Electron

Wahrlich, genug aus grauem Gewölk des rieselnden
Regens
Sandte der Himmel herab, rings überschwemmend
die Flur;
Heut’ erglänzt’ aus schimmerndem Blau nun wieder
die Sonne,
Lockte zu fröhlicher Fahrt, - lange schon säumte der
Fuß -
Hinter mir ließ ich den Saal und den Lärm des tollen
Gelages,
Hinter mir Mauern und Tor und das Getöse der
Stadt.
Einsam folgte ich gewundenem Pfad durch Wiesen und
Saatfeld,
Spottenden Rufes der Gauch flog in den Weiden
voran.
Plötzlich stand ich am Ende des reichen grünen Geländes;
Vor mir, sandig und braun, hob sich ein welliges Feld,
Sonder Baum und Gesträuch und dürr, wie Lybiens
Wüste,
Doch mit erfrischendem Hauch wehte darüber der Wind.
Langsam stieg ich hinan - nun war die Höhe gewonnen –
Endlos lag vor mir, uferlos wallend die Flut!
Dort, wo der Himmel das Wasser berührt, ein glänzendes Segel?
Oder ein leichtes Gewölk? jetzt nur ein schwindender
Punkt!
,,Siehe das Meer!“ so sprach ich; verstummt dann hob
ich die Hände
Himmelwärts auf, das Aug’ ward mir, die Wange
mir nass.
Abwärts stieg ich; das weiße Gestad’, von leckender
Welle
Glatt und sauber gefegt, fand ich mit Muscheln ge-
kränzt
Und dort leuchtet’ ein braunes Gestein – wär’s mög-
lich? - Electron l
Nordisches Gold! hat hier einst Phaëtusa geweint?
Ist der Eridanus hier? War hier dem Sohne Elymeneus
Kläglich das Ende bereit, wie es der Dichter uns
lehrte?
„Hier ist Phaetons Grab, der den Sonnenwagen zu
lenken
Kühn sich vermaß - aus der Höh’ stürzte, der Hohes
gewagt.“
Sei mir ein Zeichen, Electron; das Höchste wagend,
wie gerne
Leid’ ich frühe den Tod, leb’ ich im Liede nur fort.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hutten in Rostock