Erste Fortsetzung

Bekanntlich gehörten die südlichsten Provinzen dieses Reiches, Schonen, Halland und Blekingen, lange Zeit zu Dänemark, 1332 aber traten sie unter schwedische Herrschaft, und erst 1380 hat Waldemar IV. von Dänemark sie wiedererobert. Der Abfall war folgendermaßen vor sich gegangen. Schon der Dänenkönig Erich Menved (†1319) zerstückelte durch seine mehr auf glänzende auswärtige Eroberungen, als auf die Konzentration des Reiches im Innern gerichtete Politik den dänischen Staat und musste sich die Gunst der einheimischen Großen und die Unterstützung benachbarter auswärtiger Fürsten durch zeitweilige Verpfändung bedeutender Landstriche erkaufen. Noch schlimmer und nachteiliger aber ward dieses System für Dänemark unter seinem Bruder und Nachfolger Christoph II., vorher des Bruders treulosestem Gegner. Nur mit Widerstreben ward dieser auf dem Parlament zu Wiborg 1320 anerkannt, bald trieben ihn seine eigenen mächtigen Freunde in die Enge. Der schon genannte Knud Porse, ein unruhiger Abenteurer, des Königs früherer Spießgeselle, ward als Herzog mit Südhalland belehnt, der Reichsmarschall Ludwig Albrechts Sohn, Graf von Eberstein, im Besitz von Blekingen bestätigt, Hie Lehnshoheit, welche Erich Menved in Pommern und Mecklenburg behauptet hatte, den dortigen Fürsten Preis gegeben. Als aber bei solchem Treiben die Geldmittel nicht ausreichen wollten, eine Reichsschatzung von den Ständen, denen Christoph in dieser Beziehung bei seiner Wahl übertriebene Vorrechte hatte einräumen müssen, abgeschlagen ward, und der König nun zu dem gewaltsamen Mittel griff, die einzelnen Großen aus ihren Pfandschaften zu vertreiben, da empörte sich der Adel. Als Christoph ferner beim Tode des Herzogs Erich von Südjütland (Schleswig) dessen unmündigen Sohn Waldemar unter seine Gewalt zu bringen suchte, wandten sich seine bisherigen Verbündeten, die Holsteiner Grafen, der große Gerhard, Waldemars Oheim, und Gerhards Vetter Johann der Milde, des Königs Halbbruder, gegen diesen. Christoph musste sein Reich meiden, und in dem jungen Herzog Waldemar von Schleswig ward ihm ein Gegenkönig erweckt (1326), der zwar ein Kind war, für den aber Gerhard der Große gebieterisch die Vormundschaft führte. Dass Johann sich bald mit seinem Halbbruder Christoph aussöhnte, Waldemar eine kurze Zeit mit Einwilligung Gerhards zurücktrat, Christoph seit 1330 wieder König hieß, um nach zwei Jahren, geschlagen von Gerhard und flüchtig, zu sterben, und Gerhard, ohne viel um seinen Neffen den Herzog Waldemar sich zu kümmern, Herr von Dänemark blieb, während des gestorbenen Königs Söhne vergeblich vom Auslande her ihre Rechte geltend zu machen suchten — das alles trug nur zu größerer Verwirrung im Lande bei, welche erst nach Gerhards Tode (1340) ihr Ende fand in der Wiedereinsetzung von Christophs jüngstem Sohne Waldemar IV. (Atterdag).

Halb Dänemark, diesseits und jenseits des Sundes, Inseln und Festland, war während dieser Zeit in den Händen der Holsteine r Grafen. So war Johanns Freundschaft 1329 durch die Verpfändung Schonens erkauft, hier regierte als sein Statthalter Eckard Brokdorf. Die Schoninger aber, der Fremdherrschaft müde, wandten sich an den Nachbarstaat Schweden, wo auf noch viel schlimmere Bruderzwiste die scheinbar segensreiche Herrschaft des jungen Magnus, zugleich Königs von Norwegen, gefolgt war. Für 34.000 Mark köln. Silbers wurden 1332 Johanns Ansprüche abgekauft, und Schonen samt den andern südlichen Landschaften ward schwedisch.


