Dritte Fortsetzung

Sobald der Zopf aufgeflochten ist, erhebt sich die Braut von ihrem Platze. Eine ihrer Freundinnen oder jene verheiratete Schwester fordert sie dazu auf. Sie spricht unter mehrfachen Verbeugungen ein Gebet vor den Heiligenbildern der Stube. Darauf tritt sie vor ihre Eltern und bittet sie um ihren Segen. Denn jetzt soll sie in „das dampfige Badstübchen“ gehen und das Brautbad nehmen. Den Zweck desselben geben die Hochzeitslieder an: „Der freie Wille und die Mädchenschönheit der Braut soll abgespült werden.“ Deshalb mag, wie das Aufflechten des Zopfes, auch diese Zeremonie symbolisch und mit dem Brautbade der alten Griechen verwandt sein. Dazu ist das Brautbad in so allgemeinem Gebrauche, dass die Volkslieder, welche Tiere, beispielsweise den Enterich die Eule, heiraten lassen, auch alle Tiere namhaft machen, welche bei diesem Brautbade fungieren, und umständlich ausführen, welches von ihnen die Badestube geheizt, welches Tier das Wasser trägt, welches die Lauge bereitet, und von welchem der „seidene Badebesen“ eingeweicht wird.

Zum Bade begleitet, die Braut die ganze Schaar jener Mädchen, wie den Bräutigam seinerseits seine Verwandten. Sie ist noch verhüllt oder von neuem mit dem Tuche bedeckt. Ihre Begleiterinnen umringen sie und singen ein Lied, indem sie die Hochzeitsstube verlassen, treten singend über die Schwelle der Badestube und kehren wieder singend zurück. In einem Liede aus dem Gouvernement Nowgorod singen ihre Freundinnen für die Braut:


Lass dich heizen, Badestübchen,
Werde glühend, Stein im Badehaus,
Und zerstreut euch, große Perlen,
Auf dem Tisch, dem Eichentischchen!
Nun beginne, Braut, zu weinen
Vor dem Väterchen, dem Ernährer:
Du Ernährer, leiblich Väterchen!
Wozu stehst Du Morgens früh auf,
Wozu brau'st berauschend Bier Du?
Dazu steh ich Morgens früh auf,
Dazu brau’ berauschend Bier ich,
Um zu tränken deine Begleiterschar
Und ihn, den das Schicksal dir bestimmt hat.

Die Mädchen waschen die Braut in der Badestube. Sie selbst legt nicht Hand an. Denn ohne genötigt zu sein, tut sie keinen Schritt, nichts von alledem, was sie dem letzten Akte des Hochzeitsdramas zuführt. Doch beschenkt sie, sobald sie gewaschen ist, die Mädchen mit allerlei Naschwerk, vorzugsweise mit Pfefferkuchen, oder setzt ihnen diese an Ort und Stelle zum Essen vor, und wie sie alle mit einem Geldgeschenk entschädigt, ein Geschenk, welchem von Jenen eine kleine Gegengabe folgt, so gießt das Mädchen, welches für sie die Badestube geheizt hat, im Namen der Braut für alle je ein Gläschen Branntwein ein.

Die verwaiste Braut besucht, wenn sie es nicht mit dem Wege zur Trauung vereinigt, am Däwitschnik, dem Vorabende ihrer Hochzeit, das Grab ihrer Eltern, um hier unter dem Schalle der Klagelieder, welche ihre Freundinnen auch hier anstimmen, innig zu beten und weinend die Eltern im Grabe entweder „zu Gaste zu dem verwaisten Hochzeitchen einzuladen“, oder — „nicht um Vermögen, nicht um Reichtum, nicht um Gold und Silber, sondern um ihren Segen“ anzuflehen und auch „Abschied von ihnen zu nehmen“. Denn sie wird ein Glied einer ganz anderen Familie.

Wehet, ungestüme Winde, wehet
Und verwehet allen gelben Sand!
Öffne dich, o Matter feuchte Erde,
Tut euch auf, ihr Sargesbretter!
Tritt auf deine schnellen Füßchen,
Öffne deine hellen Augen,
Blick auf mich, das Waisenkindlein,
Blick mit deinen hellen Augen!
O mein leiblich Väterchen, steh auf!

Dieses Lied ist aus der Stadt Pskow. Nach Anderen ist „dem weißen Schwänchen ein Flügelchen gelähmt“, wenn die Mutter tot ist. „Der Tag ist nicht schön ohne die rote Sonne, die Nacht nicht hell ohne den Mond, die Hochzeit nicht schön ohne Väterchen und Mütterchen“. Daher will die Braut auch mit lauter Stimme schreien, damit das Echo in die Wälder, und aus diesen wieder auf den Friedhof in das Grab des Vaters halle. Oder die Lieder fordern, wenn die Mutter der Braut nicht mehr lebt, den Vater auf, doch auf die Straße zu gehen und sich nach allen vier Winden umzuschauen, ob nicht Mütterchen zur unglücklichen Hochzeit komme, und wieder an den Bruder der Braut oder an den Kreis ihrer Freunde gerichtet, heißen sie diese „die rabenschwarzen Pferde anzuspannen, zur Gotteskirche zu fahren, mit aller Kraft an die Glocken zu schlagen und den Wiederhall zu allen Kirchen über die feuchte Mutter Erde schallen zu lassen“, auf dass der tote Vater aufwache. Denn das Leben ohne Eltern sei so traurig, Niemand schmiege sich liebreich an sie, die arme Waise, und obgleich der ganze Hof voll von Wagen stehe, die Stube voll von Gästen sei, alle geladenen und geliebten Gäste erschienen wären, fehle der geliebteste Gast, und doch sei es, (nach einem Twer'schen Liede) ohne den Segen der Eltern so schwer, „vor dem Gerichte Gottes zu stehen, dass die schnellen Füße brechen, die weißen Hände schlaff sich senken, und das eifrige Herz sich entsetzt“. Wir teilen noch ein Lied dieses Inhalts aus dem Gouvernement Kaluga mit:

