Das Rathaus von Butzbach

Endlich sei auch einer jener häufigen Fälle, in denen gar keine Behandlung eines Denkmals die beste Behandlung ist, durch ein Beispiel erläutert. Die gut erhaltene Stadt Butzbach besitzt ein Rathaus aus der Renaissancezeit. In der Rückwand findet sich noch ein Spitzbogenportal.

Die Uhr am beschieferten Giebel nennt das Jahr 1630. Der Innenraum, ursprünglich zwei übereinanderliegende Säle mit je vier noch erhaltenen Holzstützen, wurde im vorigen Jahrhundert im Grundriss und Aufriss vollständig verändert. Die Neueinrichtung kleinerer Amtszimmer in drei Geschossen kam auch auf der nach dem Markt gelegenen Schmalfront in der Anlage von drei Fensterzonen zum klaren Ausdruck (Text-Abb. 36).


Es ist nicht zweifelhaft, dass diese Änderung keine Verbesserung gegen den ursprünglichen Zustand bedeutete. Eine Abbildung aus dem Jahre 1827 (Text-Abb. 35) zeigt einen ansprechenden Mittelerker, zwei monumentale Portale im Erdgeschoss und zierliche Drillingsfenster im Oberstock. Und doch muss der Gedanke abgewiesen werden, die jetzige Verfassung der Front zu ändern. Trotz der großen Schlichtheit wirkt die neue Architektur, die ganz die Sprache einer einfach aber nicht falsch empfindenden Zeit redet, durchaus befriedigend. Weder zu den geschwungenen Umrisslinien des alten Giebels noch zu den ungleichartigen Nachbarhäusern tritt die geänderte Fassade in störenden Gegensatz.

Die enge Sprossenteilung der weiß gestrichenen Fenster und die grünen Läden geben dem Bau, den der Dachreiter als Amtshaus hinreichend kennzeichnet, sogar ein behagliches Aussehen. Haben wir die üppigen Formen der Renaissance verloren, so müssen wir uns hüten, auch noch die sympathischen Bildungen der Biedermeierzeit preiszugeben. Um so weniger haben wir Grund zu ändern, als wir kaum in der Lage sind, etwas Besseres an die Stelle des Vorhandenen zu setzen. Die übergroße Zahl aufdringlicher Neuschöpfungen, die ganz und gar nicht in die Stimmung alter Architekturbilder hineinpassen, mahnt, auch solchen Werken unsere Achtung nicht zu versagen, die auf den ersten Blick wenig herrschaftlich, vielleicht spießbürgerlich oder gar bäurisch erscheinen.
35. Butzbach. Rathaus. Früherer Zustand.

35. Butzbach. Rathaus. Früherer Zustand.

36. Butzbach. Rathaus. Jetziger Zustand.

36. Butzbach. Rathaus. Jetziger Zustand.

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