Lübeck konnten alle diese Vorgänge und der Wechsel des Regiments auf Schonen natürlich nicht gleichgültig sein, denn eben dort hatten ja die Kaufleute der Ostsee von Alters her ihre Niederlassungen zu Skanör und Falsterbo. In der dem Mittelalter eigentümlichen Weist mischten sich hier die wichtigsten politischen Ereignisse mit den persönlichsten Interessen der einzelnen Handelsleute, und schon die vorher angeführten Notizen liefern dazu die schlagendsten Beweise. Thidemann Güstrow werden die Schulden Knud Porses aus den für seine Gemahlin, die Herzogin Ingeborg, vom Reich Schweden bewilligten Geldern angewiesen, die Lösungssumme für Schonen wird den Bevollmächtigten des Grafen Johann in Lübeck ausbezahlt, und einen Teil derselben bestimmt Johann zur Deckung von früher bei reichen Lübeckern gemachten Anleihen. So wanderte der Gewinn der großen Herren nicht ungeschmälert durch die städtischen und Privatkassen der Hanseaten. Aber sie verloren darüber die Hauptsache nicht aus den Augen, die Sicherung und Erweiterung ihrer Freiheitsbriefe. Mitten in allem Wirrsal halten sie unverbrüchlich au diesen fest, und beuten jede Verlegenheit der Landesgebiete! zu ihrem Vorteil aus, durch die Erfahrung belehrt, dass sie dem guten Willen jener wenig, alles ihrer eignen zähen Hartnäckigkeit zu danken haben. Wo sich im Augenblick nichts gewinnen lässt, sorgen sie mindestens dafür, dass nichts verloren geht, und wahren unter mangelnden äußern Rechtszuständen das geschriebene Recht, den Buchstaben ihrer Pergamente, Ängstlich wird die Kontinuität der Privilegien gehütet, bis sich die Gelegenheit bietet, der so lange getragenen Gewalt das Gewicht ihrer einflussreichen Hilfe, das zwingende Wort der Unterhandlung entgegenzusetzen.
Schon Erich Menved, unter dessen Schirmherrschaft sich die Stadt Lübeck, vom Reich nur schwach geschützt und allein noch nicht stark genug, den mächtigen Nachbarn die Spitze zu bieten, in freier Wahl lange Jahre befand, scheint gegen sein Lebensende, gedrängt durch die Not, beabsichtigt zu haben, Lübecks schonische Privilegien um den wichtigen Zusatz zu erweitern, dass den dortigen Vögten der Stadt bei Lübeckern die volle Gerichtsbarkeit über Leib und Leben, das Recht über Hals und Hand, auf ihren Vitten zustehen sollte. Sein Tod hinderte die Ausführung. Von Christoph II., von Waldemar III. lässt sich die Stadt die alten Freiheiten bestätigen. Kein sorglicher Komptoirchef kann präziser seinen Wechsel zum Accept präsentieren, als diese Kaufherren ihre Briefe dem neuen Herrscher. Erich war am 13. Nov. gestorben, am 2. Dezember bestätigt Christoph noch als Herzog zu Greifswald die Privilegien der Lübecker. Waldemar III. erneuert auf seinem ersten Reichsparlament zu Nyborg in Fünen die Mischen Freiheiten am 14. August 1326, noch einen Tag früher, als er das berühmteste Aktenstück dieses Reichstages ausstellte, die Erteilung des Herzogtums Südjütland als erblichen Fahnenlehns an Graf Gerhard. Als sich Graf Johann seinem vertriebenen Halbbruder Christoph wieder näherte, geschah es unter Vermittlung Lübecks, in Lübeck, und die Gelegenheit ward nicht versäumt, nicht nur die königliche Bestätigung Christophs, zu der ihm seine rasche Flucht aus Dänemark nicht Zeit gelassen, nachzuholen, sondern auch die oben erwähnte Erweiterung der Gerichtsbarkeit sich erteilen zu lassen, am 30. Nov. 1328.

So war denn auch Magnus als Landesherr von Schonen um Bestätigung angegangen. Gerade da die Unterhandlungen über den Verkauf Schonens ihren Anfang nahmen — es war gegen Ende des Sommers, die Zeit des jährlichen Marktes zu Sksnör und Falsterbo — befanden sich die Boten von Lübeck, Rostock, Stralsund und Greifswald beim König Magnus, der eben mündig ward, zu Bohus. Sie klagten über Störung des deutschen Handels in Bergen, aber nur die Lübecker erhielten eine Antwort, die sie zurückwiesen, weil die anderen Städte nicht einbegriffen wären. Die Lübecker hatten zudem zehn große Koggen und vier Sniggen im Sund, um bei dem Aufstand in Schonen, den Kriegsrüstungen der Holsteiner und Schweden, ihren schonischen Markt zu schützen. Aber so wenig sie Abhilfe ihrer Beschwerden über den bergischen Handel erhielten, so wenig drangen sie mit der Anerkennung ihrer schonischen Privilegien durch. Drei Jahre vergingen, ehe sie ans Ziel kamen. Trug König Magnus die Schuld, der als Herr der vereinigten Landschaften, in welchen sich der Haupthandel der Städte bewegte, Schweden, Norwegen und jetzt Schonen, ihren Übergriffen ein Ziel setzen zu müssen glaubte? Oder hat Lübeck die jüngste von Christoph usurpierte Erwerbung der höchsten Gerichtsbarkeit in ihren eigenen Vitten von Magnus erzwingen wollen? Auch später, selbst 1352 in seiner höchsten Bedrängnis, hat Magnus ihnen das Recht über Hals und Hand nicht zugestanden, und Waldemar IV., welcher zwar 1340, da er die Lübecker gebrauchte, seines Vaters Christoph Brief bestätigte, hat 1365, als er wieder Herr von Schonen geworden war, diesen Punkt weggelassen.

Wie dem auch sei, geruht haben die Lübecker inzwischen nicht, und als sich im Jahre 1336 eine günstige Gelegenheit bot, benutzten sie dieselbe in voller Maße. Fürst Albrecht von Mecklenburg hatte des Königs Magnus Schwester Euphemia geheiratet; dieselbe, deren Sohn Albrecht nachher Schwedenkönig werden sollte. In seine Schirmvogtei begab sich die Stadt am 28. Januar 1336, als der Fürst mit seiner Neuvermählten über Lübeck zur Krönung seines Schwagers nach Stockholm reiste. Im Gefolge waren Rudolf, seines Oheims, Herzog Rudolfs von Sachsen, Sohn, der Graf Heinrich (der Eiserne), Gerhards des Großen Sohn, und viele Ritter und Knechte. In See fanden sie Lübecks Boten nach Schweden, Herrn Thidemann Güstrow, des ehemaligen Stockholmer Bürgers Schwiegersohn, und den ihm beigeordneten geschäftstüchtigen ersten Ratsschreiber, Johann den Rothen (Rufus oder Rufi). Die fuhren ihnen voran bis zum Kalmarsund. Dort empfing sie des Königs Mutter, Herzog Porses Witwe, mit großer Freude, und geleitete sie unter Musik nach Kalmar, wo man fünf Tage in hoher Lust verweilte. Dann ging es auf Stockholm. König Magnus mit den höchsten Herren und Frauen des Reichs erwartete hier seine Verwandten und ließ sich von seinem Schwager von Mecklenburg zum Ritter schlagen. Am nächsten Tage begab sich der König mit seiner vor dem Jahr ihm angetrauten flandrischen Gemahlin, Gräfin Blanka von Namur, in die Kirche. Anwesend war in Angelegenheit seines Stiftes, der Freund der Lübecker, der fromme Bischof Engelbert von Dorpat. Ihm zu Ehren verzichteten der Erzbischof Peter von Upsala und die anderen Bischöfe des Reichs auf ihr Vorrecht: Engelbert sang die Messe und weihte und krönte das königliche Paar. In dem neugebauten langen und weiten königlichen Saal erhob sich dann viel Lustbarkeit über Tafel. Nach Tisch ward getanzt und turniert. Der Sachsenherzog und der tapfere Holsteiner und viel einheimische und fremde edle Herren rannten und brachen zahllose Speere. Drei Tage währte das Fest, dann brach der König auf, die deutschen Herren stachen wieder in See, kamen aber erst nach viel Ungemach über Gothland, wo man ihnen mit Proviant und andern Dingen aushalf, mit genauer Not zu Michaelis heim.

