Fortsetzung III

Nach diesen Hinweisungen auf einige der uns noch im Vogtlande erhalten gebliebenen Reste der Slawenzeit erscheint es angemessen, auch den Blick auf jene Kämpfe zu lenken, durch welche dem Sorbenvolke seine Selbstständigkeit entrissen worden ist. Es erscheint als nötig, auf Grund des freilich nur sehr geringen Materials, welches uns die Geschichtsschreibung hinterlassen hat, die Veranstaltungen zu berühren, durch welche das Christentum mehr und mehr in die heidnische Bevölkerung verpflanzt wurde.

Von Ackerbau und Viehzucht lebend und von keinem Kriegsgelüste bewegt, wohnten die Sorben östlich von der Saale, im Vogtlande, im ehemaligen neustädtischen Kreise und in den Gegenden von Zeitz und Naumburg (Pollmächer, Versuch einer hist. Geogr. Kursachsens I, S. 6); im Vogtlande benutzten sie vielleicht bei Altensalza die Saline und trieben Bergbau auf Eisen und auf Kupfer; auch mochten sie bereits, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, ein Hammerwerk bei Plauen haben. (Ammer, a. a. O. I, S. 58, 59.) Da wurden sie aus ihrer Ruhe aufgeschreckt und mussten zu den Waffen greifen. Denn von Westen her zog eine ursprünglich deutsche Macht heran, um andern deutschen Volksstämmen und auch den Slawen ihre Selbstständigkeit zu rauben. Im heutigen Frankreich war im dritten Jahrhunderte ein Völkerbund gegründet worden, der die angeborene Freiheit den Römern gegenüber mit Erfolg behauptete; es war das Volk der Franken, das „freie" Volk. Unter seinem Könige Chlodwig I., der 496 dem Heidentum entsagte, war das Volk der Franken wenigstens dem Namen nach zum Christentum bekehrt worden. Dabei vergaß Chlodwig I. nicht, seine Herrschaft immer weiter auszudehnen, so dass er seinen Nachfolgern, den Merovingern, bei seinem Tode im Jahre 511 auch große Strecken Westdeutschlands hinterlassen konnte. Als 527 durch die Franken das Reich der Thüringer zertrümmert worden war und an der Stelle Hermannfrieds, des letzten Königs, welcher 531 ermordet wurde, von den Franken eingesetzte Herzöge den Thron in Thüringen bestiegen, da stand der Feind den sorbischen Marken nahe. Noch unter dem Frankenkönige Childebert (gest. 558) wird des ersten Einfalls in das Sorbenland gedacht. Ein Helfer in der Not erstand den Slawen in Samo, dem Könige von Böhmen und von Mähren, welcher mit Unterstützung nicht bloß der Sorben, sondern auch der Milczener in der Lausitz, im Jahre 631 die Franken in einer heißen Schlacht bei Oelsnitz, nach Anderen bei der Wogastisburg in der Gegend von Hersbruck in Franken, gänzlich zurückschlug. „Christen und Gottesdiener können mit Heiden und Hunden keine Freundschaft pflegen!" so hatte der Frankenkönig Dagobert kurz vor der Schlacht dem Böhmenkönige Samo sagen lassen, als dieser mit der Bitte um Frieden und Freundschaft sich ihm nähern wollte; und blutig war darauf der Kampf während dreier Tage, in denen der Schimpf, den Slawen angetan, mit Erbitterung gerächt wurde. Es galt die Antwort Samos wahr zu machen: „Sind wir Hunde? Nun wohlan, so werden wir euch mit den Zähnen zerreißen, wenn ihr als Gottesdiener gegen Samo handelt!" Als sich im Jahre 643 Samo sogar noch mit den Thüringern verband, da war die Unabhängigkeit der Slawen auf lange Zeit gesichert. Denn die Franken konnten jetzt nicht wagen, dieselbe anzugreisen, um so mehr nicht, als die schwachen Könige des Merovingerstammes dieser Arbeit nicht gewachsen waren und auch das Frankenreich von einem Feinde bedroht wurde, der siegreich bis nach Spanien vorgedrungen war. Die Mauren hatten letzteres im Jahre 711 erobert, und es zitterte vor ihnen das christliche Abendland. Als Karl der Große, der Enkel Karl Martells, des Siegers bei Tours an der Loire, welcher dem Halbmond in Europa 732 Halt gebot, den fränkischen Thron bestiegen und Unruhen im Innern gedämpft hatte, unternahm er die Besiegung und Bekehrung der Sachsen, welche zwischen der Weser und der Elbe wohnten. Mehrmals unterjocht und freiheitliebend wieder aufgestanden, verbanden sich die Sachsen mit den Slawenstämmen, so dass auch gegen diese des Kaisers Heeresmacht heranzog. Im Jahre 789 zwang er die Slawen, welche zwischen der Saale und der Elbe wohnten, zum Frieden und zur Unterwerfung, und legte darauf zur Sicherheit eine Reihe fester Burgen längs der Saale unter dem Namen der „sorbischen Grenzmark" an. Limmer nennt als solche unter andern Burgk und Saalburg, Sparenberg und Hirschberg, sowie Regnitzhof und Gattendorf. Gleichzeitig trug Karl der Große dem Bischofe von Würzburg auf, dafür zu sorgen, dass in dem sorbischen Bezirke Kirchen gebaut würden. Das freie Volk war jetzt tributpflichtig geworden; es kam zum Markgrafen-Scheffel noch der Zehnten an die Priester, bestehend aus Getreide, Honig und leinenen Kleidungsstücken. Schwerlich aber wird es diese Abgaben ohne Kämpfe gegeben haben, ja wir finden bald nachher die Slawenstämme wieder kampfgerüstet. Drei von der Donau, vom Rhein und die Elbe heraufkommende fränkische Heere, über welche des Kaisers Sohn Karl den Oberbefehl führte, griffen 805 die Czechen in Böhmen an und siegten unfern der „Agara" (Eger) in der Gegend von Laun, Saaz und Postelberg. Im folgenden Jahre wurde der Krieg gegen die Sorben geführt. Zwei Heeresabteilungen drangen vorwärts; die eine überschritt oberhalb Hwerenaveld (bei Saalfeld) die Saale, die andere aber die Elbe in der Gegend von Barby. Blut und Verheerungen bezeichneten die Wege des Kriegsvolks im Lande der Sorben, und Volk und Fürsten mussten Gehorsam geloben. Als Karl der Große starb (814), zählte man mitandern slawischen Stämmen auch die Sorben zu den tributpflichtigen Völkern, obwohl man mit einem tiefen Misstrauen auf sie zu blicken nicht unterlassen hat. Wir können dies der Wehrverfassung von 807 entnehmen, nach welcher der 6. und höchstens der 3. Mann aller Sachsen zu einem etwaigen Heerzuge gegen die Avaren, Czechen oder gegen Spanien sich stellen musste, während zu einem Kampfe gegen die Sorben alle waffenfähigen Sachsen aufgeboten waren.


