Das Essen.

Durch Speise muss täglich ersetzt werden, was an trockener Substanz verloren geht, durch Trank, was an flüssiger, aber es muss Rücksicht genommen werden auf die Quantität, die Qualität, auf Zeit und Ordnung. Solche Speise muss gewählt werden, die nicht zu schwer ist und gute Säfte erzeugt, denn wenn der Körper von schlechten Stoffen ernährt wird, wird er selber schlecht. Aus Speisen von guter Beschaffenheit wird gutes Blut, aus schlechten Speisen schlechtes. Es gibt aber verschiedene Arten von Speisen, die einen sind leicht, andere sind mittelmäßig, andere schwer, die leichten erzeugen leichtes Blut. Solche Speisen sind junge Hühner, die gut gefüttert worden, Eier, gutes Getreide und frisches Schweinefleisch; zur zweiten Klasse gehören Lammfleisch, Widderfleisch, Hammel- und Kalbfleisch. Schwere Speisen sind gut für Leute, die an sich warm sind und schwere Arbeiten verrichten müssen. Solche Speisen sind Ochsenfleisch, Fleisch von der Kuh, vom Schwein, vom Hasen, vom Hirsch und von anderem Wild, das auf der Jagd gewonnen wird. Man meint, dass Wild gesunder ist als Fleisch von Haustieren.

Damit Ihr nun aber wisst, welche Speisen leicht zu verdauen sind und welche schwer, will ich die einzelnen durchgehen. Leicht zu verdauen sind: Trauben, Feigen, süße Mandeln, Lattich, Eppich, gekochte Gerste, frisches Schweinefleisch, junge Hühner, Rebhühner, Turteltauben, Eier von Geflügel, Fische, welche an felsigen Orten sich aufhalten, Vögel usw. Schwer zu verdauen sind ungesäuertes Brod, Bohnen, Linsen, Erbsen, Quitten, Kastanien, Haselnüsse, Oliven, Gurken, Stangenkohl, Pilze, Kopfkohl, Bockfleisch, Ochsenfleisch, Fleisch vom Hirsch, harte und schleimige Fische, Vögel, die sich in Sümpfen oder stehenden Gewässern, oder an binsenreichen Orten aufhalten, Enten, Gänse, Kraniche, Pfauen, Krebse, ebenso einzelne Teile von Vögeln, wie der Kropf, die Leber, die Milz, Nieren, Magen, Eingeweide; frischer und alter Käse. Mandelmilch mit Zucker soll auf keinem Familientische fehlen. Ebenso ist Ziegenmilch mit Zucker und Fenchel, auf nüchteren Magen genommen, alten Leuten sehr zuträglich. Zucker an sich ist warm und feucht, er kräftigt, befördert die Verdauung, purgirt und ist dem Magen zuträglich. Der übermäßige Genuss aber verstopft nach Aben-Zoar, oder bewirkt leicht Durchfall. Das Gelbe vom Ei ist sehr leicht und geht fast vollständig in Blut über. Vorzüglich ist auch Schweinefleisch, welches die Mitte hält zwischen warm und feucht und die übrigen Fleischsorten an Nährkraft übertrifft, aber dennoch, weil es schleimig ist, nicht Allen gleich gut bekommt. Es hat eine große Aehnlichkeit mit dem menschlichen Fleisch. Das Hirschfleisch ist zwar schwer zu verdauen, ist aber ungemein wirksam gegen Gifte, ausgenommen der Schwanz, der selber giftig ist. Ich wenigstens habe an mir die Erfahrung gemacht, dass das Fleisch von jungen Hirschen hilft, und auch in anderer Beziehung ist es zuträglich, namentlich denen, die eine gute Verdauung haben. Die Hörner von Hirschen, wenn sie noch zart und erst frisch hervorgewachsen sind, sind Speisen der Fürsten und wirksam gegen schädliche Einflüsse, ebenso auch der Knochen, welcher im Herzen des Hirsches wächst. Von Fischen nimmt man die kleinen, die sich auf felsigen Gründen aufhalten, die mit Schuppen versehenen, die nicht zäh sind, in Flüssen und reinem Wasser schwimmen. Große Fische sind ungesund. Ich habe am liebsten den Hecht, Aal aber und Karpfen sind nicht gesund, sondern bringen Schaden. Jedes Fett ist nachteilig, am meisten das von Fischen. Alles, Fleisch sowohl wie Fische, nehmen, wenn sie gebraten, eine gewisse Wärme und Trockenheit an und ernähren besser, als wenn sie gesotten sind. Euer Brod sei aus Weizenmehl, gut gebacken und nicht ganz ohne Kleie, aus frischem Getreide, nicht zu alt, wenigstens nicht älter, als drei oder vier Tage. Der Genuss warmen und frischen Brotes ist schädlich, die Krume von warmen Brod in Wein getaucht und an die Nase geführt ist nützlich. Es erfrischt das Herz und belebt den Geist Die Kruste des Brotes ist denen zuträglich, die viel Flüssigkeit im Magen haben. Brod in zu großer Menge genossen, ist schädlich nach dem gewöhnlichen Sprichwort: Jede Überfüllung des Magens ist schlecht, die mit Brod aber die schlechteste. Salz ist kalt und trocken, gibt den einzelnen Gerichten Geschmack, macht Appetit, aber in zu großer Menge ist es schädlich, weil es das Blut verbrennt, das Auge schädigt und Krätze erzeugt. Milch ist warm und feucht, sie kommt dem menschlichen Körper in ihren Bestandteilen am nächsten, und ist gut für Kinder und Greise. Im Fieber soll man keine Milch geben. Was