Alte Rathäuser und die moderne Zeit

Nur dem Umstande, dass die Mittel zu Neubauten fehlten, ist häufig die Erhaltung der Rathäuser zuzuschreiben. Denn gefallen haben die alten anspruchslosen Bauten nicht mehr so recht, seit die Villa und Mietskaserne ihren Einzug auch in die kleinsten Städte hielten und der entlegenste Ort sein Warenhaus bekam.

Einen Wettbewerb mit diesen aufdringlichen, aus einer Unmenge blendender Surrogate zusammengesetzten und mit einer erdrückenden Fülle stilistischer Motive aufgeputzter Häuser konnten die mit den einfachsten Architekturmitteln und aus den an Ort und Stelle gewonnenen natürlichen Baustoffen erstellten Bauten nicht aufnehmen.


Dank der Heimatschutzbewegung, die den Sinn für die Eigenart der angestammten Erde zu wecken nun schon seit Jahren bestrebt ist, haben sich in der letzten Zeit die Ansichten über den Wert der Denkmäler alter Städtebaukunst doch in weitesten Kreisen erheblich zu Gunsten auch der weniger üppigen Gemeindebauten geändert. Wir erblicken im Fachwerk, Schieferbeschlag, Schindelbehang nicht mehr eine bäurische Mode, sondern eine höchst gesunde Technik, die bei aller Schlichtheit recht wohl den Vorzug malerischer Wirkung besitzen kann.

Jene Dachreiter und Erker, die noch vor wenigen Jahren als simpel galten, werden als Studienobjekte sorgfältiger ins Auge gefasst. Bauten wie die Rathäuser zu Johannisberg (Taf. 13), Münzenberg (Taf. 15), Sontra (Taf. 45), Dillenburg (Taf. 47), Neustadt (Taf. 61), Homberg (Taf. 62), Nastätten (Taf. 62) und Wachenbuchen (Taf. 68) sind seit Kurzem erheblich im Werte gestiegen. Auch die kleinen, sich mit Takt unterordnenden Anbauten, wie wir sie in Marköbel (Taf. 48) oder Weilmünster (Taf. 73) finden, stören nicht mehr.

Der völlig glatte Vorbau am Rathaus zu Bergen (Taf. 63) erscheint uns als eine recht willkommene Belebung der Giebelwand. Das schlichte Nebengebäude am Rathaus zu Wanfried (Taf. 58), das sich kaum über den Begriff eines Stallgebäudes erhebt, möchten wir nicht missen; es bildet mit dem ebenso anspruchslosen Hauptbau, mit dem es durch eine reizvolle Toranlage verbunden wird, eine künstlerische Einheit.

Und wo, wie in Rauschenberg (Taf. 59 u. 60), ein Turmaufbau mit offenem Umgang oder, wie in Hadamar (Taf. 79), eine Laube mit geschnitzten Wangen dem sonst ganz schlichten Kernbau sich anfügt, da hüten wir diese Zutaten nicht nur als stimmungsvolle Erinnerungen alter Zeit, sondern auch als architektonische Sehenswürdigkeiten, die von Jahr zu Jahr wertvoller werden.
Tafel 13a Johannisberg

Tafel 13a Johannisberg

Tafel 15b Münzenberg

Tafel 15b Münzenberg

Tafel 45a Sontra

Tafel 45a Sontra

Tafel 47b Dillenburg

Tafel 47b Dillenburg

Tafel 62a Homberg

Tafel 62a Homberg

Tafel 63a Bergen

Tafel 63a Bergen

Tafel 58 Wanfried

Tafel 58 Wanfried

Tafel 59 Rauschenberg

Tafel 59 Rauschenberg

Tafel 48a Marköbel

Tafel 48a Marköbel

Tafel 61b Neustadt

Tafel 61b Neustadt

Tafel 68b Wachenbuchen

Tafel 68b Wachenbuchen

Tafel 60a Battenberg

Tafel 60a Battenberg

Tafel 79 Hadamar

Tafel 79 Hadamar

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