Das Paternoster des Wucherers. Fragment einer Kreutzzugs-Predigt Roberts von Corson

Fragment einer Kreutzzugs-Predigt Roberts von Roberts von Corson. *)

Wollt ihr das Paternoster des Wucherers hören? Horcht auf?


Der Wucherer steht zuerst im Haus auf, er sieht nach, ob des Nachts die Schlösser nicht erbrochen worden sind; er schiebt doppelte Riegel vor, weckt seine Tochter und seine Frau, und zieht sich an. „Ich gehe in die Kirche, sagt er unter dem Ankleiden, wenn jemand kommen und auf ein Pfand zu borgen verlangen sollte, so laufe eine von euch hurtig hin, und hole mich; ich komme den Augenblick.“

Nun geht er aus, und fängt unterwegens folgendergestalt an zu beten:

„Vater unser... Lieber Herr Gott, wollest gnädig auf mich blicken und segnen meinen Ausgang und Eingang, damit ich der reichste von allen werde, die in dieser Welt auf Pfänder leihen. Der du bist im Himmel... es tut mir herzlich leid, dass ich nicht zu Hause gewesen bin, als die Bauersfrau kam, und Geld borgen wollte. Ich hätte besser getan, wenn ich den Tag nicht in die Messe gegangen wäre. Es geht mir doch alles zum Unglück, und wenn ich nur den Fuß in die Kirche setze, so büße ich eine Gelegenheit ein, wo ich mein Schäfchen hätte scheren können. Es ist ordentlich, als wenn's so sein müsste. So wollte ich, dass der und jener die Pfaffen und die Messen holte! Dein Name werde geheiligt... da habe ich die große Tochter zu Hause sitzen, die mich noch zu Grunde richten wird. Ich wollte darauf schwören, sie versteht sich mit ihrer Mutter, und sie bestehlen mich beide, und leben auf mene Unkosten herrlich und in Freuden, so bald ich ihnen nur aus den Augen bin. Ich habe große Lust heim zu laufen, und sie zu überrumpeln. Dei Reich komme... ach es fällt mir ein, dass der Ritter, welcher mir die fünfzig Livres schuldig ist mich nur zur Hälfte bezahlt hat. Ich war ein rechter Narr, dass ich ihm auf sein Ehrenwort traute. Ein gutes Pfand ist besser, als alle die Ehrenwörter. Dein Wille geschehe... Ich habe zwar das Gelübde getan, zweimal die Woche in die Messe zu gehen, damit der Segen des Himmels über mich und mein kleines Gewerbe kommen möge, allein ich habe nicht überlegt, dass die Kirche, für mein Alter, zu weit entfernt ist. Gott könnte mich wohl dafür lohnen.“...

Nun tritt der Wucherer in die Kirche, und kniet an einen Ort hin, wo er von jedermann bemerkt werden kann; er schlägt sich an die Brust, tut tiefe Seufzer, und fährt in seinem Gebete fort.

„Unser täglich Brod gib uns heute... Ich möchte wissen, wo meine Tochter das Geld her hatte, das ich bei ihr angetroffen habe? Viel, leicht gibt sie unter der Hand auch auf Pfänder aus, und sagt mir nichts davon? Das wird sie wohl alles an den großen Kerl hängen, den ich neulich bei ihr fand, und der so bestürzt war, als er mich erblickte, ohngeachtet meine Töchter behauptete, er sei gekommen, um von mir zu borgen. Und vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern... die verfluchten Juden haben sich verschworen, uns um unsere Kunden zu bringen, und zu ruinieren; sie nehmen weniger Prozent, als wir. Lieber Herr Gott! erinnere dich doch, dass sie dich gekreuzigt haben, und verdamme sie in den Abgrund der Hölle! — Gestern, als mir Frau Hersant die Goldstücke brachte, habe ich vergessen, sie zu wiegen. Jetzt sind sie unter die andern gekommen, und ich werde den ganzen Sack umstürzen müssen. Meiner Treue! desto schlimmer für sie! Find' ich falsche, so bring' ich sie ihr wieder, und bleibe steif und fest dabei, dass es die ihrigen sind. Bei meinen Nachbarn gibt's nichts zu verdienen, denn sie sind neidisch auf mich, weil sie mich für reich halten; ich wollte, sie stürben, damit ich andere kriegte. Führe uns nicht in Versuchung... Wenn werde ich mich doch einmal an einem ganzen Klumpen Gold und Silber laben können! Ja lieber Gott, ich verspreche dir, ich will ihn nicht anrühren, ich will mir alles entziehen, ich will gern darben — aber habe ich auch meine Tür recht zugeschlossen? Eins, zwei, drei. Ja, da sind die drei Schlüssel. Sondern erlöse uns von dem Übel... Was ist denn das für ein Robert Corson, der von Stadt zu Stadt läuft, und predigt? Ist er wirklich so ein Thor, und glaubt, dass ich aus Liebe zu meinem Nächsten betteln gehn würde? Von nun an bis in Ewigkeit Amen... Unser Pfarrer wird zu predigen anfangen, und uns das Geld aus dem Beutel schwatzen wollen. Sein Diener! meins kriegt er nicht!“**)

*) Er war Legat des heiligen Stuhls, und predigte den Kreutzzug unter Philipp August in Frankreich.

**) Man hat viele dergleichen Paternoster. Das Wein- und das Liebes- Paternoster. Das Credo des Wucherers, das Credo des Unzüchtigen u. s. w. und in den Facetiis Frischlini findet man ein ähnliches unterbrochenes Gebet eines Vogelstellers, der sein Garn flickt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Historisch-literarisches Anekdoten und Exempelbuch