Vom Äußern des Rathauses

Vor allem aber müsste es einer einsichtigen Stadtverwaltung darauf ankommen, Fremden wie Einheimischen vom Äußern des Rathauses den günstigsten Eindruck zu verschaffen.

Schon ein Verdienst ist es, wenn von dem zumeist an hervorragender Stelle stehenden Bauwerk alles Störende ferngehalten wird. Dahin gehören jene aufwendigen Ratskelleraufschriften, die nicht selten über die ganze Frontlänge sich erstrecken, die Telephongestänge auf den Firsten, die an Umfang und Höhe meist den Dachreiter übertreffen, die unkünstlerischen Schornsteinaufsätze, Schneefänge und Ausleger für die Beleuchtungskörper. Eine nicht weniger verdienstvolle, aber schon schwierigere Aufgabe ist die Beseitigung von Entstellungen früherer Zeiten. Bei diesem Reinigungswerk, bei dem die Grenze von Gut und Böse schwankt, wird die größte Vorsicht am Platze sein und keine Gemeinde sollte es versäumen, vor Entfernung älterer Teile den Konservator zu hören. Zu oft ist es vorgekommen, dass Zutaten beseitigt sind, die in Wirklichkeit keine Entstellungen, sondern höchst wertvolle Bereicherungen des Baues bedeuteten.


Mehr Obacht, als gewöhnlich angenommen wird, erfordert die Erneuerung schadhafter Teile, die Ergänzung des Putzes, die Ausbesserung der Dächer, der Anstrich von Türen und Fenstern. Ob der vorgefundene Bestand noch der alte ist und als vorbildlich angesehen werden darf, welche Abweichungen erlaubt sind, welche Bauten der Nachbarschaft Anhaltspunkte geben können, welche Technik zu wählen ist, welche Materialien sich empfehlen, das alles und anderes sind Fragen, deren Beantwortung Sachkenntnis und Erfahrung voraussetzt. Auch bei diesen Arbeiten, die für die richtige und gute Wirkung des Baues von ausschlaggebender Bedeutung sein können, sollte sich die Stadtverwaltung des Einverständnisses des Denkmalpflegers rechtzeitig versichern, dessen Rat auch zu hören wäre, wenn es sich um anscheinend kleinere, in Wirklichkeit vielleicht tief einschneidende Änderungen des Grundrisses handelt. Der Schaden , der durch sorgloses, übereiltes oder eigenmächtiges Vorgehen angerichtet wird, ist nur in den seltensten Fällen wieder gut zu machen. Die verrestaurierten oder verbauten Rathäuser zu Assenheim, Schlitz (Taf. 14b), Allendorf (Taf. 64), Wetter und Echzell reden eine warnende Sprache.

Recht heikel wird die Aufgabe, wenn Ergänzungen in Betracht kommen. Die Frage, wie weit geschichtliche Rücksichten maßgebend sein müssen und wie weit die moderne Kunst zu Worte kommen darf, ist besonders schwierig in einer Zeit, wo die Forschung über Rathäuser eigentlich erst begonnen hat und von einem neuen Stil nur Ansätze bemerkbar sind. Dass als oberster Grundsatz gelten muss, Ergänzungen auf ein Mindestmaß einzuschränken, kann nach Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr zweifelhaft sein. Auch bei der Wiederauffrischung unansehnlich gewordener Gemeindebauten sollte als erstes Gesetz der Leitsatz der modernen Denkmalpflege dienen: mehr konservieren, als rekonstruieren und lieber gar nicht restaurieren, als falsch restaurieren. Allgemeine Regeln für die Wiederherstellung von Rathäusern aufzustellen wird kaum möglich sein. Der Hinweis auf einige Beispiele sei indes gestattet.