Die Mischen Boten jedoch blieben in Stockholm bis Maria Himmelfahrt (15. August), und erlangten nun endlich am 12. August zwei besiegelte königliche Handfesten. Die erste enthielt die Bestätigung ihrer schonischen Freiheiten, mit Ausnahme des Zugeständnisses höchsten Gerichts; die andere die Erlaubnis überall in Schweden zu wohnen und Handel zu treiben, dabei Zusicherung persönlichen Schutzes und Gleichstellung mit den Schweden vor Gericht, schließlich die Befreiung vom Strandrecht an den Küsten von Schweden und Norwegen, Schonen und Halland, Alles in weitestem Umfange.

Die Gesandten hatten aber noch mehr auszurichten. Sie erwirkten am 2. August die Erneuerung eines früheren königlichen Urteils, durch welches lübeckische Bürger zur Entschädigung für weiland im Hafen von Pernau genommene Güter ermächtigt wurden, an aller beweglichen und unbeweglichen Habe des geständigen Empfängers dieser Güter, des Sohnes von dem vorhin genannten, damals verstorbenen Marschall von Schweden, Erenghislo Noekonungsson, sich schadlos zu halten. Endlich galt es, einen langdauernden Zwist mit Knud Porses Familie beizulegen. Die Boten stellten dem König und seinem Rate die Gerechtigkeit ihrer Sache dar, und dieser beorderte einen einflussreichen Ritter, als Obmann den Streit zu vergleichen. Den Boten aber gab er einen frommen Knappen mit, so dass sie ehrbarlich durch sein Reich gen Halland fuhren, wo ihr Hauptwidersacher, Sigwid Ribbing, ein Jüngling tollen Mutes vom Geschlecht Porses, als Hüter des Landes für die unmündigen Kinder des verstorbenen Herzogs auf Schloss Faltenberg saß. Sie wurden fröhlich empfangen, und kurz darauf traf auch des Königs Ritter ein, die Parteien zu verhören. Der Zusammenhang der Sache war aber dieser:

Vor langen Jahren war ein lübeckischer Schiffer, Jacob Lange, samt seinen Befrachtern im Bardafiord in Halland überfallen und seiner Kogge und Ladung beraubt. Dem Bedrängten waren Friesen aus Staveren, der bekannten einst so blühenden Handelsstadt am Eingang in die Zuidersee, zu Hilfe gekommen, die sich gerade mit ihren Schiffen in der Nähe befanden. Ein Kampf entstand, in welchem die Lübecker wieder zu ihrem Eigentum gelangten, von den Stavernern aber dreizehn erschlagen, einer gefangen ward, und auch ein Blutsverwandter des Herzogs Porse fiel. Als dieser nach langen Jahren von den Stavernern zur Genugtuung für den Totschlag 45 Pfund Groschen von Tours erpresst hatte, wandte sich die Stadt Staveren zur Schadloshaltung an Lübeck. Im Jahre 1329 ward am Johannisabend unter Vermittlung Hamburgs öffentlich auf dem Dom daselbst zwischen den beiderseitigen Ratsboten verhandelt, und bei dieser Gelegenheit die obigen Einzelheiten von den Stavernern ausgesagt. Sie verlangten von Lübeck, dessen Bürger die Veranlassung zu ihrer Einmischung gegeben hätten, Ersatz des baren Geldes, ferner der Lösungssumme für den gefangenen Staverner (10 Pf.) und des Wertes einer in Anlass des Kampfes verlorenen Kogge, deren Ladung aus einem Stück Tuch und einem Schiffspart Salz bestanden habe. Der ganze Handel war damals aber schon vierzig Jahr alt, und so ist es begreiflich, dass sich die Kunde davon verdunkelt hatte. Wahrscheinlich waren die Staverner auch erst durch die vor ein paar Jahren erfolgte Erpressung und die Drohbriefe des mächtigen Herzogs, der zu beiden Seiten der Sundeinfahrt auf Samsöe und in Halland saß, veranlasst worden, sich beschwerend an Lübeck zu wenden. Die Lübecker ließen sich vorsorglich sogleich eine Erklärung von Herzog Knud ausstellen d. d. 14. Juli), dass sein Streit mit Staveren sie nichts anginge. In Hamburg, aber gaben sie zu Protokoll, weder den Allen noch den Jungen im Rat sei von der Sache etwas bekannt, und wiesen ganz richtig darauf bin, dass in der langen Zwischenzeit von Staveren aus nie eine Klage oder Forderung in Betreff dieses Handels nach Lübeck gelangt sei. Die anwesenden drei Ratsmänner, Hermann Clendenst, Hinrich Zobber und Siegfried von der Brügge, erboten sich zur Eidesleistung für die Wahrheit dieser Aussage oder zur Stellung von zwölf andern Ratmannen oder des ganzen Rats zu gleichem Zwecke.

