Das Rathaus in Alsfeld

In den Erkerausbauten noch etwas verwandt mit der Frankenberger Anlage, aber sonst voll Gegensätze ist das aus langer Verwahrlosung zu neuem Glänze erstandene Rathaus in Alsfeld (Taf. 36 u. 37u.Text-Abb. 10), das baugeschichtlich als eine der interessantesten Schöpfungen hessischer Profankunst gelten darf und dessen Eigenart am klarsten durch einen Vergleich mit dem ebengenannten nur fünf Jahre älteren Bau sich ergibt.

Hatte sich das zweigeschossige Haus auf dem geräumigen Marktplatz in Frankenberg in die Länge ausgestreckt, so wuchs auf dem schmalen Markte in Alsfeld das im Grundriss beschränkte Gebäude bis zur Höhe von drei Geschossen. Bot dort der größeren Baufläche entsprechend das Obergeschoss Platz für Bürgersaal, Ratsstube und Schreibzimmer, so musste man hier, weil das erste Stockwerk ganz vom Bürgersaal eingenommen wurde, die Verwaltungsräume in ein zweites Stockwerk verlegen. Auch dadurch unterscheidet sich der Alsfelder Bau von dem Frankenberger, dass der runde Treppenturm nur zur Hälfte vorspringt, dass die Kaufhalle nicht geschlossen, sondern offen ist und dass Umfassungswände und Stützen dieses Raumes nicht in Holz, sondern in Quadern errichtet sind.


Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr das reiche Bauwerk mehr als eine Veränderung. Ihrem Zwecke entfremdet wurden die Innenräume durchgebaut, wobei die alten Architekturteile unter neuen Wänden oder Putz verschwanden. Da der Bürgersaal im ersten Stockwerk seit Erbauung eines eigenen Hochzeitshauses als Festraum überflüssig geworden war, richtete man ihn für Geschäftszwecke ein. Im zweiten Stock, wo die Einteilung zwar die alte blieb, standen die Räume leer, um bei mangelnder Pflege in einen Zustand traurigen Verfalls zu geraten. Die untere Laube wurde in ihren malerischen Bogenstellungen zugesetzt. Gleichzeitig brach man auf der Nord- und Ostseite Fenster und Türen in die massiven Umfassungswände ein. Die Helme der Erker fielen und das freundliche Fachwerk erhielt teilweise Schieferverkleidung (Text-Abb. 11). Schließlich war der alte Prachtbau so heruntergekommen, dass man 1878, als eine größere Instandsetzung nicht mehr hinauszuschieben war, den Abbruch beschloss. Zum Glück kam der Plan nicht zur Ausführung, vielmehr begann man fünf Jahre später mit einer recht verständigen Wiederherstellung, die 1887 Fortsetzung fand. Jetzt ist der Bau, der Stolz Alsfelds, soweit instand gesetzt, dass die Hauptfronten die ursprüngliche Schönheit wiedererlangt haben und, was ebenso erfreulich ist, den Bürgern die Erkenntnis von der Notwendigkeit der Konservierung auch der übrigen Teile gefestigt ist.
10. Alsfeld. Rathaus. Rekonstruktion.

10. Alsfeld. Rathaus. Rekonstruktion.

Tafel 36 Alsfeld

Tafel 36 Alsfeld

Tafel 37 Alsfeld

Tafel 37 Alsfeld

11. Alsfeld. Rathaus, durch willkürliche Änderungen entstellt.

11. Alsfeld. Rathaus, durch willkürliche Änderungen entstellt.

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