Hessische Sagen

Singen und Sagen aus dem Gewand des Volkslebens
Autor: Wolf, Johann Wilhelm (Pseudonym Johannes Laicus) 1817-1855, Germanist, Herausgeber und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Hessen, Sagen, Volkssagen, Ritter, Mittelalter, Burgen,
        Da wir tranken unsern Trank,
        Da wir sungen unsern Gesang,
        Und uns kleidten mit unserm Gewand,
        Da stund es in unserm Land.


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So klagte das Sprichwort schon zur Zeit des alten Winckelmann und wie fühlen täglich mehr, dass es ein Wahrwort ist. Singen und Sagen aber ist von jeher lebendig und unauflöslich verbunden, und wo es nicht mehr mundet, da schmeckt auch der alte Trank nicht mehr, da stirbt das ganze alte Gewand des Volkslebens ab. Was unsere Alten mit Recht unser nannten, das ist uns fremd geworden, das Fremde aber nennen wir unser und nicht zu unserm Heil, denn frommen kann uns nicht das unserem tiefsten Wesen Uneigene, das Aufgepfropfte, sondern nur das aus den Wurzeln unseres Seins organisch Hervorgewachsene. Das wird uns Gottlob mehr und mehr klar, darum sehen wir wachsendes Wegwerfen des flitternden Modernen, Rückkehr zum Studium des solidem Alten, neue Freude an dessen edler Kraft und tiefem innerem Gehalt. Die begabtesten Köpfe, die feurigsten Herzen der Nation treten, ferne der kalten Vernünftelei, wieder fest zu dem warmen Glauben, in welchem sie für sich wie für das Volk das einzige, wahrhaftige Heil erblicken ; die heilige Kunst feiert neue Triumphe und von dem ewigen Dome Kölns aus fliegen fruchtbare Samenkörner in alles deutsche Land; die Poesie erinnerte sich, dass sie eine Tochter des Glaubens ist und unserem Geibel, Redwitz, Droste, Alb. Knapp und Sturm steht keiner voran; in allen Zweigen der Wissenschaft offenbart sich ein neuer und gewaltiger Umschwung, sie betrat selbst bis dahin niebetretenes Gebiet, sie trieb einen neuen Zweig den wir bereits als kräftigen Ast sehen: sie drang in die Tiefen unseres Altertums, trug Licht in die dunkein Tagre der heidnischen deutschen Vorzeit. Das war eine der größten Taten der Neuzeit, deren weitgreifende Folgen zu würdigen unsern Enkeln vorbehalten bleibt. Ihre Urheber haben sich durch sie ein Denkmal aere perennius gesetzt und dankbar werden späte Zeiten den Namen der Brüder Grimm nennen.