Da aber die Staverner dies zurückwiesen, schlugen ihnen die Lübecker ein Kompromiss auf ihren Landesherrn, den Grafen Wilhelm von Holland, Kaiser Ludwigs Schwiegervater, vor. Die Staverner wollten auch das nicht annehmen, und so ging man unverrichteter Sache aus einander. Der Rat von Lübeck wandte sich jedoch trotzdem um Vermittlung an den Grafen, der sich auch sonst als ein den Lübeckern geneigter Herr und besonderer Feind des Strandrechts erwiesen hatte. Graf Wilhelm antwortet ihnen unter dem 20. August aus Quesnoy in Hennegau, er habe mit ihrem Abgesandten, dem Kleriker Gottfried, die Sache besprochen, und bäte sie nur, sich bis zu seiner Rückkehr nach Holland zu gedulden. Bis dahin sollten sie wegen des sichern Geleits ihrer Waren in seinen Landen Holland und Seeland außer Sorgen sein. Der Graf ernannte darauf zu Schiedsrichtern seine Gemahlin Johanna und den Herrn von Vorne und erließ eine förmliche Instruktion für den Gang des Kompromisses. Danach sollte auf dem ersten Termin zu Egmont in Nordholland am 20. März 1330 eine gütliche Einigung zwischen den Boten der streitenden Parteien versucht, im Entstehungsfalle aber den Stavernern vorgestellt werden, dass es billig und gerecht wäre, die Verteidigung der Lübecker in Lübeck anzuhören, da man ihnen die Reise nicht zumuten könne. Die Schiedsrichter sollten dann ihren Boten nach Lübeck senden, dieser die Verteidigung und den Reinigungseid entgegennehmen usw. Das so freundliche Anerbieten des Landesherrn zerschlug sich aber, wie es scheint, an der gereizten Stimmung der beiderseitigen Bürger, zu der die widerhaarige Natur der Friesen ihr gut Teil beigetragen haben mag. Beim Markt zu Falsterbo und anderer Orten wurde heftig über die Ansprüche der Staverner gestritten, diese misshandelt; ein angeblicher lübeckischer Bürger, Claus Grando, nahm Staverner Gut weg, und die Staverner sagten Lübeck auf. Im Jahre 1332 brach der Krieg aus. Lübeck empfängt auf seine Ausschreiben in die niederländischen Häfen und Handelsplätze von allen Seiten Zusicherung der Neutralität, Versprechen der Vermittlung: neun solcher Antwortschreiben liegen vor von Eluis, Utrecht, Briel, Middelburg, Zierikzee, Dortrecht, Zütphen, Harderwyl, Kampen. Der Krieg blieb aber wohl nur bloße Kaperei auf der See und an den gemeinsamen Verkehrsorten, wie z. B. auf Schonen. Dabei vergriffen die Lübecker sich auch an Gütern des Abts von Staveren und seines Neffen Eggebrecht vom Woldricheem, so wie der Stadt Enkhuizen, die Staverner dagegen an dem Gut Hamburgischer Bürger, beide unter der Anschuldigung, dass jene mit ihren Feinden gemeinsame Sache machten. Der Graf Wilhelm von Holland muss indes die Rolle eines Vermittlers dauernd beibehalten haben, denn am 9. August 1332 gestattet er seinen Leuten von Staveren sich nur dann überall in seinen Landen an Lübecker Gut ihres Schadens zu erholen, wenn Lübeck binnen jetzt und kommende Lichtmeß (2. Februar) übers Jahr nicht die Vermittlung des Grafen angenommen hätte. Jedoch schon am 18. Oktober 1333 fällt der Graf als von allen Parteien erwählter Schiedsrichter ein Urteil: die Staverner werden mit ihrer ursprünglichen Forderung abgewiesen, Kriegsschulden soll jeder selbst tragen, und nur für binnen Frieden geschehene Beleidigungen und Beraubungen werden Reinigungseide oder geringe Entschädigungen festgesetzt. Auf den ersten Mai kommenden Jahres sollen diese geleistet, und die Beweisführungen beigebracht werden zu Harlem vor des Grafen Balliv und Rentmeister von Kenemerland und Friesland. Mit Einwilligung des Grafen kompromittierte man schließlich auf die sechs Städte Gent, Brügge, Ypern, Dortrecht, Zierikzee und Middelburg, aus deren jeder zwei Ratsmänner gewählt wurden, welche mit Johann von Heyle als Obmann in Brügge ein Schlusserkenntnis fällten, im Wesentlichen gleichlautend mit dem des Grafen. Die weitläufigen Verhandlungen mit ihren Beitrittserklärungen, Beschickungen der Tagfahrten durch Ratsmitglieder (von Lübeck durch den altern Marquard von Coesfelde) ziehen sich bis in den Mai 1335 hin: noch am 30. Juli werden Beschwerden zweier Bürger von Enkhuizen durch die besiegelten Erklärungen der Führer Lübeckischer Orlogsschiffe erledigt, eine Verhandlung, welche für uns besonderes Interesse hat, weil als Schiffshauptleute lauter Lübecker Bürger genannt werden, von denen aber mindestens zwei (Kule und Dhitmersche) nach Namen oder Siegel als bekannten adligen Geschlechtern angehörig sich erweisen.

Dass dieser langgedehnte Streit für Lübeck so günstig verlief, hatte es zumeist der entschiedenen Unterstützung des Grafen Wilhelm zu danken, den unser alter Chronist mit Nachdruck den edlen Grafen nennt. Er wie sein gleichnamiger Sohn, Bruder der Kaiserin Margaretha, waren Lübecks Bürgern sonderlich gnädig und günstig. Als der Letztere daher am 6. Dezember 1337 auf seinem Zuge nach Preußen durch Lübeck kam, ward er prächtig eingeholt und bis an den vierten Tag stattlich bewirtet.

