Fachwerk unter Putz

Zu den vielen schönen hessischen Fachwerkbauten, die im Laufe der Jahre durch Überzug mit Putz entstellt worden sind, gehört Meister Heinrich Brants Rathaus in Zierenberg (Taf. 55). Der 1450 in Zimmerkonstruktion errichtete Bau wirkt nüchtern, seit das Holzwerk dem Auge entzogen ist. Vom Putz frei geblieben sind lediglich die Knaggen, deren naive Schnitzereien — Wappen, Helme, Ranken, Figuren, darunter ein höchst spaßiger Dudelsackpfeifer — auch unter der Putzschicht Interessantes erwarten lassen. Hier den störenden Mörtelüberzug zu entfernen erscheint nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten. Die einfache Arbeit wird kaum misslingen.

Die freundliche Wirkung eines freigelegten Fachwerkes kann das Rathaus in Grebenstein zeigen (Taf. 54). Der von 1573 und 1591 datierte Bau hat wie die noch jetzt von einem turmreichen Mauerzuge umgebene und von einer Burg überragte Stadt viel über sich ergehen lassen müssen.


Von Änderungen sprechen die Jahreszahlen 1619 über dem Ratskeller und 1726 über dem Haupteingang. Das Fachwerk entstand 1672, nachdem 1637 die Kroaten das Haus eingeäschert hatten. Aber unter den Wandlungen ist die Restaurierung von 1904, die den Kalkbewurf des 19. Jahrhunderts entfernte, gewiss nicht die unvorteilhafteste.

Als ebenso unbedenklich dürfte sich bei vernachlässigten Fachwerkbauten der Anstrich der Hölzer mit einer schützenden Farbe und die Erneuerung der Putzfelder empfehlen. Nur müsste darauf geachtet werden, dass beide Arbeiten im Geiste bodenständiger Handwerksübung vorgenommen werden, sowohl hinsichtlich der Putztechnik und des Mörtelmaterials, als auch der Art und des Tones der Farbe.

Wer das Rathaus zu Ostheim vor und nach der Wiederherstellung 1906 (Text-Abb. 27 u. 28) gesehen hat, wird dem neuen Zustande den Vorzug geben. An dem durch Streben und Füllhölzer lebhaft gemusterten Bauwerke ist für den Forscher von Fachwerkverbänden durch die Restaurierung nichts verdorben. Wohl aber ist den Gegnern ungeordneter Bauzustände ein Grund zum Ärger genommen. Den kleinen unschönen Schuppen, der mit dem schlotartigen Aufbau die Giebelseite entstellte und bei der Instandsetzung fiel, wird auch der Freund lokaler Erinnerungen kaum vermissen.

In gleich verständiger und liebevoller Art behandelte man um dieselbe Zeit das bis dahin verputzt gewesene Fachwerk des aus dem Jahre 1582 stammenden Rathauses zu Büttelborn (Taf. 51). Auch wurde hier in dankenswerter Weise vom Gemeinderat die Wiederherstellung der beschädigten nach rheinisch-fränkischer Art vorgekragten Fensterumrahmungen beschlossen, sodass das Bauwerk, an dessen Brustriegeln und Gewändepfosten auch noch Schnitzereien und lebhafte Farben angebracht wurden, jetzt wieder eine hervorragende Zierde des Ortes bildet und den besten Fachwerkhäusern des Landes an die Seite gestellt werden kann.

Mit bestem Erfolge ist 1908 das bescheidenere aus dem Jahre 1555 herrührende Rathaus zu Niederohmen (Text-Abb. 29 u.30) wiederhergestellt. Wohnbachs kleines, dem 18. Jahrhundert angehörendes Gemeindehaus, dessen Mansardendach ein Dachreiter mit reicher Wetterfahne schmückt, zeigt seit 1910 wieder das aufgefrischte Fachwerk des Obergeschosses (Text Abb. 31 u. 32). Die bereits vor Erlass des hessen-darmstädtischen Denkmalschutzgesetzes erfolgten Wiederherstellungen der Rathäuser zu Trebur, Klein-Gerau und Wallerstätten (Taf. 50) sind als drei beachtenswerte Leistungen der Denkmalpflege zu bezeichnen.