Hundertmal ist es ausgesprochen und es kann nicht genug wiederholt werden, (denn das Lächeln der Halbgebildeten über das Gut des Volkes wird nicht so bald weichen) dass diese Tat nur dadurch möglich wurde, dass eben dies Gut, dass unser Singen und Sagen wieder zu Ehren kam. Ohne die Wiedererfindung unserer Märchen, Sagen, Bräuche, Lieder u. s. w. wäre sie unmöglich gewesen. Es ist leicht, zu verachten, was man nicht kennt, ebenso wohlfeil das gering zu schätzen, was man zwar kennt, aber nicht versteht: so ging es durchschnittlich allen vor den Grimm. Als sie aber, unser Auge dem Altertum öffneten, als sie sammelnd vorangingen, was bis dahin verschmäht worden, da war die Bahn bald gebrochen. Nicht manches Buch halte sich einer Aufnahme zu erfreuen, wie die „Kinderund Hausmärchen“ und heutzutage würde man sich fast schämen, zu sagen, man habe sie, oder die deutschen Sagen nicht gelesen. Diese beiden Bücher riefen einen neuen Zweig der Literatur ins Leben und gegenwärtig wird aller Orten und Enden gesammelt, was noch zu sammeln ist. Wir dürfen uns nun nicht verhehlen, dass trotzdem das Publikum im Ganzen und Großen noch nicht mit dem Eifer zugreift, mit welchem das Geschäft des Auflesens betrieben wird, *) aber das geht nicht so schnell; nur langsam wird es sich wieder an diese kindlich unschuldigen Klänge seiner Kindheit gewöhnen, langsam nur wird sein Auge, das bis dahin an hohle Theaterdekorationen gewohnt war, wieder Freude finden können an diesen einfachen, kunstlosen Bildern einer frischen Natur. Alles Gute trägt die Garantie seiner Zukunft in sich selbst und eine solche hat auch dies Gut. Wer kann es leugnen dass die Grimmschen, wie die andern Sammlungen dieser Art bis jetzt schon von einem unberechenbaren Einfluss auf die Erziehung von Tausenden waren, welche ohne sie mit jenen modischen verschrobenen Fabrikaten eines ganzen Heeres sogenannter „Jugendschriftsteller“ fürs Leben verschroben worden wären? Fragen wir die neuen Sammler von Volksüberlieferungen, weil ihnen die Liebe und Freude an diesen Dingen ins Herz gepflanzt, sie werden alle auf die Grimm hinweisen. Aber mit dieser Liebe und Freude ist noch eine andere verbunden, die an deutschem Wesen, die am Vaterländischen und das ist ein größerer Gewinn, als der wissenschaftliche, den wir aus diesen Traditionen liehen. Sie hoben die Erkenntnis des Tiefen und Sinnigen, was in unserm Volke lebt, sie luden Arm und Reich und Jung und Alt und Groß und Klein an eine und dieselbe Tafel, zu einer und derselben Kost, sie halfen den alten, fast erstorbenen Gemeinsinn wieder mehr wecken, sie waren ein Mittelpunkt, um den sich die Höchsten mit den Niedrigsten einten, und das werden sie mit jedem Tage mehr. Um sie, die Wundererfüllten, gescharrt, lernte man das nüchterne Vernünfteln vergessen, wer ihren Geist in sich aufgenommen, den können die raffinierten Romane der neufranzösischen Schule und ihrer deutschen Nachbeter nicht mehr befriedigen, denn arm und widerlich müssen diese Ausgeburten einer befleckten Phantasie und verdorbener Herzen erscheinen, sobald und wo unser Märchen die reinen, bunten Schwingen seiner frischen duftigen Phantasie entfaltet, und im leichten Flug Sterne und Sonnen unter unseren Füßen erscheinen lässt, wenn die sinnige Sage ihre Aureolen um die Werke der Natur und der längst zum Staub zurückgekehrten Menschenhand spinnt, oder wenn der Schwank seinen kräftigen Tanz tritt und jubelnd die alte Festfreude des Volkes an unseren Augen vorüberzieht.

*) Es greift einstweilen noch lieber nach den poetisch bearbeiteten Sagen, die jedoch den andern strengeren Aufzeichnungen in Prosa den Weg bahnen. Von dieser Seite betrachtet hat Simrock durch seine Rheinsagen (und gewissermaßen auch Schöppner) uns einen großen Dienst erwiesen. Herr N. Hocker in Trier bat nun den, wie mir scheint, glücklichen Gedanken, die von Dichtern bearbeiteten Mythen und Sagen in wissenschaftlicher Ordnung zusammen zu stellen und sie mit Anmerkungen zu begleiten, in denen er auf den tiefem Inhalt und Wert aufmerksam macht.

Haben sie solche Macht — und diese wäre in vielen andern Beziehungen nachzuweisen leicht, wenn nicht die engen Grenzen der Vorrede mir Schranken zögen — schon in ihrer natürlichen Gestalt auf jedes nicht ganz erkaltete Gemüt, dann wächst diese Macht noch an Bedeutung, sobald wir sie des Gewandes entkleiden, welches die Jahrhunderte schützend um sie gewoben haben und sie in ihrem alten Kern schauen. Da wird aus Jedem dieser buntfarbigen Bilder ein ehrfurchtgebietendes ernstes Denkmal alter Germanenherrlichkeit, vor dem die Väter vor mehr als einem Jahrtausend gläubig ihre Knie und die eisernen Nacken beugten; da blicken aus ihnen die verloren geglaubten Götter und Göttinnen mit der alten Kraft und dem alten Trotz und Zorn, wie mit der alten Liebe und Güte und Milde auf uns, wie auf jene nieder, da lernen wir uns stolz als ein Volk wieder fühlen und — das ist eine Hauptsache — als das Volk, dem, wie ich schon einmal aussprach, auch in den Finsternissen des Heidentums Gott der Herr vor allen nahe war, das er zum mächtigsten und glorreichsten Träger der erlösenden Lehre erkor, das vor allen andern edel und rein und groß dastand, so dass mit Recht einer der besten Römer seinem von unseren Modernen so vergötterten Volk unsere Väter als ein Muster und Vorbild zur Nacheiferung vorhalten konnte.

