Fortsetzung 8 - Wenn ich heute zu Ihnen sprach, wollte ich einer Sache dienen, die mir heilig ist. ...

Wenn ich heute zu Ihnen sprach, wollte ich einer Sache dienen, die mir heilig ist. Wissenschaft und Leben haben mich das Gleiche gelehrt: vielleicht hat der Deutsche sein Gymnasium nie nötiger gehabt als in diesem Augenblick. Mir, der ich an die Erkenntnis deutschen Geistes mein Leben gesetzt habe, füllt es die Seele mit banger Sorge, wenn ich sehe, wie die Partei, der Verein, wie zumal der Inbegriff aller dieser Herdeninstinkte, der Sozialismus, den Germanen seinem besten Ideale, dem Mute selbst zu sein, entfremdet. Noch Frau von Staël war verwundert, daß es des Deutschen höchste Ehre war, anders zu sein als die Andern, und der große französische Philologe Gaston Paris hat diesen Drang bis ins Mittelalter hinein beobachten wollen. Sie werden schon Recht haben. Denn hier ruht der tiefste Kern jener pervicacia, ipsi fidem vocant, die Tacitus befremdete; hier wurzeln der Ernst und die Liebe, die uns Deutschen so schön stehn. Und dieser Mut des Allein- und Selbstseins ist unentbehrlich für jeden, der herrschen will, sei es im Engsten. Mir ist es kein Zweifel, daß die Schule, die die Selbständigkeit gegenüber den gefährlichen, den nivellierenden Elementen unseres modernen Lebens verbürgt, mehr denn je die Schule von Hellas sein wird. Sie kann, wenn eine, ihrem Jünger die geistige Freiheit geben gegenüber der Mode des Tages, seine individuelle Art stärken, indem sie sie bildet. Wir brauchen eine aristokratische Schule, die Männer erziehen soll, würdig zu herrschen, weil sie stark genug sind in sich, um des Beifalls entbehren zu können. Das Gymnasium wird heute schon auf diese Probe rühmlicher Unpopularität gestellt. Schablonen hat das Hellas, an dem wir uns bilden sollen, nicht gezeugt; zu jedermann aus; dem Volke hat das Altertum nie gesprochen. „Vielen gefallen ist schlimm.“ Aber Männer soll und kann die humanistische Schule ziehen, die es verstehen, ihren besonderen geistigen Beruf zu erfüllen, „ein jeder brav nach seiner eignen Weise“. Es ist eine befreiende Tat des alten Humanismus gewesen, daß er dem stolzen Individuum freie Luft des Atmens gab. Und das sollte noch heute des Gymnasiums höchster Stolz sein. Von den Einzelnen und Einsamen kommt doch alles Beste her. Mit Goethe und Platon einsam sein, das lässt sich schon ertragen.

Den zweideutigen Ruhm, das Volk der Dichter und Denker zu sein, haben wir längst verloren. Aber es wäre schlimm, wenn wir je verlernten, die Größe jener Vergangenheit zu verstehen. Wir wollen ihr nicht nachtrauern. Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag! Und die erprobten Freunde, die uns Deutsche, seit wir von uns selbst wissen, in treuem Verständnis bald fest geführt, bald ermutigend begleitet haben, die sollten uns, die sollten wir jetzt verlassen, da uns neue Wege winken, deren Ziele wir nicht kennen? Nein! Wir vertrauen auch fernerhin der heilsam bildenden Kraft des Altertums; wir wissen wie Goethe:


„Die Schule der Griechen blieb noch offen, das Tor schlossen die Jahre nicht zu.“