Aufbereitet und zugesandt von Ulrich Goerdten

Hela

aus der National-Zeitung, Sonntagsbeilagen vom 1., 8. und 15. Januar 1899
Autor: Trojan, Johannes (1837-1915), Erscheinungsjahr: 1899
Themenbereiche
Aus dem I. Abschnitt

Von früher Kindheit an, bis ich meine Heimath verließ, habe ich die Halbinsel Hela vor Augen gehabt. Von der Hügelkette aus, an die sich die Stadt Danzig anlehnt, sah ich sie bei klarem Wetter den Horizont begrenzen, wobei ihre höheren Theile, Heisternest mit der Kirche und das Dorf Hela mit seiner Kirche und seinem Leuchtthurm als besondere Merkzeichen hervortraten. Für mich aber war damals Hela ein Märchenland und unerreichbar. Denn von dem Seestrande bei Danzig ist der Ort Hela in gerader Linie vier deutsche Meilen entfernt, und eine solche Fahrt auf einem gebrechlichen Segelfahrzeug zu machen, erschien als ein recht bedenkliches Unternehmen. Wollte man aber zu Lande nach Hela kommen, so waren es rund vierzehn deutsche Meilen Weges, und die Wege wurden als furchtbar geschildert. daran war also auch nicht zu denken.
Indessen bekam ich doch als Kind schon allerhand über Hela zu hören, wenn ich im Winter in meinem Eckchen saß und lauschte, was die Großen redeten. Oft bedauert wurde der Pfarrer des Dorfes Hela – es ist die einzige protestantische Pfarrstelle der Halbinsel – weil seine Stelle für eine der schlechtesten im Lande galt und er außerdem so vereinsamt unter den Fischern dasaß. Im Sommer schon war der Ort schwer zu erreichen, im Winter aber manchmal Wochen hindurch unerreichbar. Dann kam es vor, daß die Leute auf Hela, die auf dem Dünensande dort kein Brodkorn bauen können, in Noth geriethen. Ich erinnere mich noch daran, daß ihnen einmal von Danzig aus zu Schiff Lebensmittel zugeführt wurden, um sie vor Hunger zu bewahren. Das ist in älterer Zeit mehrfach vorgekommen. Ich erfuhr aber als Kind auch schon, daß die Bewohner Leute von eigener Art und die Kassuben unter ihnen, welche die Mehrzahl bildeten, noch tief im Aberglauben befangen wären. Denn 1837, in meinem Geburtsjahre, war noch von den kassubischen Bewohnern von Ceynowa auf Hela eine Hexe ertränkt worden. Das fand ich, als ich davon hörte, empörend und ganz verkehrt, denn wir hatten eine alte Gartenfrau, die, wie behauptet wurde, auch hexen konnte. Gerade deshalb aber schätzten wir sie hoch, denn durch die schwarze Kunst, auf die sie sich nach der Meinung des gemeinen Volkes verstand, hielt sie die Diebe von unserm kleinen Grundstück vor der Stadt fern.
Wie es aber bei der Ertränkung der Hexe von Hela zuging, habe ich erst in dem letzten Sommer erfahren. ... weiter

Johannes Trojan

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