Es ist darum wohl eine Pflicht für jeden, der da kann, an dem Aufbau des von beiden Grimm begonnenen Werkes rüstig mitzuwirken. Die Erkenntnis dieser Pflicht macht sich Bahn und es ist eine herzensfreuende Wahrnehmung, dass selbst zwei deutsche Könige es sich angelegen sein ließen , in ihren Staaten den Arbeitern an dem Werk hilfreich und schützend unter die Anne zu greifen. *) Das letzte Jahr hat uns wieder eine ganze Reihe von Sammlungen der verschiedenen Traditionen gebracht und das heurige scheint nicht minder fruchtbar daran werden zu wollen. **)

*) Der König von Preußen, dessen Regierung auch M. Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum großmütig unterstützte , und der König von Bayern , der zur Herausgabe des bayrischen Sagenbuches die Hand bot.

**) H. Pröhle brachte schon eine Sammlung von schönen Kinder- und Volksmärchen und verspricht eine von Harzsagen, Kuhn und Schwarz werden hoffentlich in diesem Jahr ihre neue Sammlung norddeutscher Sagen vorlegen, Zingerle (der auch im "Phönix" fleißig Märchen und Sagen mitteilt) arbeitet an den Sagen Tirols, A. Kaufmann sammelt Mainsagen, Dr. Fries in Wertheim solche aus dem Spessart und Odenwald, Vorarlbergisches, N. Hocker Moselsagen, vieler andern zu geschweigen.


Auch dies Buch soll neue Bausteine bringen. Der Boden, aus dem sie gebrochen sind, hat sich durch die Grimm einen klassischen Ruf erworben. Bei dem Namen Hessen denkt man ja sogleich an die brave Viehmännin, deren treue und verständige Augen uns wieder aus der sechsten Auflage der Kinder- und Hausmärchen anschauen, an die zahlreichen Märchen, die andere den beiden Brüdern erzählten, als dieselben noch von Kassel aus ihre Ausflüge machten, an hunderte von Stücken aus den deutschen Sagen. Aber Hessen ist groß und mein Gebiet war vorzugsweise das Großherzogtum und da ist der Boden leider nicht mehr so ergiebig, wie anderswo. Verschiedenes trägt die Schuld daran. Vorerst das sechzehnte Jahrhundert, welches in den Kirchen und auf den Fluren so sehr „tabula rasa“ machte, dass in den meisten kaum noch ein Kruzifix in einer Ecke zu finden ist, und außerhalb derselben weder dies noch ein anderes Denkmal stehen blieb, denn einst hatten alle Denkmäler einen geweihten Charakter. Dadurch waren der Sage eine Menge von Anhaltspunkten genommen, deren beraubt sie ihr Leben kaum mehr fristen konnte. Kaum war dieser Sturm für sie vorüber, da brauste der dreißigjährige Krieg verheerend durch diese Gegenden und riss nieder, was die Neuerung geschont; er schwemmte aus einzelnen Strecken ganze Bevölkerungen weg, an deren Stelle neue Ansiedler aus der Ferne einzogen und so ging abermals eine Masse von Überlieferungen unrettbar verloren. Dann kamen am Rhein die französischen Nachbarn und legten Städte und Dörfer, Burgen und Klöster in Asche, und kaum hatte sich die Bevölkerung von den schweren Kriegsleiden erholt, da kehrten sie als Revolutionsmänner zurück. Nicht genug damit, der Rationalismus und die mit ihm Hand in Hand gehende Verwilderung und Verkommenheit fegte zuletzt allen Rest von Poesie aus den Herzen weg, oder diese wurden stumpf gegen sie; das alte, frische, fromme und fröhliche Volksleben war in seinen Wurzeln angegriffen und starb fast ganz aus. Es stimmt zu traurigen Betrachtungen, wenn man die Sammlungen von Denkmälern aus dem Volksleben liest, die Kuhn und Schwarz, Müllenhoff, Sommer, Panzer, Meier, Bader, Stöber, Schöppner, *) Redeker u. a. in den letzten Jahren herausgaben und die heiteren, bunten Farben sieht, in denen sich das Volk in so vielen Gegenden des Vaterlandes noch bewegt, wenn man die herzliche Lust belauschen darf, mit welcher es dort noch am Überkommenen hängt, und nun hier alles so öde findet, kein Feuer mehr auf den Bergen, keins in den Straßen mehr lodern sieht, wenn man die Uralten klagen hört, wie Hochzeit und Kindtaufe vordem so schön gewesen, wie sich die Reigen im Freien gedreht, wie in der Spinnstube noch Sittsamkeit und Zucht geherrscht, wie so mancher verklärende Schein auch in des Allerärmsten Leben fiel. Alle diese schuldlosen, reinen Freuden sind dahin, die „seltsam aber bescheiden in sich geschmiegte, nach Laub, Wiesengras und frisch gefallenem Regen riechende Natur“ ist aus dem Volk gewichen und ließ nur in wenigen Strichen des Großherzogtums Spuren zurück; sie machte dem rohen Materialismus Platz. Die alte Poesie ist Prosa, die alte Milde Härte, die reine Freude Brüten über Geld und Gelderwerb oder über Mittel und Wege, den nagenden Hunger zu stillen, die Ehrbarkeit Leichtfertigkeit, die Frömmigkeit Gleichgültigkeit, der starke, feste und sichere Glaube dummes Absprechen geworden, und lange wird der neuerwachte Glaubenssinn zu tun habend bis diese geistigen Leichenfelder eine Auferstehung sehen.

