Erweiterung des Rathauses Hersfeld
Anders, als bei dem kurz vor 1604 begonnenen und allem Anscheine nach erst 1619 beendeten Bau in der frühzeitig selbständigen Stadt Münden lag der Fall in Hersfeld, das lange Zeit der Botmäßigkeit des alten Lullusklosters unterstand, erst allmählich in die Vogteigewalt und schließlich völlig in den Besitz der hessischen Landgrafen überging. Hier befand sich ein Rathaus (Taf. 21), das eine größere Halle nicht mehr besaß, das im Erdgeschoss nur noch eine Mitteldiele mit rückseitig anschließendem Treppenturm (Taf. 22), im Obergeschoss eine massig große Ratsstube und im Übrigen kleine Amtsräume enthielt.
Der Grundriss zeigt, dass hier weniger geredet, als geschrieben wurde, dass hier Verfügungen an die Stelle der Beratungen traten, dass hier nicht der Bürger, sondern der Beamte zu Hause war. Im Äußern stellte sich das dreigeschossige Verwaltungshaus als zweiachsiger Rechteckbau dar, dessen ernste Architektur durch den verdoppelten Ziergiebel eine freudige Belebung erfahren hat. 1612 fügte man dem zwischen zwei Straßenzügen liegenden Gebäude rückseitig einen Winkelflügel an, der sich der Schmalseite bündig anschloss, nach dem Hofe zu ein oberes Fachwerkgeschoss erhielt, nach der Strasse aber, offenbar in Anlehnung an den erst 1600 errichteten Hauptbau, durch einen Volutengiebel bereichert wurde (Taf. 23). Wesentlich für die Beurteilung der Bauaufgabe ist der Umstand, dass der Anbau nicht wie in Marburg untergeordneter Natur war, noch wie in Rinteln an Größe über den Altbau hinausging, sondern in den Massen so gehalten wurde, dass er auf der Außenseite als die Verdopplung der Schmalfront des Altbaues erscheinen musste.
Die Absicht, diese nach dem Kirchplatz gelegene Fassade auf jene wohltuende Symmetrie abzustimmen, die auch die die Hauptfront auszeichnet, ist nicht zu verkennen, aber von einem erfreulichen Selbstbewusstsein des Architekten zeugt es doch, dass er darauf verzichtete, die vorgefundenen Schnörkel unverändert zu wiederholen. In freier Erfindung zeichnete er die Umrisslinie des sonst gleich gebildeten Giebels, wie er sie für schön hielt. Das aber ist wieder das Bezeichnende der Arbeitsweise des richtig empfindenden Künstlers, dass er jede Störung vermied. So fein ist die mit bescheideneren Mitteln arbeitende Komposition des Meisters ausgefallen, dass der Beschauer erst bei näherem Betrachten den Unterschied des Ziermusters gewahrt. Auch dieses Verfahren, Monumentalbauten durch gleichartige aber in den Einzelheiten selbständig behandelte kleine Erweiterungen fortzusetzen, verdient Beachtung in einer Zeit, in der man sich darauf beschränkt, sklavisch zu kopieren oder brutal mit dem Überkommenen zu brechen.
