Fortsetzung V

Der jetzt zu Bayern gehörige Teil des Vogtlandes gehörte zum Sprengel des Bistums Würzburg und später zu dem von Bamberg. Dem Pleban (Pfarrer) zu Hof war zugleich die Würde eines bambergischen Chor-Bischofs zu Teil geworden und es war ihm gestattet, in dieser Eigenschaft sich der äußeren bischöflichen Auszeichnungen im Ornate zu bedienen. Er übte auch die Patronatsrechte über einige jetzt sächsische Kirchen, nämlich über die zu Eichicht, Kröbes, Widersberg, Zöbern, Sachsgrün und Misslareuth, deren Pfarren als Streitpfarren bezeichnet werden, und endlich über die Kirche des jetzt preußischen Gefell aus.

Endlich war noch ein kleiner Teil des Vogtlandes, nämlich die westliche Seite der Herrschaft Lobenstein, dem Kirchsprengel des Abtes zu Saalfeld und mit diesem dem Mainzer Erzbistume zugeordnet. Manche der noch jetzt (?) an Kirchenämter zu entrichtenden Abgaben mögen auf jene alten Verhältnisse zurückzuführen sein. So hat die Gemeinde Schwaara in der geraischen Gegend eine Geldabgabe, welche der Landmann „Hundedezem" nennt, nach Zeitz zu bezahlen. Vor der Reformation musste dieser Dezem in Feldfrüchten entrichtet und an den Gotteskasten der alten bischöflichen Kirche abgeliefert werden. (Hahn, Gesch. v. Gera I. S. 425.)


Es kann wohl angenommen werden, dass mehrere unserer ältesten vogtländischen Kirchen an solchen Plätzen erbaut wurden, auf welchen in der Heidenzeit die Altäre für sorbische Götter standen. Denn mit kluger Berechnung benutzte man die Ehrfurcht, welche die Sorben geheiligten Orten und Gegenständen entgegenbrachten. Nach einer Sage soll der steinerne Altartisch in der alten Thossener Kirche ein Opferstein gewesen sein.

Die ersten christlichen Kapellen und die aus ihnen erst im 12. Jahrhunderte hervorgegangnen Kirchen waren zum Schutze gegen Überfälle mit Mauern, deren Reste in neuerer Zeit an manchen Orten noch bemerkt wurden, umgeben. Als die älteste vogtländische Kirche, welche ebenfalls im Anfange nur Kapelle war, wird die St. Veitskirche zu Veitsberg angegeben. Nach Limmer soll sie im Jahre 974 von dem bei Weida angesessenen reichsunmittelbaren Grafen Ariba und seiner Gemahlin Willa gestiftet worden sein. — Jedenfalls wurden viele Kirchen in der Nähe von Burgen aufgebaut, so z. B. die zu Greiz 1225, während die eigentliche Stadt noch später entstand (Limmer, a.a.O. I. S. 128); selten aber ist uns ein einigermaßen alter Kirchen bau erhalten worden; die Kirche zu Thossen widerstand den Verheerungen des Hussiten- und des dreißigjährigen Krieges, sowie drei großen Bränden.

Noch hat sich im Volksmunde die Erinnerung an mehrere Kapellen erhalten, oder es werden selbst Plätze namhaft gemacht, auf denen in alter Zeit Kapellen gestanden haben sollen, ohne dass dies durch die Spezialgeschichte nachzuweisen ist. Kapellen standen nach diesen Überlieferungen z. B. auf der Höhe zwischen Reichenbach und Unterheinsdorf, im Dorfe Friesen an der reußischen Grenze, sowie auch in dem Kreuzholze zwischen Reichenbach und dem Alaunwerke. Ein alter Weg, der von der sogenannten Hutleith und an den letzten Häusern Rotzschaus vorüber mitten durch die Felder führt, soll noch aus jener Zeit herrühren, da in dem Kreuzholze die Kapelle stand. Von einer Höhe in der Nähe Neumarks erzählt die Sage, dass daselbst in alter Zeit drei Kapellen gestanden haben sollen.

Diese Angaben mögen uns daran erinnern, dass wir in unserm Abrisse der ältesten vogtländischen Geschichte bis zu der Zeit gekommen sind, in welcher im Allgemeinen die Germanisierung und Bekehrung des Sorbenvolks vollendet war. Eine weitere Darstellung des Verlaufs der politischen Geschichte kann übergangen werden, da es ja hauptsächlich das früheste Volksleben sein wird, an welches wir die Überlieferungen, die Volksgebräuche mit ihrem Aberglauben, die alten Namen von Ortschaften, von Fluren, Bergen und Flüssen anreihen wollen. Germanentum und Slawentum, das sind die Gegensätze, welche beim Studium der ältesten Geschichte des Vogtlandes stets im Bewusstsein bleiben; was ist germanischer und was ist slawischer Überrest? das werden wir uns später immer fragen, obwohl die Antwort öfters fehlen wird. Wenn Überlieferungen mitgeteilt werden, welche an die Slawenzeit erinnern, dann scheint es uns ganz zweckmäßig zu sein, wenn wir vorher unsere Blicke auf den Abschnitt der Geschichte lenkten, welcher uns in allgemeinen Zügen vorführt, durch welches Volk und welche Mittel das Sorbenvolk vernichtet ward. Es erschien als nötig, nicht bloß politische Begebenheiten vorzuführen, sondern auch zu zeigen. wie nach und nach das Heidentum dem Christentum weichen musste; denn durch den religiösen Glauben wird auch der eigentliche Volkscharakter umgebildet.

Fast sieht es aus, als ob die Zähigkeit, mit welcher sich noch heute die Bewohner verschiedener Staaten, Sachsen, Reußen und Bayern, als Vogtländer bezeichnen, obwohl politisch das „Vogtland" nicht mehr existiert, ein Erbteil der sorbischen Vorältern ist; und ebenso könnte Jemand sich vielleicht versucht fühlen, hinsichtlich der Genügsamkeit, welche wenigstens die Dörfler in den abgelegenen Distrikten auszeichnet, einen Seitenblick auf die nicht minder durch dieselbe Tugend bekannten Wenden der Ober- und der Niederlausitz hinzuwerfen, folglich auch die Genügsamkeit als eine Hinterlassenschaft der Sorben anzusehen. Doch das sind schließlich Ansichten, welche sich durch keinen Nachweis mehr begründen lassen; sie gleichen jenem Ausspruche, dass uns im Vogtlande noch hin und wieder die slawische Gesichtsbildung entgegentrete. Wollen wir beherzigen, dass nur mit größter Vorsicht die Tröpflein der echten Überlieferungen aufzufangen sind, welche mitten durch die trüben Tagewasser aus dem frischen Born der Urgeschichte quellen.