Vorrede.

Wie viel zur Erhaltung der Gesundheit auf die Wahl und Zubereitung unsrer Nahrungsmittel ankomme, hat wohl schon Jeder erfahren, welcher, von der Einfachheit einer naturgemäßen Lebensweise abweichend, sich zu den erkünstelten und aus den heterogensten Bestandtheilen zusammengesetzten Genüssen wendete, welche die raffinirten Producte der cultivirten Küche darbieten. Aerzte aller Zeiten und das physische Wohl der Jugend berücksichtigende Erzieher haben es daher für nöthig erachtet, besondre diätetische Vorschriften in dieser Beziehung zu ertheilen, welche, in Uebereinstimmung mit den herrschenden ärztlichen Theorien, oft eben s verschiedenartig, ja widersprechend lauten, wie diese. Ein allgemein giltiges Gesetz hier aufzustellen ist allerdings um so schwieriger, je mannichfacher die Bedürfnisse sind, welche die Besonderheit der physischen Neigungen der Lebensweise, der Temperatur- und Witterungseinflüsse und der daraus hervorgehenden Gewohnheiten mit sich bringt. Viele diätetische Vorschriften erhalten hiernach nur eine relative Gesetzesbedeutung. Da jedoch die Diätetik im Allgemeinen nur den Zweck haben kann, alle bedeutenden Störungen des Gleichgewichtes im Organismus so viel als möglich zu verhüten (denn Gesundheit beruht nur auf Erhaltung dieses Gleichgewichtes in seiner Entwicklung) - so kann auch das allgemeine Prinzip der Diätetik keine besondre Rücksicht auf jenes Austreten aus den Grenzen der naturgemäßen Lebensweise nehmen, wodurch die oben angegebenen Bedingungen der Gesundheit an und für sich schon aufgehoben werden. Der gleichen Abschweifungen zu verhüten, liegt in der Regel dem ärztlichen Wirkungskreise zu fern, während die Erziehung hauptsächlich hier ihren wohlthätigen Einfluß zu bewähren hat.

Der einzige richtige und sichere Grundsatz, wovon demnach jene besondern Vorschriften der ärztlichen Diätetik ausgehen können, würde sich in dem Gesetz aussprechen: Bei den Arten der Nahrungsmittel und ihrer Zubereitung Alles zu vermeiden, was jenes Gleichgewicht - die Gesundheit - stört. Stören aber kann dasselbe nur, was einseitige Bestrebungen im Organismus, besondre, nicht zur Erhaltung und Ernährung nothwendige Tätigkeiten, und folglich fremdartige Reizungen hervorruft. Auf mögliche Vermeidung dieser ihrer eigentlichen Bedeutung nach arzeneilichen Einmischungen in Speisen und Getränken, auf Reinerhaltung des eigentlichen Nahrungsmittels als solchen, und sonach auf Wiederherstellung einer möglichst naturgemäßen Lebensweise zielen vor Allem namentlich auch die von dem Stifter der Homöopathie gegebenen Vorschriften hin. Die strenge Beobachtung derselben ist aber für Kranke, die sich einer homöopathischen Kur unterwerfen, um so unerläßlicher, da dergleichen arzeneiliche Einflüsse, wie sie das Gleichgewicht im gesunden Zustande aufheben, auch notwendig die ursprüngliche Einfachheit jeder Krankheit aus den Heilbestrebungen im Organismus, folglich auch die Wirkungen der Arzeneimittel, welche diese Bestrebungen unterstützen sollen, stören müssen.


Die Beobachtung dieser Vorschriften ist also nicht nur unerläßliches Erfordernis zur Einleitung und Durchführung einer homöopathischen Kur, sondern im Allgemeinen auch allen Gesunden zu empfehlen, es müßte denn eine oft unvermeidliche Abnormität in der Lebensweise ihnen gewisse naturwidrige Genüsse zu einem Bedürfnisse gemacht haben, dessen sie sich nicht ohne bedeutende Nachtheile für ihre Gesundheit plötzlich entäußern können.

Ganz besonders aber ist Müttern und Pflegerinnen zu empfehlen, sich bei Ernährung von Kindern nach diesen Vorschriften zu richten, weil sie durch Vermeidung fremdartiger Reizungen so manchen einseitigen und übereilten Entwicklungen, einer übergroßen Erregbarkeit und Empfänglichkeit und wonach auch einer Reihe von Krankheiten vorbeugen können, welche eben darin ihren Grund haben.

Eine Anleitung zu schmackhafter und kräftiger Zubereitung reiner Nahrungsmittel in mannichfacher Auswahl geben nachstehende Koch-Vorschriften, welche um so mehr Empfehlung verdienen, da die bisher in diesem Sinne und zu diesem Zwecke abgefaßten Kochbücher sich von oben erwähnten verbotenen Einmischungen nicht hinlänglich rein erhalten haben.

Die durch frühere Schriften schon bekannte Verfasserin hat sich, wie dieß von einer so erfahrnen Köchin zu erwarten steht, und wie Kenner versichern, bestrebt, dem oft gehörten Vorwurfe, als ob die homöopathische Lebensweise sich auf gar zu wenige Genüsse beschränken müsse, durch eine große Mannichfaltigkeit der Gerichte zu begegnen, zu deren Bereitung sich die Künste der süddeutschen Küche mit der von Norddeutschland vereinigen. Und somit, denke ich, wird sie mit diesem Kochbuche dem Publikum eine willkommene Gabe darreichen.

Das Verzeichnis der Nahrungsmittel, deren Gebrauch bei einer homöopathischen Diät untersagt oder nur bedingungsweise erlaubt ist, wird dem Buche selbst vorangehen.

Berlin, den 15ten August 1833.
Dr. Stüler,
Medizinalrath.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Homöopathisches Kochbuch.