Noch in einem anderen Betracht beansprucht das Hersfelder Rathaus Beachtung. Die ausgezeichnete Wirkung des Baues, der Architekten und Malern gleich lieb geworden ist, beruht nicht allein auf seiner vollendeten Harmonie, sondern auch auf seiner stimmungsvollen Umgebung. Der beschränkte Raum des geschlossenen Marktplatzes gibt dem gar nicht so großen Hause erst den Maßstab. Der Reichtum der Dachbildung kommt voll zur Wirkung, vergleicht man ihn mit den schlichten Giebeln der Nachbarhäuser, deren schmale in Absätzen zurückspringende Fronten dem Platzbilde die passende Kulisse schaffen. Ein günstigerer Hintergrund, als die gotische Stadtkirche, deren Vorhalle, Ostgiebel und Turm in der Lücke zwischen Häuserwand und Rathaus sichtbar werden, ist kaum zu denken. Zu einer stimmungsvollen Einheit gehen die in so ganz verschiedenen Zeiten und zu so ganz verschiedenen Zwecken errichteten Bauwerke zusammen, denen eine gute Architektur die Schönheit und das Alter die Würde verliehen hat. Dieses in Hessen einzigartige Bild ist in Gefahr zu verschwinden. Die Nachbarhäuser sollen fallen. Sie stören den Verkehr. Als ob der Verkehr, dem die Eisenbahn ganz andere Wege gewiesen hat, in der Altstadt jetzt stärker wäre, als im Mittelalter, wo die Kaiser mit Tross und Heeren in Herolfesfeld sich einquartierten, wo die Hörigen aus Hessen und Thüringen mit ihren Wagen zum Kloster St. Simons und Judas gezogen kamen und die Pilger aus ganz Deutschland sich zu den berühmten Reliquien drängten. Der Kirchturm mit der originellen, ganz wie eine moderne Lösung anmutenden Mansardenhaube, das Wahrzeichen der Stadt, soll gotisch ausgebaut werden. Als ob wir noch gotisch bauen könnten. Die Lücke zwischen Rathaus und Häuserreihe soll geschlossen und die kleine Treppe, die seit dreihundert Jahren den bequemen und behaglichen Übergang vom tieferen Markt zum höheren Kirchplatz bildet, beseitigt werden. Allen diesen Absichten, die mehr oder weniger mit einem an Stelle des alten Häuserblocks geplanten Erweiterungsbau des Rathauses zusammenhängen, liegt die beste Absicht zu Grunde. Man will etwas für die Verschönerung der Stadt tun und hat wohl kaum das Bewusstsein, dass man bei dieser Gelegenheit geschichtlich Gewordenes zerstört, das weit über Hessens Grenzen hinaus geschätzt wird und von Jahr zu Jahr wertvoller wird. Aber vielleicht darf doch auf ein berühmtes Beispiel verwiesen werden, das erkennen lässt, wie frühere Zeiten sich mit alten Nachbarhäusern abfanden, wenn es die Erweiterung des Rathauses galt.
Der Grundriss zeigt, dass hier weniger geredet, als geschrieben wurde, dass hier Verfügungen an die Stelle der Beratungen traten, dass hier nicht der Bürger, sondern der Beamte zu Hause war. Im Äußern stellte sich das dreigeschossige Verwaltungshaus als zweiachsiger Rechteckbau dar, dessen ernste Architektur durch den verdoppelten Ziergiebel eine freudige Belebung erfahren hat. 1612 fügte man dem zwischen zwei Straßenzügen liegenden Gebäude rückseitig einen Winkelflügel an, der sich der Schmalseite bündig anschloss, nach dem Hofe zu ein oberes Fachwerkgeschoss erhielt, nach der Strasse aber, offenbar in Anlehnung an den erst 1600 errichteten Hauptbau, durch einen Volutengiebel bereichert wurde (Taf. 23). Wesentlich für die Beurteilung der Bauaufgabe ist der Umstand, dass der Anbau nicht wie in Marburg untergeordneter Natur war, noch wie in Rinteln an Größe über den Altbau hinausging, sondern in den Massen so gehalten wurde, dass er auf der Außenseite als die Verdopplung der Schmalfront des Altbaues erscheinen musste.