Kaum aber war der Staverner Streit ausgeglichen, so fing Sigwid Ribbing mit den Lübeckern Händel an, wobei die verjährte Ermordung seines Blutsvetters den Verwand hergab, aber auch andre Misshelligkeiten vorgekommen sein müssen. Die lübeckischen Sendboten gaben dem schwedischen Ritter, der in Falkenberg ihr Obmann sein sollte, klaren und umfänglichen Bericht, so dass es diesem nicht unschwer gelang, den Sigwid von seinem Unrecht zu überzeugen. Zur Bekräftigung ward dann am Tage nach Kreuzeserhöhung (15. September) ein Eintrachts- und Sühnbrief ausgestellt, an welchen Sigwid Ribbing, der Hauptmann Südhallands, Knud Arnwithsen, Paul Arnwithsen, Peter Porse und Claus Skriwer, alle nach ihren Wappen der Porseschen Familie angehörig, zur Beglaubigung ihre Siegel hängten.

Mit so wertvollen Pergamenten, von Sigwid Ribbing reichlich beschenkt, kam Thidemann Güstrow im Spätherbst des Jahres 1336 in der Vaterstadt wieder an, gewiss hoch gefeiert im Rat und bei der Gemeine, viel umringt und befragt von seinen Standesgenossen, den Kaufleuten, die auf Schonen fuhren, seinen eignen schwedischen Verwandten u. A. Wenn die Räume des Ratskellers erzählen könnten, oder die Zusammenkünfte auf der Olavsburg verzeichnet wären, wer weiß, ob wir nicht auch von manchem gewichtigen Wort, manchem derben Spaß vernehmen würden, die dort im Herbst dieses Jahres erklungen sind.

Thidemann Güstrow sollte später noch einmal im Jahre 1344 in Schweden seine Stadt vertreten, nachdem das gute Einvernehmen mit Magnus sich wenige Jahre nach der Stockholmer Übereinkunft wieder getrübt hatte, und häufige Unterhandlungen nötig wurden Als nämlich im Jahre 1340 die schon erwähnte Wiedereinsetzung Waldemars IV. in Dänemark zu Stande kam, begannen nach kurzer Eintracht die nordischen Fehden aufs Neue. Die Städte und König Waldemar hielten zusammen gegen Graf Gerhards Söhne, den holsteinischen Adel und Schweden. Es erfolgen die Kämpfe von Lübecks Toren bis nach den dänischen Inseln und Schonen hin, wobei auch Reichstruppen von Waldemars Schwager, dem Brandenburger Markgrafen Ludwig, und seinem Vater, dem Kaiser, gesandt, sich beteiligen; es erfolgt der Waffenstillstand vom St. Gallentag (13. Oktober 1342), so wie der endliche Friede am 13. Dezember 1343, beide zu Lübeck geschloffen. In beiden Friedensinstrumenten wird Thidemann von Güstrow unter den die Stadt vertretenden Bürgermeistern und ersten Ratsmännern genannt, desgleichen in einer Sühne, am 6. Mai 1345 eingegangen mit dem holsteinischen adligen Geschlecht der Krummendik, das noch länger auf seine Hand die Fehde fortgesetzt hatte. Andere Ratsmänner führten indessen die Unterhandlungen in Schweden selbst. Thidemanns einflussreiche Stellung im Rat war vielleicht Veranlassung, dass er diesmal in Lübeck blieb. Vielleicht ist es ihm zuzuschreiben, dass gerade während des Kriegs die Stadt sich abermals in die Schutzvogtei des Fürsten Albrecht von Mecklenburg begab, der nachher am meisten zur Erreichung des Friedens beitrug. Aber sobald man seiner daheim nicht bedurfte, ging auch er wieder nach Schweden. Es können immerhin äußere Gründe gewesen sein, etwa die doch von ihm zum Heringsmarkt unternommene schonische Reise, welche seine Mitwirkung daselbst herbeiführten. Genug, während noch im Mai 1344 die Ratsmänner Constantin und Gottschalk von Warendorp die Erneuerung des Stockholme r Freiheitsbriefes für den schwedischen Handel, und zugleich mit Stralsunder, Rostocker und Greifswalder Sendboten den Abschluss eines Bündnisses zur Bekämpfung der Seeräuber von Magnus erlangen, ist im Herbst dort wieder Thidemann Güstrow neben demselben Constantin tätig. Drei wichtige Verträge werden geschlossen, am 1. September zu Trelleborg, am 10. und 11. zu Helsingborg. Der erste erneuerte den vor 32 Jahren von Magnus' Vater, Herzog Erich, und dessen Bruder Waldemar den Lübeckern in Bezug auf unbehinderte Schifffahrt im finnischen Meerbusen, auf der Newa und nach Nowgorod erteilten Freiheitsbrief, dessen Wichtigkeit einleuchtend sein wird, wenn man sich erinnert, dass auf dem Verkehr mit Nowgorod der Welthandel der Lübecker beruhte, und andrerseits Magnus, im Besitz der finnischen Küsten, ohne verbriefte Zusage jeden Augenblick diesen Handel zu stören vermochte, zumal in Kriegszeiten, wie sie bei dem schon lange beabsichtigten Zuge der christlichen Schweden gegen die heidnischen Russen (1348 ausgeführt) nur zu bald hereinbrechen konnten. Der zweite Vertrag sicherte allen denjenigen Lübeckern, welche durch Briefe oder authentische Dokumente ihre Anrechte an Einkünften aus dem schwedischen Kupferbergwerke nachweisen konnten, die Wiederherstellung derselben und deren ungeschmälerten Besitz. Dass der Kupferhandel für Lübeck wichtig sei, bedarf noch heute keines Beweises, dass er es damals in weit höherem Grade war, lag natürlich in der den Lübeckern noch nicht erweckten Konkurrenz. Man kann sich durch jede diesen Jahren entnommene Notiz von der Bedeutung des Kupfers für Lübeck überzeugen. Ein Lübecker Johann vom Steen erhält 1322 zur Mitgift seiner Frau einen halben Drittelanteil im schwedischen Berge, wo das Kupfer gegraben wird, und wir werden wohl nicht fehlgreifen, wenn wir vermuten, dass die meisten dieser Anteile mit lübeckischem Gelde angelegt seien. Kupfer ward gleich Geldeswert als Legat vermacht, namentlich auch an Kirchen und milde Stiftungen, so z. B. im Testament des Joh. Castel, des Schwiegersohns von Thidemann Güstrow. Und bei den kaufmännischen Geschäften, welche im Niederstadtbuch verzeichnet sind, stößt man überall auf Kupfer. Der dritte Vertrag bestätigte nochmals den Lübeckern ihre Privilegien insgesamt, sicherte ihren Kaufleuten überall Schutz zu und versprach bei ausbrechenden Feindseligkeiten die Aufsagung des Friedens ein Jahr zuvor. Dasselbe hatten die Lübecker am 8. September dem König verbrieft, mit dem namentlichen Zusatze, keiner dem König feindlichen Seeausrüstung im Travemünder Hafen irgend welchen Vorschub leisten zu wollen. Man braucht nur die nordische Geschichte der nächsten Jahre anzusehen, um auch in diesem Vertrag ein kluges Vorbeugen zu finden, so weit es in so ungewissen Zeiten und bei so schwankenden Charakteren, wie Magnus und Waldemar, überhaupt möglich war. Sollten wir nun fehlgreifen, wenn wir hier wieder die tiefere Kenntnis schwedischer Zustände und die nahe Beziehung Thidemann Güstrows zum schwedischen Handel zwischen den formellen Zeilen der Verträge lesen?