*) „Bayrisches Sagenbuch“, dessen zweiter Band ungleich mehr befriedigt, wie der erste. Möge der Verf. in demselben Maße fortfahren, streng in der Auswahl seiner Stücke zu sein und uns für manches Versäumte in den zu hoffenden Anmerkungen zum dritten Bande entschädigen.

Gilt dies nun auch für manche Teile Kurhessens, so ist es doch im Ganzen und Großen dort besser, wie uns die wenigen Sagen schon beweisen, die ich von dort in die Sammlung aufnahm, und wie uns hoffentlich die Sammlung kurhessischer Sagen bald deutlicher zeigen wird, die Herr Carl Lyncker in Kassel eben herauszugeben im Begriffe steht.

Es versteht sich von selbst, dass dies Buch auf Vollständigkeit nicht den entferntesten Anspruch macht und Niemand mehr als mich wird es freuen, wenn bald reiche Nachträge zu ihm erscheinen. Es wurde vor etwa fünf Jahren zugleich mit der Sammlung deutscher Hausmärchen angelegt und wie bei diesen , so hatte ich auch bei ihm Wilhelm von Ploennies als treuen und eifrigen Freund zur Seite, der besonders den Soldatenmund ausbeutete. *) Bald aber führte ich die Sammlung allein fort und da waren es vor allen die Herren Prof. Phil. Dieffenbach in Friedberg und Prof. Weigand in Gieszen, welche mir auf die freundlichste Weise dabei an die Hand gingen. Ihnen, wie Herrn Fr. Oeser in Lindheim und Erdmann in Geinhaar, und Herrn Cand. Stock in Darmstadt, denen ich gleichfalls manchen Beitrag danke, und den Herren Geheimrat Dr. Feder und Dr. Walter, die mir die reiche Bibliothek in Darmstadt, so wie die Privatbibliothek Seiner königlichen Hoheit des Großherzogs bereitwilligst zu benutzen anheimgaben und mir dabei mit Rat und Tat hilfreich waren, spreche ich meinen besten Dank aus.

*) Von ihm sind die Nummern 3, 35, 47, 49, 50, 52, 76, 77, 78, 82, 89, 92, 93, 95 — 99, 101, 105, 107 — 114, 118, 119, 120, 122, 123, 133—136, 144, 145, 156, 158, 166, 167, 176, 185, 199, 200, 201, im Ganzen 48 Sagen.