Eine vorbildliche Instandsetzung hat auch das Rathaus in Büdingen (Taf. 15 u. Text-Abb. 33 u. 34) erfahren, das in den letzten Jahren im Obergeschoss als landwirtschaftliche Winterschule, im Erdgeschoss als Schafstall diente, im Übrigen aber fast unbenutzt dastand. Hier kam der allgemein empfundene Mangel eines größeren Festsaales den Bestrebungen, den 1458 bis etwa 1500 errichteten Bau, das älteste Rathaus der großherzoglichen Provinz Oberhessen, in würdige Verfassung zu bringen, entgegen. Leider waren bei dem Hause, das im vorderen Teile Massivbau mit Staffelgiebel, auf der Hinterseite Fachwerk zeigt, die hölzernen Fensterumrahmungen und ein Teil der Wandpfosten und Riegel rücksichtslos verändert und zerschnitten worden. Und gerade diese besonderen, aus schwächeren Hölzern gebildeten, mit Kehlprofil versehenen Fensterrahmen waren es. die dem Rathause der an Denkmälern reichsten Stadt Oberhessens in der Geschichte des Holzbaues eine bevorzugte Stelle angewiesen.

Nur noch bei Ortenbergs 1605 errichtetem Rathause (Taf. 53) und bei zwei Profangebäuden Gelnhausens lässt sich in Hessen die eigenartige Fensterbildung nachweisen.

Zum Glück hatte die Entstellung des Fachwerkes noch nicht einen Umfang angenommen, der eine befriedigende Wiederherstellung ausschloss. Und einen besonders günstigen Zufall durfte man es nennen, dass das Haus in den 450 Jahren seines Bestehens von größeren Umbauten frei geblieben war und selbst im Dachstuhl die kurz vor 1500 hergestellten Konstruktionen bewahrt hatte. Ebenfalls als mustergültig aufzuführen ist die Instandsetzung des Rathauses zu Lorsch (Taf. 46), eines reichen Fachwerkgebäudes mit gemauertem Untergeschoss und beschiefertem Giebelturm, das mit dem Rathause zu Heppenheim (Taf. 46) die größte Ähnlichkeit besitzt. Als Kabinettstücke aparter Kleinstadtarchitektur dürfen seit der Wiederherstellung die Gemeindehäuser zu Oberursel und Königstein (Taf. 39) gelten, massive Torbauten mit kleinen Sälen im verzimmerten Obergeschoss.

Ein Prachtbau ist 1910 wieder das aus dem 16. Jahrhundert stammende Rathaus in Seeheim (Taf. 47) geworden, dessen reichen Fachwerkstock an der Giebelspitze ein kleiner Dachreiter krönt. Auch die in den letzten Jahren mit ebenso großer Liebe wie Geschicklichkeit restaurierten Gemeindehäuser zu Pfungstadt, Goddelau, Pfeddersheim, Nieder-Flörsheim und Eichloch können als rechtschaffene Denkmäler vergangenen Kunstsinns und neubelebten Heimatsgefühls genommen werden und die beste Anregung geben für die noch nicht erfolgte, meist mit wenig Kosten zu erzielende Entfernung der störenden Putzschicht bei den Rathäusern zu Nassau, Langenschwalbach, Nastätten und anderswo.
27. Ostheim. Rathaus vor der Wiederherstellung.

27. Ostheim. Rathaus vor der Wiederherstellung.

28. Ostheim. Rathaus nach der Wiederherstellung.

28. Ostheim. Rathaus nach der Wiederherstellung.

29. Niederohmen. Rathaus vor der Wiederherstellung.

29. Niederohmen. Rathaus vor der Wiederherstellung.

30. Niederohmen. Rathaus nach der Wiederherstellung.

30. Niederohmen. Rathaus nach der Wiederherstellung.

31. Wohnbach. Rathaus vor der Wiederherstellung.

31. Wohnbach. Rathaus vor der Wiederherstellung.

32. Wohnbach. Rathaus nach der Wiederherstellung.

32. Wohnbach. Rathaus nach der Wiederherstellung.

33. Büdingen. Rathaus vor der Wiederherstellung.

33. Büdingen. Rathaus vor der Wiederherstellung.

34. Büdingen. Rathaus nach der Wiederherstellung.

34. Büdingen. Rathaus nach der Wiederherstellung.

Tafel 54a Grebenstein

Tafel 54a Grebenstein

Tafel 54b Meerholz

Tafel 54b Meerholz

Tafel 55a Zierenberg

Tafel 55a Zierenberg

Tafel 55b Altenhasslau

Tafel 55b Altenhasslau

Tafel 15b Münzenberg

Tafel 15b Münzenberg

Tafel 39a Königstein

Tafel 39a Königstein

Tafel 39b Oberursel

Tafel 39b Oberursel

Tafel 46a Lorsch

Tafel 46a Lorsch

Tafel 46b Heppenheim

Tafel 46b Heppenheim

Tafel 47a Seeheim

Tafel 47a Seeheim

Tafel 47b Dillenburg

Tafel 47b Dillenburg

Tafel 50a Wallerstädten

Tafel 50a Wallerstädten

Tafel 50b Trebur

Tafel 50b Trebur

Tafel 51a Büttelborn

Tafel 51a Büttelborn

Tafel 51b Birkenau

Tafel 51b Birkenau

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