Auch bei dem neuen Geschäft der Goldausmünzung, welche seit dem vielgenannten Privilegium des Kaisers Ludwig vom Jahre 1340 zu Lübeck stattfand und eine eigentümliche Bewegung in die hiesige Kaufmannswelt gebracht haben muss, war Thidemann Güstrow als Kaufmann und als Ratsherr beteiligt. Er, sein Schwiegervater, sein Verwandter Diedrich Buzst (Bruder von Wilhelm, Thidemanns angeheiratetem Neffen) besorgen und vermitteln ansehnliche Goldankäufe. Aber auch als Kämmereiherr finden wir ihn genannt. Ob er neben Anderen (Hinrich von Loen, Johann Pave, dem Ratsherrn Thidemann von Warendorp) auch in solchen Geschäften nach Flandern geschickt ward, lässt sich nicht zur Gewissheit beweisen, da die einschlagenden Münzaufzeichnungen und undatierten Briefe noch der chronologischen Sichtung entbehren. Demnach kann ein Herr Thidemann, von dem es in einem Briefe heißt, dass er die Geschäfte des Rats in Holland nach Wunsch besorgt habe und sich augenblicklich in Tournay aufhalte, um mit Johann Salimben, dem lübeckischen Münzmeister, zu sprechen, eben so gut Thidemann von Warendorp wie Thidemann von Güstrow sein. Jedenfalls aber ersieht man aus den genannten Geschäften die flandrischen Verbindungen des Letzteren, deren er freilich zum Eintausch der nach dem Norden gehenden Waren, Tücher, Wein u. A., so gut wie zum Absatz des nordischen Kupfers, Trans, Holzes, der Felle usw. bedurfte.

Aber noch in einer ganz anderen Eigenschaft, als dieser kaufmännischen, sollte sich der Ratsherr Thidemann bewähren. Bei einem empörenden Missbrauch des Schutzes geistlicher Gerichtsbarkeit, welcher zugleich die Autorität des Rates als höchster Obrigkeit zu gefährden schien, übertrug derselbe dem Thidemann von Güstrow die Führung seiner Sache. Ohne Frage wird sich dieser als Laie rechtskundiger Hilfe bedient haben, da es nicht das altheimische Sassenrecht galt, das er, wie jeder Ratmann seiner Zeit, zu sprechen verstand, sondern die Irrgänge des fremden römisch-canonischen Prozesses. Aber in dem umfangreichen Gerichtsprotokoll (Acta iudicialia), welches in bester Form über alle Verhandlungen aufgenommen ist, blickt aus den vom Anwalt des Rates abgegebenen Schriftstücken so deutlich ein individueller Geist, eine persönliche Entrüstung hervor, dass man schon hierin die Mitautorschaft Thidemanns erkennt und eine unmittelbare Einsicht in seinen Charakter gewinnt. Um so mehr dürfte es gerechtfertigt erscheinen, die Einzelheiten des Vorfalls etwas eingehender zu verfolgen.