Die Absicht, diese nach dem Kirchplatz gelegene Fassade auf jene wohltuende Symmetrie abzustimmen, die auch die die Hauptfront auszeichnet, ist nicht zu verkennen, aber von einem erfreulichen Selbstbewusstsein des Architekten zeugt es doch, dass er darauf verzichtete, die vorgefundenen Schnörkel unverändert zu wiederholen. In freier Erfindung zeichnete er die Umrisslinie des sonst gleich gebildeten Giebels, wie er sie für schön hielt. Das aber ist wieder das Bezeichnende der Arbeitsweise des richtig empfindenden Künstlers, dass er jede Störung vermied. So fein ist die mit bescheideneren Mitteln arbeitende Komposition des Meisters ausgefallen, dass der Beschauer erst bei näherem Betrachten den Unterschied des Ziermusters gewahrt. Auch dieses Verfahren, Monumentalbauten durch gleichartige aber in den Einzelheiten selbständig behandelte kleine Erweiterungen fortzusetzen, verdient Beachtung in einer Zeit, in der man sich darauf beschränkt, sklavisch zu kopieren oder brutal mit dem Überkommenen zu brechen.
Noch in einem anderen Betracht beansprucht das Hersfelder Rathaus Beachtung. Die ausgezeichnete Wirkung des Baues, der Architekten und Malern gleich lieb geworden ist, beruht nicht allein auf seiner vollendeten Harmonie, sondern auch auf seiner stimmungsvollen Umgebung. Der beschränkte Raum des geschlossenen Marktplatzes gibt dem gar nicht so großen Hause erst den Maßstab. Der Reichtum der Dachbildung kommt voll zur Wirkung, vergleicht man ihn mit den schlichten Giebeln der Nachbarhäuser, deren schmale in Absätzen zurückspringende Fronten dem Platzbilde die passende Kulisse schaffen. Ein günstigerer Hintergrund, als die gotische Stadtkirche, deren Vorhalle, Ostgiebel und Turm in der Lücke zwischen Häuserwand und Rathaus sichtbar werden, ist kaum zu denken. Zu einer stimmungsvollen Einheit gehen die in so ganz verschiedenen Zeiten und zu so ganz verschiedenen Zwecken errichteten Bauwerke zusammen, denen eine gute Architektur die Schönheit und das Alter die Würde verliehen hat. Dieses in Hessen einzigartige Bild ist in Gefahr zu verschwinden. Die Nachbarhäuser sollen fallen. Sie stören den Verkehr. Als ob der Verkehr, dem die Eisenbahn ganz andere Wege gewiesen hat, in der Altstadt jetzt stärker wäre, als im Mittelalter, wo die Kaiser mit Tross und Heeren in Herolfesfeld sich einquartierten, wo die Hörigen aus Hessen und Thüringen mit ihren Wagen zum Kloster St. Simons und Judas gezogen kamen und die Pilger aus ganz Deutschland sich zu den berühmten Reliquien drängten. Der Kirchturm mit der originellen, ganz wie eine moderne Lösung anmutenden Mansardenhaube, das Wahrzeichen der Stadt, soll gotisch ausgebaut werden. Als ob wir noch gotisch bauen könnten. Die Lücke zwischen Rathaus und Häuserreihe soll geschlossen und die kleine Treppe, die seit dreihundert Jahren den bequemen und behaglichen Übergang vom tieferen Markt zum höheren Kirchplatz bildet, beseitigt werden. Allen diesen Absichten, die mehr oder weniger mit einem an Stelle des alten Häuserblocks geplanten Erweiterungsbau des Rathauses zusammenhängen, liegt die beste Absicht zu Grunde. Man will etwas für die Verschönerung der Stadt tun und hat wohl kaum das Bewusstsein, dass man bei dieser Gelegenheit geschichtlich Gewordenes zerstört, das weit über Hessens Grenzen hinaus geschätzt wird und von Jahr zu Jahr wertvoller wird. Aber vielleicht darf doch auf ein berühmtes Beispiel verwiesen werden, das erkennen lässt, wie frühere Zeiten sich mit alten Nachbarhäusern abfanden, wenn es die Erweiterung des Rathauses galt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Hessische Rathäuser. Ihre Erhaltung und Entstellung mit 80 Tafeln und 44 Textbildern