O Tanne, kleine Tanne du,
Mein kleiner grüner Fichtenbaum,
Sind alle Zweiglein noch auf dir,
Noch alle Wipfelchen auf dir,
Die Gipfelchen, die goldnen?
Noch alle Zweiglein sind auf mir.
Ein einzig Ästchen fehlet mir,
Es fehlet mir das Wipfelchen,
Das Gipfelchen, das goldne.
Fedosja Nikiforowna,
Sind alle Gäste schon bei dir,
Und haben alle ihren Platz?
Versammelt sind sie alle schon.
Und haben alle ihren Platz.
Es fehlet nur ein einziger Gast,
Das ist mein liebes Mütterchen.

Die kleine Tanne, für welche andere Hochzeitslieder und zu demselben Vergleiche auch die Eiche gebrauchen, steht am Däwitschnik, obgleich die Sitte nicht allgemein zu sein scheint, auf dem Tische der Hochzeitsstube. Wachslichter erhellen sie, wie den deutschen Weihnachtsbaum, und dazu schmücken sie die Mädchen, vielleicht mit Bezug auf den aufgelösten Zopf der Braut, mit den bunten Bändern ihrer Zöpfe. Da aber tritt der Druschka, der Zeremonienmeister, der geschäftige Mundschenk, der Spaßmacher bei den Landhochzeiten, welcher ortweise auch die Einladungen zur Hochzeitsfeier besorgt und somit dem schlesischen „Abgesandten des liebwertgeschätzten Herrn Bräutigams, sowie auch seiner ehr- und tugendsamen Jungfer Braut“ entspricht, mit einem Korbe in die Stube. Er bringt der Braut die, durch das Herkommen vorgeschriebenen Geschenke des Bräutigams, welche allerorts aus Strümpfen, Schuhen, Schnallen, einem Spiegel, in Ohrringen, Bändern und Schminke bestehen. Er will den Korb auf den Tisch und grade vor die Braut stellen. Denn diese sitzt jetzt unter ihren Freundinnen am Tische. Doch die Tanne steht ihm im Wege, und die Mädchen wollen sie nicht wegnehmen, so dringend er sie auch auffordert. Deshalb muss der Druschka den Platz „kaufen“, nämlich ein Geldgeschenk geben, welches bald allen Mädchen zusammen, bald wieder der Freundin, welche neben der Braut und ihr zur Rechten sitzt, allein zu Gute kommt. Darauf bietet der Druschka, nach örtlicher Sitte, wie es scheint, der Braut auch ein Kästchen mit Pfefferkuchen an. Aber er stößt auf einen neuen Widerstand. Denn sie weist, weil sie sich sträuben muss, wie jene Geschenke, so auch unter vielen Ausflüchten und indem sie sie tadelt, die Pfefferkuchen zurück und will auch das Glas Bier nicht trinken, welches ihr der Druschka zugleich anbietet. Erst nach langer Weigerung trinkt sie. Doch küsst sie jetzt (nach einem mündlichen Bericht aus dem Gouvernement Twer) alle Pfefferkuchen. Der obenliegende, der kleinste von allen, hat noch einen besonderen Zweck. Die Braut trägt ihn, wenn nicht ein Stück Brot, während der Trauung unter ihrem Kleide auf der Brust.

Den Bräutigam vergleichen die Volkslieder mit einem jungen Fürsten, welchem ein langer Zug von Bojaren folgt. Der Fürst geht Hl lauterem Golde, diese in Sammet. Oder er trägt nach den Liedern einen Marderpelz, Stiefel aus Saffian, Strümpfe aus weißer Seide, an der rechten Hand einen goldenen Ring. Auf seinen Schultern „brennen die Locken wie Feuersglut.“ Am häufigsten aber wird er mit einem Zobel und mit einem jungen Falken verglichen und mit diesem Vergleich auch angeredet. Der Falke hat die Attribute „hell, blauschillernd, goldgeflügelt.“ Der Bräutigam macht Jagd auf schöne Mädchen, wie der Falke auf weiße Schwäne. Dieser will dem Schwane die Federn ausrupfen und sein heißes Blut vergießen, jener das schöne Mädchen zur Trauung führen und seinen braunen Zopf in zwei Zöpfe flechten. Im Übrigen findet sich nicht selten die Zusammenstellung des Bräutigams mit einem jungen Enterich, welcher schwarze Braunen und Augen habe, dann wieder mit einem weißen Tauber mit goldenem Köpfchen, und so der Vergleich der Braut mit einem Täubchen, dessen Köpfchen silbern ist, und dies in Übereinstimmung mit dem Gebrauche, dass der Bräutigam bei der Trauung einen goldenen, die Braut einen silbernen Ring trägt. Nach Snegirow sind dies Symbole der Sonne und des Mondes. Auch bemerkt derselbe, dass das Volk die Sonne Fürst, den Mond Fürstin nenne. Doch ich finde in keinem Liede einen Beleg dafür; aber in den Totenklagen werden verstorbene Männer die rote Sonne genannt und angeredet, ihr Tod wird dem Untergange der Sonne gleichgestellt,