Ein namhafter Bürger Lübecks, später Ratsmann, Dethard Sachtelevend, hatte sich mit seinem Neffen Albert von Cleye wegen Erbschaftssachen entzweit. Dethards Schwester Gerburg, war mit Hinrich von Cleye vermählt gewesen, Alberts Vater, der 1338 starb. Die Vermögensverhältnisse der Söhne, des Priesters Dethard, des späteren Subdiakonus Hinrich und des genannten Albert, müssen nicht glänzend gewesen sein. Ihr Oheim dagegen war ein an Grundbesitz reicher Mann, und vielleicht haben seine Neffen sich übergroße Erwartungen von dem aus ihrem mütterlichen Erbteil ihnen zufallenden Vermögen gemacht. Albert von Cleye geriet also mit seinem Oheim in Streit über eine Mauer, welche ihre beiderseitigen in der Mengstraße (vielleicht unter No. 96 und 97) gelegenen Grundstücke trennte, und beide gingen an, 2. September 1344 zu Rat. Unmittelbar vor den Türen des Rathauses in der Breitenstraße begann Albert mit seinem Oheim Zank, bedrohte ihn tätlich, überhäufte ihn mit den ärgsten Schimpfreden und warf ihm namentlich Veruntreuung von 700 Mark silbisch aus seinem Erbgut vor. Der Rat aber legte auf der Stelle den Streitenden während des schwebenden Prozesses Stillschweigen auf bei Strafe von 50 Mark Gold und Verweisung aus der Stadt. Der Rat entschied zu Gunsten des Dethard Sachtelevend, und abermals wiederholte Albert Cleye öffentlich in der Marienkirche vor zahlreich versammelter Menge um Mariä Lichtmeß (2. Febr.) 1346 die Injurien nicht mir gegen seinen Oheim, sondern jetzt auch gegen die Ratsmänner, welche das den Prozess erledigende Dokument (litterae testiminiales) im Auftrage des Rates abgefasst hatten, denen er Fälschung dieses Aktenstückes im Einverständnis mit seinem Oheim vorwarf. Zur Verantwortung gefordert, entfloh er, um der angedrohten Strafe zu entgehen, und ließ sich am 11. März in Genin vom Bischof die niederen Weihen erteilen. Im Vertrauen auf seinen priesterlichen Charakter griff er dann zum dritten Male am Sonntag Oculi (19. März) seinen Gegner in der Marienkirche an vor einer Versammlung von fast 4.000 Männern und Frauen, die zur Anhörung der Messe dorthin gekommen waren. Er begnügte sich nicht mit den früheren Schimpfreden, sondern fügte noch ärgere auf den Rat und dessen Erlass hinzu, den er „ene smartbunten (einen Wisch) nannte. Als ihn ein anderer Bürger, Johann Blekenstede, endlich zur Rechenschaft ziehen wollte, fasste er diesen bei den Haaren, warf ihn zu Boden und benahm sich so gröblich, dass er, unangesehen seinen priesterlichen Charakter, mit dieser Verletzung obrigkeitlichen Befehls die höchste Strafe an Leib und Leben verwirkt hatte.

Aber der Rat, welchem die Grenze geistlichen und weltlichen Gerichts in diesem an Kompetenzstreitigkeiten der Art schon reichen Jahrhundert nur zu wohl bekannt war, hütete sich durch voreiliges Einschreiten sein gutes Recht zu verderben. Obwohl er daher den Übeltäter, auf welchen sich Thidemann Blekenstede, Hinrich und Conrad Papendorp geworfen hatten, leicht hätte in seine Gewalt bekommen können, so ließ er ihn doch durch die Diener der Kirche ruhig abführen. Dagegen belegte er die Habe des Albert von Cleye mit Beschlag und ergriff alsbald die nötigen Maßregeln, am gehörigen Orte, beim Bischof, sich volle Genugtuung zu verschaffen.

Dem Bischof aber, Johann von Mul, darf man gleichfalls die Anerkennung nicht versagen, dass er das Seine tat, einen so offenbaren Missbrauch des Schutzes geistlichen Gerichts mit der gebührenden Strafe zu belegen. Ohne regelmäßige Verhandlung durfte er nicht wohl entscheiden. Aber dass der ganze Prozess laut dem aufgenommenen Protokoll nur drei Monat dauerte (vom 25. April bis zum 27. Juli), während sich ähnliche Streitigkeiten über Jahre hinziehen und nie ohne Berufung nach Avignon ihr Ende finden, liefert den Beweis für das maßvolle Einvernehmen zwischen Bischof und Rat in diesem Falle. Und wem der Termin bis zum Anfange des Verhörs zu lang erscheinen sollte, der braucht sich nur zu erinnern, dass schon das einfallende Osterfest einen natürlichen Aufschub gebot, und dass Bischof und Rat sich doch erst verständigen mussten, abgesehen von der unumgänglich notwendigen Konstatierung des Tatbestandes, den Zeugenverhören und andern Vorverhandlungen. Der Frevler Albert war vom Bischof, welcher die förmliche Anklage des Raths nicht erst abwartete, sogleich gefangen gesetzt und ist während der ganzen Dauer des Prozesses, den seine oben genannten Brüder für ihn führen, trotz wiederholten Protestes seiner Partei nicht freigegeben worden. Überhaupt verlaufen sich die Chicanen, welche diese Partei den Spitzfindigkeiten des canonischen Rechts abzugewinnen sucht, an der gleichmäßigen Haltung des Vorsitzenden Richters: ruhig geschieht, was Form Rechtens ist, in Hinausschiebung der Termine, Fristverstattung u. s. w. aber auch nichts mehr, und so wundert man sich schließlich nicht, beim Endurteil ohne weitere Motivierung den Schuldigen geständig zu finden und bereit die Strafe auf sich zu nehmen.

