Heiße Bäder.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1921
Autor: Dr. med. Adolf Stark, Erscheinungsjahr: 1921

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bad, Wirkung, warmes Wasser, kaltes Wasser,
Wer an heißen Sommertagen an sich erfahren hat, wie wohltuend und erfrischend ein Bad im kühlen Fluss wirkt, der wird leicht auf den Gedanken kommen, dass die Bewohner heißer Gegenden große Verehrer des kalten Bades sein müssen. Das ist jedoch ein Trugschluss. In den heißeren Erdstrichen bevorzugt man nicht das kalte, sondern das warme, ja das heiße Bad.

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Dieser Gebrauch ist schon uralt. Bis in unsere Zeiten haben sich Reste der ausgedehnten und luxuriös eingerichteten Warmbadeanstalten, Thermen genannt, erhalten, welche in keiner größeren römischen Stadt fehlten. Man hielt das Baden für so wichtig, dass der Besuch dieser Einrichtung jedermann unentgeltlich freistand. Im Orient, der im allgemeinen viel heißer ist als unsere Gegenden, gehört das tägliche warme Bad noch heute zur öffentlichen Gesundheitspflege. In Japan sind heiße Bäder bei allen Schichten der Bevölkerung im Gebrauch, und man badet öffentlich vor aller Augen. Das japanische Haus liegt zur warmen Jahreszeit offen da. Die beweglichen, mit Papier bespannten Wände werden zur Seite geschoben, um der Luft möglichst freien Zugang zu schaffen; so spielen sich alle Vorgänge offen ab. Was bei uns sittlichen Anstoß erregen würde, nimmt der Japaner harmlos. Nur in den großen Städten hat sich das Verhältnis in neuerer Zeit geändert. In der Provinz baden beide Geschlechter gemeinsam öffentlich. So kommt es auch, dass man die Badebottiche vor den Häusern auf der Straße findet. Da man diese unbekümmerte Art des Badens von frühester Jugend an gewöhnt ist, begreift niemand, dass der Europäer dies unschicklich findet.

Auch bei Naturvölkern, die sich im Allgemeinen vor dem kalten Wasser scheuen und vom Baden im Fluss oder Meer nichts wissen wollen, selbst wenn sie es noch so nahe und bequem haben, mich bei solchen Völkern sind verschiedene Formen des heißen Bades beliebt.

Diese Tatsachen regen zum Nachdenken an. Einrichtungen, die sich zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ausgebildet haben, verdanken ihr Bestehen meist der Erfahrung. Wenn in heißen Gegenden das heiße Bad dem kalten vorgezogen wird, so muss dies nicht ohne Grund geschehen, da dem jederzeit bereiten und kostenlosen Kaltbad das teuere, oft nur in der Badeanstalt gebotene Heißbad doch nur dann vorgezogen wird, wenn dessen Wirkung als angenehmer empfunden wurde.

Wie wirkt nun ein heißes Bad auf den Körper? Zwei Umstände sind dabei zu beachten: die Wirkung des Wassers, und die der hohen Temperatur.

Unser Körper ist in der Regel von Luftumgeben; taucht er in Wasser, so tritt an Stelle der Luft eine Flüssigkeit, die sich von ihr durch größere Schwere und bessere Wärmeleitung unterscheidet. Die größere Schwere des Wassers bewirkt vor allem ein Leichterwerden des Körpers. Da die Muskeln in ihrer Leistungsfähigkeit gleich geblieben sind, ruhen sie im Bade aus, weil sie nur in geringerem Maße in Anspruch genommen werden. Dabei übt der im Verhältnis zum Luftdruck gesteigerte Wasserdruck eine Art allgemeine Körpermassage aus. Diesen beiden Umständen ist die erfrischende Wirkung des Bades nach großen Anstrengungen, beispielsweise weiten Märschen, vorzugsweise zuzuschreiben, wozu allerdings noch einiges andere kommt: die Reinigung der Haut von den Ausscheidungsprodukten, die Entfernung des Staubes und die Eröffnung der Poren, sowie die Verbesserung der Hautatmung.

Im heißen Bade kommt nun noch die Wirkung der erhöhten Temperatur dazu. Es wäre falsch, wollte man etwa die Temperatur des Wassers und der Luft einander gleichstellen in ihrer Einwirkung auf den menschlichen Körper. Eine Lufttemperatur von 20 Grad wird als behaglich empfunden, während Wasser von 20 Grad relativ kalt ist. Eine Lufttemperatur von Blutwärme, also 37 Grad, ist auf die Dauer unerträglich heiß, während ein Bad von Körperwärme als angenehm warm empfunden wird. Anderseits können, besonders bei trockener Luft, Temperaturen, von 70 und 80 Grad, zum Beispiel im Heißluftraum des Schwitzbades, ganz gut längere Zeit vertragen werden, während ein Wasser von dieser Temperatur gefährliche Verbrühungen verursacht. Die Temperatur allein kann eben nicht in Betracht gezogen werden, es müssen auch noch andere physikalische Eigenschaften, besonders die Wärmeleitung, beachtet werden. Nehmen wir ein Bad, welches heißer als 37 Grad ist, so wird dem Kör-per keine Wärme mehr entzogen, sondern solche, wenigstens im ersten Augenblick, zugeführt. Es tritt also anfangs eine Wärmestauung ein. Das Blut strömt kräftiger, die Herztätigkeit wird lebhafter, es tritt ein allgemeines Gefühl der Behaglichkeit ein.

Ist nun die Temperatur des Bades bedeutend höher als die des Körpers, so ändert sich dies Verhalten bald, da die Überhitzung des Innern — nicht so sehr durch das heiße Wasser als vielmehr durch das Unvermögen, die erzeugte Körperwärme abzugeben — Erscheinungen hervorruft, die als unangenehm empfunden werden. Der Atem wird kürzer und schwerer, der Puls voller, die Herztätigkeit kräftiger, das Blut strömt nach dem Kopfe, der allein aus dem heißen Wasser hervorragt, es tritt heftiger Schweiß im Gesicht auf, Pulsieren in den Kopf- und Halsadern, Flimmern vor den Augen, schließlich sogar Ohnmacht.

So lange aber wird im Orient das Heißbad nicht ausgedehnt. Nach kurzer Dauer wird es unterbrochen, sobald die ersten dieser Erscheinungen auftreten. Die Folge ist eine starke Abgabe von Wärme, und zwar in Form des Schweißes aus dem überhitzten Körper. Das sonst eintretende Gefühl des Fröstelns an der kalten Luft wird dadurch verhindert, dass gut geschulte Badediener den Körper sofort zu reiben und zu kneten beginnen.

Die Wirkung des warmen Bades ist eine Entgiftung des Körpers durch starken Schweißausbruch, aber auch, da die erhöhte Tätigkeit der Schweißdrüsen noch lange Zeit anhält und Schweiß bekanntlich das natürliche Abkühlungsmittel des Körpers ist, ein Gefühl der Behaglichkeit, wie es kalte Bäder nur vorübergehend spenden.

Japanerinnen im warmen Hausbade.
Ruinen eines altrömischen Bades: Mittelsaal der Caracallathermen in Rom.

Bademode um 1900 am Ostseestrand

Bademode um 1900 am Ostseestrand

Badefreuden um 1890

Badefreuden um 1890

Bademode und Bakarren um 1900

Bademode und Bakarren um 1900

Ruinen eines altrömischen Bades, Mitelsaal der Caracallatherme in Rom

Ruinen eines altrömischen Bades, Mitelsaal der Caracallatherme in Rom

Japanerinnen im warmen Hausbade

Japanerinnen im warmen Hausbade