Was ich aus dem Großherzogtum bringe, ist fast alles aus dem Volksmund. Gedrucktes nahm ich in der Regel nur dann auf, wenn es noch weniger bekannt war; alles durch die Grimmsche Sammlung oder durch poetische Bearbeitung in weiteren Kreisen Verbreitete blieb streng ausgeschlossen; ich hätte sonst Bände gefüllt. Das aus dem Kurfürstentum hingegen Aufgenommene ist fast ganz aus Druckquellen, die jedoch den meisten Lesern schwerlich bekannt, oder doch wenig zugänglich sind, namentlich aus der Sammlung: "Buchenblätter" Sagen, geschichtliche Verkommenheiten, Entstehung von Ortsnamen und sonstiges Vaterländisches im ehemaligen Fürstentum Fulda und dessen Umgebung, bearbeitet von Dr. J. Schwarz, Medizinalrat in Fulda. II Hefte, Fulda 1849. 1850. Druck von L. J. Ulh. kl. 8. 167 u. 172 S. Ich löste die Stücke in Prosa auf, wie es der Zweck erforderte. Mehr daraus zu bringen, wäre leicht gewesen, doch daran hinderten allerlei Bedenklichkeiten. Außerdem lagen mir noch manche Sagen, auf die schon öffentlich aufmerksam gemacht wurde, aus dem Kurfürstentum vor, so die von der Sababurg u. v. a., doch mochte ich sie nicht in Brocken geben und überlasse es Herrn Lyncker, sie vollständiger zu liefern.

Die Anordnung der Sammlung ist die bekannte mythologische. Die Ergebnisse gedenke ich anderswo zu ziehen, doch kann ich es mir nicht gut versagen, hier wenigstens einen andeutenden Überblick über dieselben zu geben, der zumal die von andern Sammlungen einigermaßen abweichende Ordnung der vorliegenden erklären mag.

Die in Berge entrückten Ritter und Helden sind alte Götter, mit ihnen beginne ich und nehme zu den heiligen Bergen sogleich auch den heiligen Hain, (11) der nahe dem allen königlichen Bannforst Drieichahi liegt und dessen Boden noch ein alles Wuotansbild bergen soll. Fällt es überhaupt schwer, jetzt noch Nachrichten genauerer Art von den alten Göttern beizubringen, dann ist dies in dem Großherzogtum Hessen besonders der Fall, wie ich oben schon aussprach; bei einer Verwüstung wie hier darf dies nicht wundem. So sind denn die Resultate, welche wir aus den mitgeteilten Sagen ziehen können, auch nur spärlich und von nicht großer Bedeutung. Länger aber und tiefer als die Götter, hafteten die freundlich und mild dem Menschen nahen Göttinnen in des Volkes Gedächtnis und so konnte ich gleich an die Spitze der über sie gefundenen Sagen eine zwar kurze, aber sehr bedeutsame aus Kurhessen stellen, (12) welche die Identität der Holda und Freya-Frouwa über, alle Zweifel erhebt. Die auf der Wanderung unter den Menschen begriffene Göttin finden wir auch in 13 wieder, wo sie die Gestalt der heiligen Gottesmutter annimmt. Die kindliche Phantasie des Volkes, der Zeit und Raum nichts gelten, verlegt die Szene, wie ich jüngst hörte, in die Zeit der Flucht nach Ägypten; wir werden darin die Göttin wieder finden, die nach dem verlorenen Gatten sich sehnend und ihn suchend goldene Tränen weint und gleich der Gemahn des Osiris alle Länder der Erde durchstreift; der, als sie müde vom irrenden Lauf ausruhen will, der harte Stein zum weichen Pfühl wird. 14 — 17 zeigen dieselbe Göttin in ihrem heiligen Berg, in ihrem unter altheiligem Baum springenden ihr geweihten Brunnen wohnend und von dort der Ehe Segen spendend.

Es folgen zunächst die Umzüge der Götter, vor allen des wilden Jägers und Heervaters Wuotan. Wie wenig ist davon zu melden, während Meier uns neulich aus Schwaben Dutzende von Sagen darüber brachte! Doch tritt als bedeutsam 25 hervor, die uns sagt, dass die nordische Sage von der totenerweckenden Hilde mit ihrem noch älteren Grunde, dem eddischen Mythus von den vom Tod erstehenden Einherien auch hier bekannt war, wie denn auch die Wirtschaft in der Küche (24) und das Mahl vor der Jagd (23) für das Treiben in Valhöll bezeichnend sind. Dem Reiter Wuotan schließt sich (27) der fahrende Donar an, oft vereinigt ein Wagen die beiden Götter (28) meist aber fährt der Donnerer allein und zwar zur altheiligen Zeit des Advents (33). Einmal finden wir auch Wuotan fahrend (34) und dem Gespann fehlt die göttliche Farbe nicht.

