Abschnitt. 4 - „Um Entschuldigung bitten?“ fragte der Commerzienrath, ...

„Um Entschuldigung bitten?“ fragte der Commerzienrath, dem in dem wärmern Zimmer die Brille angelaufen war, indem er den Kopf niederbog, über die Gläser wegzusehen, „um Entschuldigung bitten –“

„Ich glaubte Sie hätten sich lange zur Ruhe begeben – und wagte deshalb –“


„Ruh’ begeben?“ wiederholte der Commerzienrath und bog sich immer mehr herunter, den Ausdruck in der Wirthin Gesicht zu sehen, „glauben Sie, verehrteste Mamsell, daß man sich überhaupt zur Ruh’ begeben kann, wenn man das ganze Zimmer voll Hunde hat?“

„Voll Hunde, Herr Mahlhuber? – Aber ich bitte Sie um Gotteswillen, wie so denn voll Hunde?“

„Wenn man berechtigt ist“, sagte der Commerzienrath seinen Grimm jetzt an dem mehr zugänglichen Kaffee auszulassen, indem er zum Tisch trat, sich eine Tasse einschenkte und während des folgenden Gesprächs trank, „fast anderthalb Dutzend mit dem Beiwort „voll“ zu belegen, so kann ich verantworten, was ich behaupte; wollen Sie so freundlich sein und mir meine Rechnung geben?“

„Anderthalb Dutzend Hunde? – aber bester Herr Mahlhuber – bitte – 2 Gulden 15 Kreuzer macht das Ganze – anderthalb Dutzend Hunde? – wir haben nur einen einzigen kleinen jungen Pudel im Hause, den der Herr Postmeister vorige Woche erst mit von Bamberg gebracht hat.“

„Einen einzigen?“ rief Herr Mahlhuber entrüstet, indem er das Geld für sein Abendessen und Nachtquartier auf den Tisch legte, „nennen Sie das einen einzigen? – siebzehn, sage ich Ihnen, siebzehn habe ich in dieser einen unglückseligen Nacht mit eigenen Händen unter meinem Bette vorgeholt und aus der Thür geworfen, und – die Alte ist vielleicht noch oben.“

„Siebzehn Hunde?“ rief die Mamsell, das Geld erst überzählend und einsteckend und dann die Hände über dem Kopfe zusammenschlagend, „siebzehn junge Hunde?“

Der Commerzienrath nickte durch die Tasse Kaffee durch, die er gerade an den Lippen hielt.

„Aber wir haben nur einen einzigen im Hause, der allerdings immer da oben liegt und den ich gestern ganz vergessen hatte.“

„Wollen Sie mir meine fünf Sinne und die schlaflose Nacht abstreiten?“ rief der Reisende.

„Ach du mein Himmel!“ rief die Mamsell, der jetzt plötzlich ein Licht über das Ganze aufzugehen schien, „da ist kleine Kröte immer wieder durch das eingeschnittene Loch ins Zimmer gekommen.“

„Was für ein Loch?“ rief der Commerzienrath erschrocken.

„Was der Herr Postmeister hat oben in die Wand schneiden lassen, damit das kleine Thier die Stube nicht verunreinigen soll, wenn die Thür verschlossen wäre.“

„Und Sie haben nur einen Hund?“

„Nur einen einzigen in der Welt.“

„Und da hätt’ ich die kleine infernalische Bestie siebzehn verschiedene male zur Thür hinausgeworfen und jedesmal hinter ihr abgeschlossen, während sie zu dem verdammten Loche wieder hereinkam?“

Die Mamsell wollte etwas darauf erwidern, als in dem Augenblick die heranpolternde Post und das fröhliche Blasen des Postillons sie abrief. Froh vielleicht, einem so unangenehmen Gespräch enthoben zu sein, sprang sie rasch hinaus, nach den neuen Passagieren zu sehen, ob sie vielleicht etwas verlangten, und der Commerzienrath hatte ebenfalls keinen Augenblick Zeit mehr zu verlieren, seine Passage und Ueberfracht zu bezahlen und einzusteigen.

Wie er gerade von dem Hausknecht gefolgt, der seine Utensilien trug, aus der Thür treten wollte, saß der kleine Pudel ihm mitten im Wege und kratzte sich mit dem nur zu gut gekannten Winseln den wolligen Pelz. Der Commerzienrath hob auch in der That schon den Fuß, die kleine Bestie wenigstens in etwas für die schlaflose Nacht auszuzahlen, aber seine angeborene Gutmüthigkeit siegte; tief aufseufzend umging er den sich wenig oder gar nicht um ihn bekümmernden Pudel, der seine Beschäftigung ruhig fortsetzte, und bestieg, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen, den Postwagen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Herrn Mahlhuber’s Reiseabenteuer