nun die Früchte betrifft, meine Söhne, so möchte ich Euch deren Gebrauch ganz und gar verbieten, denn sie bringen mehr Schaden als Nutzen, allenfalls könnt Ihr reife Trauben essen am morgen früh, ehe Ihr irgend etwas Anderes genossen habt. Man mischt sie auch beim Kochen den Speisen bei, um diesen einen besseren Geschmack zu geben; wie man es auch mit den übrigen Früchten macht, denn auf diese Art verlieren sie ihre schädlichen Eigenschaften. So lange Ihr aber gesund und wohlauf seid, esst die Speisen, auf die Ihr den größten Appetit habt, allerdings mit Maßen, denn die Speisen, die man mit Appetit isst, bekommen am besten; der Magen nimmt sie gerne auf und verdaut sie leicht Umgekehrt sind solche Stoffe schädlich, welche er nicht mag. Die Menge der Speisen und des Trankes muss so bemessen sein, dass die angeborene Wärme erhalten bleibt und nicht wegen Mangels an Nahrung erlischt, nicht aber andererseits wegen zu großer Menge geschädigt wird, denn wer zu wenig Speise zu sich nimmt, verzehrt seinen eigenen Körper und schwächt seine Kraft, wer zu viel isst, legt den Grund zu Fäulnis und Verstopfungen. Einen Excess aber bemerkt man daran, dass der Atem, Puls, Harn und die Entleerungen sich ändern. Man soll nur soviel Speise und Trank zu sich nehmen, wie der Magen leicht verdauen kann, dass die Kräfte wiederhergestellt, nicht geschädigt werden. Wir müssen so viel essen, dass wir satt werden, und so viel trinken, dass wir unsern Durst stillen. Das Streben, die Gesundheit zu erhalten, besteht nach Hippokrates darin, dass man sich nicht ganz satt isst und Lust zur Arbeit da ist. Ganz gut scheint auch das gewöhnliche Sprichwort: Es gehen mehr Leute durch den Rausch zu Grunde als durch das Schwert, und der Schlund allein ist die Mutter beinahe aller Krankheiten, und durch ihn wird das Leben oft abgekürzt. Den Hunger stillen die Speisen, den Durst der Trank, Gierigkeit in beiden erzeugt Ekel. Ihr sollt nicht leckerhaft sein, auch müsst Ihr nicht mehr Speise, als die Natur verlangt, nehmen, doch ist es gefährlicher etwas zu wenig zu essen, als etwas zu viel; denn es kommt vor, dass wenn Ihr reichlicher Speise zu Euch genommen habt, Ihr sie in etwas längerer Zeit verdaut, oder wenn es doch zu viel war, Ihr die Überfüllung durch Fasten heilen könnt. Erinnert Euch übrigens, dass alles Zuviel nichts taugt, dass der Lohn der Maßigkeit aber Kraft und Gesundheit ist. Wie in allen anderen Dingen, so muss auch beim Essen und Trinken die Ordnung nicht gestört werden. Das Leichte und das flüssige, das Feuchte, überhaupt die Speisen, die leicht verdaut werden können, werden vor dem Schweren, Harten und Kompakten genommen, damit nicht die letzteren den flüssigen den Ausfluss in den Darm versperren und in Verderbniss übergehen, wie der Vers lautet: „Nimm vor dem Kalten das Warme und vor dem Harten das Weiche.“ Zweimal am Tage ist Essenszeit, aber wenn Ihr noch nicht das mannbare Alter erreicht habt, könnt Ihr drei- oder viermal am Tage Speise zu Euch nehmen, ebenso ist dies für gallensüchtige und ganz alte Leute zuträglich. Bestimmte Stunden für das Mittags- oder Abendessen festzusetzen, halte ich nicht für richtig wegen der öffentlichen und privaten Geschäfte, denn da Ihr auf Reisen und auf der Jagd nicht immer für den Körper sorgen könnt, und Ihr genötigt werdet, die Zeit des Mittags- und Abendessens zu verschieben, so ist es besser. Ihr weicht in dieser Beziehung von den Vorschriften der Ärzte ab, die eine bestimmte Zeit für die Mahlzeiten innegehalten haben wollen. Die passendste Zeit zum Essen ist wenn die Verdauung vollendet ist, was der Hunger anzeigt, und man soll nie eher Speisen in den Magen einfühlen, bevor die Verdauung vollendet ist. Haltet Euch nicht zu lange beim Essen auf, sondern lasst zugleich alle Gerichte vor Euch aufstellen, und was Gaumen und Magen am meisten zusagt, davon esst. Kaut Alles sorgfältig, bevor Ihr es herunterschluckt. Nach dem Mahle ruht Euch, oder geht gemächlich spazieren. Die Abendmahlzeit kann etwas reichlicher sein, als das Mittagsmahl, wenn Ihr noch im jugendlichen Alter seid, anders wenn Ihr an Alpdrücken und an Schnupfen leidet. Trockene Speisen und die weichen Nahrungsmittel sollen den Getränken an Gewicht gleichkommen. Zwischen dem Essen trinkt oft, aber wenig, zwischen Mittags- und Abendmahlzeit gar nicht, das unterstützt die Verdauung. Für Gallensüchtige und Kinder gilt die Vorschrift nicht so streng. Zwischen den zwei Mahlzeiten muss wenigstens ein Zwischenraum von sechs Stunden sein, damit in dieser Zeit die Verdauung beendet werden kann. Im Winter ist es besser warme Speisen zu genießen, im Sommer kalte.