Zahlreicher sind schon die Sagen von den weißen Frauen, die hier wie allerorts der Erlösung vergebens harren. Die erste, von der Ausführlicheres berichtet wird, führt den Mann in einen Keller, wo nicht Schätze, sondern Weinfässer liegen. Sie zeigt uns den Übergang von der Göttin Holdas die als Schaffnerin im Kyffhäuser bei dem verzauberten Kaiser, dem alten Gott sitzt, zu den eigentlichen weisen Frauen, die durch Kuss und Hebung des Schatzes erlöst werden. In 40 — 50 finden wir die weiße oder goldgelbe Blume und die Schlüssel vertreten, die folgenden bis 62 zeigen diese Frauen in mannichfachen andern Gestalten, in denen wir sie bis jetzt weniger kannten, zuletzt in der Zwei und Dreizahl. Merkwürdig sind die Männer in 63 und 64, die ganz die Rolle weiser Frauen spielen. Der weise Mann in Herbstein wird auf einer Heiligensage beruhen, in welcher der alte Patron des Ortes sein Amt übt und die in Folge der Reformation unterging. In 66 haben wir den Übergang zu den Riesen, deren letzter (74) vor den Zwergen flieht und dadurch zu diesen den Weg bahnt, so wie zu den ihnen verwandten Hausgeistern, Kobolden und wilden Frauen, (82 — 87) von denen ausführlichere Auskunft gegeben wird und die den Hessen, Franken und Schwaben, d. i. dem Südosten Deutschlands eigentümlich zu sein scheinen, wenigstens bin ich ihnen anderswo unter diesem Namen noch nicht begegnet. Zu derselben Familie gehören auch die Nixe und Nixen und die Elben, die wir als Mahr wiederfinden und über welche manches neue (91 — 99) vorliegt. Ein großer Teil des elbischen Webens und Treibens ging in späterer christlicher Zeit auf die Hexen über, deshalb lasse ich zunächst die Sagen über sie folgen. Ich hätte sie ins Zahllose vermehren können, denn sie bilden fast ausschließlich den Gegenstand der Unterhaltung an manchen Orten; liegen sie der Zeit nach doch zunächst. Der Bauer, der über alles andere Geistertreiben spottet, der Haus- und Berg-, Feld- und Wassergeister, der Gespenster und des wilden Heeres ja Gottes selber lacht, er zittert vor der Macht einer triefäugigen alten Frau. Ich wählte aus der Menge von Geschichten, die mir vorliegen, nur wenige und bezeichnende Stücke, die entweder einen neuen Zug enthalten, oder als Zeugnis dienen, dass ihre Art auch hier bekannt ist. Genau hängt mit den Hexen als solchen sowohl, wie als verunstalteten Eiben der blaue Gicken zusammen, eine Art von glückbringendem Kobold (115 — 117). Hier wurde nun eine kleine Exkursion nötig durch die Verwandtschaft zwischen Hexen und Zauberern (119 — 126) die natürlich auf den Teufel führte, (127 — 132) der uns jedoch zu unseren elbischen Geistern zurück bringt denn in den meisten dieser Sagen ist er nur eine Art von Kobold. Diese Eiben sind nun sehr oft nichts als umherirrende Seelen (133, 134), wie denn die Irrlichter (135 — 139) vor allen einen rein koboldischen Charakter tragen, nun! gutmütig zur Hilfe bereit, dann wieder tückevoll den Wanderer hintergehend. Daran reihen sich leicht andere Sagen vom Zustand der Seelen beim oder nach dem Tod (140 — 174) wo sie als Gespenster umgehen, elbischer Natur werden. Dafür ist nun manches Wichtige mitgeteilt und die Frage ihrer Lösung ein Stück näher geführt. Alle diese Seelen seufzen nach Erlösung, die ihnen in manchen Fällen jedoch , gerade wie den weißen Frauen, nur zu Teil wird, wenn ein im Leben vergrabener Schatz gehoben wird. An Sagen über solche Schätze ist wieder keineswegs Mangel und auch in Bezug auf sie musste eine Auswahl getroffen werden, (175 — 192) wobei ich mich nur auf das Charakteristische beschränkte. Der eigentliche Schatzhüter der alten Sage ist der Drache, (193) der zwar hier nicht, als solcher vorkommt, aber es ursprünglich wohl war. Ihm verwandt sind Schlange und Unke (194) und damit stehen wir an den Tieren, besonders den weisenden, mit welchen sich 196 und 197 beschäftigen. So in das Naturleben eingetreten, folgen zunächst die Elemente, namentlich die beiden hauptsächlichen und einander feindseligen Feuer (199, 200) und Wasser (201 — 212). Die Erde und Luft sind unvertreten, dafür reihe ich die in ersterer wurzelnden in letzterer wachsenden Bäume (213 — 215) hier ein. Endlich folgen Sagen verschiedener Art, von denen viele in die genannte Ordnung eingefügt wären, wenn ich sie nicht zu spät erhalten hätte. Unter ihnen finden sich auch (254 — 263) Schwänke, und ich glaube nicht, deren Aufnahme verteidigen zu müssen. Je mehr man in das Volksleben eindringt, je mehr aus seinen reichen und tiefen Schachten zu Tage gefördert wird, um so mehr überzeugt man sich, dass da an Bedeutungsloses und Unwichtiges nicht zu denken ist. Die Zahl des neu Ersonnenen ist gering und kaum anzuschlagen, das Meiste und Schönste und Tüchtigste ist alt, das ist eine unwegfegbare Wahrheit. Zwar verstehen wir noch verhältnismäßig wenig davon, aber hüten wir uns, irgend etwas am Wege liegen zu lassen und es des Aufhebens unwürdig zu erachten, weil es Scheinbar wertlos ist. Sammeln wir nur immer zu und bringen wir das Gefundene in die große Werkstätte der Öffentlichkeit , damit jeder es prüfen könne und der Meister wird sich schon finden, der scharfen Auges den Wert erkennt und den Gehalt würdigen und herausziehen wird. Einst, es sind kaum fünfzig Jahre, stießen tiefere Gemüter auf die Lieder des Volkes und bald wurde deren Bedeutung erkannt, die bis dahin Verachteten waren gefeiert. Die Verwandten und Freunde unserer Brüder Grimm lachten über die kindische Beschäftigung dieser Männer mit den Märchen und Sagen des Volkes und jetzt lesen und studieren fast mehr Männer als Kinder dieselben. In den letzteren Jahren noch dachte man wenig an die Kinderlieder und Spiele und jetzt schlagen wir Gold aus ihnen, seit sie gesammelt vorliegen. Ebenso wird es mit den Volkswitzen, Schwänken, Anekdoten, Rätseln u. a. m. gehn, wenn sich nur einmal gottgesegnete Hände um sie bemühen. Gern hätte ich ihrer mehr mitgeteilt, wäre nicht Plan und Anlage der Sammlung mir entgegen gewesen; derlei will allein stehen und fordert ein eignes Buch; die wenigen schlüpfen schon durch, da sie sich nicht allzuweit von der Sage entfernen. Möge bald ein Berufener uns eine reiche Lese dieser ergötzlichen Blüten deutschen Scherzes, vorlegen.

