Fortsetzung I

Obschon in den folgenden Abschnitten weitere Erläuterungen nötig werden und noch manche auch hierher gehörige Vermutung ausgesprochen werden wird, so durften doch einige Überlieferungen des germanischen Götterkultus auch an dieser Stelle nicht übergangen werden. Es ist jedoch der Mutmaßung hier Raum zu geben, dass der und jener Überrest des deutschen Heidentums nicht von den Ureinwohnern abstammt, sondern seine Quelle in den fortgeerbten Überlieferungen hat, welche auch die deutschen Ansiedler nach der Slawenunterjochung, trotz ihres christlichen Bekenntnisses, treu bewahrt hatten. Wo aber eine Hinweisung auf den germanischen Götterkultus durch einen Ortsnamen gestützt wird, da dürfen wir vielleicht mit größerer Sicherheit bis zum Nariscerstamme zurückgehen. Eine solche Hindeutung auf die Verehrung Donars oder Thors, des Sohnes Odhins, der durch seinen Fußtritt Sturm erzeugte, der mit gewaltigem Hammer Riesen schlug und mit dem Blitze Baum und Felsen spaltete, möchte man in der auf alten Karten angegebenen Thornmühle erblicken, welche an der Stelle lag, wo in die Trieb der Mechelgrüner Bach mündet. Noch heute werden dort gelegne Grundstücke als Thornfelder und Thornwiesen bezeichnet. (Jahn, vogtl. Aphorismen, 2. Lief. S. 55.) Doch wird auch diese Ansicht wieder unsicher, wenn unterm Jahre 1122 in der Stiftungsurkunde der Plauenschen Kirche der Mechelgrüner Bach den Namen Turam führt und anzunehmen ist, dass zwischen Alt- und Neuensalza ein Dörfchen gleichen Namens lag. (Herzog, im Archiv für sächs. Geschichte, 2. B.) Vielleicht hängt aber dieses Wort nicht minder mit dem an dieser Stelle in einem heiligen Haine verehrten Thor zusammen.

Wenn oben darauf hingedeutet wurde, dass das Juelfest und das Hauptfest der Ostara in mancher Hinsicht ineinander übergehen, da beide den Jubel über die wieder zur Herrschaft gelangende Sonne ausdrückten, so müssen wir doch beide Feste streng auseinander halten. Das Juelfest, das Fest der heiligen 12 Nächte, begann in der längsten Nacht des Jahres und feierte den Wendepunkt der Sonne; das Fest der Ostara dagegen, welches im April gefeiert wurde, galt dem vollkommenen Siege des Lichts über die Herrschaft der trüben Wintertage. Den Suevenstämmen war auch das letztere ein heiliges Fest, das ihnen durch die Christuslehre später in dem Osterfeste ersetzt wurde. Aber das Heidentum blitzte dann noch in schwachen Strahlen durch; ja in unbewusster Weise feiert heute noch das Volk, nicht bloß im Vogtlande, am letzten Abend des April, durch Feuer, welche auf den Höhen flammen, sein altes Fest der Ostara. Dasselbe wurde ehemals und vielleicht noch jetzt, nicht bloß durch Osterfeuer, sondern auch durch Sang und Tanz auf Osterbergen, wie bei Hildesheim, in Lust begangen. Dürfen wir vielleicht den Namen „Osterberg" in Reichenbach, mit dem man einen an einem Berghange gelegenen Teil der Stadt bezeichnet, in gleicher Weise deuten?


Je tiefer unser Blick in die Urgeschichte deutschen Lebens eindringt, desto nebelhafter wird uns dasselbe erscheinen. Es geht uns wie dem Wanderer, welcher von des Berges Gipfel Rundschau hält; bestrahlt vom hellen Sonnenscheine liegt die nächste Gegend unter ihm; doch in der weitesten Ferne verschwimmt der Himmel mit der Erde, und schwer fällt es, die wenigen dunkeln oder hellen Fleckchen, welche am Horizonte noch aufzufassen sind, mit Sicherheit zu deuten. Dies Bild lässt sich auch in Bezug der wenigen Altertümer aussprechen, welche uns im Vogtlande noch aus der Heidenzeit erhalten worden sind. Dass im Ganzen wenig Altertümer da sind, darf nicht befremden, wenn uns bewusst wird, wie viel und harte Stürme die Provinz verheert haben.

An der Saale bei Ziegenrück. also an der westlichen Grenzlinie des einst bis hierher vorgerückten Slawenvolkes, erinnert uns vielleicht die sogenannte Schwedenschanze, deren Name jedoch nicht mit den „Schweden", sondern sicherer mit „Suevenvölkern" zu verbinden ist, an die altgermanische Bevölkerung des Vogtlandes. Auch finden sich vielleicht noch hie und da Erdaufwürfe, welche als Überreste der ältesten Bevölkerung des Vogtlandes angesehen werden können. So erwähnt z. B. Dr. Schreiber in seiner Abhandlung: „das Kriegswesen der Kelten", eine sogenannte „Heidenschanze" östlich des Rittergutes Weißensand. (Variscia III. S. 97.) Doch fehlt dem Lande ein eigentlicher Schanzenzug. — Die in der Schanze bei Ziegenrück gefundenen Gegenstände, unter denen die Scherben gebrannter Irdengefäße (?. Jahresbericht der Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften in Gera, S. 12) hier besonders hervorgehoben werden mögen, sind vielleicht die Überreste germanischer Kultur. Urnen, mit Asche gefüllt, sind ferner bei Ranis und Zwickau (1822), in Göschitz bei Schleiz und zu Sachsgrün im vogtsbergischen Distrikte im vorigen und jetzigen Jahrhunderte gefunden worden. An den zwei letztgenannten Orten fand man die Aschenkrüge, als man bei Neubauten der Kirchen die alten Mauern niederriss; und es ist wohl anzunehmen, dass sie bei Grundlegung des ersten Baues ausgegraben und zur Erinnerung oder aus frommer Scheu mit eingemauert wurden. (Limmer, Entwurf einer urkundlichen Geschichte des gesamten Vogtlandes, I. B. S. 81.) An andern Orten, wie bei Pösneck, Schlettwein und zwischen Rokendorf und Crölp, fand man bloß Urnenscherben. (15. Jahresbericht aus Hohenleuben S. 60.) Bemerkenswert ist endlich jener Ort bei Gera, wo man in einer Tiefe von 3 Fußen 1852 gegen 80 Urnen mit Heftnadeln, Tonfiguren und bronzenen Ringen fand. Hahn, Gesch. v. Gera II. 1089.) Ob diese vogtländischen Urnen immer von der germanischen Bevölkerung des Landes stammen, wird etwas fraglich, wenn man weiß, dass auch die Slawen, welche ihren Ursitz jedenfalls in Indien hatten, der Sitte des Leichenverbrennens huldigten. Wenigstens wird dies letztere aus Nachrichten, deren die lausitzischen Forscher Worbs und Schelz gedenken, für uns ersichtlich. Auf die in manchen der genannten Urnen gefundenen Gegenstände lässt sich nicht fußen, wenn man bestimmen will, ob die Gefäße germanischen oder slawischen Ursprungs sind. Denn auch die Sorben kannten die Kunst des Schmelzens und Gießens der Metalle.