Am 22. April 6 Uhr Morgens befehlen die beiden Bürgermeister Siegfried von der Brügge und Bertram Heideby dem Ratsdiener Johann Jode, durch herkömmliches Anziehen der Glocke den Rat zu versammeln, und begeben sich dann vom Ratsstuhl in der Marienkirche, wo sie diesen Befehl erteilt hatten, ins untere Rathaus. Hier ernennt der gesamte Rat Thidemann von Güstrow zu seinem Syndikus im vorhabenden geistlichen Prozesse. Thidemann erscheint am 25. April im Domhofe vor dem Bischof und bittet um Verschiebung des Termins für die Anklage auf den 2. Mai. An diesem Tage überreicht der Kläger sein Libell mit den oben ausgeführten Einzelheiten und dem Schlussantrage auf ewige Haft des Schuldigen wegen begangenen Sacrilegiums und Zahlung der verwirkten Buße von 50 Mark Gold an den Rat. Die Gegenpartei, zur Replik auf dem nächsten Gerichtstag angewiesen, liefert diese nicht, sondern eine Reihe formeller, zum Teil höchst unnützer Exzeptionen, welche nur eine Entgegnung von der anderen Seite und somit Verlängerung des Termins bezwecken. Dagegen bringt nun am 9. Juni der Syndikus seinerseits eine fulminante Replik. Die Exzeptionen, deren Ungrund jedoch bis ins Kleinste nachgewiesen wird, seien teils ganz allgemein gehalten, teils unklar, teils albern, teils frech, frivol und aufschieberisch; sie hätten mit dem Recht gar nichts zu schaffen, zumal hier, wo es sich um einen Kriminalfall handle; der Angeklagte fülle damit nur Pergament und Papier, bereichere die Notare und verschwende die Zeit. Ankläger bitte demnach inständigst, dass dergleichen abgeschnitten und Beklagter zur Replik gezwungen werde, damit der Bischof dann gegen ihn verfahre. Das scheint gewirkt zu haben, denn nach zweimal noch verlängertem Termin begab sich am 27. Juli um 8 Uhr der Bischof von seinem Hofe nach dem hohen nordwärts gelegenen Siegel auf dem Marienkirchhofe und nahm hier vor versammeltem Volke Platz, ihm zur Seite der Domprobst Arnold Ketelhot und die Domherren Anton von Plessen, Gebrüder Diedrich und Heimann von Rostock und Johann Duzekop. Albert erscheint, bekennt und schwört Unterwerfung unter das Urteil. Dieses lautet: Einziehung aller seiner Habe und Verbannung aus Stadt und Gebiet innerhalb acht Tagen, mit Androhung ewiger Haft, wenn er sich wieder daselbst betreten lasse. Er schwört Urfehde, seine Brüder stellen Kaution. Dass sie den Streit gegen ihren Oheim nie erneuern wollten, mussten sie am 29. Juli ausdrücklich vor versammeltem Rate erklären.

Noch während dieses Prozesses nimmt Thidemann am 29. April mit den Bürgermeistern das Gelöbnis eines Wehrgeldes von 799 Mark für die erschlagenen Bürger Lubbert Warendorp und Gerke Pole von den holsteinischen Grafen entgegen. Er selbst wird zuerst Bürgermeister genannt am 7. März 1347. Als solcher ließ er im nächsten Jahr den erwähnten Codex des lübischen Rechts durch den Vicar am Dom Helmicus Thymoms zu der Stadt Behuf schreiben, fast das einzige, aber freilich für unsere Rechtsgeschichte höchst wichtige Ereignis, das aus der Zeit seiner letzten Tätigkeit aufgezeichnet ist. Denn nur noch einmal erscheint sein Name in einem öffentlichen Dokument, am 22. Juli 1349, bei Beglaubigung einer der Auszahlungen, welche der deutsche Orden unter Lübecks Vermittlung für das verkaufte Esthland an den König Waldemar leistete. Am 31. Juli 1350 bezeugte er noch das Testament seines Schwiegersohns Johann Castel: am 22. August erlag er selbst dem schwarzen Tode, welcher aus den Ratsverwandten Lübecks so zahlreiche Opfer forderte.

Unter den anderthalb hundert Testamenten dieses Pestjahrs hat sich bis jetzt keines von Thidemann von Güstrow gefunden, aber wir dürfen darum nicht zweifeln, dass er sein Haus bestellt hatte, bestellt auch nach dem frommen Sinne des Jahrhunderts in reichen Legaten an Kirchen, Klöster und Arme. War ihm doch sein Vater Johann, welcher 1327 eine neue Domherrnstelle fundierte, darin mit gutem Beispiel vorangegangen. Nicht minder Johann Geismar, der die Ausführung zum Teil dem Schwiegersohn überließ. Zur Unterhaltung einer von jenem in der St. Nicolaikirche zu Stockholm 1337 gestifteten Kapelle erwarb dieser 1347 am 3. Februar Grundstücke im Dorf Kymmeling in Upland: seine Bevollmächtigten waren Johann Castel und der Priester Ludolf von Gadebusch, welcher Thidemanns Kapellan genannt wird, der den Dienst der Kapelle versehende Vicar. Eine zweite Vicarie stiftete Johann Geismar 1337 zu Marien in Lübeck, für deren Unterhaltung die ganzen Einkünfte von Gneversdorf bestimmt waren nebst 2 Mk. jährlich aus Crumbek, von den letzteren ein Viertel zur Verteilung an die armen Siechen zu St. Jürgen. Endlich verwendeten nach Johann Geismars Willen sein Schwiegersohn und sein Enkel 1347 die Einkünfte der Dörfer Up dem Velde auf Pöl und Poppekendorp in Hoenwentorp bei Wismar zur Gründung zweier anderen Vicarien an Marien.

An einer die letzte Stiftung betreffenden Urkunde hängt auch das runde Siegel Thidemanns (abgebildet: Lüb. U. B. II. T. 2, 10). Es hat einen gelehnten gespaltenen Schild, dessen rechte Hälfte einen gefiederten Vogelfuß zeigt, während die linke viermal quergestreift ist; darüber einen Helm mit Helmdecke und einem Federbusch besteckt, vor dem letzteren ein mit vier Quasten versehenes Kissen.

Solch ritterliches Wappen führte damals ein Lübecker Ratsmann. Ihre Grabsteine aber, von denen leider die meisten vertreten sind und längst anderen Zwecken gedient haben, zeigen in christlicher Demut das einfache Familienwappen oder auch nur die schlichte Inschrift: Anno Domini obiit..., mit dem nie fehlenden Schluss: Orate pro eo.