Der Rest sind Sagen verschiedenen Inhalts, ein Nachtrag und eine arme Handvoll Legenden schließt die Sammlung.

In den Anmerkungen habe ich selbstverständlich keine erschöpfende Kritik üben, oder alle den mitgeteilten Sagen verwandten zusammenstellen wollen; nur ein paarmal erging ich mich ausführlicher. Sie sollen nur andeutende Winke geben, ein tieferes Eingehen auf den Stoff hebe ich für den zweiten Band meiner Beiträge zur deutschen Mythologie auf. Mancher wird diese Anmerkungen nicht lesen wollen, für ihn habe ich im Register bei den einzelnen Gruppen von Sagen Nachweisung gegeben, wo er sich über deren Inhalt und Bedeutung vorläufig näher unterrichten kann. Vielleicht fühlt sich der eine oder der andere dann aufgefordert diesen Dingen weiter nachzugehen und in die vollen Schatzkammern der Grimmschen Forschungen zu greifen, und das wäre mein schönster Lohn.

      Jugenheim am 20. Januar 1853.

MA 092 Hans Birckmaier, Der junge Weißkunig in der Schule

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03 The spelling Lesson

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07 The end

07 The end

02 Cinderella

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02 Two-Shoes, Maam. Two-Shoes

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03 Cinderella

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04 Cinderella

04 Cinderella

04 Plotting to rob Squire Trueman

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05 Cinderella

05 Cinderella

05 Goody warns the Squire

05 Goody warns the Squire

06 Brother and Sister

06 Brother and Sister

06 Cinderella

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Goody Two-Shoes, Cover

Goody Two-Shoes, Cover

01 Cinderella

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