden sollten; auch einen Schuppen zur Aufbewahrung meiner Werkzeuge, sowie der Schiebkarren, Handwagen und der verschiedenen bei den Ausgrabungen nöthigen Maschinen; ausserdem ein kleines aus Steinen erbautes Haus mit Küche und Bedientenstube, ein hölzernes Haus für meine zehn Gensdarmen und einen Pferdestall. Ich liess alle diese Gebäude auf dem Nordwestabhange von Hissarlik, der hier unter einem Winkel von 75° zur Ebene abfällt, errichten. (Vgl. Titelbild und Abbildung Nr. 1, rechts.) Nach den Messungen Burnouf’s liegen meine Baracken 25,55 m. über dem Meeresspiegel, demnach 23,88 m. unterhalb des Gipfels von Hissarlik.

Die zehn Gensdarmen, sämmtlich rumelische Flüchtlinge, erhielten von mir monatlich 410 M.; dafür waren sie mir aber auch von grösstem Nutzen, indem sie mich nicht nur gegen die Räuber, damals eine Plage der Troas, beschützten, sondern auch bei den Ausgrabungen ein wachsames Auge auf meine Arbeiter hatten und diese dadurch zur Ehrlichkeit zwangen.


Wie nothwendig der Schutz der Gensdarmen für mich war, wurde am besten durch ein Gefecht bewiesen, das kurz nach meiner Abreise zwischen den Einwohnern des etwa 20 Minuten von Hissarlik gelegenen Dorfes Kalifatli und einer grossen Schar bewaffneter Tscherkessen stattfand. Bei Nacht griffen die letztern das Haus eines Dorfbewohners an, der in dem Rufe stand, 10000 Frs. zu besitzen. Es gelang dem Angegriffenen, das platte Dach seines Hauses zu ersteigen und von hier aus seine Nachbarn zu Hülfe zu rufen. Mit ihren Flinten bewaffnet, eilten sie herbei, aber in dem nun folgenden Kampfe wurden nicht nur zwei von den Räubern getödtet, auch zwei Einwohner, der Schwager und der Schwiegersohn des Demarchen von Kalifatli, verloren das Leben.

Die Gehalte meiner drei Aufseher betrugen 125–250 Frs. monatlich; die der gewöhnlichen Arbeiter 2 Frs. täglich. Jeder der drei Zimmerleute erhielt 31/4 Frs., der Stellmacher 5 Frs. pro Tag. Den höchsten Gehalt von allen aber bezog mein Diener, der sich für unentbehrlich hielt und mir deshalb für nicht weniger als 300 Frs. oder 240 M. monatlich seine Dienste leihen wollte; und dabei nahm er noch mindestens das Doppelte hiervon ein durch einen Handel mit Wein und Brot, den er von seinem Bruder verwalten liess; er verkaufte meinen Arbeitern auf Credit und kam, da er mein Zahlmeister war, ohne Mühe und stets ohne den geringsten Verlust zu seinem Gelde.

Meine Arbeiten galten jetzt vornehmlich der Aufdeckung des grossen, westlich und nordwestlich von dem Thore belegenen Gebäudes, sowie der nordöstlichen Verlängerung des Thorweges. (Siehe Abbildung Nr. 10, S. 41; der grosse Erdblock vorn im Bilde und der Erdblock, auf dem die beiden Häuser stehen.) Wie bereits erwähnt, hatte ich das grosse Gebäude immer für identisch mit dem Hause des letzten Königs oder Oberhauptes von Troja gehalten, weil in und dicht neben ihm nicht nur der grosse von mir entdeckte Schatz, sondern auch die drei kleinern von meinen Arbeitern unterschlagenen und dann von der türkischen Behörde confiscirten Schätze, ausserdem auch eine grosse Menge trojanischer Thongefässe aufgefunden worden waren; jetzt aber behaupte ich diese Identität noch bestimmter als früher: denn wieder habe ich in dem Hause und in seiner nächsten Umgebung drei kleinere und einen grossen Schatz von goldenen Schmucksachen entdeckt. Der erste derselben wurde am 21. October während der Anwesenheit von sieben Offizieren des englischen Kriegschiffes „Monarch“ in einem Gemache des nordöstlichen Theils des Hauses in einer Tiefe von 26 Fuss 5 Zoll unter der Oberfläche des Hügels aufgefunden. Er war in einem zerbrochenen, mit der Hand gemachten Terracottagefäss enthalten, das in schräger Lage etwa 3 Fuss über dem Boden zwischen dem Schutt lag, und aus einem obern Stockwerke herabgefallen sein muss. Sehr bemerkenswerth ist das schneeweisse Pulver, mit dem die Goldsachen im Gefäss umgeben waren.

Unter Nr. 188 gebe ich eine Abbildung vom Hause des Stadtoberhauptes. Seine längste Mauer läuft mit der grossen äussern Stadtmauer parallel und ist 53 Fuss 4 Zoll lang und 4 Fuss 4 Zoll hoch sie besteht aus kleinern und grössern mit Lehm zusammengefügten Steinen. Unweit des nordwestlichen Endes dieser Mauer, genau 3 Fuss über dem Boden, fand ich in einer Schicht grauer Holzasche noch zwei kleine Schätze, die beide in zerbrochenen, mit der Hand gemachten Terracottavasen enthalten waren. Der eine derselben befand sich in schräger, der andere in horizontaler Lage, und ich schliesse aus diesem Umstande, dass beide aus einem obern Theile des Hauses herabgefallen sein müssen; die Oeffnungen der Vasen lagen so dicht aneinander, dass sie sich fast berührten. Nur 3 Fuss von diesem Funde entfernt, aber auf der Hausmauer selbst und in einer Tiefe von 26 Fuss unter der Oberfläche des Bodens entdeckten wir noch einen grössern Schatz von Bronzewaffen und goldenen Schmucksachen. Die Beschreibung der einzelnen Gegenstände dieser vier Schätze sowie der andern bei diesen Ausgrabungen gefundenen Alterthümer folgt an einer spätern Stelle dieses Werkes, wie auch die der anderweitig gefundenen Goldsachen. Auch in diesen Schätzen fand sich schneeweisses Pulver.

Auch an der Stelle meiner frühern grossen Plattform auf der Nordseite des Hügels setzte ich die Ausgrabungen fort1), bis mich der Eintritt des Winterregens zwang, mit dem 26. November die Arbeiten für das Jahr 1878 abzuschliessen. Den Bestimmungen meines Fermans gemäss musste ich zwei Drittel aller gefundenen Alterthümer dem kaiserlich türkischen Museum überlassen, nur ein Drittel durfte ich für mich behalten.




Fußnoten

1 Siehe Abbildung Nr. 4, links, und Plan I an den Punkten N.N.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ilios Stadt und Land der Trojaner.