Es waren schöne Stunden, mit meinen braven Freunden

Es waren schöne Stunden, als ich mit meinen braven Freunden zum ersten Male wieder an dem bekannten runden Tische zusammentraf, ihnen von meinem Ergehen, dem Rittmeister von der Erledigung seines Auftrages berichtete und dann über jenen merkwürdigen Fund Hutten’scher Reliquien Vortrag hielt. Der Doktor war sofort Feuer und Flamme und stimmte lebhaft zu, als ich den Rittmeister bat, das neuentdeckte Gedicht zu Nutz und Frommen der gebildeten Welt veröffentlichen zu dürfen - mit einem ausführlichen Kommentar natürlich. Der Rittmeister selbst blieb sehr gelassen dabei, besah sich die Enden seines Schnurrbartes und sagte.

„Da wollen Sie also den Vorrat gelehrter Schmöker auch noch vermehren, Schulrat? Und ich soll dazu Ja und Amen sagend Hören Sie, gerne tu’ ich es eigentlich nicht; möchte doch auch wohl vorher wissen, was Herr Ulrich von Hutten über meine Stammburg zusammengeschrieben hat. Können Sie mir’s einigermaßen verdeutschen?“


Ich zog meine Übersetzung aus der Tasche und trug sie unter andächtigem Schweigen meiner Zuhörer vor. Als ich zu Ende war, sagte der Doktor:

„Nun, Rittmeister?“ und das Leuchten seiner Augen bewies, dass er es nicht für nötig hielt, meine Bitte noch einmal ausdrücklich zu unterstützen. Der Rittmeister aber sah eine Weile nachdenklich vor sich nieder, bestellte dann eine Flasche des besten alten Rheinweins, der zu haben war, schenkte uns ein und sagte, mit dem Glase in der Hand:

„Mein lieber Schulrat, Ulrich von Hutten soll leben und Sie sollen leben, weil Sie ihn in meinem alten Turm gewissermaßen ausgegraben und so schön verdeutscht haben, aber die Erlaubnis, diese Gedichte zu veröffentlichen, gebe ich Ihnen nicht. Die gelehrte Welt erhält da doch nur einen Brocken, um den sie streiten kann - wissen Sie, etwa so wie über die Frage, ob der Homer existirt hat oder nichts und denen, die sich daran erfreuen möchten, wird der Spaß verdorben. Und dann - warum soll es jetzt in aller Leute Mäuler kommen, dass mein alter Urahn mit seiner kleinen Hexe von Haushälterin charmiert hat? Die Menschen denken immer gleich das Schlimmste. Also nein, nein, lieber Schulrat, und lassen Sie die Sache ruhen. Aber Huttens Ovid und Virgil sollen Ihnen, wenn Sie daran Freude haben, aus meiner Bibliothek überantwortet werden, dafür geben Sie mir eine Abschrift dessen, was Sie uns eben vorlasen, die soll neben dem lateinischen Original und zwar mit Nennung Ihres Namens aufgestellt werden. Im Übrigen: lasst die Toten ruhen! Und guten Leuten - guten Leuten, die nicht zugleich gar zu schlechte Musikanten sind, sollen Sie die Verse auch einmal vorlesen dürfen. Dabei wollen wir’s lassen, nicht wahr?“

Der Rittmeister sagte das Alles in einer so bedächtigen, abgemessenen Weise, dass man merkte, es sei ihm völlig Ernst damit; zuletzt hob er sein Glas in die Höhe, wir stießen an; damit war die Sache erledigt und so ist es gekommen, dass die gelehrte Welt von jener Entdeckung, die ich vor 25 Jahren machte, nichts erfuhr. Jetzt aber will ich von meines alten Freundes Erlaubnis Gebrauch machen und Ihnen vortragen, was ich entdeckte. Sie mögen danach urteilen, ob die Welt durch jene Weigerung viel verlor.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hutten in Rostock