Der Schiffbruch

Wollten die Götter mich strafen um Untreu wider den
Gastfreund,
Dem ich das Lied des Tibull heimlich im Bündel
entführt,
Oder schleuderte, wie der Eyclap, im Zorne der Ritter
Felsenblöcke mir nach, mächtig erregend die Flut
- Dieses weiß ich: gefahrvoll war und schrecklich die
Reise;
Dass ich dem Tod’ entrann, wahrlich, ein Wunder
erscheint’s.
Kaum verließ ich die Rugische Bucht und die schützenden
Ufer,
Kaum den pflügenden Kiel lenkt’ ich ins offene
Meer;
Von Nordosten herab so begann ein schreckliches Blasen
Und schwer rollende Flut kam mit dem Sturme
daher;
Nicht mehr glückt’ es dem Schiffer, das straffe Segel zu
bergen,
Schon vom Winde zersetzt trieb es im schäumenden
Gischt;
Nicht mehr folgte dem Steuer der Kiel, dem gebrechlichen
Rohr gleich
Ward er im Wogengebraus’ hierhin und dorthin
geführt.
Ach, und am Ende packte mich noch das Leiden der
Meerfahrt,
Leib und Seele zugleich wurde vom Jammer erfasst.
„Warum ging ich von Dir, o Delia?“ seufzt’ ich im
Elend,
All’ mein trotziger Mut trieb mit den Wassern
dahin.
Finsternis kam und die Nacht; ,,Land vor uns!“ brüllte
der Schiffer,
Schwach durch stiebenden Schaum flimmert’ ein ein-
sames Licht.
Schon in der Brandung taumelten wir – an’s Ufer
geworfen
Ging in Scheiter das Schiff, uns nur beschützte der
Gott.
Eh’ in’s Verderben uns zog die rückwärts laufende
Welle,
Klimmend mit Hand und Knie fassten wir sicheren
Grund.
Nur das Leben bracht’ ich an’s Land und triefende
Kleidung
Und das Lied des Tibull, das ich im Busen
bewahrt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hutten in Rostock