Unter Kaiser Karls Sohne, Ludwig dem Frommen, scheint sich, der zerrütteten Reichszustände wegen, die Aufmerksamkeit mehr von den Sorben abgelenkt zu haben; mit Glück dagegen kämpfte Ludwig der Deutsche gegen sie. Thaculf, der 847 oder 848 Grenzgraf gegen die Sorben geworden war, verstand es, das Volk in Güte zu zügeln und dessen Vertrauen zu erlangen. Er kannte slawische Sitten und finnisches Recht, da er, obwohl jedenfalls ein Franke von Geburt. seine Erziehung wahrscheinlich im Kloster Fulda, das inmitten einzelner Slawenkolonien lag, erhalten hatte. Bei den Sorben zwischen der Saale und Mulde mag er mehr und mehr das Lehenwesen befestigt haben, so dass dieser Teil des Slawengebietes, jedenfalls aber auch das Land der Daleminzier bis an die Elbe, insbesondere durch ihn dem Reiche erworben wurde. Limmer schreibt, dass man 869 die Elster als die Grenze zwischen Thüringen und dem Sorbenlande bestimmte und dass wahrscheinlich zur Sicherheit die Burgen Reichenfels, Widersberg, Sachsgrün, Stein, Mühldorf und Elsterberg gegründet wurden.

Nach dem Tode Thaculfs (873) erhoben sich zwar die Sorben zwischen der Elster und der Saale wieder; allein Rudolph, der neue Herzog in Thüringen, kam mit Luidbert, dem Erzbischofe von Mainz, 874 mitten im Winter über die Saale in das Land, um durch Schwert und Feuer den Gehorsam wieder herzustellen. Ludwig des Deutschen Tod (876) war die Veranlassung zu einer neuen, jedoch vergeblichen Erhebung, und ebenso wurden die Sorben, als sie unter der schläfrigen Regierung Karls des Dicken im Jahre 880 in Gemeinschaft mit den Daleminziern und Böhmen das thüringische Reich angriffen, durch Herzog Poppo völlig auf das Haupt geschlagen. In Folge dessen kam auch der ganze Landstrich von der Elster bis zur Mulde völlig unter deutsche Herrschaft, und es entstand nach Limmer (a. a. O. I. S. 100) die dritte militärische Grenzlinie durch die neu angelegten Burgen Drifelsen bei Berga, Glisberg, Plohn, Auerbach und Falkenstein. Durch die gleiche Bauart, welche diese Burgen hatten, wird man veranlasst, ihre Gründung in eine und dieselbe Zeit zu setzen. Auf einem Felskegel stand isoliert die Warte; sie war der Hauptpunkt der Befestigung, auf welchem sich im Notfalle die Besatzung sicherer halten konnte; rings um diese Warte und den Felsen legte man die übrigen Befestigungen an. — Erst um diese Zeit finden wir in unfern Gegenden die ersten sichern Spuren des angenommenen Christentums; die völlige Unterjochung, jedoch nicht auch zugleich die völlige Bekehrung, erfolgte unter dem ersten deutschen Könige aus dem sächsischen Hause, Heinrich I. oder Finkler. Vielleicht kann angenommen werden, dass der letzte Hauptschlag auf die durch viele Kämpfe geschwächten Sorben im Jahre 929 geführt wurde, da Heinrich zu dieser Zeit ihre Hauptfesten im Osterlande, Gruna an der Mulde und Geithen, eroberte und schleifen ließ. Wohl zogen die Sorben „gegen die Deutschen ins Feld, verstanden kein einziges Wörtlein deutsch"; sie sattelten „die Goldfüchse allesamt sich und legten die klirrenden Sporen sich an; sie gürteten die blitzenden Schwerter sich um", wie ein lausitzisches Volkslied anhebt; doch war der Sieg nicht ihre. Nach einer Sage erlitten sie zwischen Reichenbach und Lengenfeld eine große Niederlage; und in der Gegend ausgegrabene Waffen und Harnische sollen noch von jener Schlacht herrühren. (Limmer, a. a. O. I, S. 105.) Die Erinnerung an die blutigen Kämpfe der Sorben gegen die Deutschen glaubt Limmer in den Dorfnamen Thosssell und Thossen, welche bei ihm „Siegesfeld und Sieg" bedeuten, erhalten zu sehn, und ebenso führt er die Namen Tösseholz (bei Plauen) und Tossenwald (bei Kauschwitz), so wie das deutsche „Streitwald" (an der reußischen Grenze) darauf zurück.